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Читать книгу: «Wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen», страница 44

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Wärmland und Dalsland

Mittwoch, 5. Oktober

Am nächsten Tag, als die Wildgänse ausruhten und Akka ein wenig abseits von den andern weidete, benutzte der Junge die Gelegenheit und fragte sie, ob es wahr sei, was Bataki gesagt hatte. Und Akka konnte es nicht leugnen. Da mußte Akka dem Jungen hoch und teuer versprechen, das Geheimnis dem Gänserich Martin niemals zu verraten; denn der große Weiße war tapferer, edelmütiger Natur, und der Junge fürchtete, es könnte ein Unglück daraus entstehen, wenn er die Bedingung des Wichtelmännchens erführe.

Jetzt saß der Junge traurig und schweigsam auf dem Rücken des Gänserichs; er ließ den Kopf hängen und hatte gar keine Lust, sich umzuschauen. Er hörte, wie die Wildgänse den jungen Gänsen zuriefen, jetzt flögen sie nach Dalarna hinein, und jetzt könne man den Städjan droben im Norden sehen, und jetzt flögen sie über den östlichen Dalälf, jetzt hätten sie den Horrmundsee erreicht – und jetzt hätten sie das Tal des westlichen Dalälfs unter sich; aber der Junge mochte nichts von allem dem ansehen.

„Ich werde ja wohl mein Leben lang mit den Wildgänsen umherziehen müssen und bekomme also noch mehr als genug von diesem Lande zu sehen,“ dachte er.

Es ermunterte ihn auch nicht, als die Wildgänse riefen, jetzt hätten sie Wärmland erreicht, und der Fluß, dem sie südwärts folgten, sei der Klarälf. „Ich habe schon so viele Flüsse gesehen,“ dachte er, „und brauche mir also nicht die Mühe zu nehmen, noch einen zu betrachten.“

Aber wenn der Junge auch mehr Lust gehabt hätte, sich umzusehen, wäre es doch kaum der Mühe wert gewesen, denn im nördlichen Wärmland gibt es nichts als große, einförmige Wälder, durch die sich der Klarälf schmal und schäumend hindurchschlängelt. Da und dort sieht man einen Kohlenmeiler, einen Brandplatz, wo früher ein Meiler gestanden hatte, oder einige niedrige Hütten ohne jeden Schornstein, in denen die Finnen wohnen; aber im allgemeinen steht der weite Wald so unberührt da, daß man meinen könnte, man befinde sich hoch droben in Lappland.

Die Wildgänse ließen sich auf einem solchen Brandplatz am Ufer des Klarälf nieder; und während die Vögel von der eben hervorsprießenden frischen Wintersaat in der Nähe weideten, hörte der Junge helles Lachen und lautes Reden aus dem Walde herausdringen. Das Ränzel auf dem Rücken und die Axt über der Schulter kamen sieben große starke Männer des Weges daher. An diesem Tage sehnte sich der Junge ganz unbeschreiblich nach Menschen; er war daher ganz beglückt, als diese sieben Arbeiter die Ränzel vom Rücken nahmen und am Flußufer Rast machten.

Sie unterhielten sich äußerst lebhaft miteinander, und der Junge lag hinter einem Erdhaufen, voller Freude darüber, Menschenstimmen zu hören. Er erfuhr bald, daß diese Männer Wärmländer waren, die sich auf dem Wege nach Norrland befanden, wo sie sich nach Arbeit umsehen wollten. Es waren fröhliche Menschen, die viel zu erzählen wußten, denn sie hatten an den verschiedensten Orten in Arbeit gestanden. Aber während sie sich nun so eifrig unterhielten, sagte einer ganz zufällig, er sei jetzt in allen Teilen von Schweden gewesen, aber keiner habe ihm so gut gefallen, wie die Nordmark droben im westlichen Wärmland, wo er daheim sei.

„Ich stimme ganz mit dir überein, wenn du nur anstatt Nordmark Fryksdal sagst, wo meine Heimat ist,“ fiel einer von den andern ein.

„Ich aber bin aus dem Bezirk Jösse,“ sagte ein dritter, „und ich versichere euch, dort ist es noch viel schöner als in der Nordmark und im Fryksdal.“

Nun kam es heraus, daß alle diese sieben Männer aus den verschiedenen Teilen von Wärmland waren, und daß jeder seine Heimatgegend für besser und schöner hielt als die der andern. Sie stritten sich ein wenig, aber keiner konnte den andern von der Richtigkeit seiner eigenen Behauptung überzeugen. Es sah fast aus, als würden sie sich schließlich im Ernst entzweien; doch da kam ein alter Mann mit langem, schwarzem Haar und kleinen, zwinkernden Augen des Wegs daher.

„Was gibts, ihr Leute? Warum streitet ihr euch denn?“ fragte er. „Ihr schreit ja, daß es nur so durch den Wald schallt.“

Einer der Wärmländer wendete sich rasch an den Neuangekommenen und sagte: „Da du hier so hoch droben durch den Wald wanderst, bist du wohl ein Finne?“

„Ja, das bin ich,“ erwiderte der Alte.

„Ei, das ist recht gut,“ sagte der Mann, „denn es heißt ja, ihr Finnen hättet mehr Verstand als andere Menschen.“

„Ein guter Ruf ist besser als Gold,“ sagte der Finne.

„Nun, wir streiten uns eben darüber, welcher Teil von Wärmland der beste sei. Könntest du da nicht vielleicht unsern Streit schlichten, damit wir uns dieser Frage wegen nicht schließlich noch untereinander verfeinden?“

„Ich werde entscheiden, so gut ich kann,“ sagte der Finne. „Aber ihr müßt Geduld mit mir haben, denn ich möchte euch zuerst eine alte Geschichte erzählen.“

„In den alten Zeiten,“ berichtete der Finne, indem er sich bei den Männern niederließ, „sah das ganze Land nördlich vom Wenersee ganz entsetzlich aus. Überall waren nur kahle Hochebenen und steile Bergkegel. Für Menschen war es ganz unmöglich, da zu wohnen und zu leben. Wege konnten nicht gebahnt werden, und der Boden war nicht zu bebauen. Das Land südlich vom Wenersee dagegen war auch in jenen Zeiten schon ebenso fruchtbar wie am heutigen Tage.

Nun wohnte damals im südlichen Teile ein Riese, der sieben Söhne hatte. Alle sieben waren kecke, kräftige Männer; aber sie hatten einen stolzen Sinn, und es herrschte sehr oft Unfriede unter ihnen, weil jeder mehr sein wollte als der andere.

Der Vater war des ewigen Streitens und Zankens müde, und um ein Ende zu machen, versammelte er eines Tages die Söhne um sich und fragte sie, ob sie geneigt wären, es auf eine Probe ankommen zu lassen, damit er als Vater herausfinde, welcher von ihnen der Tüchtigste sei.

O ja, die Söhne waren sehr damit einverstanden; sie wünschten sich gar nichts Besseres.

‚Dann wollen wir die Sache folgendermaßen einrichten,‘ sagte der Vater. ‚Ihr wißt, nördlich von dem kleinen Teich, den wir den Wenersee nennen, liegt eine Einöde, die so voller Erdschollen und Gerölle liegt, daß wir gar keinen Nutzen davon haben. Morgen soll nun jeder von euch mit seinem Pflug hinausfahren und dort soviel umpflügen, als ihm in einem Tag möglich ist. Gegen Abend komme ich dann zu euch hinaus, zu sehen, wer am meisten geleistet hat.‘

Kaum war die Sonne am nächsten Morgen aufgegangen, als die Brüder auch schon mit den bespannten Pflügen bereit standen. Es war der Mühe wert, sie zur Arbeit abfahren zu sehen! Die Pferde waren glänzend gestriegelt, das Eisen blinkte, und die Pflugschar war frisch geschliffen. Sie fuhren fast im Galopp davon, bis sie am Wenersee angekommen waren. Da wichen einige von den Brüdern auf die Seite, aber der älteste fuhr geradeswegs in den See hinein. ‚Sollte ich mich vor so einer kleinen Pfütze fürchten?‘ sagte er vom Wenersee.

Als die andern diesen Mut sahen, wollten sie auch nicht zurückstehen. Sie stellten sich auf die Pflüge und trieben die Pferde ins Wasser hin. Es waren lauter große Pferde, und es dauerte eine gute Weile, bis sie keinen Grund mehr unter sich hatten und schwimmen mußten. Die Pflüge trieben auf dem Wasser hin, aber für die Männer war es nicht leicht, sich darauf festzuhalten. Einige von den Söhnen ließen sich von den Pflügen ziehen, und einige mußten waten; aber sie erreichten doch alle das jenseitige Ufer, und dort angekommen, machten sie sich alle sogleich an die Arbeit, die Einöde zu pflügen, die nichts weniger war als der Landstrich, der später Wärmland und Dalsland genannt wurde.

Der älteste von den Söhnen sollte die mittelste Furche pflügen, die beiden nächsten stellten sich zu beiden Seiten von ihm auf, und wieder die beiden nächstältesten nahmen zu beiden Seiten von diesen Platz; von den beiden jüngsten aber pflügte jeder seine Furche, der eine ganz am westlichen Ende, der andere aber im östlichsten Teil der Einöde.

Der älteste Bruder zog mit seinem Pfluge im Anfang eine breite und gerade Furche, denn unten am Wenersee war der Boden ganz eben und deshalb leicht umzubrechen. Es ging rasch vorwärts, bis er an einen großen Stein kam, an dem er nicht vorbeikommen konnte, sondern er mußte den Pflug darüber hinwegheben. Dann stieß er die Pflugschar aus aller Macht in den Boden und schnitt eine breite, tiefe Furche. Aber kurz nachher traf er auf so hartes Erdreich, daß er gezwungen war, den Pflug zu heben. Dasselbe wiederholte sich noch einmal, und der Riesensohn ärgerte sich, daß er die Furche nicht die ganze Strecke gleich breit und tief ziehen konnte. Schließlich wurde der Boden ganz hart, und er konnte mit seiner Pflugschar nur noch eine Ritze darauf zustande bringen. Auf diese Weise gelangte er aber schließlich doch an die nördliche Grenze des Feldes. Dort setzte er sich nieder und wartete auf den Vater.

Der zweite Bruder pflügte auch eine breite, tiefe Furche, und er hatte Glück, denn er fand eine gute, flache Strecke zwischen Erdschollen, daß er seine Furche ohne Unterbrechung ziehen konnte. Da und dort wich er an einer Schlucht etwas aus, und je weiter er nach Norden kam, desto mehr Ausbiegungen mußte er machen, und desto schmäler wurde seine Furche. Aber er war so gut im Gang, daß er nicht an der Grenze anhielt, sondern noch ein gutes Stück weiter pflügte, als er nötig gehabt hätte.

Auch dem dritten Bruder, der links von dem Ältesten pflügte, ging es im Anfang recht gut. Sein Pflug schnitt eine breitere und tiefere Furche als die der andern Brüder; aber nach kurzer Zeit stieß er auf so schlechtes Erdreich, daß er nach Westen ausbiegen mußte. Sobald wie möglich pflügte er wieder in nördlicher Richtung weiter und pflügte da breit und tief in den Boden hinein; aber lange, bevor er an der Grenze angekommen war, konnte er nicht mehr weiter. Er wollte aber nicht mitten auf dem Felde aufhören, deshalb drehte er die Pferde um und pflügte in einer andern Richtung weiter. Doch schon nach kurzer Zeit war er so von allen Seiten eingeschlossen, daß er aufhören mußte. ‚Diese Furche wird wohl die schlechteste von allen sein,‘ dachte er und setzte sich auf seinen Pflug, um den Vater zu erwarten.

Es ist wohl nicht nötig, zu berichten, wie es den andern Brüdern gegangen war. Sie vollendeten ihre Aufgaben als rechte Männer. Die von ihnen, die in der Mitte pflügten, hatten es sehr streng, aber die, die östlich und westlich von ihnen gingen, hatten es noch härter. Denn da waren überall soviel Steine und Sümpfe, daß die Furchen trotz aller Mühe, die sie sich gaben, nicht ganz gerade und gleichmäßig tief werden konnten. Von den beiden jüngsten wäre noch zu berichten, daß sie ihren Pflug immer wenden und drehen mußten, aber schließlich doch ein gutes Stück Arbeit vollbrachten.

Am Abend saß jeder der sieben Brüder müde und niedergeschlagen am Ende seiner Furche und wartete auf den Vater.

Jetzt kam der Vater heran. Er trat zuerst zu dem, der am weitesten westwärts gearbeitet hatte.

‚Guten Abend!‘ sagte er. ‚Wie ist es dir bei der Arbeit gegangen?‘

‚Nicht besonders gut,‘ sagte der Sohn. ‚Das war ein äußerst schwieriger Boden, den Ihr uns da zum Bearbeiten ausgesucht habt.‘

‚Du wendest ja deinem Arbeitsfeld den Rücken zu,‘ sagte der Vater. ‚Dreh dich einmal um, dann kannst du sehen, was du ausgerichtet hast. Es ist gar nicht so wenig, wie du meinst.‘

Der Sohn drehte sich um, und da sah er, daß da, wo er den Pflug gezogen hatte, herrliche Täler mit Seen und schönen, waldigen Berghängen entstanden waren. Er war ein gutes Stück durch Dalsland und die Nordmark von Wärmland hindurchgekommen und hatte den Laxsee und Lelången und Groß-Le und die beiden Silarna durchgepflügt; ja, der Vater hatte allen Grund, mit ihm zufrieden zu sein.

‚Nun wollen wir sehen, was die andern zustande gebracht haben,‘ sagte der Vater.

Der nächste Sohn, zu dem sie kamen – der fünfte in der Reihe – hatte den ganzen Jösseer Bezirk und den Glafsfjord gepflügt, und wieder der nächste, der dritte, den Värmeln. Der älteste in der Mitte war mit dem Fryksdal und den Frykenseen fertig geworden. Der zweitälteste hatte das Älfdal mit dem Klarälf gepflügt. Der vierte hatte mit saurer Mühe den Bergwerkdistrikt, den Yngen- und Daglösee, sowie eine Menge andere kleine Seen gepflügt. Der sechste hatte eine ganz merkwürdige Furche gezogen. Zuerst hatte er für den großen See Skagern Platz geschaffen, dann war er in einer schmalen Rinne weiter gezogen, die der Letälf ausfüllte, und schließlich war er über die Grenze hinübergefahren und hatte in den Bergwerkdistrikten von Westmanland kleine Seen herausgegraben.

Nachdem der Vater das ganze umgepflügte Land in Augenschein genommen hatte, sagte er, soweit er es beurteilen könne, hätten die Söhne ein gutes Stück Arbeit vollbracht, und er habe allen Grund, mit ihnen zufrieden zu sein. Jetzt sei das Land keine Wildnis mehr, nun könne es bebaut und bepflanzt werden. Sie hätten viele fischreiche Seen und fruchtbare Täler geschaffen. Die Flüsse und Bäche hätten einen ordentlichen Fall, daß sie Mühlen, Sägewerke und Eisenhämmer treiben könnten. Auf den Bergrücken zwischen den gezogenen Furchen sei Platz für Wälder, wo Waldbau und Kohlenbrennerei betrieben werden könne, und jetzt sei auch die Möglichkeit da, zu den großen Erzlagern in dem Bergwerkdistrikt gute Straßen anzulegen.

Die Söhne freuten sich, als sie den Vater so sprechen hörten; aber sie wollten nun auch noch wissen, welcher von ihnen die beste Furche gezogen habe.

‚Bei einem Erdreich wie diesem hier,‘ sagte der Vater, ‚ist es wichtiger, daß alle Furchen gut ineinander passen, als daß die eine schöner sei als die andre, und ich glaube, wer zu den großen, langen Seen in der Nordmark und im Dalsland kommt, wird gerne zugeben, daß er selten etwas Schöneres gesehen habe. Aber trotzdem wird er sich freuen, wenn er die hellen, fruchtbaren Gegenden um den Glafsfjord und den Värmeln her sieht.

Hat er sich dann eine Weile in diesen lachenden, betriebsamen Landstrichen aufgehalten, dann wird er sie gewiß auch gerne mit den langen, engen Tälern am Frykensee und am Klarälf vertauschen. Und sollte er auch dieser überdrüssig werden, dann wird es ihn erfrischen, wenn er im Bergwerkdistrikt verschiedentlich geformte Seen antrifft, die sich dahinschlängeln und durch die Berge winden, und deren es so viele sind, daß niemand alle ihre Namen behalten kann. Nach diesen Seen mit ihren vielen Buchten und Landzungen freut er sich natürlich, wenn er schließlich den großen Wasserspiegel des Skagern erblickt. Und nun will ich euch noch etwas sagen: Gerade wie mit diesen Furchen geht es auch mit den Söhnen. Kein Vater freut sich, wenn der eine tüchtiger ist als der andre; kann er aber seinen Blick mit ganz derselben Befriedigung von dem Ältesten bis zum Jüngsten schweifen lassen, dann wohnt in seinem Herzen eitel Freude.‘“

49
Ein kleiner Herrenhof

Donnerstag, 6. Oktober

Die Wildgänse folgten dem Lauf des Klarälf bis zu den großen Fabriken bei Munkefors. Dann wendeten sie sich nach Westen dem Fryksdal zu. Aber bevor sie den Frykensee erreicht hatten, begann es zu dunkeln, und so ließen sie sich auf einem flachen Moor in einem Bergwald nieder. Das Moor war nun freilich ein ganz gutes Nachtquartier für die Wildgänse; aber Nils Holgersson fand es kalt und unbehaglich, und er hätte gerne einen besseren Platz zum Schlafen gehabt. Während sie noch in den Lüften droben gewesen waren, hatte er am Fuß des Berges einige Höfe gesehen, und nun eilte er rasch dorthin, um eines von diesen Häusern zu erreichen. Der Weg war länger, als er geglaubt hatte, und er fühlte sich wiederholt versucht, wieder umzukehren. Aber endlich lichtete sich der Wald, und er gelangte auf eine Landstraße, die am Waldessaum hinlief. Von der Straße führte eine schöne Birkenallee nach einem Herrenhofe, und der Junge richtete sogleich seine Schritte dahin.

Er gelangte zuerst auf einen von roten Gebäuden umgebenen Platz, der so groß wie ein Marktplatz war. Als der Junge diesen Hof durchschritten hatte, kam er in einen zweiten Hof, und da sah er das Wohnhaus mit seinen Seitenflügeln, mit einem Kiesweg und einem großen Rasenplatz davor und einem großen Garten mit vielen Bäumen dahinter. Das Hauptgebäude selbst war nur klein und unansehnlich; aber der Rasen war von einer Reihe mächtiger Ebereschen eingefaßt, die so dicht standen, daß sie eine ganze Allee bildeten, und dem Jungen war es, als sei er in einen prächtigen hochgewölbten Saal hineingekommen. Oben darüber schimmerte ein blaßblauer Himmel, die Ebereschen hatten gelbe Blätter und große, rote Beerenbüschel; der Rasen war zwar noch grün, aber an jenem Abend goß der Mond einen so strahlend hellen Glanz vom Himmel herab, daß das Gras wie Silber glänzte.

Kein Mensch war zu sehen, der Junge konnte also frei umhergehen, wo er wollte, und als er in den Garten kam, entdeckte er etwas, das ihn sofort in gute Laune versetzte. Er war auf eine kleine Eberesche geklettert, um einige Vogelbeeren zu essen; aber ehe er einen von den roten Büscheln abgebrochen hatte, fiel sein Blick auf einen Ahlkirschenbaum, der auch voller Früchte stand. Rasch ließ er sich von der Eberesche hinabgleiten und kletterte auf den Ahlkirschenbaum; aber kaum saß er da droben, als er einen Johannisbeerstrauch erblickte, an dem noch lange rote Träubchen hingen. Ach, und jetzt sah er, daß der ganze Garten voller Stachelbeeren, Himbeeren und Hagebutten war! Im Gemüsegarten standen Rüben und Kohlraben, an allen Sträuchern hingen Beeren, alle Pflanzen hatten reifen Samen und die Grashalme kleine, dicke Ähren. Und dort auf dem Gange – nein, er täuschte sich doch wohl nicht – da lag wirklich vom Mondschein hell erleuchtet ein prächtiger großer Apfel!

Der Junge setzte sich hinter seinen großen Apfel auf den Wegrand und schnitt sich mit seinem Taschenmesser kleine Stückchen davon ab. Wie das schmeckte! „Ja wenn man nur immer so leicht zu einer guten Mahlzeit käme wie hier in diesem Hofe, dann könnte man schließlich schon sein Leben lang ein Wichtelmännchen bleiben,“ dachte der Junge.

Während er aß, kamen ihm allerlei Gedanken, und schließlich meinte er, ob es nicht vielleicht ebensogut wäre, wenn er gleich hier bliebe und die Wildgänse allein weiter ziehen ließe.

„Ich weiß eben gar nicht, wie ich dem Gänserich begreiflich machen soll, daß ich nicht heimkehren kann,“ dachte er. „Da wäre es gewiß besser, ich trennte mich vollständig von ihm. Ich könnte es ja dann wie die Eichhörnchen machen: mir einen Wintervorrat sammeln, damit ich nicht zu verhungern brauchte; und im Kuh- oder Pferdestall fände sich wohl auch ein warmes Winkelchen für mich, dann brauchte ich auch nicht zu erfrieren.“

Während er noch darüber nachdachte, hörte er ein leichtes Rauschen über seinem Kopfe; und gleich darauf stand neben ihm auf dem Boden etwas, was einem kleinen Birkenstumpfe glich. Der Stumpf wendete und drehte sich, zwei helle Punkte oben auf dem Gipfel glühten wie zwei Kohlen. Es sah wie ein schrecklicher Zauberspuk aus; aber nach ein paar Augenblicken entdeckte der Junge, daß der Stumpf einen gekrümmten Schnabel und um die glühenden Augen einen großen Federkranz hatte, und da beruhigte er sich wieder.

„Ei wie angenehm, daß ich ein lebendes Wesen hier antreffe,“ begann er. „Vielleicht könnt Ihr, Frau Nachteule, mir mitteilen, wie dieses Gut hier heißt, und was für Leute hier wohnen?“

Die Nachteule hatte wie alle Abend, so auch heute auf der Stufe einer großen Leiter gesessen, die am Dach lehnte, und von da auf dem Kiesweg und dem Rasen nach Mäusen ausgespäht. Aber zu ihrer großen Verwunderung hatte sie nicht ein einziges langgeschwänztes Mäuschen entdecken können. Statt dessen gewahrte sie plötzlich, daß sich drunten im Garten etwas bewegte, das einem Menschen glich, aber viel kleiner war als jedes menschliche Wesen.

„Da haben wir wohl den, der die Mäuse verscheucht,“ dachte die Nachteule. „Was mag aber das nur für ein Wesen sein?“

„Es ist kein Eichhörnchen und ist auch kein junges Kätzchen und ebensowenig ein Wiesel,“ dachte die Eule weiter. „Nun hätte man doch geglaubt, ein Vogel, der so lange auf einem alten Herrenhofe gewohnt hat wie ich, sollte nachgerade wissen, was für Geschöpfe es auf der Welt gibt, aber dies hier geht über meinen Verstand.“

Sie starrte das Ding, das sich drunten auf dem Kiesweg bewegte, unverwandt an, und ihre Augen glühten. Schließlich aber gewann die Neugierde die Oberhand; sie flog auf den Boden hinunter, um sich das fremde Geschöpf in der Nähe zu betrachten.

Als Nils Holgersson zu sprechen anfing, beugte sich die Eule vor und sah ihn genau an. „Er hat weder Krallen noch einen Stachel,“ dachte sie; „aber wer weiß, ob er nicht einen Giftzahn oder sonst eine Waffe hat, die noch gefährlicher sein könnte. Es ist gewiß am besten, ich verschaffe mir zuerst etwas nähere Auskunft über ihn, ehe ich mich mit ihm einlasse.“

„Der Hof heißt Mårbacka,“ sagte sie dann; „und in früheren Zeiten haben ausgezeichnete Menschen hier gewohnt. Aber wer bist denn du?“

„Ich habe die Absicht, mich hier niederzulassen,“ sagte der Junge, ohne eine direkte Antwort auf die Frage der Nachteule zu geben. „Meint Ihr, das ließe sich einrichten?“

„O ja, obgleich der Hof jetzt nichts Besonderes mehr ist, im Vergleich zu dem, was er früher war,“ antwortete die Eule. „Aber man kann immerhin hier leben; es kommt ja auch hauptsächlich darauf an, wovon du hier leben willst. Hast du im Sinn, dich auf die Mäusejagd zu legen?“

„Nein, Gott soll mich davor bewahren!“ rief der Junge. „Es ist wohl mehr Gefahr vorhanden, daß die Mäuse mich auffressen, als daß ich ihnen ein Leid antue.“

„Ob er wirklich so wenig gefährlich ist, wie er sagt? Das ist doch wohl nicht möglich,“ dachte die Eule; „aber ich glaube, ich will doch einen Versuch machen.“ Sie flog auf, und im nächsten Augenblick hatte sie ihre Krallen in Nils Holgerssons Schultern geschlagen und hackte nun nach seinen Augen. Nils hielt die eine Hand zum Schutz vor die Augen, während er sich mit der andern zu befreien suchte und zugleich aus Leibeskräften um Hilfe schrie. Er fühlte, daß er in wirklicher Lebensgefahr schwebte, und sagte sich, diesmal werde es ganz gewiß aus mit ihm sein.

Aber nun muß ich erzählen, wie wunderbar es sich traf, daß gerade in diesem Jahre, wo Nils Holgersson mit den Wildgänsen umherzog, in Schweden eine Schriftstellerin war, die ein Buch über Schweden schreiben sollte, das den Kindern als Lesebuch in der Schule dienen könnte. Von Weihnachten bis zum Herbst hatte sie sich über ihre Aufgabe besonnen; aber bis jetzt war noch nicht eine einzige Zeile an dem Buche geschrieben, und schließlich war sie der ganzen Aufgabe so überdrüssig geworden, daß sie sich sagte: „Auf diese Weise bringst du nichts zustande, setz dich lieber hin und dichte Geschichten und Märchen wie sonst, und laß jemand anders dieses Buch schreiben, das lehrreich und ernst sein soll und in dem kein unwahres Wort stehen darf.“

Sie war so gut wie entschlossen, ihr Vorhaben aufzugeben; aber sie hätte eben doch gar zu gerne etwas Schönes über Schweden geschrieben, und es wurde ihr sehr schwer, die Arbeit ungetan zu lassen. Schließlich kam ihr der Gedanke, ob sie nicht am Ende deshalb mit dem Buche nicht zustande komme, weil sie in einer Stadt sitze und nichts als Straßen und Mauern vor sich sehe. „Vielleicht geht es besser, wenn ich aufs Land reise und Felder und Wälder betrachten kann,“ dachte sie.

Sie stammte aus Wärmland, und sie war fest entschlossen, das Buch mit dieser Landschaft beginnen zu lassen. Und vor allem wollte sie von dem Hof erzählen, auf dem sie aufgewachsen war. Es war ein kleiner Herrenhof, der ganz einsam und weltabgeschieden dalag und auf dem sich noch viele altertümliche Sitten und Bräuche erhalten hatten. Sie dachte, den Kindern würde es gewiß gefallen, wenn sie von allen den Beschäftigungen hörten, die im Laufe des Jahres einander ablösten. Sie wollte erzählen, wie bei ihr daheim Weihnachten und Neujahr, Ostern und das Johannisfest gefeiert worden wären; was für Möbel und Hausgeräte sie gehabt hätten, wie es in der Küche und in der Vorratskammer, in Kuh- und Pferdestall, in Brauhaus und in der Badestube ausgesehen hätte. Aber als sie sich nun daran machte, dies zu beschreiben, wollte die Feder gar nicht übers Papier hingleiten. Die Schriftstellerin konnte durchaus nicht begreifen, woher das kam; aber es war jedenfalls so.

Sie sah aber doch alles miteinander so deutlich und lebendig vor sich, wie wenn sie noch immer mitten darin gelebt hätte! Trotzdem kam sie nicht vorwärts, und schließlich dachte sie, da sie nun doch einmal aufs Land reisen wolle, wäre es vielleicht am besten, sie stattete dem alten Hofe einen Besuch ab und besähe sich ihn noch einmal genau, ehe sie an dessen Beschreibung ginge. Sie war seit vielen Jahren nicht mehr dagewesen, und der Gedanke, daß sie nun hier eine Veranlassung zum Hinreisen habe, machte ihr das Herz warm. Eigentlich trug sie immer eine Art Heimweh nach dem alten Hofe mit sich herum, sie mochte sein, wo sie wollte. Sie sah ja wohl, daß andre Orte schöner und besser waren; aber nirgends überkam sie jenes Gefühl der Sicherheit und des Wohlbehagens, wie sie es in ihrer Kinderheimat immer gehabt hatte.

Diese Reise in die alte Heimat war indes gar nicht so einfach für sie, wie man meinen könnte, denn der Hof war an eine ihr ganz fremde Familie verkauft worden. Sie dachte freilich, man würde sie gewiß freundlich aufnehmen; aber sie wollte ja nicht in die alte Heimat kommen, um mit fremden Menschen zu plaudern, sondern um sich alles so recht deutlich ins Gedächtnis zurückzurufen, wie es früher da gewesen war. Deshalb richtete sie es so ein, daß sie spät am Abend auf Mårbacka eintraf, zu einer Zeit, wo schon Feierabend gemacht worden war und das Gesinde sich im Hause befand.

Sie hätte nie gedacht, daß es so seltsam sei, in die alte Heimat zurückzukehren. Während sie im Wagen saß und nach dem alten Hofe fuhr, war es ihr, als werde sie mit jeder Minute jünger und immer jünger, und bald war sie nicht mehr eine, deren Haar sich schon grau zu färben begann, sondern ein kleines Mädchen mit kurzen Röcken und einem langen flachsblonden Zopf. Während sie so dahinfuhr und jeden Hof am Wege wieder erkannte, konnte sie es nicht lassen, sich vorzustellen, daß daheim auch alles ganz genau wie in früheren Zeiten sein müsse. Wenn sie ankam, standen Vater und Mutter und die Geschwister auf der Treppe und hießen sie willkommen. Die alte Haushälterin lief ans Küchenfenster, um zu sehen, wer käme, und Nero und Freya und noch ein paar andre Hunde kamen dahergerannt und sprangen an ihr hinauf!

Je mehr sie sich dem Hofe näherte, desto glücklicher fühlte sie sich. Es war Herbst, und eine emsige Zeit mit einer Menge Arbeit stand bevor. Aber gerade diese verschiedenen Arbeiten waren es, warum einem das Leben daheim nie langweilig und einförmig geworden war. Unterwegs hatte sie gesehen, daß die Leute bei der Kartoffelernte waren, und diese war natürlich jetzt auch daheim im Gange. Nun mußten zuerst Kartoffeln gerieben und Kartoffelmehl gemacht werden. Es war ein milder Herbst gewesen, und sie hätte so gerne gewußt, ob wohl der Garten schon ganz eingeheimst sei? Nun, der Kohl stand doch jedenfalls noch draußen; aber ob wohl der Hopfen schon gepflückt und die Äpfel heruntergenommen waren?

Wenn sie nur nicht am Ende gerade die Herbstputzerei hatten, denn es war nicht mehr lang bis zum Herbstmarkt! Zu diesem Jahrmarkt mußte das ganze Haus wie ausgeblasen sein. Er wurde als ein großes Fest angesehen, vor allem vom Gesinde. Und es war auch wirklich ein Vergnügen, wenn man am Vorabend des Marktes in die Küche hinauskam und sah, wie blitzblank alles war: der reingewaschene, mit Wacholderzweigen bestreute Fußboden, die frischgeweißten Wände und das blankgescheuerte Kupfergeschirr auf den Wandbrettern.

Aber wenn das Marktfest vorüber war, kehrte doch nicht lange Ruhe ein. Dann mußte der Flachs gehechelt werden. Der Flachs war während der Hundstage auf einer Wiese zum Trocknen ausgebreitet worden. Jetzt brachte man ihn in die alte Badestube hinein, und in dem großen Badestubenofen wurde ein tüchtiges Feuer gemacht und der Flachs gedörrt. Und wenn er dürr genug war, wurden an einem Tage alle Nachbarsfrauen zusammengerufen. Diese setzten sich vor die Badestube; und nun wurde der Flachs gebrochen und hierauf gehechelt, damit sich die feinen weißen Fasern aus den dürren Halmen herauslösten. Während dieser Arbeit wurden die Weiber ganz grau vor Staub. Ihr Haar und ihre Kleider waren über und über mit Spleißen bedeckt, aber sie waren trotzdem seelenvergnügt. Den ganzen Tag hindurch klapperten die Brechstühle, und die Weiber schwatzten ununterbrochen darauf los. Wer in die Nähe der Badestube kam, hätte meinen können, ein Sturm jage mit lautem Sausen daher.

Nach dem Flachshecheln kam das Backen des Hartbrotes, die Schafschur und der Wandertag der Mägde an die Reihe. Im November standen dann die arbeitsreichen Schlachttage bevor; das Fleisch wurde eingepökelt, Würste gestopft, Blutpudding gekocht und Lichter gegossen. In dieser Zeit kam dann wohl auch das Nähmädchen, das die eigengewobenen wollenen Kleider verfertigte; und das waren einige fröhliche Wochen, wo alle Frauen des Hauses eifrig nähend beisammen saßen. Meistens saß dann auch der Schuhmacher zu derselben Zeit drüben in der Knechtstube an seiner Arbeit; und man wurde es nie müde, immer und immer wieder zuzusehen, wie er Leder zuschnitt, Stiefel sohlte, Absätze aufbaute und die Ringe in die Schnürlöcher einschlug. Aber die größte Geschäftigkeit entfaltete sich doch gegen Weihnachten. Der Lucietag, wo morgens um fünf Uhr das Stubenmädchen in einem weißen Kleide mit brennenden Kerzen im Haar das ganze Haus zum Kaffee einlud, war das Zeichen, daß man in den nächsten Wochen nicht viel auf Schlaf rechnen durfte.

Jetzt mußte das Weihnachtsbier gebraut, die Stockfische gelaugt, das Weihnachtsbackwerk verfertigt und die Weihnachtsputzerei vorgenommen werden –

Die Schriftstellerin stand im Geiste mitten zwischen Pfeffernüssen und Honigkuchen, als der Kutscher, wie sie ihn gebeten hatte, am Eingang in die Allee seine Pferde anhielt. Sie fuhr jäh aus ihren Träumen auf, und es war ihr ganz unheimlich zumute, als sie nun am späten Abend so ganz allein im Wagen saß, nachdem sie sich eben noch von allen ihren Lieben umgeben geglaubt hatte. Als sie ausstieg und die Allee hinaufwanderte, um unbemerkt in ihre alte Heimat hineinzukommen, fühlte sie mit bitterer Wehmut den Unterschied zwischen früher und jetzt, und sie wäre am liebsten wieder umgekehrt. „Was hat es für einen Wert, daß ich hierher komme? Die alten Zeiten kehren ja doch nicht wieder!“ dachte sie.

Возрастное ограничение:
12+
Дата выхода на Литрес:
28 сентября 2017
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