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In der dritten von Michel zitierten Stelle heißt es nach Menge: „Der Herr hat mich geschaffen als den Erstling seiner Schöpfertätigkeit, als das frühste seiner Werke in der Urzeit. Von Ewigkeit her bin ich gebildet, von Anbeginn an, vor den Uranfängen der Erde (oder: Welt).” (Sprüche 8,22+23)

Hier heißt es doch ganz eindeutig, dass der Mensch nicht an seinem Geburtstag und nicht am Tag der Empfängnis zu Leben begann, sondern bereits mit Beginn der Schöpfung!

Michel schreibt, dass der Ursprung der jüdischen Reinkarnationslehre sich nur schwer bestimmen lässt, dass jedoch die Idee wiederholter Erdenleben unter den Juden nichts Ungewöhnliches zu sein scheint. Dies ergäbe sich u. a. aus den folgenden beiden Bibelstellen: „Dies ist nun das Zeugnis des Johannes, als die Juden aus Jerusalem Priester und Leviten zu ihm [gemeint ist Johannes der Täufer. R.M.H.] sandten, die ihn fragen sollten, wer er sei. Da bekannte er unverhohlen und erklärte offen: ‚Ich bin nicht Christus (= der Messias).’ Sie fragten ihn weiter: ,Was denn? Bist Du Elia?’ Er sagte: ,Nein, ich bin es nicht’. ,Bist du der Prophet?’ Er antwortete: ,Nein.’”(Joh, 1, 19-21) „Als Jesus dann in die Gegend von Cäsarea Philippi gekommen war, fragte er seine Jünger: ,Für wen halten die Leute den Menschsohn?’ Sie antworteten: ,Die einen für Johannes den Täufer, andere für Elia, noch andere für Jeremia oder sonst einer von den Propheten.’ Da fragte er sie weiter: ,Ihr aber – für wen haltet ihr mich?’ Simon Petrus gab ihm zur Antwort: ,Du bist Christus (= der Messias), der Sohn des lebendigen Gottes.’ Da gab Jesus ihm zur Antwort: ,Selig bist du (zu preisen), Simon. Sohn des Jona, denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater droben im Himmel.’” (Matth. 16,13-17).

Die Jünger und eine nicht näher genannte Anzahl von „Leuten”, glaubten also wie selbstverständlich, dass Johannes der Täufer oder Jesus die Wiedergeburt alttestamentlicher Personen waren. Demnach muss der Gedanke an die Reinkarnation zu jener Zeit tatsächlich weit verbreitet gewesen sein.

Die Autorin Elisabeth Claire Prophet sagt in ihrem Buch Reinkarnation – The Missing Link In Christianity, dass es zwei Ansichten bezüglich der Wiederkunft Elias gäbe. Die erste besagt, dass er in einem himmlischen geistigen Körper wiederkommen würde. Zuvor war sein irdischer Körper 900 Jahre zuvor in einem Feuerwagen in den Himmel aufgestiegen.

Wir lesen in 2. Könige 2,11: „Während sie [Elia und Elisa d. A.] im Gespräch miteinander immer weitergingen, erschien plötzlich ein feuriger Wagen mit feurigen Rossen und trennte beide voneinander: und Elia fuhr im Wettersturm zum Himmel empor.” Nach E. C. Prophet beschreiben der jüdische Mystizismus und die Folklore gewöhnlich, dass Elia in einem himmlischen Körper erscheinen wird, so dass die Leute erwarteten, dass Elia in einem himmlischen Körper wiederkäme.

Eine andere Sicht war jene, die wir bereits gesehen haben: Seine Wiederkunft durch Reinkarnation. Prophet weist auf die interessante Möglichkeit hin, dass reinkarnationsgläubige Juden die Idee, Johannes der Täufer könnte der wiedergekommene Elia sein, damit erklärten, dass Elia zum Zeitpunkt der Erscheinung am Berg der Verklärung in seinem himmlischen Körper erscheinen könne, weil Johannes der Täufer zu diesem Zeitpunkt bereits tot war. Diese Erklärung erscheint mir allerdings eher wie eine Behelfslösung.

Zwei weitere Bibelstellen besagen: „(…)und wenn ihr es annehmen wollt: Er ist Elia, der da kommen soll.” (Matth. 11,14) Und: „Ich [Jesus, der Autor] sage euch aber: Elia ist bereits gekommen, doch sie haben ihn nicht erkannt, sondern sind mit ihm verfahren, wie es ihnen beliebte. Ebenso wird auch der Menschensohn durch sie zu leiden haben. Da verstanden die Jünger, dass er von Johannes dem Täufer zu ihnen gesprochen hatte.“ (Matth. 17,12)

Tatsächlich könnte man die Stelle so verstehen, dass Johannes der Täufer die Reinkarnation des Elias war, denn die Jünger hatten dies ja erkannt, nachdem Jesus es ihnen angedeutet hatte. Sonderbar ist allerdings das, was sich zutrug, bevor Jesus diese Worte gesprochen hatte: „Sechs Tage später nahm Jesus den Petrus, Jakobus und dessen Bruder Johannes mit sich und führte sie abseits (oder: in die Einsamkeit) auf einen hohen Berg. Da wurde er vor ihren Augen verwandelt: sein Antlitz leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden hellglänzend wie das Licht. Und siehe! Es erschienen ihnen Mose und Elia und besprachen sich mit ihm. Da nahm Petrus das Wort und sagte zu Jesus: ,Herr, hier sind wir gut aufgehoben! (Anm. Menge: […]: Es ist gut, dass wir hier sind.) Willst Du, so werde ich hier drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elia.’ Während er noch so redete, überschattete sie plötzlich eine lichte Wolke, und eine Stimme erscholl aus der Wolke, die sprach: ,Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe: höret auf ihn!’ Als die Jünger das vernahmen, warfen sie sich auf ihr Angesicht nieder und gerieten in große Furcht; doch Jesus trat herzu, fasste sie an und sagte: ,Steht auf und fürchtet euch nicht!’ Als sie aber ihre Augen aufschlugen, sahen sie niemand mehr als Jesus allein.

Als sie dann von dem Berge hinabstiegen, gebot ihnen Jesus: ,Erzählt niemand etwas von der Erscheinung, die ihr gesehen habt, bis der Menschensohn von den Toten auferweckt worden ist.’ Da fragten ihn die Jünger: ,Wie können denn die Schriftgelehrten behaupten, Elia müsse zuerst kommen?’ Er gab ihnen zur Antwort: ,Elia kommt allerdings und wird alles wieder in den rechten Stand bringen.” (Matth. 17,1-11) Danach folgen die Worte, die wir oben bereits gelesen haben. In Matth 17,11 beruft sich Jesus auf eine Stelle im Alten Testament: „Wisset wohl: ich sende euch den Propheten Elia, ehe der große und furchtbare Tag des Herrn kommt, der wird das Herz der Väter den Söhnen und das Herz der Söhne ihren Vätern wieder zuwenden, damit ich nicht kommen muss und das Land mit dem Bannfluch schlage (d. h. dem Untergang preisgebe).” (Mal. 3,23)

Daraus ergeben sich allerdings eine Reihe von Fragen: Wie kann Elias auf dem „Berg der Verklärung” erscheinen, wenn er gleichzeitig als wiederverkörperter Johannes der Täufer auf der Erde wandelt? (Eine eventuelle Antwort hat bereits Prophet gegeben) Auf die Frage, was es mit der „Generalversammlung” auf diesem Berg auf sich hat, will ich an dieser Stelle nicht eingehen7. Ebenso rätselhaft ist die Frage, warum Jesus seinen Jüngern gebot, nichts von der Erscheinung zu erzählen. Handelte es sich um ein „Geheimtreffen”?

Noch rätselhafter wird die Sache, wenn wir uns Joh. 1, 20+21 anschauen, wo es heißt: „Da bekannte er [gemeint ist Johannes des Täufers] unverhohlen und erklärte offen: ,Ich bin nicht Christus (= der Messias).’ Sie fragten ihn weiter: ,Was denn? Bis du Elia?’ . Er sagte: ,Nein, ich bin es nicht.“ Nach Michel zeigt diese Antwort zweierlei: Nämlich, dass die Reinkarnationslehre bekannt war und dass Johannes wenig über sich selbst wusste.

„Die Aussage des Johannes hervorzuheben, um die Aussage Jesu zu entkräften, er sei der reinkarnierte Elias, hieße, das Wort des Schülers über das Wort des Meisters zu stellen”, sagt Michel. (Michel 2002, S. 30) Eine andere Interpretation besagt, dass Jesus nur ausdrücken wollte, dass Johannes der Täufer, die „Kraft und Macht” des Elias hatte, jedoch nicht dessen Reinkarnation, sondern quasi mit diesem vergleichbar sei. Etwas spekulativer könnte man vermuten, dass Jesus seinen Jüngern diesen Gedanken nahelegte, um von der Geschichte abzulenken, die zuvor geschehen ist und über die sie ja kein Wort verlieren sollten. Doch wie dem auch sei, der Punkt, dass die Reinkarnationslehre bekannt war, bestätigt sich. Jesus hat ihr auch hier nicht widersprochen, sondern selbst eine Andeutung in diese Richtung gemacht, aus welchen Gründen auch immer. Gehörte das Konzept, nachdem wir mehrmals auf die Welt kommen, auch zum damaligen Glaubensgut? Michel weist noch auf eine andere Stelle hin, die dieses belegt. Wir finden sie in Joh. 9,1-3: „Im Vorübergehen sah er [gemeint ist Jesus, Anm. R.M.H.] alsdann einen Mann, der von Geburt an blind war. Da fragten sich seine Jünger: ,Rabbi (oder: Meister), wer hat gesündigt, dieser Mann oder seine Eltern, dass er als Blinder geboren worden ist?’ Jesus antwortete: ,Weder dieser hat gesündigt noch seine Eltern, sondern (dazu ist es geschehen), damit das Wirken Gottes an ihm offenbar würde.”

Wir müssen an dieser Stelle erkennen, dass die Jünger das Karma- Gesetz kannten und offensichtlich sogar daran glaubten. Denn wann soll der Blindgeborene gesündigt haben können? Doch nur in einem früheren Leben! Dieses schlechte Karma aus einem solchen früheren Leben, schlossen die Jünger offensichtlich, konnte – alternativ für eine Sünde seiner Eltern – dafür verantwortlich sein, dass er blind geboren wurde!

Michel weist daraufhin, dass es im 8. Jahrhundert zu einer Spaltung kam, bei der es um die Reinkarnationslehre ging, doch richtig greifbar sei die Reinkarnationslehre erst im Judentum des Mittelalters geworden. Michel zitiert hierzu aus dem Buch Bahir, dem ältesten kabbalistischen8 Buch. Aus diesen Passagen ergibt sich, dass die Reinkarnation selbstverständliches Glaubensgut war: „Warum geht es (manchem) Frevler gut und (manchen) Gerechten schlecht? Weil der Gerechte schon (einmal) in der Vergangenheit ein Frevler war, der nun bestraft wird. Aber bestraft man denn für (Vergehen der) Jugendtage? Rabbi Simon hat doch gesagt, dass man erst vom zwanzigsten Jahr ab bestraft!? Ich spreche ja nicht vom (selben) Leben, ich spreche davon, dass er schon in der Vergangenheit da war.”(Michel 2002, S. 26 zit. Nach Das Buch Bahir, neu hrsg. v. Gershom Scholem, Darmstadt (WBG) 1970, § 135)

In einer zweiten von Michel zitierten Stelle heißt es: „So steht geschrieben (Eccles9 1,4): Ein Geschlecht geht und ein Geschlecht kommt’ und Rabbi Akiba hat gesagt: Was bedeutet: ,ein Geschlecht geht und ein Geschlecht kommt?’ Ein Geschlecht, das schon einmal gekommen ist.” (ebd. § 86)

Besonders die erste Stelle erinnert an die gerade besprochene Bibelstelle, in der es um den Blindgeborenen und dessen eventuellen früheren Sünden ging. Michel teilt uns auch mit, aus welchem Jahr die letzte Fassung des Buches Bahir stammt: Es war nach Scholem 1180 in Südfrankreich. Da die allgemeine Interpretation in jener Zeit jedoch die Vorstellung von der Reinkarnation ablehnte, geht Scholem von Kartharer - Einflüssen aus und kann sich auch jüdische Überlieferungen als Quelle vorstellen. Der jüdische Einfluss in Südfrankreich war damals sehr groß. Die kabbalistische Auffassung unterscheidet sich jedenfalls in einem Punkt deutlich von jener der Kartharer: Sie verwirft die Möglichkeit einer Wiederverkörperung als Tier.

Ab dem 13. Jahrhundert entwickelt sich die Reinkarnationslehre zu einem festen Bestandteil der esoterischen Überlieferung des Kabbalismus. Nicht geklärt werden kann die Frage, ob diese Lehre für alle Menschen oder nur für das auserwählte Volk Israel galt. Jedenfalls hält Michel fest, dass die esoterischen Aspekte der Kabbala im Verlauf der Jahrhunderte eine herausragende Bedeutung erlangen. Die Eingeweihten des Judentums drangen in tiefe mystische Bereiche vor, die von der herkömmlichen (orthodoxen) Interpretation stark abweichen. Michel berichtet, dass im Judentum des 20. Jahrhunderts erneut ein starkes Interesse an der Reinkarnationslehre zu erwachen schien.

Der reinkarnationsgläubige Rabbi Yonassan Gershom berichtet in seinem Buch Beyond the Ashes, dass es bezüglich der jüdischen Vorstellungen über das Leben nach dem Tod vier verschiedene Ansichten gibt:

1. Weiterleben in den Nachkommen

2. Physische Wiederauferstehung

3. eine unsterbliche Seele im Himmel

4. Reinkarnation

Dazu kämen Mischformen.

Gershom betont, dass das Alte Testament nicht das einzige heilige Buch der Juden, sondern nur ein kleiner Teil davon ist. Ein weiteres wichtiges Buch im Judentum sei der Talmud, der eine gewaltige Erfassung von Schriften sei, die sich über sieben Jahrhunderte erstrecken (etwa von 200 v. Chr. bis 500 nach Chr.). Ursprünglich wurde der Talmud mündlich gelehrt. Er ist eingeteilt in mehrere Passagen mit ähnlichen Themen in 64 Sektionen, die „Traktate” genannt werden.

Das Kollektiv dieses gewaltigen Wissens – Bibel, Talmud, Halacha, Aggada, Mystizismus, Parabeln, Geschichten, Rituale, ethische Literatur und dergleichen – bildeten die Thora, die wörtlich übersetzt „Lehren” bedeute, auch wenn sie oft als „das Gesetz” übersetzt würde. Gershom legt Wert darauf, zu betonen, dass diese Thora nicht – wie oft von Christen vermutet – auf die Schriftrolle in der Synagoge beschränkt sei, die die fünf Bücher Mose enthalten. Wenn ein Jude davon spräche, er lerne die Thora, meinte er damit keineswegs nur das, was von Christen als „Das Alte Testament” bezeichnet wird. Im umfassenden Sinn beinhalte die „Thora” alle jüdischen Schriften, Lehren, Erkenntnisse und Praktiken über einen Zeitraum der letzten 5000 Jahre. Ein Grundsatz-Prinzip beim Lernen der Thora ist, dass es „nichts vor oder nach der Thora” gäbe, was bedeute, dass spätere Kommentare ältere Lehren nicht aufheben, sondern dass sie durch neuere Interpretationen ergänzt worden seien, die früheren Lehrern nicht offenbart worden seien. Ein Student jüdischer Texte versuche diese widersprüchlichen Alternativen miteinander in Einklang zu bringen, anstatt eine über die andere zu stellen. Gershom betont, dass es gerade über das Weiterleben nach dem Tod verschiedene Alternativen in Bibel und Talmud gäbe, und alle würden aufbewahrt.

Weiter sagt er, dass er die vier oben genannten Alternativen zu diesem Thema auch innerhalb der Jüdischen Gemeinschaft zu finden seien, auch wenn er versucht, sie in geschichtlicher Anordnung darzustellen. Gershom kommt zunächst auf den Glauben an ein Weiterleben in den Nachkommen zu sprechen. Viele Juden glauben nicht an ein individuelles Weiterleben der Seele, sondern eher, dass der Lebensfaden bzw. der „Keim” über die Nachkommen weitergegeben wird. Dies rührt aus den früheren biblischen Geschichten her. Dort wurden die Lehren nicht so sehr von Lehrer zu Schüler weitergegeben, sondern von Vater zu Sohn und Mutter zur Tochter, und Kinderlosigkeit war eine große Tragödie – nicht nur für die Kernfamilie, sondern für den gesamten Clan. Ohne Kinder endet die Linie der Eltern für immer, sowohl spirituell als auch buchstäblich. Innerhalb dieses Weltbildes gibt es keinen Platz für das Zölibat. Nach Gershom muss die Ehelosigkeit sowohl als Verantwortungslosigkeit gegenüber dem Stamm als auch als eine Art spirituellen Selbstmordes angesehen werden.

Gershom geht in seiner Betrachtung bis zur Geschichte von Abraham und Sarah zurück, in der Abraham sich darüber beklagte, dass er keinen Erben habe, deshalb würde sein Diener Eliezer alles erben. Doch Gott sagte ihm, seine Nachkommenschaft würde so unzählig sein wie die Sterne am Firmament. Sarah verstand das offensichtlich so, dass Abraham sich eine „Ersatzmutter” nehmen sollte. So gebar Hagar, Abrahams ägyptische Sklavin, einen Sohn, dessen Vater Abraham war. Er hieß Ismael. Dadurch konnte Abrahams „Keim” überleben. „Doch was ist mit der armen Sarah, seiner Frau?”, fragt sich Gershom.

Die Bibel, so antwortet er selbst, sagt, dass Gott sich „an Sarah erinnerte”. Engel erschienen als Botschafter und sagten ihr, dass sie trotz ihres hohen Alters noch ein Kind bekommen würde. Sarah wurde im Alter von 99 Jahren schwanger und die Linie von Abraham und Sarah konnte überleben: Sie wurde später zum Geschlecht der Juden.

Gershom schreibt, dass es eine Art von biologischer Basis für diesen Glauben gibt, nach dem ein „Lebensfunke” von allen Eltern in Samen und Ei überleben würde, sich zu vereinigen, um zum Kind zu werden. Wir wüssten nicht, was dieser „Lebensfunke” ist, doch wir wüssten, dass jedes Lebewesen, das in der Natur vorkommt, von einem anderen Lebewesen erdacht worden sei, so der Rabbi. So könne theoretisch dieser „Lebenskeim” zurück zu den eigentlichen Ursprüngen des Lebens selbst zurückgeführt werden. Etwas von diesen Vorfahren überlebt tatsächlich in den Nachkommen: Die DNA. Falls ein Individuum zerstört würde, bevor es reproduziert werden konnte, dann ist dieser „Lebensfunke” für immer aus dem Gen-Pool entfernt worden. In diesem Zusammenhang zitiert Gershom eine Stelle aus dem Talmud: „Wer auch immer eine einzelne Person zerstört, zerstört eine ganze Welt, und wer auch immer eine einzelne Person in der gesamten Welt rettet, rettet eine ganze Welt.” (Talmud Sanhedrin 4b nach Gershom 1994, S. 54) Gershom sagt, dass diese Stelle traditionell in diesem Kontext erklärt würde. Gewissermaßen bildet diese These ein Gegenargument gegen die Reinkarnation, denn viele Wissenschaftler sagen, dass vermeintliche Erinnerungen an frühere Leben auf irgendeine Weise genetisch in unserer DNA gespeichert seien. Nach dieser These erinnern wir uns nicht an Vorgänge aus einem vergangenen Leben, sondern aktivieren schlicht unsere Gene. Doch Gershom betont, dass dies nicht die Erinnerungen eines Kaukasiers erkläre, der unter Hypnose sich daran erinnert, in einem früheren Leben ein dunkelhäutiger Sklave gewesen zu sein. Es erkläre auch nicht, wie manche von den Menschen mit denen Gershom arbeitete, sich daran erinnern konnten, auf welche Art sie während des Holocausts starben – und das zu einer Zeit, in der seine Eltern noch am Leben waren!

Im mittelalterlichen jüdischen Mystizismus wurde die Idee eines „ursprünglichen Lebensfunken” in den Lehren über Adam Kadmon, dem ersten menschlichen Wesen, entwickelt. „Adam Kadmon” war Adam vor dem Sündenfall und der Erschaffung Evas. Er war ein Hermaphrodit – ein Zwitter –, der oft mit zwei Brüsten und männlichen Genitalien dargestellt wird. Er bzw. sie enthielt möglicherweise alle Seelen der gesamten Menschheit innerhalb seines bzw. ihres „Keims”. Dadurch würden alle heute lebenden Menschen den „Lebensfunken Adams” enthalten.

Gershom führt weiter aus, dass wir alle zu einer besonderen Linie von Vorfahren gehören. In vielen jüdischen Geschichten würde von einer heiligen Person gesagt, sie habe „einen Funken der Seele des Moses” oder einer anderen archetypischen Figur. Was das genau bedeutet, sei nicht immer klar, doch es bedeute definitiv keinen Rassismus! Zum Judentum konvertierte Personen seien symbolisch in den Stamm adoptiert und sind so ebenfalls Söhne und Töchter von Abraham und Sarah. Sie und ihre Nachkommen würden auf jede Weise als Juden angesehen, und so habe die moderne jüdische Gemeinschaft Mitglieder aus allen Rassen und Nationalitäten.

Gershom, der sich, wie wir noch sehen werden, besonders mit dem Holocaust beschäftigt, sagt, dass nach dem Glauben an das Überleben durch die Nachkommen nicht nur Millionen von Juden durch den Holocaust zerstört wurden, sondern sechs Millionen potentielle Welten ausgelöscht wurden. Jede dieser Menschen trug eine genealogische Linie, die nun für immer verschwunden sei. In manchen Fällen wurden sogar ganze Familien, vollständige Gemeinschaften ausgelöscht, ohne dass ein einziger überlebte. Ebenfalls verschwunden sind viele Familiengeschichten, die über Generationen hinweg von den Eltern an die Kinder weitergegeben wurden.

Aus diesem Grund ist es für die Überlebenden sehr wichtig, die Namen der im Holocaust Umgekommenen zu bewahren, insbesondere jene, die selbst keine Nachkommen haben, an die ihre Erinnerungen weitergegeben werden könnten. Deswegen ist es ihnen so wichtig, Monumente zu errichten und Berichte über den Holocaust und jene, die darin umkamen, zu erstellen, bevor die letzten Zeugen für immer von uns gegangen sind. In Yad Vashem, der „Gedenkstätte der Märtyrer und Helden des Staates Israel im Holocaust” wird eine Liste aufbewahrt, die die Namen aller Juden, von denen man weiß, dass sie durch die Nationalsozialisten umgebracht wurden, enthält.

Weniger geglaubt wird unter den Juden heute die Vorstellung an eine körperliche Auferstehung, doch während der talmudischen Periode war das anders. Die Einwirkung dieses Glaubens war damals so stark, dass sie zur zentralen Lehre des Christentums wurde, das in jener Zeit jüdischen Wurzeln entsprang. Wann dieser Gedanke zum ersten Mal ins jüdische Denken Einzug hielt, weiß man nicht. Jedenfalls wird berichtet, dass Moses als Prinz an einem ägyptischen Hof auswuchs und die Ägypter glaubten, sein Leichnam müsse für das Leben nach dem Tod konserviert werden. Allerdings machte Moses keine direkten Angaben zur physischen Auferstehung. Das tat erst Jahrhunderte später der Prophet Daniel. Ich zitiere aus der Menge- Übersetzung: „Und viele von denen, die im Staube der Erde starben, werden erwachen, die einen zu ewigem Leben, die anderen zu Schmach, zu ewigem Abscheu.” (Dan. 12,2)

Gershom fragt sich, ob diese Lehre von der physischen Auferstehung mündlich durch Moses weitergegeben wurde, um erst Jahrhunderte später niedergeschrieben zu werden oder ob möglicherweise diese Lehre erst dem Daniel offenbart worden sein könnte. Letztlich kann er diese Frage nicht beantworten. Doch die alten Ägypter waren der Überzeugung, dass das Leben nach dem Tod in vielerlei Hinsicht dem jetzigen ähnelte, mit den gleichen Grundbedürfnissen und Begierden. Obwohl die Ägypter auch an eine Seele, das Ka, glauben, gab es ohne den Leichnam kein Weiterleben und deswegen mumifizierten sie die Leichname. Das Leben nach dem Tod war auch nicht demokratisch: Die Mumifikation war ein sehr kostspieliger und zeitraubender Prozess, der den oberen Klassen vorbehalten war – ein Weiterleben nach dem Tod stand also nur den Reichen und Mächtigen offen – die Armen mussten im Tode verbleiben, da ihr Körper verwesten.

Doch die Ägypter konservierten nicht nur den Leichnam, sondern füllten das Grab mit Gegenständen, die der Verstorbene im Leben nach dem Tod gebrauchten konnte. So wurden Speisen, Kleidung, Hausrat und sogar Diener, die ebenfalls mumifiziert wurden, mit ins Grab gegeben. Die hochgestellten Ägypter bekamen sogar handschriftliche Texte mit ins Grab, die die Seele auf ihrer Wanderung instruieren sollten.

Es könne sein, dass als Reaktion auf diese Überspanntheit, die Juden etwas Einfacheres ersannen, meint Gershom. Schließlich waren sie Sklaven in Ägypten und mit Sicherheit an der Errichtung der Königsgräber beteiligt. Die Juden müssten Gershom zufolge die Zwecklosigkeit dieses Unterfanges erkannt haben. An manchen Stellen sage die Bibel eindeutig, dass die Leichname tot sind. Als Beleg verweist Gershom u. a. auf Prediger 9,5+10, wo es nach Menge heißt: „Die Lebenden wissen doch noch, dass sie sterben werden, die Toten aber wissen überhaupt nichts und haben auch keinen Lohn mehr zu erwarten; sogar ihr Andenken wird ja vergessen. (…) Alles, was deine Hand mit deiner Kraft zu leisten vermag, das tu, denn in der Unterwelt, wohin dein Weg geht, gibt es kein Schaffen und keine Überlegung mehr, weder Erkenntnis noch Weisheit.”

Daraus schließen die Zeugen Jehovas, aber auch andere Christen, dass es keine unsterbliche Seele gibt, die nach dem Tode weiterexistiert. Gershom hält es aber für wahrscheinlicher, dass der Sinn dieser Bibelstelle und anderen ähnlichen jener ist, dass man die ägyptische Idee, nach der die Mumien wieder zum Leben kommen können und in ihren Gräbern herumwandern, abgelehnt wird.

In biblischen Zeiten wurden die Toten in simple Leichentücher gehüllt und lagen in Höhlen oder Krypten. Heute finden flache Holzsärge Anwendung, und die Leichname werden unterirdisch bestattet. Die Leichname werden auch nicht einbalsamiert. Die einzige Ausnahme in der Bibel scheint Joseph, der Sohn Jakobs, zu sein, der eine prominente Person in Ägypten war. Er nahm allerdings seinen elf Brüdern das Versprechen ab, seine Gebeine aus Ägypten heraus und in das Land seiner Vorfahren zu bringen. Moses tat dies zu irgendeiner Zeit während des Auszugs aus Ägypten.

Unter den richtigen Bedingungen können die Knochen auch ohne Mumifizierung mehrere Jahrhunderte, ja Jahrtausende „überleben”. Die Gebeine zu erhalten war wichtig für jene, die die physische Auferstehung lehrten, weil sie in den „Letzten Tagen” wieder eine Rolle spielen würden. Dann würden die Knochen wieder von Fleisch überzogen und unsterblich werden. Gershom schließt dies aus Hesekiel 37, wo ein Tal von Knochen beschrieben wird, die wieder lebendig werden. In der Vision des Propheten Hesekiel, der 500 v. Chr. während der babylonischen Gefangenschaft des jüdischen Volkes wirkte, heißt es: „Hierauf sagte er [gemeint ist Gott, R. M. H.] zu mir: ,Menschensohn, diese Gebeine hier sind [Menge stellt als Alternative für <sind> die Begriffe <bedeuten> und <stellen dar> in den Raum] das ganze Haus Israel. Siehe, sie sagen jetzt: <Verdorrt sind unsere Gebeine, und geschwunden ist unsere Hoffnung; es ist aus mit uns.> Darum weissage du und sage zu ihnen: <So hat Gott der Herr gesprochen: Wisset wohl, ich will eure Gräber öffnen, und Euch, mein Volk, aus euren Gräbern hervorgehen lassen und euch in das Haus Israel zurückbringen: dann werdet ihr erkennen, dass ich der Herr bin, wenn ich eure Gräber öffne, und euch mein Volk, aus euren Gräbern hervorgehen lasse. Ich will also meinen Geist in euch kommen lassen, dass ihr lebendig werdet, und will euch wieder in euer Land versetzen, damit ihr erkennt, dass ich, der Herr, es verheißen habe und es auch zur Ausführung bringe!> – so lautet der Ausspruch des Herrn.” (Hes. 37,11-14)

Meiner Ansicht nach geht aus dieser Stelle eindeutig hervor – und der Kontext der Kapitel um diese Stelle bestätigt dies –, dass hier von der Wiederherstellung des „Hauses Israel” die Rede ist, die in Bildern geschildert wird. Es geht darum, dass das Volk Israel ins Haus Israels zurückkehrt – um jenen Vorgang, der spätestens mit der zionistischen Bewegung im Jahr 1897 geboren wurde und in dem die Staatsgründung des modernen Staates Israel im Jahr 1948 seinen bisherigen Höhepunkt erreichte. – Eine Prophezeiung ist also in Erfüllung gegangen. (Vgl. Horn 2009: Apokalyptische Endzeit)

Doch Gershom teilt uns mit, dass diese Stelle durch die Jahrhunderte von vielen Juden – wie auch von Christen – wortwörtlich genommen wurde und diese erwarteten u. a. aufgrund dieser Stelle eine buchstäbliche körperliche Auferstehung.

Einige talmudische Weise sagen, dass diese Auferstehung nur im Lande Israel stattfinden könne, denn es ist ja vom „Haus Israel” die Rede. Das Land sei so heilig, dass sogar ein Ungläubiger durch den Vorteil auferstehen würde, dass er hier begraben worden sei. Doch was würde mit jenen Juden geschehen, die außerhalb des Landes Israels beerdigt worden sind? Sicherlich würde den Rechtschaffenen nicht aufgrund der Lokalisation ihrer Gräber das ewige Leben verweigert würden. Um dieses Problem zu lösen, entwickelte sich ein Stück Folklore, das zunächst im Talmud genannt wurde und in späteren Jahrhunderten durch zahlreiche Kommentare ergänzt wurde: Die Toten, die in anderen Ländern begraben wurden, würden unter der Erde durch Tunnel ins Land Israel kommen. In einigen dieser Berichte existieren diese Tunnel bereits, während in anderen die Toten sich wie Maulwürfe nach Israel graben müssten. Der Talmud legt nahe, dass Gott selbst die Tunnel öffnen würde, und die Toten würden „wie Flaschen an den Platz der Auferstehung rollen”. Bis heute wird ein Stückchen israelische Erde in jeden jüdischen Sarg eingestreut, um die Verbindung des Leichnams mit dem Heiligen Land zu symbolisieren.

Gershom hält es für denkbar, dass etwas Spirituelleres gemeint ist und erinnert an die im Kapitel „Gibt es ein Leben nach dem Tod” bereits erwähnten „Tunnel”, durch die Menschen gehen, die eine Nahtod-Erfahrung hatten, an dessen Ende sie oft eine wunderschöne Landschaft sehen. Für Gershom ist die Annahme verführerisch, dass ein weiser Talmud-Schreiber eine solche Nahtod-Erfahrung erlebte und diese seinen Kollegen so schilderte, als habe es sich um eine körperliche Erfahrung gehandelt.

Der Glaube an eine physische Auferstehung jedenfalls wird heute von den meisten Juden abgelehnt, wie Gershom berichtet. Dies läge nicht zuletzt am Holocaust, denn wenn der physische Körper verbrannt worden und die Asche zerstreut worden sei, wie können dann die nichtexistenten Knochen wieder wachsen?

Am Ende dieses Themas kommt auch Gershom auf den Gedanken, dass möglicherweise nicht irgendwelche Knochen am Leben bleiben, sondern viele der Überlebenden im Heiligen Land siedelten und bei der Gründung des Staates Israels auf dem eigenen Land halfen. Dies könne die „Auferstehung” sein, auf die sich Hesekiel bezieht – nicht auf eine buchstäbliche Auferstehung, sondern das Wiederaufleben des jüdischen Geistes nach solch einer großen Tragödie.

Der Glaube an eine unsterbliche Seele im Himmel, um auf dieses Thema zu sprechen zu kommen, wird in der Bibel nicht explizit erwähnt, auch wenn eine Seele in jüdischen Schriften erwähnt wird, die niedergeschrieben wurden, als der biblische Kanon bereits fertig gestellt war. Dies verführte einige Gelehrte dazu, zu glauben, das Konzept einer Seele sei nicht wirklich jüdisch, sondern aus anderen Religionen absorbiert worden. Doch Gershom hält diese Annahme für falsch. Es sei möglich, so Gershom, dass eine Doktrin mehrere Jahrhunderte lang mündlich existiere, bevor sie schließlich niedergeschrieben wird.

Im Mittelalter wurden jüdische Lehrer über das Leben nach dem Tod sowohl in wissenschaftlichen Schriften als auch Folklore bewahrt. Gershom stellt klar, dass in jeder Zeit der durchschnittliche Jude an eine Seele glaubte. Man lese öfter, dass Juden an einem Grab eines Heiligen oder eines geliebten Menschen beteten, worauf die Seele später in einer Vision bzw. einem Traum erschien. Obwohl die Seele den Körper verlassen hatte, wurde geglaubt, dass sie auf irgendeine Weise an den Ruheplatz des Körpers angeheftet sei und deswegen am Grab mehr ansprechbar war. Auch heute ist dieser Glaube noch sehr gebräuchlich.

Der jüdische Philosoph Maimodes, der im 12. Jahrhundert wirkte, versuchte den Glauben an eine Seele und eine körperliche Auferstehung zu verbinden. Obwohl er die Wiederauferstehung als einen Glaubensgrundsatz akzeptierte, hatte er Schwierigkeiten mit der Buchstäblichkeit mancher Texte. Er sah die Lösung darin, zu sagen, dass obwohl es eine Auferstehung des Leibes zur Zeit des Messias gäbe, dies nicht das Ende des Vorgangs war. Tatsächlich gäbe es ebenfalls einen spirituellen Zustand, in dem es keinen Tod und keinen Körper gab. Die gebräuchlichste jüdische Metapher für den Himmel ist für Gershom zweifelsfrei der Garten Eden, denn dort sei alles in Harmonie gewesen. Dort würden die Großen Propheten, Lehrer, Forscher, und Heilige sich unter dem Baum des Lebens versammeln, um die Geheimnisse der Thora zu teilen. Der Löwe liegt neben dem Lamm, und alles sei an diesem himmlischen Garten Eden wie es war, bevor Adam und Eva im Garten Eden der Genesis die verbotene Frucht aßen.

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