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Heute ist das Gefängnis mein Arbeitspatz.

Ich wollte Architekt werden, wie Vater

Vor dem Architektwerden mußte ich maturieren respektive abiturieren

Nach dem Maturieren

Siegte aber die Revolution, die Universitäten wurden geschlossen

Als sie wieder öffneten, mußte jeder

Respektive jede, die studieren wollte, oder der

Eine Prüfung ablegen, in Ideologie, in islamischer.

Die Prüfungskommission

Bestand aus einer streng nach der Kleiderordnung Gekleideten

Einem Geistlichen

Und einem Yogalehrer

Was der Yogalehrer, den ich aus der Zeit des Vaters

Als Hypnotiseur im Zweiten Kanal des Teheraner Fernsehens gut kannte

In der Ideologiekommission der Fakultät für Architektur und Landschaft

Zu suchen hatte, weiß ich nicht mehr

Er hatte seinerzeit Vater zu überreden versucht

Im Zentrum von Teheran

Ein Zentrum für indische Heilkunst zu gründen

Vater ging aber, um Architektur zu studieren, nach Bombay.

Vielleicht sah der Mann dem Yogalehrer aber bloß ähnlich

Hatte einen langen Hals

Und einen aus dem Hals herausstechenden

Adamsapfel.

Die Kommission teilte mit

D.h. die streng nach der Kleiderordnung Gekleidete

Ich hätte unter allen KandidatInnen

Im praktischen wie im theoretischen Teil der Aufnahmeprüfung

Die höchste Punkteanzahl erreicht

Wozu sie mir herzlich gratulierte

Mehrere Professoren

So die streng nach der Kleiderordnung Gekleidete

Hätten zudem den Wunsch geäußert

Mich unterrichten zu dürfen

Und hätten gefragt, ob ich der Sohn von

(Der Gefängnisarzt nannte den Namen des Vaters)

Sei.

Aber Sie sind sich bewußt

Daß weder das erfolgreiche Ablegen des theoretischen

Noch des praktischen Teils der Aufnahmeprüfung

Ausreichen wird?

Das sei ich mir, sagte ich

Es folgte die Prüfung in Ideologie, in islamischer.

Ich mußte mich in eine Umkleidekabine begeben

Eine graue Trainingshose und ein oranges T-Shirt anziehen

Und trat wieder vor die Prüfungskommission

Die Prüfung fand in einer Art Turn- oder Theatersaal statt

Die Kommission saß hinter einem Holztisch auf einer Art Bühne

Auf dem Tisch befand sich ein Blumenarrangement der Teheraner Art

Das duftete lieblich

Es sprach die streng nach der Kleiderordnung Gekleidete

Der Yogalehrer und der Geistliche schwiegen.

Wir möchten Ihre Kenntnisse in der Theorie

Und Ihre Fertigkeiten in der Praxis

Des Teheranisch-Islamischen Betens überprüfen.

Was müssen Sie während des Betens

Unbedingt unterlassen?

Aus dem Teheranisch-Islamischen Gebetsblog

Beten für Dummies

yaranenamaz.blogfa.com

… es empfiehlt sich vor dem Beten einmal oder mehrmals

Gott ist groß

zu sagen. Die Hände befinden sich dabei auf der Höhe und parallel zu den

Ohren.

Folgende Dinge haben wir während des Betens unbedingt zu unterlassen:

Essen

Trinken

Sprechen

Lachen

Weinen.

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Die Skripten

Zur Vorbereitung der Ideologieprüfung

Die man auf den Trottoirs rund um die Universität

Erwerben konnte, hatte ich alle auswendig gelernt.

Sie enthielten Fragen wie

Daß die Welt so gut funktioniert

Ist ein Rätsel, das wir lösen, indem wir an Gott als den Schöpfer glauben.

Müßte aber der Schöpfer

Nicht vollkommener sein und folglich

Noch besser funktionieren als die Schöpfung?

So daß das Rätsel, indem wir an Gott als den Schöpfer glauben

Noch größer würde?

Oder

Wenn Gott existiert

Warum funktioniert die Welt dann so schlecht?

Und andere Fragen metaphysischer Art

Die mir alle wie Fangfragen erschienen

Glaubenspraktische Themen

Wie die Theorie und die Praxis des Betens

Kamen in den Skripten nicht vor.

Daß die Islamischen beten, wußte ich von Vater.

Nicht daß er gebetet hätte

Zwar war er als Islamischer geboren

Aber schon seine Eltern würde man

Wenn es die Taufe respektive den Taufschein bei den Islamischen gäbe

Als Taufschein-Islamische bezeichnet haben

Das galt um so mehr für den Vater

Und noch mehr für mich.

Nicht daß Vater also gebetet hätte

Er nahm aber 1973 zusammen mit besagtem Namwar

An einem Architekturwettbewerb teil

Der Auftrag lautete, einen Pavillon der

Teheraner Weltausstellung 1974

Als modernes

Teheranisch–Islamisches Gebetshaus zu gestalten.

Vater und Namwar

Reichten einen Entwurf ein und gewannen

Es handelte sich

Soweit ich mich erinnere

Um veränderbare Räume

Respektive um eine Fassade

Die sich mehrmals am Tag automatisch veränderte

Die verschiedenen Fassadenvarianten

Waren den verschiedenen Positionen im Teheranisch-Islamischen Gebet nachempfunden

Position 1

Stehend, die Hände erhoben, wie nach dem Kommando

Hände hoch!

Bloß daß der Betende die Hände näher an den Ohren hält.

Position 2

Vornübergebeugt, die Hände auf den Knien ruhend.

Position 3

Stirn, Nase, Handflächen, Knie, Zehenspitzen

Berühren den Boden.

Um den Besuchern der Weltausstellung

Einen Eindruck vom Teheranisch-Islamischen Gebet zu vermitteln

Verrichteten mehrere im Pavillon befindliche Betende

Durchwegs Studentinnen der Fakultät für Architektur und Landschaft

Der Technischen Universität Teheran

Mehrmals am Tag das Teheranisch-Islamische Gebet.

Genaugenommen handelte es sich nicht

Um das Teheranisch-Islamische Gebet

Denn man hatte

Statt die Teheranisch-Islamischen Gebetshaltungen vorzuführen

Die Positionen des Teheranisch-Islamischen Gebets

Mit den Positionen des Yoga zu einem

Teheranisch-Islamischen Gebetsyoga

Synthetisiert.

So folgte etwa die Pyramide (Parsvottanasana)

Unmittelbar der Position 2

(Vornübergebeugt, die Hände auf den Knien ruhend)

Des Teheranisch-Islamischen Gebets

Oder der Skorpion (Vrischikasana)

Der Position 3

(Stirn, Nase, Handflächen, Knie, Zehenspitzen berühren den Boden)

Und statt von traditionellen Gebetsformeln

Wurden die Positionen von

Mehr oder weniger passenden Passagen

Populärer Teheraner Popsongs begleitet.

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Die streng nach der Kleiderordnung Gekleidete

Hatte also nach meinen Kenntnissen

In der Theorie und der Praxis des Betens gefragt

Und was man während des Betens unterlassen sollte

Ich hatte keine Ahnung, glaubte aber

Der Yogalehrer könnte mich retten

Und begann

Von der Weltausstellung 1974 zu reden

Und vom Teheranisch-Islamischen Gebetsyoga

Und während ich sprach, studierte ich

Die Gesichter der Kommissionsmitglieder

Insbesondere das des Yogalehrers

Das sich aber überhaupt nicht bewegte

Seine Gesichtsfarbe änderte sich aber

Von Gelb auf Rot.

Ich wollte sie zum Lachen bringen

Zumindest den Yogalehrer

Und suchte, um sie zum Lachen zu bringen

Oder zumindest den Yogalehrer

Nach einem Detail in der Teheraner Weltausstellungsgeschichte

Aber es fiel mir nichts ein

Bis ich kapierte (oder war es später, daß ich kapierte)

Daß die ganze Idee

Des mehrmals am Tag sich verändernden

Teheranisch-Islamischen Gebetshauses

Und das ganze Teheranisch-Islamische Gebetsyoga

Zum Lachen waren

Und daß, wenn einem das Lachen

Nicht schon beim mehrmals am Tag

Sich verändernden Teheranisch-Islamischen Gebetshaus

Respektive beim Teheranisch-Islamischen Gebetsyoga gekommen war

Kein wie immer geartetes Detail

Der ganzen Teheraner Weltausstellungsgeschichte

Imstande sein konnte, einen zum Lachen zu bringen.

Die Einsicht muß tatsächlich später gekommen sein

Denn als mein Blick beim Erzählen der Weltausstellungsgeschichte

Auf die Trainingshose fiel

Dann auf das orange T-Shirt

Die ich in der Kabine hatte anziehen müssen

Machte ich einen weiteren Versuch, sie zum Lachen zu bringen.

Ich behauptete, daß 1974 die Mädchen

Das Teheranisch-Islamische Gebetsyoga in jenem Pavillon

In denselben orangen T-Shirts und Trainingshosen

Absolviert hätten

Das heißt die Studentinnen

Als ich Studentinnen sagte, fiel mir ein

Daß es sich um Studentinnen der

Fakultät für Architektur und Landschaft gehandelt hatte

Derselben Fakultät

In der ich gerade ideologisch geprüft wurde

Ich hatte also womöglich tatsächlich

Eines jener orangen T-Shirts angezogen

Respektive eine jener Trainingshosen

Die 1974 von den Studentinnen im Pavillon

Getragen worden waren

So daß die Behauptung, die ich so leichtfertig aufgestellt hatte

Nicht geeignet war, die Kommission günstig zu stimmen

Da sie vermutlich der Wahrheit entsprach.

Ich hätte die Kommission

Aber noch ungünstiger gestimmt

Wenn ich mitgeteilt hätte, was mir dann noch einfiel

Damals war wegen der Mädchen in den Trainingshosen

Von einem Skandal die Rede gewesen

Allerdings nicht in Teheran

Sondern die

Chicago Sun-Times

Berichtete von einem

Sexskandal in einem Teheraner Gebetshaus

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Obwohl ich jenen Sexskandal

Gar nicht erwähnte, wurde die Prüfung

Nach meiner Bemerkung, daß es sich bei der Trainingshose

Und dem T-Shirt, das respektive die ich anhatte

Um eine der Trainingshosen

Respektive eines der T-Shirts handeln könnte

Die 1974 von den Studentinnen im Pavillon

Getragen worden waren

Abgebrochen.

Kurz darauf erhielt ich einen Bescheid

Daß mein Antrag auf Aufnahme eines Studiums

An der Fakultät für Architektur und Landschaft

Abgelehnt worden sei

Weiters sei gegen mich

Ein Verfahren wegen

Beleidigung des Glaubens

Eingeleitet worden.

Ich schrieb Vater nach Bombay

Wohin er nach der Revolution zurückgekehrt war

Einen Brief

Und fragte wie man einen Glauben beleidigen könne.

Wenn man einen Glauben beleidigen könne

Müsse er dann nicht eine Persönlichkeit sein respektive haben?

Und müsse er

Wenn er eine Persönlichkeit sei oder habe

Nicht eine Art Mensch sein?

Und wenn er eine Art Mensch sei

Müsse er dann nicht Gedanken und Absichten

Und Gefühle, Ängste haben?

Und Wünsche?

Und ob ein Glaube, wenn er eine Persönlichkeit habe Und Gedanken

und Gefühle und Absichten und Ängste

Und Wünsche

Nicht auch eine Persönlichkeitsstörung haben oder neurotisch sein könne?

Oder pervers?

Daß mein Ansuchen

Auf Aufnahme zum Studium

An der Fakultät für Architektur und Landschaft

Abgelehnt worden war, teilte ich Vater nicht mit.

Im Gerichtsgebäude begegnete ich zufällig Namwar

Dem langjährigen Partner des Vaters

Umgeben von einer Gruppe

Streng nach der Kleiderordnung gekleideter Frauen

Ich dachte, er sei angeklagt

Wie ich, was mich freute

Er begrüßte mich überschwenglich

Als sei ich ein Freund

Und umarmte und herzte mich

Er war ja auch ein Freund

Meines Vaters

Und ich bin überzeugt, daß er

Der keine Kinder hatte

Mich liebte, wie einen Sohn

Ich aber haßte ihn

Weil er sich unmittelbar nach der Revolution, der Islamischen

Im Unterschied zu Vater

Der unmittelbar nach der Revolution

Nach Bombay zurückgekehrt war

Mit den Islamischen

Arrangiert hatte.

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Du hast Glück, sagte Namwar, der Richter ist krank

Die nach der Kleiderordnung Gekleideten kicherten

Ich wunderte mich, daß er von meinem Verfahren wußte.

Namwar war nicht angeklagt

Sondern beauftragt

Das Teheraner Strafgerichtsgebäude umzugestalten

Ein unmittelbar nach der konstitutionellen Revolution

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts

Im Teheraner Style nouveau errichteter Bau

Ich beneidete ihn, als müßte, statt des Vaters, ich ihn beneiden

Den Vater schienen Namwars Erfolge kalt zu lassen

Die er seinem unendlichen Opportunismus verdankte

Er nannte ihn aber medioker

Beim Abschied

Übergab mir Namwar eine Visitenkarte, eine außerordentlich große

Eine Art Kunstwerk, das er, sagte er

Bei einem Visitenkartendesigner in Auftrag gegeben hatte

Komm morgen in mein Büro

Ich werde dir helfen.

Ich ging natürlich nicht hin.

Stattdessen schrieb ich Vater nach Bombay

Der wußte inzwischen

Von der Ablehnung meines Antrags

Auf Aufnahme zum Studium und empfahl mir

Dem Namwar sein Hilfsangebot

In jedem Fall anzunehmen.

Dem Namwar sein Büro

War im Unterschied zu der Karte

Klein, dunkel und schäbig

Es roch

Nach etwas mir Unbekanntem

Den Geruch habe ich nirgendwo anders gerochen

Angenehm war er nicht.

Er begrüßte mich überschwenglich

Und herzlich

Und seine, im Unterschied zu den Frauen vor dem Gerichtsgebäude

Keineswegs nach der Kleiderordnung gekleidete Sekretärin

Servierte belgisches Bier.

Der Gefängnisarzt sagt häßlich statt herzlich

Er begrüßte mich überschwenglich und häßlich

Ein Freudscher natürlich

Ich spreche ihn natürlich

Nicht darauf an

Längst haben die Entdeckungen der Psychoanalyse

(Oder was man dafür hält)

Eingang in das öffentliche Bewußtsein gefunden

Wie nannte das mein Lehranalytiker Kinz?

Psycho-Banalyse?

Daß es sich um einen Freudschen handelt

Wenn er häßlich statt herzlich sagt, sollte er folglich selbst wissen

Und es unaufgefordert ansprechen.

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Nur Mut, sagte Namwar

Grüßte, küßte und herzte

Was mir in Gegenwart der Sekretärin

Peinlich war

Sie war nämlich nicht nur nicht nach der Kleiderordnung gekleidet

Sondern auch hübsch

Und zwar sehr

Nur Mut, sagte Namwar, wir machen das schon

Mir fiel die Farbe des belgischen Biers auf

Ein Lambic, sagte Namwar, ein Krischbier

Dem man nach der Spontangärung Schwarzkirschen zusetzt

Die eine zweite Gärung bewirken

Das ist Himbeersaft, dachte ich, sagte es aber nicht

Namwar wußte alles

Die Kommission, der Yogalehrer, die streng

Nach der Kleiderordnung Gekleidete

Die Frage nach dem Gebet

Die Sache mit dem T-Shirt respektive der Trainingshose

Und redete von meiner Behauptung

Es hätte sich womöglich um eines jener T-Shirts gehandelt

Respektive Trainingshosen

Die die Studentinnen damals getragen hatten

Als wäre es sein Einfall gewesen

Über den er übrigens lachen mußte

Er ist überhaupt

Ein äußerst herzlicher Mensch.

Wir machen das

Namwar griff zum Hörer und setzte sich

Mit dem Rektor der Technischen Universität in Verbindung

Einem Freund und Studienkollegen, wie er sagte

Der aber, wie es sich herausstellen sollte

Abgesetzt und als Agent Tel Avivs

Verhaftet worden war

Namwar schien irritiert und schickte mich heim

Ich möge mich anderntags

Wieder bei ihm im Büro einfinden.

Auf dem Heimweg war ich euphorisch

Und fühlte mich frei

Als hätte ich nicht ein Bier getrunken

Sondern deren drei

Das wunderte mich.

Am nächsten Morgen

Fand ich mich wie vereinbart

In Namwars Büro ein

Der sich, um mir das Studieren

Doch noch zu ermöglichen

Mit diversen einflußreichen Personen

Und Institutionen in Kontakt gesetzt hatte

Aber es war nicht gelungen

Und er hatte darüber hinaus

Den Eindruck gewonnen, daß auch seine Karriere

Nun da sie seinen Freund, den Rektor, festgesetzt hatten

In Gefahr war

Wenn nicht sein Leben

Die Sekretärin servierte das belgische Bier

Namwar fragte, ob ich mir

Vorstellen könnte, in unsrem Gefängnis

Als Bewährungshelfer zu arbeiten

Ich lehnte das Bier

Unter Verweis auf meine Kopfschmerzen

Dankend ab.

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Soweit der Gefängnisarzt, LeserIn

Würgen macht müde

Ich sitze wieder auf dem Analytikersessel, aus Graz

Plüschiger Halbkreis

Umrundet mir

Armchair Thinking

Den Rücken

Und versuche mich

Zu erholen.

Die Psychoanalyse ist besser als der Kapitalismus

Sagte mein Lehranalytiker Kinz

Oder war es Jacques-Alain Miller?

Im Kapitalismus muß der Kapitalist die Arbeiter zahlen

Hingegen der Analytiker dafür

Daß er die Analysandin arbeiten läßt

Auch noch bezahlt kriegt.

Was es mit Der Schrift auf sich haben soll

Weiß ich immer noch nicht

Also doch an die Arbeit!?

Dabei habe ich eh grad

Gebrüllt und gewürgt.

Der Gefängnisarzt fährt fort

In seinem Bericht

Den Job als Bewährungshelfer hätte er angenommen

Und sein Verfahren wegen der Glaubensbeleidigung

Sei auf Namwars Intervention hin

Dann eingestellt worden.

Wie ihm das möglich gewesen sein sollte

Dem Namwar

Ohne seine Karriere zu gefährden

Will ich wissen

Wenn nicht sein Leben

Sag’ aber nix

Seit Jahren habe er nun

Der Gefängnisarzt, nicht der Namwar

Den Job als Bewährungshelfer

Im Gefängnis

Ohne akademischen Abschluß

The Guardian

Vom 27. Januar 2012

Foltern mit moderner Kunst

Eine Teheraner Kunsthistorikerin hat die wahrscheinlich erste Anwendung der modernen Kunst als Foltermethode aufgedeckt.

Kandinsky, Klee, Itten, Bunuel und Dali lieferten die Inspiration für eine Reihe von Gefängniszellen, die im Teheran der Jahre 1979 bis 1981 gebaut wurden. Sie waren das Werk des Architekten und Hobbymalers Ashkan Namwar, dem Erfinder der psychotechnischen Folter. Angeregt durch Ideen der Surrealisten, der geometrischen Abstraktion sowie durch avantgardistische Theorien über psychologische Auswirkungen von Farben, baute Namwar zusammen mit Mitarbeitern des 1979 geschlossenen Teheraner Museums für Zeitgenössische Kunst seine berüchtigten farbigen Zellen im sogenannten tiefen Gefängnis, einer Abteilung des Habitat-Gefängnisses von Teheran.

In den 1,80 x 0,90 Meter großen Zellen, in denen man bald nach dem Sieg der Revolution mit dem Foltern von Säkularen, Liberalen und Linken begann, wurden Betten in einem Winkel von 20 Grad aufgestellt, so daß es fast unmöglich war, in ihnen zu schlafen. Ziegelsteine und andere geometrische Blockaden schränkten die Bewegungsfreiheit der Häftlinge ein, die gezwungen waren, stundenlang die Zellwände anzustarren, die Namwar mit schwindelerregenden, quadratischen, würfelförmigen und Spiralmustern bemalt hatte. Lichteffekte vermittelten den Eindruck, die Muster an den Wänden würden sich bewegen.

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Der Gefängnisarzt berichtet

Als ich die Stelle als Bewährungshelfer im Gefängnis

Antrat, respektive als Sozialarbeiter

Ohne eine Ahnung von Bewährungshilfe zu haben

Kannten die KollegInnen im Gefängnis

PolizistInnen, BewährungshelferInnen, WärterInnen etc.

Den Vater

Noch alle persönlich

Vater hatte sich nämlich

Auch nach der Fertigstellung des Gebäudes

Bis unmittelbar vor seiner Emigration nach Bombay

Um das Gefängnis gekümmert

Das entsprach seinem Konzept von Architektur

Der Architekt sei kein Bühnenbildner, sagte Vater

Sondern Bühnenbildner und Regisseur

Nicht nur zuständig für den baulichen Rahmen

Sondern auch dafür, was im Rahmen passiert.

Das Gefängnis des Vaters

War als

Work in progress

Konzipiert, als veränderliches Gebäude

Mit veränderlichen Räumen

Gebäude leben, sagte der Vater

Sie würden geboren, wachsen

Wechselfällen ausgesetzt sein

Erkranken, gesunden, altern

Und sterben

Der Tod eines Gefängnisgebäudes bedeute die Freiheit

Seiner Bewohner.

Im Lauf der Jahre

Würde das Gefängnisgebäude sich selbst demontieren

Die Gesellschaft würde sich verändern

Je offener die Gesellschaft, desto offener würde das Gefängnis

Wenn ich offen sage, sagte er, meine ich es ganz wörtlich.

Im Lauf der Jahre

Würde es immer mehr Fenster geben, immer größere

Das nannte er

Aufklärung

In weiterer Folge

Würden immer größere Teile des Gefängnisgebäudes

Der Öffentlichkeit zugänglich gemacht

Erst für wenige Stunden, dann rund um die Uhr

Diese Begegnungszonen zwischen Gefangenen und Freien

Die Bibliotheken, ein Kino, Kaffeehäuser, Sport- und Freizeitanlagen

Beherbergen sollten, nannte er Schleusen

Mit der Zeit

Würden immer mehr Gefangene

Außerhalb des Gefängnisgebäudes arbeiten

Verwandte und Freunde besuchen

Freizeitaktivitäten nachgehen usw.

Jedoch im Gefängnis wohnen

Im vorletzten Stadium würde das Gefängnisgebäude noch existieren

Aber das Gefängnis würde kein Gefängnis mehr sein

Sondern eine Wohnanlage für Gefangene

Die aber keine Gefangenen sein würden

Sondern wie Hotelgäste

Oder Studenten in einem Studentenheim

Das zugleich eine Hochschule wäre

Nach Belieben ein- und ausgehen können.

Schließlich würde das Gefängnis abgerissen

Und nichts bliebe übrig

Außer ein paar Gebäudereste

Als Denkmal für die Nachwelt

Eine andere Nutzung des Habitats

Nach dem Ende seiner Funktion als Gefängnis

Lehnte Vater ausdrücklich ab.

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