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Ein neues »Great Game«

Im ausgehenden 19. Jahrhundert verglich Lord Curzon, der britische Vizekönig in Indien, Zentralasien mit einem Schachbrett. Auf diesem Brett finde ein großes Spiel, das »Great Game« um Macht und Einflusszonen statt. Die Spieler im 19. Jahrhundert hießen Russland und Großbritannien. Russland wollte nach der Eroberung der zentralasiatischen Khanate immer weiter nach Süden, bis nach Afghanistan und Persien, vordringen. Großbritannien wollte seine Besitzungen in Indien und die Seewege dorthin sichern sowie den russischen Vormarsch stoppen. Nachdem in Persien Öl gefunden wurde, ging es aber auch darum, diesen neuen Rohstoff für die britische Flotte zu sichern. Russland und Großbritannien einigten sich schließlich darauf, das Persische Reich in Einflusszonen zu teilen. Die koloniale Erfahrung aus dieser Zeit ist bis heute eine wichtige Quelle des iranischen Nationalismus sowie Wunsches, Atommacht zu werden.

Auch heute stoßen die Großmachtinteressen in Zentralasien zusammen. An der Neuvermessung der Region, bei der es vor allem um die dort befindlichen Energieressourcen geht, beteiligen sich diesmal Indien, China und Russland, aber auch der Iran und die USA. Russland und die USA versuchen, ihren regionalen Einfluss durch Militärbasen abzusichern. China und Indien investieren massiv in die Öl- und Gasförderung sowie in den Pipelinebau. Der Iran versucht, sich als Kooperationspartner für die energiehungrigen asiatischen Wachstumsökonomien aus seiner politischen Isolation zu befreien. Der Europäischen Union fehlt bisher eine Strategie für die Region, auch wenn europäische Unternehmen in ganz Asien investieren und sich aktiv an der Erschließung von Energieressourcen beteiligen. Dabei könnte die Europäische Union mit ihrer Erfahrung regionaler wirtschaftlicher und politischer Integration ein Modell für die asiatischen Nationalstaaten in ihrem Ringen um Einflusssphären darstellen.


Die wichtigsten Gaspipelines im Westen Russlands

Um die Startaufstellung des Großen Spiels zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf die Karte der großen Öl- und Gaspipelines, die den eurasischen Doppelkontinent wie ein Spinnennetz überziehen. Die tragenden Fäden dieses Netzes gehen von Russland aus und befinden sich unter der Kontrolle der Pipelinemonopolisten Gazprom (Erdgas) und Transneft (Öl). Europa bezieht schon heute den Großteil seiner Erdgasimporte und einen wachsenden Anteil seines Öls über das russische Netz. China und die anderen Länder Ostasiens wollen demnächst ebenfalls von Russlands Reserven profitieren. Beide Seiten, sowohl Europäer als Asiaten, befürchten, dass ihre Abhängigkeit vom russischen Transportmonopol in Zukunft weiter wächst. Deswegen sind sie dabei, alternative Pipelinerouten zu errichten. Die USA importieren zwar bisher kaum Öl und Gas aus Russland, sehen aber den wachsenden regionalen Einfluss Moskaus mit Unbehagen. Außerdem möchte Washington den Zugang amerikanischer Firmen zu den Energiereserven Zentralasiens und des kaspischen Raums sichern. Die Amerikaner unterstützen deswegen den Wunsch der zentralasiatischen Staaten, sich aus der energiepolitischen Umklammerung Russlands zu befreien. Gleichzeitig versuchen die USA, dem wachsenden chinesischen Einfluss entgegenzutreten. Außerdem möchten die USA den Iran isolieren. Ein Blick auf die Landkarte zeigt allerdings, dass die Zahl der Landrouten für neue Pipelines, die sowohl um Russland und seine Verbündeten als auch um den Iran herumführen, begrenzt ist. Deswegen sind die USA bei der Auswahl ihrer Bündnispartner auch nicht wählerisch und lassen sich mit zweifelhaften Regimes wie der Regierung Alijev in Aserbaidschan oder dem autokratisch geführten Kasachstan ein.

Die beiden zentralen Projekte der amerikanischen Zentralasienpolitik sind die schon erwähnte Baku-Tiflis-Ceyhan (BTC)-Pipeline und das Bündnis mit Kasachstan. Schon fertig gestellt ist die BTC-Pipeline, die Öl aus dem kaspischen Raum per Schiff in die aserbaidschanische Hauptstadt Baku und von dort über das georgische Tiflis zum türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan transportiert. Eine weitere transkontinentale Gasleitung soll vom Osten Kasachstans über Usbekistan und Turkmenistan, unter dem Kaspischen Meer durch den südlichen Kaukasus und von dort in den Westen führen. Kasachstan hält sich allerdings auch die Bündnisoption mit Russland offen. So unterzeichnete der nationale Pipelinebetreiber am gleichen Tag, als US-Vizepräsident Cheney im Mai 2006 das Land besuchte, ein Abkommen mit Russland und China, um Öl von Westsibirien nach China zu exportieren. Auch Indien will den Ölimport aus Kasachstan und dem benachbarten Turkmenistan verstärken. Der Transport liefe über das bis heute von US- und NATO-Truppen politisch kontrollierte Afghanistan.

Die energie- und sicherheitspolitischen Interessen der USA in der Region vermischen sich. Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 haben die USA ein Netz von Militärbasen in den zentralasiatischen Staaten ausgebaut. Der Kaukasusstaat Georgien soll sogar in die NATO aufgenommen werden. Die offizielle Begründung für das wachsende regionale Engagement der US-Militärs sind der islamische Terrorismus und der Militäreinsatz in Afghanistan. Gleichzeitig wird damit aber das geostrategische Terrain gegenüber den Großmachtkonkurrenten Russland und China abgesteckt.

Während in den Staaten Ost- und Südasiens die Wirtschaft boomt, spitzen sich in den ehemaligen Sowjetrepubliken Zentralasiens ökonomische und politische Krisen zu. Turkmenistan und Kasachstan haben sich zwar zu bedeutenden Öl- und Gasexporteuren entwickelt, ihre interne wirtschaftliche Modernisierung ist aber stecken geblieben. Hinter der scheinbar friedlichen Fassade dieser autoritär geführten Länder wächst die Gefahr des politischen Extremismus. In Zentralasien versuchen alle Länder, die Begehrlichkeiten Russlands, Chinas und der USA gegeneinander auszuspielen. So beherbergt Kirgisien sowohl eine russische als auch eine amerikanische Militärbasis. Beide Basen liegen nur 25 km auseinander.

Die Widersprüche der US-amerikanischen Zentralasienpolitik lassen sich anhand eines Besuchs von US-Vizepräsident Cheney in der Region erzählen. Im Mai 2006 reiste Cheney nach Osteuropa und Zentralasien. In Zagreb traf er sich mit den Verteidigungsministern Kroatiens, Mazedoniens und Albaniens und versprach ihren Ländern die baldige Aufnahme in die NATO. Die Erweiterung der NATO, vor allem um die Staaten der ehemaligen sowjetischen Einflusszone, ist erklärtes Ziel der USA. Einerseits wollen die USA die NATO von einer rein transatlantischen Organisation zu einem globalen Bündnis der Demokratien ausbauen, andererseits verbindet sich damit eine geostrategische Eindämmungsstrategie gegenüber den Konkurrenten Russland und China. Der Faktor Energie spielt eine Schlüsselrolle. Von Zagreb reiste Cheney nach Vilnius weiter. In der litauischen Hauptstadt hielt er eine Rede auf die Demokratie in Osteuropa und kritisierte die Außenpolitik Russlands. Er warf Russland vor, seine Öl- und Gasexporte »als Mittel der Einschüchterung und Erpressung zu verwenden, entweder durch den Versuch, das Angebot zu manipulieren oder den Transport zu monopolisieren«. Damit hatte Cheney in der Sache Recht. Sein Plädoyer für mehr Demokratie und freie Märkte kontrastierte jedoch auffällig mit der nächsten Station seiner Reise, einem Besuch in der kasachischen Hauptstadt Astana.

Das Schlüsselland für die wirtschaftliche und politische Zukunft Zentralasiens ist Kasachstan. Der Präsident Kasachstans, Nursultan Nasarbajev, wurde im Dezember 2005 mit 91 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Seit 1989 steht er unangefochten an der Spitze des Landes. Davor, in der Sowjetunion, war er Spitzenfunktionär in der Kommunistischen Partei. Von Demokratie war bei Cheneys Besuch weniger die Rede. Denn Kasachstan hat Öl.

Kasachstan ist ein säkulares muslimisches Land in einem schwierigen außenpolitischen Umfeld und mit einer sich verschlechternden Menschenrechtssituation. Aber Kasachstan ist auch eines der rohstoffreichsten Länder der Erde. Am wichtigsten allerdings sind die großen Öl- und Gasfelder, die unter dem Kaspischen Meer liegen. Kasachstan produzierte im Jahr 2005 1,2 Millionen Barrel Öl. Im Jahr 2010 will Kasachstan die Ölexportriesen Kuwait und Nigeria überholen. Bis 2015 soll die Produktion auf drei Millionen Barrel gesteigert werden. Die Ölexporte Kasachstans werden künftig vor allem nach China gehen. Auch die USA haben Interesse bekundet. Chinas Rolle als Konkurrent um die Ölreserven im Nahen Osten wird dadurch abgemildert.

Außenpolitisch zeigt sich Kasachstan nach allen Seiten offen. Kasachische Ölkonzerne investieren in Osteuropa und in den asiatischen Nachbarländern. Dort machen sie auch Russland Konkurrenz. An seinem Öl- und Gasreichtum haben China und Indien, aber auch der Westen Interesse. Russland braucht zwar kein Öl aus Kasachstan, spielt aber durch seine Kontrolle des zentralasiatischen Pipelinenetzes eine Schlüsselrolle beim Export. Einen wirtschaftlichen, aber vor allem energiepolitischen Zusammenschluss der beiden Energiegroßmächte Kasachstan und Russland möchten die USA aber auf jeden Fall verhindern.

Wo bleibt Europa?

Kann Europa beim großen Spiel um die weltweiten Energieressourcen mithalten? Sollte Europa nach denselben, oftmals brutalen Regeln spielen oder sich für einen anderen Weg zum Ziel einer sicheren, bezahlbaren und umweltfreundlichen Energieversorgung entscheiden?

Seitdem mit dem Vertrag von Maastricht eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der Europäischen Union begründet wurde, hat sie sich von Problem zu Problem weiterentwickelt. Das Ziel der nachhaltigen Entwicklung steht, auch im Bezug auf die europäische Außenpolitik, schon im Maastricht-Vertrag. Klimaschutz und Energiesicherheit werden als Herausforderungen der EU-Sicherheitsstrategie von 2003 benannt.

Geographisch wächst die EU-Außenpolitik in konzentrischen Kreisen. In ihrer unmittelbaren Nachbarschaft, in Osteuropa oder im Mittelmeerraum ist die EU schon heute zum bestimmenden Faktor geworden. Weltweit gesehen ist die EU jedoch gerade erst aus den politischen Kinderschuhen herausgewachsen. Dabei ist sie in der internationalen Handelspolitik schon heute eine Weltmacht. Neben den USA, China sowie einigen großen Entwicklungsländern ist die EU der entscheidende Akteur innerhalb der Welthandelsorganisation. Der Euro hat sich in wenigen Jahren zur zweiten globalen Reservewährung neben dem Dollar entwickelt. In wahrscheinlich nicht allzu ferner Zukunft wird der Zeitpunkt kommen, wenn auch die globalen Ölgeschäfte neben dem Dollar in Euro abgewickelt werden. Auch in der globalen Klimapolitik, einem zentralen Baustein der Energiepolitik, spielt die EU eine Führungsrolle. Aus ihrer wirtschaftlichen Macht erwachsen auch politischer Einfluss und die Verantwortung, diesen zu nutzen.

Was die EU in den neunziger Jahren auf dem Balkan versäumt hat, nämlich bei der Lösung der Konflikte in ihrer eigenen Nachbarschaft die Führungsrolle zu übernehmen, sollte sie bei der Transformation der osteuropäischen Staaten in Richtung Demokratie, Sicherheit und Stabilität nachholen. Russland wird dabei als konstruktiver Partner gebraucht. Dort, wo die russische Regierung ihrer Verantwortung nicht gerecht werden möchte beziehungsweise von irregeleiteten Vorstellungen einer russischen Einflusssphäre, für die andere Regeln als in Europa gelten, motiviert wird, muss die EU auch gegen den Wunsch Moskaus und im Interesse ihrer Mitgliedstaaten und der demokratischen Bewegungen in ihren Nachbarländern handeln. Die Transformation Weißrusslands, der letzten Diktatur Europas, in Richtung Demokratie ist dabei der wichtigste Prüfstein für die EU-Russland-Beziehungen.

Der zweite wichtige Prüfstein für diese Beziehungen ist eine kooperative Gestaltung des paneuropäischen Energiemarkts. Leider wird das Verhältnis zwischen der EU und Russland heute vor allem durch die gegenseitige energiepolitische Abhängigkeit definiert. Russlands Außenpolitik wird zunehmend mit wirtschaftspolitischen Instrumenten, darunter am prominentesten durch Energieexporte und -investitionen, ausgeführt. Andere wichtige Aspekte der gegenseitigen Beziehungen, wie die oben genannten Sicherheitsherausforderungen oder eine auf breiterer Basis angelegte wirtschaftliche Beziehung, treten dabei in den Hintergrund. Eine gesamteuropäische Energiepolitik, wie sie in der Europäischen Energiecharta bereits angelegt ist, muss die wirtschaftlichen und politischen Interessen sowohl von Export-, Import-, als auch von Transitländern berücksichtigen. Die von der EU und Russland im Rahmen des Kioto-Protokolls eingegangenen Verpflichtungen zum Klimaschutz gehören ebenfalls zur weiteren Ausgestaltung des europäischen Energiemarkts.

Die Frage der zukünftigen Energiesicherheit zeigt exemplarisch, wie eng die Interessen Europas und Ostasiens im eurasischen Raum miteinander verknüpft sind. Die Volkswirtschaften Ostasiens definieren ihre Beziehungen zum bisher weitgehend vernachlässigten Nachbarn Russland vor allem über die erhofften Öl- und Gasimporte. Mehr und mehr treten die EU und die aufstrebenden ostasiatischen Volkswirtschaften dadurch in Konkurrenz zueinander. Diese muss durch ein stärkeres Engagement der EU in der Region konstruktiv gestaltet werden.

Je mehr globale Reichweite die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU entwickelt, desto wichtiger ist es, europäische Politik mit dem wichtigsten Partner Europas in der Welt – den USA – zu koordinieren. Auch wenn es zwischen EU und USA immer wieder zu Interessenkonflikten kommen wird, so können die wesentlichen globalen Herausforderungen und die meisten regionalen Sicherheitskonflikte nur dann gelöst werden, wenn EU und USA konstruktiv miteinander zusammenarbeiten.

In welchem institutionellen Rahmen und auf welcher vertraglichen Basis sollte diese Zusammenarbeit stattfinden? Der wichtigste Rahmen für die Lösung internationaler Probleme sollten weiterhin die Vereinten Nationen bleiben. Diese müssen dafür reformiert werden mit dem Doppelziel höherer Effizienz und Legitimität ihres Handelns. Nach dem würdelosen Gezerre zwischen Deutschland und anderen EU-Partnern um einen permanenten deutschen Sitz im Sicherheitsrat sollten die Kräfte darauf konzentriert werden, im Vorfeld wichtiger Entscheidungen eine gemeinsame EU-Position herzustellen und – aufbauend auf einer Erfahrung konstruktiver Zusammenarbeit – langfristig einen gemeinsamen europäischen Sitz anzustreben.

KAPITEL 3
ENERGIESUPERMACHT RUSSLAND

Als am Silvesterabend 1999 zur Feier des neuen Millenniums die Sektkorken knallten und Bilder von Feuerwerken in allen Hauptstädten der Welt über die Bildschirme flimmerten, fand eine Meldung aus der Rubrik Auslandsnachrichten nur wenig Beachtung. Der russische Präsident Boris Jelzin war überraschend zurückgetreten und hatte seine Amtsgeschäfte an seinen bis dato weder im In- noch im Ausland sonderlich bekannten Premierminister Wladimir Putin übertragen. Am Neujahrsmorgen 2000 war der große Computercrash ausgeblieben, drehte sich die Welt weiter, aber für Russland war ein neues Zeitalter angebrochen. Und wie sich später herausstellte, führte der Aufstieg Putins auch zu einer Zeitenwende in der weltweiten Energiepolitik.

Russlands Wiederaufstieg

Russland hat eine Schlüsselstellung für die zukünftige Energieversorgung Europas und Asiens. Deswegen ist es wichtig, zu verstehen, wohin Russland steuert und wer die Männer sind, die zurzeit im Kreml das Sagen haben, wie sie denken und was sie wollen. Russlands innenpolitische Entwicklung hat auch Auswirkungen auf das Verhalten gegenüber seinen Nachbarn und dem Rest der Welt. Wie zu Sowjetzeiten gehen eine immer autokratischere Innen- und eine imperiale Außenpolitik Hand in Hand. Dabei setzt die neue russische Großmachtpolitik auf die Macht von Gazprom, nicht auf die Waffen der Roten Armee. Die Europäische Union muss sich entscheiden, wie sie mit dem unheimlichen Koloss in ihrer Nachbarschaft umgehen will. Wird Russland zum strategischen Partner, so wie es in den wohllautenden Erklärungen europäischer Gipfeltreffen immer heißt, oder wächst im Osten ein Konkurrent und Gegner heran, gegen den Europa sich wirtschaftlich und politisch wappnen muss?

Die russische Wirtschaft boomt. Nachdem Ende der neunziger Jahre der Rubel kollabierte und die Zahlungsfähigkeit der Regierung nur durch internationale Kredite gerettet werden konnte, zahlt Moskau heute seine Auslandsschulden schneller zurück als vorgesehen. Doch das seit Jahren anhaltende Wirtschaftswachstum gründet fast ausschließlich auf dem Rohstoffexport, vor allem von Öl und Gas. Ansonsten stockt die wirtschaftliche Modernisierung. Die Erschließung neuer Förderfelder für diese strategisch wichtigen Ressourcen wird durch das eng abgestimmte Zusammenspiel zwischen dem Staat und einigen Großkonzernen vorangetrieben. Gleichzeitig nutzt die russische Führung die Schlüsselrolle des Landes für Europas und Ostasiens Energieversorgung, um den seit dem Zerfall der Sowjetunion verlorenen Einfluss in der Weltpolitik zurückzugewinnen.

Scheinbar unbegrenzte Ressourcen

Russland hält die größten Kohle-, Uran- und Gas-, sowie die siebtgrößten Ölreserven der Welt. In Steinkohleeinheiten (SKE), einer gebräuchlichen Messgröße für den Energiegehalt, besitzt das Land nach den USA und weit vor Indien, China oder Saudi-Arabien den zweitgrößten Anteil an fossilen Energievorräten insgesamt. Wegen der chaotischen Privatisierungspolitik der Jelzin-Jahre, in der ehemals staatliche Unternehmen oftmals in die Hände privater Finanzspekulanten gerieten, die die Produktion vernachlässigten und nur an einem schnellen Weiterverkauf interessiert waren, sowie wegen des Zusammenbruchs der Absatzmärkte ging die Förderung von Öl und Gas nach dem Ende der Sowjetunion Anfang der neunziger Jahre dramatisch zurück. Heute steigt sie genauso schnell wieder an. Doch das Wachstumspotenzial für Russlands boomenden Energiesektor ist nach oben nicht unbegrenzt.

Die russische Ölproduktion begann Ende des 19. Jahrhunderts am Kaspischen Meer auf dem Gebiet des heutigen Aserbaidschan. Heute liegen die Hauptförderstätten im Westen Sibiriens. Zukünftig setzt man auf neue Ölfelder im Osten Sibiriens, in der Barentssee und auf Sachalin. Ölexperten unterscheiden dabei zwischen heute schon nutzbaren »Reserven« und zukünftig verfügbaren »Ressourcen«. Bei den Reserven an heute wirtschaftlich und technisch förderbarem Erdöl steht Russland an siebter Stelle weltweit. Bei den Ressourcen, den bekannten, aber noch nicht unter rentablen Bedingungen förderbaren Vorräten, befindet sich Russland mit 16 Prozent weltweit an zweiter Stelle. Obwohl Russland über erheblich geringere Erdölreserven als Spitzenreiter Saudi-Arabien verfügt, liegt es bei der aktuellen Fördermenge fast gleichauf. Im Jahr 2005 lag die russische Ölförderung sogar erstmals vor der der Saudis. Allerdings verbrauchte Russland so viel Öl im eigenen Land, dass seine Exportmenge noch deutlich hinterherhinkte. Momentan fördert Russland jährlich knapp fünf Prozent seiner Reserven. Auch wenn neue Vorkommen entdeckt werden, so hat Russlands Ölproduktion doch ihren Höhepunkt – den sogenannten »Peak« – erreicht. Der Export kann zukünftig nur steigen, wenn im eigenen Land sparsamer mit Energie umgegangen und der heimische Verbrauch gesenkt wird. Russland muss deswegen dringend investieren, nicht nur in moderne Förderanlagen und neue Pipelines, sondern auch in die Energieeffizienz seiner Industrie und Haushalte.


Öl- und Gasförderregionen in Russland

Die Erdgasförderung im Westen Sibiriens, von dem aus Europa heute beliefert wird, geht kontinuierlich zurück. Die neuen gigantischen Gasfelder in der Arktis, unter dem Meeresboden (offshore) oder auf der Jamal-Halbinsel können nur erschlossen werden, wenn westliche Investoren sich an den immensen Kosten beteiligen. Dagegen steigt die Ölproduktion am Kaspischen Meer und in Zentralasien weiter. Russland ist deswegen daran interessiert, den Export aus Zentralasien über sein Pipelinenetz Richtung Westen zu leiten, um an diesem Geschäft mitzuverdienen. Außerdem will Russland zukünftig Flüssiggas per Tanker in die USA und nach Ostasien exportieren.

Die Öl- und Gasvorräte, über die Russland verfügt, sind also nicht unerschöpflich, wie russische Politiker und westliche Medien bisweilen glauben machen; dabei wird das Öl Russland eher ausgehen als das Erdgas.

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