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5.1 Polylexikalität

Grundlegendes Kriterium zur Abgrenzung phraseologischer Wortverbindungen von Lexemen ist ihre Mehrgliedrigkeit, d. h. sie bestehen aus mehreren Komponenten, die in der Regel außerhalb der phraseologischen Wortverbindung als primäre Nominationseinheiten vorkommen, und stellen insofern sekundäre Nominationseinheiten dar. Eine Ausnahme bilden so genannte unikale Komponenten, d. h. formal mehr oder weniger gebundene phraseologische Komponenten, die wendungsextern nicht vorkommen, z.B. auf Hochtouren laufen, frank und frei.1 Aufschlussreich für die Einordnung einer Wortverbindung als phraseologisch ist die Getrenntschreibung ihrer Komponenten auf graphematischer Ebene. Im Unterschied zu einfachen Lexemen und Wortbildungskonstruktionen bestehen Phraseme „aus zwei oder mehr graphematisch meist getrennten Wortformen, die […] ihrerseits freie Morpheme als Lexikoneinheiten sind“ (Gläser 1986, 17). Geht man von dieser Definition aus, leuchtet ein, dass die Rechtschreibreform und die damit einhergehende Möglichkeit der Getrenntschreibung von graphematisch zusammengehörenden Ausdrücken zur Erweiterung des Untersuchungsgegenstands der Phraseologie führten.

Obwohl die Mehrwortstruktur als konstitutives Merkmal phraseologischer Erscheinungen genannt wird, wird der Wortbegriff seltener problematisiert. Zudem wird häufig nicht auf die Art der einzelnen Komponenten der Wortverbindung eingegangen, aus denen sie bestehen soll, damit sie als phraseologisch qualifiziert wird. Selbst Definitionsversuche, die sich auf die Art der einzelnen Komponenten beziehen, weisen Unterschiede bezüglich der Minimalstruktur von Phrasemen auf: So zählt Matešić (1983, 11) zur Phraseologie nur Ausdruckseinheiten, die über mindestens zwei Autosemantika verfügen, z. B. kalter Krieg, Fleischer (1997, 29) beschreibt als Minimalstruktur von Phrasemen die Fügung Autosemantikon plus Synsemantikon, z. B. auf Anhieb, während für Burger (2015, 15) bereits zwei Synsemantika reichen, z. B. an sich, damit eine Wortverbindung als phraseologisch ausgewiesen wird. Burgers Definition der Minimalstruktur erscheint angemessener, da sie dem Kriterium der Polylexikalität konsequent folgt. Auch diskontinuierliche Phraseme wie entweder… oder, sowohl… als auch erfüllen dieses Kriterium und werden in diesem Sinne zur Phraseologie gezählt.

Jedoch ist die Grenze der Phraseologie zur Komposition nicht eindeutig. Duhme (1991, 67) argumentiert für die Einbeziehung von Komposita („Einwortphraseologismen“) wie Papierkrieg und Himmelfahrtskommando in den Bereich der Phraseologie, „in denen mindestens ein kompositioneller Bestandteil einen erkennbaren idiomatischen Charakter aufweisen muss“. Sie denotieren komplizierte Sachverhalte, die sich durch die einfache Kenntnis ihrer Konstituenten nicht erschließen lassen. Jedoch läuft die Bezeichnung dieser Wortbildungskonstruktionen als phraseologisch dem üblichen Verständnis des Bestandteils „Phrase“ im Begriff „Phraseologismus“ zuwider, der sich auf Satz bzw. Satzteil bezieht. Als oberste Grenze der Phraseologie gelten vorgeprägte formelhafte Texte (textwertige Phraseologismen), die pragmatisch fixierten Textsorten entsprechen und aufgrund ihrer Usualität einen hohen Grad an Festigkeit erreicht haben, z.B. Gebete, Todes- und Traueranzeigen und formelle Briefe.2

5.2 Festigkeit und Lexikalisierung

Als zentrales Kriterium zur Abgrenzung von freien Wortverbindungen wird in der Phraseologieforschung die Festigkeit, der formelhafte Charakter von Phrasemen herangezogen: Die Festigkeit, Stabilität, Festgeprägtheit oder Fixiertheit, die Phraseme in ihrer Struktur aufweisen, hat eine Begrenzung der Verbindungs- und Ersetzungsmöglichkeiten auf der Ausdrucksebene zu Folge.

Mit der lexikalisch-semantischen Stabilität hängt es zusammen, dass phraseologische Komponenten nicht substituierbar sind. Neben der lexikalisch-semantischen Stabilität weisen Phraseme eine ausgeprägte syntaktisch-strukturelle Festigkeit auf, die sich an einer Reihe von Restriktionen in den Kombinationsmöglichkeiten zeigt. So sind die Passiv-, Relativsatz-, Attribut-, Nominalisierungs-, Fragesatz und Singular-Plural-Transformation von Phrasemen nicht selten Einschränkungen unterworfen. Neben diesen Restriktionen lassen sich Irregularitäten in der wendungsinternen Struktur von Phrasemen feststellen. Dazu zählen Unregelmäßigkeiten in der Rektion, z. B. jemanden Lügen strafen, Bauklötze staunen, an jmdm. einen Narren gefressen haben, der unflektierte Gebrauch des attributiven Adjektivs, z. B. frei Haus, um gut Wetter bitten, auf gut Glück, der adverbiale Genitiv als Objekt, z. B. guter Dinge sein, guter Hoffnung sein, die Voranstellung des attributiven Genitivs, z. B. auf des Messers Schneide stehen, aus aller Herren Länder, der markierte Gebrauch des Nullartikels, z. B. vor Ort, auf Draht sein, aus heiterem Himmel oder der Gebrauch von Präpositionen, z. B. jmd. / etwas ist nicht (so ganz) ohne, und von Pronomina ohne Kontextbezug, z. B. es nicht leicht haben, jmdm. eins auswischen. Hierzu zählen nicht zuletzt auch grammatische Restriktionen, die z.B. mit der Verwendung eines bestimmten Tempus in den Phrasemen das Schießpulver nicht erfunden zu haben und die Sache ist gelaufen zusammenhängen (Burger 2015, 20sqq.; Burger / Buhofer / Sialm 1982, 52sq.).

Trotz dieser Einschränkungen sollte die Festigkeit nicht als absolute, sondern als relative Größe, als graduelles Phänomen verstanden werden. Denn neben der Festigkeit ist Phrasemen auch eine Variabilität zu eigen. Darunter wird der Spielraum verstanden, innerhalb dessen formale Veränderungen im phraseologischen Formativ möglich sind, ohne dass die phraseologische Bedeutung verloren geht (Burger 2015, 22sqq.). Insofern sind Festigkeit und Variabilität in der Phraseologie als komplementäre Kategorien zu betrachten.

Mit der Festigkeit von Phrasemen hängt es zusammen, dass sie lexikalisiert sind und in Speicherung wie Produktion Ähnlichkeiten zu einfachen Lexemen aufweisen. Es ist das Ergebnis des wiederholten Gebrauchs in einer Sprachgemeinschaft und der damit zusammenhängenden Festigkeit anzusehen, dass Phraseme vorgeprägte Einheiten bilden und nach Donalies (2009, 11) „Wiederholungen“ darstellen. Während die Lexikalisierung auf der Wortebene der Regelfall ist, ist sie auf der Satzebene als eine zusätzliche Markierung anzusehen (Fleischer 1997, 62). Konkurrierende phraseologische Termini wie Wortgruppenlexem und Phraseolexem weisen auf die bestehende Ähnlichkeit zwischen Phrasem und Lexem hin und beziehen sich auf die kognitive Verankerung von Phrasemen im Gedächtnis als vorgeformte lexikalisierte Strukturen mit Einheitsstatus. Ähnlich wie Lexeme werden Phraseme nicht nach den Selektionsregeln produziert, sondern als vorgefertigte Einheiten reproduziert.

5.3 Idiomatizität

Phraseme weisen häufig in Bezug auf ihre semantische Realisierung zwei Lesarten auf: eine denotativ-phraseologische und eine wörtliche. Idiomatizität bezeichnet die semantische Umdeutung vieler Phraseme, deren Bedeutung sich nicht additiv-kompositionell aus den lexikalischen Einzelbedeutungen der Komponenten, sondern synthetisch erschließen lässt. Insofern entspricht die Gesamtbedeutung nicht der Summe der Bedeutungen der einzelnen phraseologischen Komponenten. Sie ist übersummativ und lässt sich nicht in die Teilbedeutungen ihrer Komponenten aufgliedern. So besteht zwischen der Gesamtbedeutung des Phrasems die Hosen anhaben und der Bedeutungen seiner einzelnen Komponenten keine Symmetrie. Bei der Idiomatizität handelt es sich um ein fakultatives phraseologisches Merkmal.

Vor diesem Hintergrund gilt Festigkeit als strukturelles Korrelat zur häufigen Verwendung (Usualität) und zur Idiomatizität. Die feste Form idiomatischer Phraseme im Ausdrucksplan entspricht ihrer ganzheitlichen Bedeutung im Inhaltsplan (Burger / Buhofer / Sialm 1982, 64). So ist es als Folge der Idiomatizität anzusehen, dass der Erweiterung und Verkürzung auf syntagmatischer Ebene oder dem Austausch phraseologischer Komponenten auf paradigmatischer Ebene in Phrasemen oft engere Grenzen gesetzt sind als in freien Wortverbindungen.

Aufgrund der Dominanz der phraseologischen gegenüber der wörtlichen Bedeutung büßen die Komponenten idiomatischer Phraseme (Idiome) ihre Autonomie weitgehend ein (Nicht-Kompositionalität). Es ist jedoch zu bemerken, dass die Komponenten von Idiomen eine gewisse Selbständigkeit beibehalten (Kompositionalität), die an den Möglichkeiten des kreativen Umgangs mit Phrasemen, etwa in Wortspielen, sichtbar werden, z.B. ein Wolf, vom Schafspelz gut gewärmt (Meinungsseite, Süddeutsche Zeitung 1998, 4).1

Idiomatizität basiert vorwiegend auf Metaphorisierungs- bzw. Metonymisierungsprozessen. Metaphorisch lässt sie sich auf eine Bezeichnungsübertragung zurückführen, z. B. gegen den Strom schwimmen, Nägel mit Köpfen machen, oder metonymisch auf das Ersetzen eines Ausdrucks durch einen anderen, der damit in einem kausalen, räumlichen oder zeitlichen Zusammenhang steht, z. B. die Hände in den Schoß legen, die Ärmel hochkrempeln. Als besonderer Fall der Metonymie gilt die Synekdoche, bei der ein Ausdruck durch einen anderen ersetzt wird, der mit dem ursprünglichen in einem direkten semantisch-begrifflichen Zusammenhang wie Hierarchie oder Teil-von-Beziehung (pars pro toto) steht, z. B. seine Haut retten, ein kluger Kopf sein. Ein weiterer Idiomatisierungsfaktor ist die Bedeutungsspezialisierung, die aufgrund einer arbiträren Auswahl von Sememen zu einer Verengung der phraseologischen Bedeutung führt, z. B. ein freudiges Ereignis, sich auf den Weg machen, es nicht mehr lange machen, nicht ohne sein.

Je nach Idiomatizitätsgrad werden Phraseme in Vollidiome, Teilidiome und Kollokationen unterteilt (Burger 2015, 27, 32). Als Idiome werden Phraseme bezeichnet, bei denen kein Autosemantikon als phraseologische Komponente Eingang in die phraseologische Bedeutung findet, z. B. für jmdn. die Kastanien aus dem Feuer holen. Teilidiome stellen Phraseme dar, bei denen ein Teil der Komponenten seine wörtliche Bedeutung beibehält, z. B. einen Streit vom Zaun brechen. Kollokationen werden Phraseme genannt, die keinen oder nur einen geringen idiomatischen Charakter haben, z. B. werdende Mutter.

In Abhängigkeit von der Beziehung zwischen phraseologischer und wörtlicher Bedeutung werden Phraseme als motiviert bzw. motivierbar oder nicht motiviert bzw. nicht motivierbar bezeichnet (Burger 2015, 67sq.). Als motiviert gelten Phraseme, deren phraseologische Bedeutung in der Rezeption auf der Basis der wörtlichen Bedeutung synchronisch erschlossen werden kann. Dabei geht es eher um die Möglichkeit des Erkennens eines möglichen semantischen Zusammenhangs zwischen der wörtlichen und phraseologischen Lesart als um ein zwingendes Verhältnis. Denn es ist möglich, dass die wörtliche Bedeutung potenziell auf eine andere phraseologische Bedeutung hinweist, z. B. ins Wasser fallen (Burger 2015, 68). Als motiviert bzw. motivierbar gelten Phraseme, die entweder nicht idiomatisch oder semantisch transparent sind. Als unmotiviert werden Phraseme bezeichnet, bei denen aus synchroner Sicht ein arbiträres Verhältnis zwischen phraseologischer Bedeutung und phraseologischem Formativ besteht. Der Motivationsgrad variiert in Abhängigkeit von der Möglichkeit des Erschließens der ganzheitlichen phraseologischen Bedeutung aus der wörtlichen Bedeutung. Nach diesem Prinzip unterscheidet Burger (2015, 68sq.) zwischen motivierten Phrasemen, die metaphorisch transparente und nicht idiomatische Wendungen umfassen, z. B. ein rotes Tuch für jmdn. sein, Dank sagen, teilmotivierten Phrasemen, z. B. sich die Lunge aus dem Hals / Leib schreien, blinder Passagier und unmotivierten Phrasemen, z. B. gang und gäbe sein, jmdm. einen Korb geben.2

5.4 Zum Kollokationsbegriff

Der Begriff „Kollokation“ wird in der Phraseologieforschung nicht einheitlich definiert und weist deshalb unscharfe Konturen auf. Dies hängt damit zusammen, dass sich nach der raschen Entwicklung der Phraseologie in den letzten vier Jahrzehnten zwei Forschungstendenzen herauskristallisieren: Die traditionell-linguistische und die datenbasierte, distributionelle Betrachtungsweise, die auf der Tradition des Kontextualismus begründet ist. Während die traditionell-linguistische Betrachtungsweise streng zwischen Phraseologie und Syntax unterscheidet, hebt die datenbasierte, distributionelle Betrachtungsweise die Schnittstelle zwischen Lexik und Syntax hervor (Granger / Paquot 2008, 34). Reder (2011, 137) dokumentiert in verschiedenen linguistischen Disziplinen bzw. Forschungstraditionen verschiedene Konzepte von Kollokationen. Demnach wird unter Kollokation in der Semantik „die Kompatibilität, die semantische Verträglichkeit der Wörter miteinander“ verstanden, während im Kontextualismus der Aspekt der Frequenz, die Kookkurrenz und die Signifikanz des gemeinsamen Auftretens zentral sind, und in der traditionellen Phraseologie die Konzepte der Gebräuchlichkeit und der strukturellen Festigkeit im Vordergrund stehen (Reder 2011, 132sq., 136).

Während Kollokationen im traditionell-linguistischen Verständnis als nicht bzw. schwach idiomatische Phraseme zur Peripherie der Phraseologie gehören, stehen sie in der neueren Phraseologieforschung im Rahmen des datenbasierten, distributionellen bzw. deskriptiven Ansatzes vermehrt im Zentrum der wissenschaftlichen Diskussion und ziehen zunehmend das Forschungsinteresse auf sich. Dies hängt mit dem Aufschwung der Korpuslinguistik und der damit verbundenen Aufwertung der Korpusevidenz innerhalb der Sprachwissenschaft zusammen. Die Analyse umfangreicher Textkorpora offenbart mehr oder weniger feste sprachliche Muster mit phraseologischem Charakter, die als solche nicht aufgefallen waren.

Die Kollokationskonzepte unterscheiden sich vorwiegend im Grad der Festigkeit, den Kollokationen aufweisen. Diese Konzepte reichen von einer engen traditionell-linguistischen Auffassung von Kollokationen, nach der Kollokationen festgeprägte, präferierte Wortverbindungen sind, die sich durch die Begrenzung der Verbindungsmöglichkeiten auf syntagmatischer Ebene kennzeichnen, bis zum weiteren Verständnis, „gemäß welchem unter einer Kollokation jegliches Miteinandervorkommen von lexikalischen Einheiten in einem Korpus zu verstehen ist“ (Konecny 2010, 78). Nach diesem Verständnis werden auch Wortverbindungen zur Phraseologie gezählt, die Fleischer (1997, 61) aus ihrem Gegenstandsbereich ausgrenzt, da sie natürliche Zusammenhänge zwischen Gegenständen und Zuständen ausdrücken und „deren Stabilität durch die Stabilität der entsprechenden Beziehungen der außersprachlichen Realität bestimmt wird“, z. B. Tasse Tee oder Glas Wasser. In der weiten, datenorientierten Konzeption der Phraseologie wird auf den Einsatz semantischer Kriterien verzichtet; stattdessen wird der Sprachgebrauch als einziges Kriterium in den Vordergrund gestellt. Insbesondere wird die Häufigkeit des gemeinsamen Vorkommens von Ausdruckseinheiten einheitlich instrumentalisiert und es wird von statistisch signifikanten Kookkurrenzen einzelner Lexeme im Sprachgebrauch ausgegangen. Somit wird das Forschungsfeld auf Ausdrücke erweitert, die in der traditionell-linguistischen Auffassung keine prototypischen Phraseme sind, deren Kombinationsverhalten sich aber als mehr oder weniger als stabil herausstellt. Insbesondere aus Sicht des Fremdsprachenlernens scheint diese breite Kollokationsauffassung von Vorteil zu sein, da sie die Schnittstelle zwischen Lexik und Syntax stärker akzentuiert und den Blick auf umfangreiche lexikalische Strukturen richtet.

5.5 Expressivität, Komplexität, Vagheit

Die Semantik phraseologischer Einheiten erschöpft sich nicht in der denotativen Bedeutung, sondern enthält häufig konnotativ-wertende Elemente, die Haltungen und Bewertungen der Sprachbenutzer einbeziehen. Die expressive Färbung von Phrasemen ist stärker ausgeprägt als im übrigen Wortschatz. Der Beschreibung dieser konnotativ-wertenden Bedeutungsanteile dienen lexikographische Angaben zur Erfassung der Stilschicht (normalsprachlich, gehoben, umgangssprachlich, scherzhaft, vulgär usw.). Palm (1997, 17sqq.) systematisiert verschiedene Aspekte der konnotativen Dimension von Phrasemen, indem sie auf folgende Kategorien zurückgreift: Emotional-affektive Bedingungen (scherzhaft, ironisch, abwertend/negativ, wohlwollend/anerkennend), die kommunikative Ebene (umgangssprachlich, salopp, derb/vulgär, offiziell, feierlich/gehoben), Funktionsbereiche (administrativ, juristisch, Medizin, Militär, Sport), die soziale Geltung (Jugendsprache, Familie, Bildungssprache), die regionale Bindung (z. B. Berlinerisch, Ruhrpott-Deutsch) und die Zeitgebundenheit von Phrasemen (Archaismen, Indiz-Funktion in Bezug auf das Alter, kontinuitätsschaffende Funktion zwischen verschiedenen Epochen). Diese semantisch-stilistischen Kategorien, die sich in der Wörterbuchpraxis etablierten, haben lediglich einen Orientierungswert und sollten am jeweiligen Kontext, in dem Phraseme ihre Bedeutung entfalten, unter Berücksichtigung situativer Faktoren überprüft werden. Mit der Expressivität hängen ferner die Bildhaftigkeit von Idiomen mit transparenter Semantik sowie stilistische Merkmale zusammen wie Alliteration, z. B. gang und gäbe oder klipp und klar, und Reim, z. B. was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.

Ferner weisen Phraseme in ihrer Bedeutung häufig eine hochgradige Komplexität auf, die nach Kühn (1994: 426) mit ihrem semantischen Mehrwert zusammenhängt. Dabei geht es um konkretisierende Seme, die im Gebrauchskontext nicht immer in vollem Umfang realisiert werden. So hat nach Lüger (1997, 86) das Phrasem keinen Mucks machen die Bedeutung ‚nichts sagen, obwohl man überrascht oder erschreckt ist; nicht widersprechen‘. Während der Bedeutungskern ‚nichts sagen, nicht widersprechen‘ im Gebrauch erkennbar wird, wird die Bedeutungskomponente ‚obwohl man überrascht oder erschreckt ist‘ nicht in allen Gebrauchskontexten aktualisiert.

Schließlich weisen Phraseme im Kontext häufig eine Vagheit bzw. Ambiguität auf, die sich aus der fehlenden Angabe referentieller Bezugspunkte im Kontext ergibt. Dies veranschaulicht Burger am Vorkommen von Phrasemen im folgenden Horoskoptext:

Zwillinge. Sie wollen mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen, konzentrieren Sie sich dabei auf die sichersten Opfer und nicht wieder auf das entfernteste Ziel, das spart viel Zeit. (gesprochenes Horoskop, SAT1, 13.9.96, ob.cit. Burger 2015, 75)

Bei den hier verwendeten Phrasemen handelt es sich nach Burger (2015, 76) um „Leerformeln“, da die textlinguistische Einbettung weitgehend fehlt. Die intendierte Vagheit wird den kommunikativen und stilistischen Konventionen dieser Textsorte gerecht.

6 Phraseodidaktik

Im Zusammenhang mit der Aufwertung der Phraseologie als linguistische Disziplin lässt sich seit Anfang der 1990er Jahre ein zunehmendes Forschungsinteresse an Fragen belegen, die die unterrichtliche Förderung der phraseologischen Kompetenz betreffen; unterdessen wird der Phraseodidaktik ein fester Platz innerhalb der aktuellen Phraseologieforschung zugewiesen. Sie lässt sich an der Schnittstelle zwischen Phraseologie und Fremdsprachendidaktik verorten und stellt eine junge Teildisziplin dar, die auf eine etwa 30jährige Tradition zurückblickt und eine bemerkenswerte Entwicklung aufweist. Zu ihrem Aufschwung führte nicht zuletzt die auf Korpusevidenz basierende Feststellung, dass feste Wortverbindungen keine Randerscheinung, sondern einen wesentlichen Bestandteil des Wortschatzes darstellen, ohne den laut Hallsteinsdóttir (2011a, 4) selbst eine begrenzte Kommunikation in der Fremdsprache nicht möglich ist.

Die zentralen Forschungsanliegen der Phraseodidaktik lassen sich in den folgenden Fragen zusammenfassen:


I. Wie kann die Auswahl eines phraseologischen Grundwortschatzes erfolgen?
II. Wie kann phraseologischer Wortschatz didaktisch aufbereitet werden?
III. In welcher Lernprogression kann er niveaugerecht im Unterricht eingeführt werden?

Von der Beantwortung dieser Fragen hängt nicht zuletzt die Erstellung geeigneter Lernmaterialien zur Phraseologie ab. Die Integration der Forschungsergebnisse der Phraseodidaktik in Lehrwerke und Lernmaterialien stellt ein zentrales Desiderat der phraseodidaktischen Forschung dar (Ettinger 2007, 144; Hallsteinsdóttir 2011a, 7). Trotz des Einvernehmens darüber, dass die Phraseologie eine große Relevanz in der schriftlichen und mündlichen Kommunikation hat und als Lerngegenstand einen festen Platz in der Fremdsprachendidaktik verdient (Hessky 1992; Kühn 1992; Jesenšek 2006, 2007), ist die Herstellung eines Bezugs zwischen phraseodidaktischer Forschung und Fremdsprachenunterricht noch unbefriedigend. So ist die Auswahl von Phrasemen in Lernmaterialien empirisch nicht abgesichert und reflektiert nicht den kommunikativen Wert im mündlichen und schriftlichen Diskurs. Ferner zeigen Lehrwerkanalysen, dass die Ergebnisse der Phraseodidaktik nicht genügend in der Erstellung von Lernmaterialien beachtet werden (Hessky 2007, 12; Ďurčo 2007, 169, Ettinger 2007, 901; Chrissou 2012, 12). Analysen gängiger Lehrwerke für Deutsch als Fremdsprache in Jazbec / Enčeva (2012, 167), Strohschen (2016, 307sqq.) und Winzer-Kiontke (2016, 232sqq.) bestätigen die kaum systematische Behandlung phraseologischer Lexik in quantitativer und qualitativer Hinsicht. In diesem Zusammenhang sind folgende Defizite von Lehrwerken zu nennen:

 Die Auswahl von Phrasemen ist nicht empirisch fundiert und spiegelt nicht ihren kommunikativen Wert wider.

 Phraseme werden häufig isoliert, ohne Einbettung in den Gebrauchskontext, eingeübt, so dass ihre pragmatischen Verwendungsbedingungen außer Acht gelassen werden. Nicht selten lässt sich eine didaktisch kaum sinnvolle, gekünstelte Häufung von Phrasemen in nicht authentischen Texten konstatieren.

 Bezüglich des Beherrschungsmodus fehlt eine konsequente Differenzierung zwischen Rezeption und Produktion.

 Es mangelt an einer begründeten Lernprogression: Phraseme werden häufig hohen Sprachbeherrschungsniveaus vorbehalten, ohne dass eine Differenzierung nach ihrer Lernschwierigkeit erfolgt.

Eine Forschungslücke stellt zudem die fundierte Niveauzuordnung von Phrasemen dar. Voraussetzung dafür ist die Bestimmung von Kriterien, die auf die Lernschwierigkeit von Phrasemen Einfluss nehmen und als Grundlage für eine angemessene Lernprogression fungieren.

Im Folgenden werden die zentralen Fragen der Phraseodidaktik aufgegriffen und diskutiert. Diese beziehen sich auf a. die begründete Auswahl eines phraseologischen Grundwortschatzes, b. auf seine didaktische Aufbereitung und c. auf die Bestimmung einer angemessenen Lernprogression.

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