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Literatur

Barth, Karl: Der Römerbrief, neue Bearb., 7. Aufl., Zürich 1940.

Bernays, Edward: Propaganda. Die Kunst der Public Relations, Freiburg i. Br. 2007.

Bonhoeffer, Dietrich: Ethik, 12. Aufl., München 1988.

Dirsch, Felix, Münz, Volker u. Wawerka, Thomas (Hg.): Rechtes Christentum? Der Glaube im Spannungsfeld von nationaler Identität, Populismus und Humanitätsgedanken, Graz 2018.

Hayek, Friedrich August von: Die verhängnisvolle Anmaßung. Die Irrtümer des Sozialismus, Tübingen 1996.

Luther, Martin (a): An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung, Stuttgart u. Weimar 2003.

Ders. (b): Frühe Schriften und reformatorische Hauptschriften, Weimar 2003.

Mohler, Armin: Gegen die Liberalen, Schnellroda 2010.

Schneier, Bruce: Die Kunst des Vertrauens, Heidelberg u. a. 2012.

Anmerkungen

1Zit. n. Alexander Wendt: „Sie werden geframt: von Ihrer ARD“, publicomag.com vom 18. Februar 2019.

2Bernays: 10.

3Vgl. meinen Aufsatz „Christ sein und rechts sein“ in Dirsch, Münz u.Wawerka 2018: 173–189, insbes. 181 ff.

4Bonhoeffer 1988: 19.

5Mohler 2010: 9.

6Hayek 1996: 14.

7Hayek, a. a. O., 123 f.

8Hayek, a. a. O., 38 ff.

9Schneier 2012: 37.

10Hayek, a. a. O., 122 ff.

11lat. discriminare: trennen, absondern, auslesen, unterscheiden.

12Barth 1940: 437.

13Luther 2003a: 22–26.

Biblisch-theologische Grundlegung II: Volk und Nation

Von Godehard Michaelis

1. Vorzeit und Kirche des Alten Bundes

Um das ursprüngliche, überlieferte und eigentliche Verhältnis der Kirche bzw. des Christen zu Volk und Vaterland zu verstehen, ist es notwendig, die diesbezüglichen Aussagen in Schrift, Tradition und kirchlichem Lehramt zu betrachten – jenen Quellen also, welche im Kontext des überlieferten Christentums als Autoritäten gelten. Zunächst soll ein kurzer Blick in das Alte Testament zeigen, welche Bedeutung Schöpfung, Volk und Heimat dort hatten.

Bereits in Genesis 1 (also dem 1. Kapitel des ersten der biblischen Bücher) wird die Schöpfung beschrieben: Gott erschafft Pflanzen und Tiere, „ein jegliches nach seiner Art“1. In Genesis 10 wird dann schließlich mitgeteilt, wie aus den drei Söhnen Noahs die verschiedenen Völker hervorgehen und in ihren jeweiligen Ländern leben. Die Liste der Stammväter und ihrer Söhne schließt mit den Worten: „Das sind nun die Nachkommen der Kinder Noahs in ihren Geschlechtern und Leuten. Von denen sind ausgebreitet die Leute auf Erden nach der Sintflut.“2 Der Gedanke, daß eigene Gebiete und Lebensräume jener Völker der göttlichen Schöpfungsordnung entsprechen, findet sich ebenfalls im Kontext der Mosebücher. Im „Lied des Mose“ heißt es etwa: „der Allerhöchste […] setzte […] die Grenzen der Völker.“3

Als Kirche des Alten Bundes beruft Gott das Volk Israel mit seinen zwölf Stämmen durch seinen Knecht Mose4, wobei für diese Berufung der vertrauende Gehorsam und die Treue des Stammvaters Abraham kausal sind, welche in entsprechende Verheißung Gottes münden.5 Das Selbstverständnis des alttestamentlichen Israel als Kult- und gleichzeitig auch als Abstammungsgemeinschaft wird im gesamten Alten Testament deutlich betont. Beispielhaft für letzteres sei die Aufteilung der Stammesgebiete nach der Landnahme erwähnt, wobei Gebiete und Städte einzeln aufgezählten Stämmen und Unterstämmen bzw. Namensträgern und ihren Nachkommen gegeben werden. Hier gibt Gott selbst dem Mose die Anweisung: „Und der Herr redete mit Mose und sprach: […] nach den Namen der Stämme ihrer Väter sollen sie Erbe nehmen.“6

Die Vermischung mit den fremden, götzendienerischen Völkern im Umfeld ist mit strengem Verbot belegt, wobei das zu schützende Gut in erster Linie der Erhalt der Reinheit der Religion ist. Hier ergeht sogar ein Vernichtungsverbot gegen die sieben Völker Kanaans, welches begründet wird: „Denn sie werden eure Söhne mir abfällig machen, daß sie andern Göttern dienen; so wird dann des Herrn Zorn ergrimmen über euch und euch bald vertilgen.“7 Zur Erhaltung einer gesicherten Abstammungsgemeinschaft werden auch die Geschlechterregister geführt, denen wir in der Heiligen Schrift häufig begegnen. Die im Alten Testament agierenden Personen sind häufig mit ihren Stammes- und Ahnenreihen beschrieben.8 Ein modernes „ius soli“, bei welchem der geographische Geburtsort zur Paßverleihung führt, wäre in dieser Gemeinschaft nicht denkbar.

Als weiteres Beispiel der von Gott angeordneten Bindung des einzelnen an die Abstammungsgemeinschaft sei das 4. Gebot genannt, welches die Liebe zu den Eltern gebietet und mit einer an das Gebot gekoppelten Zusage endet: „Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, auf daß du lange lebest in dem Lande, das dir der Herr, dein Gott, gibt.“9

Auch in den Psalmen finden wir immer wieder die enge Bindung zum Volk, etwa in Psalm 37,3 („Bleibe im Lande und nähre dich redlich.“) oder Psalm 137,6 („Meine Zunge soll an meinem Gaumen kleben, wo ich dein nicht gedenke, wo ich nicht lasse Jerusalem meine höchste Freude sein.“). Gerade in den Psalmen ließe sich die Reihe dieser Beispiele vielfältig ergänzen.

Wo sich das Volk von Gott abwendet, werden für einen solchen Fall Fluch und Unglück in Aussicht gestellt. Der im göttlichen Auftrag auftretende Mose gebietet: „Wenn du aber nicht gehorchen wirst der Stimme des Herrn, deines Gottes, daß du hältst und tust alle seine Gebote und Rechte, die ich dir heute gebiete, so werden alle diese Flüche über dich kommen und dich treffen“10; „Der Fremdling, der bei dir ist, wird über dich steigen und immer oben schweben; du aber wirst heruntersteigen und immer unterliegen. Er wird dir leihen, du aber wirst ihm nicht leihen; er wird das Haupt sein, und du wirst der Schwanz sein.“11

Die Androhungen treffen in der Folge ein: Das Volk fällt zum Götzendienst ab und muß die angekündigten Folgen seines Handelns erleben. In den Klageliedern Jeremias heißt es: „Unser Erbe ist den Fremden zuteil geworden und unsre Häuser den Ausländern.“12 Überfremdung mit allen Folgen taucht somit im Alten Testament als Strafe für Gottvergessenheit und Götzendienst auf und wird auch so empfunden.

Positiv wird daher im Buche Esra berichtet, wie das Gottesvolk unter dem persischen König Cyrus zurückkehren darf, um den Tempel neu zu bauen, und dann zu der Erkenntnis kommt: „Wohlan, wir haben uns an unserm Gott vergriffen, daß wir fremde Weiber aus den Völkern des Landes genommen haben.“13 Der Priester Esra weist seine Volksgeschwister daraufhin an: „Ihr habt euch vergriffen, daß ihr fremde Weiber genommen habt, daß ihr der Schuld Israels noch mehr machet. So bekennet nun dem Herrn, eurer Väter Gott, und tut sein Wohlgefallen und scheidet euch von den Völkern des Landes und von den fremden Weibern. Da antwortete die ganze Gemeinde und sprach mit lauter Stimme: Es geschehe, wie du uns gesagt hast.“14

Sowohl in der Spätzeit des Alten Bundes als auch in der späteren Christenheit galten die Makkabäer als Vorbilder für aktiv kämpfende Glaubens- und Volksverteidiger. Von ihnen wird berichtet, „daß sie um des Gesetzes und ihres Vaterlandes willen gern sterben wollten.“15 Ihre Kämpfe führten zur Befreiung ihres Landes von der (heidnisch-)griechischen Herrschaft des Antiochus IV. Epiphanes.

Es finden sich neben dem Kampf um den Erhalt des eigenen Volkstums andererseits im Alten Testament auch Formen der Kooperation mit anderen Völkern. So wird für den Bau des ersten Tempels die Zusammenarbeit mit dem benachbarten König Hiram gesucht16, oder es gibt Bündnisse, wie etwa jenes der Makkabäer mit den Römern17. Diese Bündnisse basierten auf der Eigenständigkeit der Völker, so daß man heute wohl von „Ethnopluralismus“ sprechen würde.

Nur am Rande sei erwähnt, daß das Königtum mit seiner väterlichen Position im Lande für den Rahmen der Volksgemeinschaft des alttestamentlichen Gottesvolkes zugleich die Rolle des väterlichen Gottes widerspiegelte, der ebenfalls häufig als König bezeichnet wird.18

2. Neues Testament und Kirchenväter

Mit der Ankunft des Heilands wird dann der Begriff des Gottesvolks auf die geistige Ebene angehoben, der Volksbegriff aber gleichzeitig nicht aufgeboben. Christus will sich nicht zu einem weltlichen König ausrufen lassen19 und das irdische Reich Israel wiederherstellen20, sondern sein Reich ist nicht von dieser Welt21. Es ist aber in dieser Welt, aus der er seine Jünger auch nicht wegnehmen will.22 Sie sind als Christen in der Welt und gehen auch nach der Bekehrung ihren Aufgaben nach, sofern diese nicht dem christlichen Lebensideal widersprechen: Beispielsweise kehrt Matthäus nicht wieder an seine Zollbank zurück23, Petrus ist jedoch auch nach der Auferstehung des Herrn als Fischer tätig. Die innerweltliche Gemeinschaft ist also ebenfalls nicht aufgehoben; wem Steuern zustehen, dem sind Steuern zu zahlen, und der Satz „Fürchtet Gott, ehret den König!“24 zeigt die Lebensweise der Christen selbst im damaligen heidnischen Staatswesen auf, welche für den Kaiser und das römische Reich beteten, wie der christliche Schriftsteller Tertullian (Karthago, 160–220) in seiner Apologie bezeugt25.

Christus selbst zeigt sogar dort, wo er abgelehnt wird, die Verbundenheit mit dem Vaterland: Angesichts der Ablehnung der Einwohner Nazareths sagt er: „Ein Prophet gilt nirgend weniger denn in seinem Vaterland […].“26 Für die im deutschen (Luther-)Text stehende Bezeichnung Vaterland wird im Urtext das griechische Wort „πάτριζ“ (patris) verwendet, welches mit „Land der Väter“ zu übersetzen ist. Heimat und (Blut-)Abstammung (im Sinne des bis 2000 im bundesdeutschen Recht geltenden, auf naturrechtlicher Basis bestehenden Abstammungsprinzips „ius sanguinis“) sind in den Worten Christi damit in eine selbstverständliche Beziehung gesetzt.27

Welche Liebe zu seinem irdischen Vaterland der Heiland empfindet, wird deutlich, wenn er über Jerusalem weint, um dessen künftige Zerstörung er weiß.28 Nach überliefertem christlichen Verständnis ist jedes kleinste Wort in der Heiligen Schrift durch die göttliche Weisheit an seinen Platz gekommen und somit nicht grundlos oder zufällig. An der konkret genannten Stelle sieht die Tradition daher ein Vorbild, wie intensiv der Christ mit seinem irdischen Vaterland mitfühlen soll.

Im Missionsbefehl Christi unmittelbar vor der Himmelfahrt werden die künftigen Kinder der Kirche ganz selbstverständlich in ihrem völkischen Eingebundensein dargestellt: „Machet zu Jüngern alle Völker […]“29.

Als Beispiel für das Verhältnis der neutestamentlichen frühen Kirche zum „Land der Väter“ bietet sich eine Stelle aus den Schriften des heiligen Apostels Paulus an. Dort schreibt der Apostel: „Ich sage die Wahrheit in Christo und lüge nicht, wie mir Zeugnis gibt mein Gewissen in dem Heiligen Geist, daß ich große Traurigkeit und Schmerzen ohne Unterlaß in meinem Herzen habe. Ich habe gewünscht, verbannt zu sein von Christo für meine Brüder, die meine Gefreundeten sind nach dem Fleisch, die da sind von Israel.“30 Der Apostel ist also sogar bereit, aus Liebe zu seinen Volksgeschwistern eine Trennung von Gott auf sich zu nehmen, wenn er sie damit nur retten könnte – was für eine übernatürlich starke Liebe zum eigenen Volk!

Betrachten wir nun eine neutestamentliche Prophetie zum Ende der Zeiten, wie sie im Buch der Offenbarung berichtet wird. Hier gibt es eine Vision, von welcher „eine große Schar, welche niemand zählen konnte, aus allen Heiden und Völkern und Sprachen“ erwähnt ist31, so daß diese natürliche Schöpfungsordnung des göttlichen Rechtes auch im Himmel und damit für den Bereich des neuen Himmels und der neuen Erde nicht aufgehoben ist.

Die junge Kirche der ersten Jahrhunderte baute also auf einem eindeutig an Blut und Abstammung orientierten Begriff vom „Land der Väter“ auf, andererseits war es für sie als geistige Gemeinschaft ebenso klar, das eigentliche und höhere Vaterland der Christen im Himmel zu sehen.

Der Erste Clemensbrief aus dem späten 1. Jahrhundert (ca. kurz vor 100) beginnt folgerichtig mit den Worten: „Die Kirche Gottes, die zu Rom in der Fremde lebt, an die Kirche Gottes, die zu Korinth in der Fremde lebt“32. Noch deutlicher ist dieses Selbstverständnis im Brief an Diognet aus dem 2. Jahrhundert; hier heißt es im 5. Kapitel: „[Die Christen] bewohnen jeder sein Vaterland, aber nur wie Beisassen; sie beteiligen sich an allem wie Bürger und lassen sich alles gefallen wie Fremde; jede Fremde ist ihnen Vaterland und jedes Vaterland eine Fremde.“33 Das bedeutet natürlich nicht, daß die Christen damals wurzellose Kosmopoliten gewesen wären, sondern daß eben die himmlische Heimat bei Gott als unvergleichliches, höchstes Gut gewertet wurde, hinter dem alles Weltliche folgerichtig zurückstehen und sich unterordnen mußte. Trotz der Distanz zum weltlichen Bereich wurde daher mit der Aussage „sie beteiligen sich an allem wie Bürger“ auch die grundsätzliche Beteiligung am politischen Leben durch die Christen bejaht.

Die Wertschätzung des irdischen Vaterlandes findet sich deshalb in logischer Folge bei den Kirchenvätern als christlichen Schriftstellern der Antike mit Autorität. Aufgrund der reichhaltigen Quellen dieser Literatur seien lediglich einige wenige weitere Beispiele erwähnt.

So schreibt etwa der heilige Clemens von Alexandrien (ca. 150–215) in seinem Werk „Stromateis“ (στρωματέις, Teppiche): „Man muß also jedenfalls heiraten, sowohl des Vaterlandes wegen als auch wegen der Nachfolge von Kindern […]. Denn wenn sie nicht heiraten und keine Kinder erzeugen, so werden sie, soweit es auf sie ankommt, einen Mangel an Männern verursachen und den Untergang der Städte und der aus diesen bestehenden bewohnten Welt herbeiführen. Dies ist aber gottlos, weil sie auf diese Weise die göttliche Schöpfung zerstören.“34 Clemens verbindet also Abstammung, Vaterland und göttliche Schöpfung als zusammengehörige Werte.

Aus den zahlreichen Schriften des heiligen Bischofs Augustinus (354–430) sei das „Lob der Römer“ erwähnt, von denen er schreibt: „So haben auch sie ihre privaten Interessen zugunsten der gemeinsamen […] hintangesetzt, sie haben […] das Beste des Vaterlandes mit unbefangenem Rate besorgt […].“35

Als Beispiel für die Zeit des hohen Mittelalters sei der heilige Kirchenvater Thomas von Aquin (1225–1274) zitiert. In seiner „Summa theologica“ schreibt er: „Der Mensch [wird] je nach den erhaltenen Wohlthaten in verschiedener Weise gegenüber den anderen ein Schuldner und ebenso je nach dem Vorrange dieser anderen: Nach beiden Seiten steht Gott zuvörderst an der Spitze; denn Er ist die höchste Vollendung und das erste Prinzip unseres Seins und Thuns. In zweiter Linie kommen dann die Eltern und das Vaterland, von denen wir erzeugt und genährt sind worden. Also nach Gott ist der Mensch am meisten Schuldner den Eltern und dem Vaterlande. Wie somit es zur Gottesverehrung gehört, an erster Stelle Gott einen Kult darzubringen; so geht es die Hingebung oder Pietät an, an zweiter Stelle die Eltern und das Vaterland zu ehren. In der den Eltern erwiesenen Ehre ist nun eingeschlossen die den Blutsverwandten gegenüber; denn blutsverwandt sind eben Personen deshalb, weil sie von den nämlichen Eltern abstammen. Und in der dem Vaterlande erwiesenen Hingebung ist eingeschlossen die allen Mitbürgern gegenüber und allen Freunden des Vaterlandes. Auf diese Personen also erstreckt sich vor Allem die Hingebung.“36 Thomas nimmt also die menschlichen Pflichten in den Blick. Abgeleitet von der Pflicht des Menschen, den Schöpfer zu ehren, erkennt er die Pflichten, welche in Verbindung mit dem 4. Gebot gegenüber den Eltern und den Blutsverwandten – also den Volksgenossen und damit dem Vaterland – gegenüber bestehen. Er lehrt folgerichtig, daß es auch in der Liebe eine Ordnung gibt, wonach Blutsverwandte mehr zu lieben sind als Nichtverwandte.37 Genauer bedeutet dies: „Von seiten des Gutes, das wir den Nächsten wünschen, ist die Liebe zu allen Menschen die gleiche; denn allen wünschen wir die ewige Seligkeit“, aber auch: „Die äußeren Wohlthaten müssen wir mehr den nächsten Anverwandten zuwenden wie den anderen.“38

3. Neuzeitliche Aussagen von Lehramt und Theologen

Nach der kurzen Betrachtung der wichtigsten Kirchenväter wollen wir nun einen Blick in die Neuzeit werfen und unserer chronologischen Vorgehensweise halber nun zunächst zwei kurze und zugleich beispielhafte Aussagen Martin Luthers zu unserem Thema zitieren.

Luther verstand sein persönliches Handeln als Theologe sehr intensiv und bewußt auch als Einsatz für Deutschland, wie ein am 1. November 1521 auf der Wartburg verfaßter Brief zeigt: „Meinen Deutschen bin ich geboren, ihnen will ich dienen.“39 Dem Mainzer Erzbischof Albrecht von Brandenburg schrieb er 1530: „Ich kann’s ja nicht lassen, ich muß auch sorgen für das arme, elende, verlassene, verratene und verkaufte Deutschland, dem ich ja kein Arges, sondern alles Gute gönne, wie ich schuldig bin meinem lieben Vaterlande.“40

Die Reformation ist in jedem Fall auch vom Unterschied zwischen der romanischen und der germanischen Mentalität her zu verstehen; die seit dem Mittelalter als „Gravamina der deutschen Nation“ immer wieder auftauchenden Beschwerden deutscher Autoritäten gegen die versuchte Dominanz des italienisch geprägten Papsttums waren eine wichtige Grundlage für die Popularität und damit auch den Erfolg der Reformation in weiten Teilen Deutschlands.

Wenden wir aber nun den Blick auf das kirchliche Lehramt des 20. Jahrhunderts, denn gerade in dieser Zeit wurde ja die Thematik des Vaterlandes mit verstärktem Interesse betrachtet, auch in der Theologie.

Papst Leo XIII. (1810–1903; Pontifikat 1878–1903) lehrt beispielsweise, daß die Vaterlandsliebe gleich der Elternliebe ein natürliches Gefühl sei, und spricht von der „natürlichen Liebe zum Vaterland.“ Er bekräftigt, daß „der gute Bürger den Tod für sein Vaterland nicht scheut“41.

Der heilige Papst Pius X. (1835–1914; Pontifikat 1903–1914) beruft sich in einer Ansprache vom 20. April 1909 auf das hier schon genannte Vorbild Christi. Er meint: „Wäre der Katholizismus vaterlandsfeindlich, so wäre er keine göttliche Religion mehr. Vaterland ist ein heiliger Name, der unsere teuersten Erinnerungen wachruft und unser Herz höher schlagen läßt. Da sind wir ja geboren und daran binden uns Bande des Blutes und edle Gesinnung und Überlieferung. Darum verdient es nicht nur unsere Liebe, sondern unsere Vorliebe.“42

Übertreibungen des Nationalbewußtseins wurden durch das Lehramt freilich ebenso kritisiert wie etwa jene oft mit der Ablehnung des Christentums verbundenen antikirchlichen Tendenzen, welche sich (trotz des laut Parteiprogramm christlichen Bekenntnisses der NSDAP mit seiner im dortigen Punkt 24 getätigten Aussage „Die Partei als solche vertritt den Standpunkt eines positiven Christentums, ohne sich konfessionell an ein bestimmtes Bekenntnis zu binden“) häufig innerhalb des nationalsozialistischen Staats zeigten.

Pius XI. (1857–1939; Pontifikat 1922–1939) reagiert deshalb 1937 mit der Enzyklika „Mit brennender Sorge“, in welcher er u. a. schreibt: „Wer die Rasse, oder das Volk, oder den Staat, oder die Staatsform, die Träger der Staatsgewalt oder andere Grundwerte menschlicher Gemeinschaftsgestaltung – die innerhalb der irdischen Ordnung einen wesentlichen und ehrengebietenden Platz behaupten – aus dieser ihrer irdischen Wertskala herauslöst, sie zur höchsten Norm aller, auch der religiösen Werte macht und sie mit Götzenkult vergöttert, der verkehrt und fälscht die Gottgeschaffene und Gottbefohlene Ordnung der Dinge. Ein solcher ist weit von wahrem Gottesglauben und einer solchem Glauben entsprechenden Lebensauffassung entfernt.“43 Der Papst betont mit diesem Lehrschreiben, daß der Absolutismus weltlicher Ideen mit der christlichen Religion nicht übereinstimmen kann, da Gott der Herr über allem ist. Er bejaht in der Enzyklika den Wert der Vaterlandsliebe, verurteilt jedoch gleichzeitig einen Chauvinismus, welcher die gerechten und natürlichen Interessen anderer Völker übergeht.

In diesem Sinne schreibt sein Nachfolger Papst Pius XII. (1876–1958; Pontifikat 1939–1958): „[Die Kirche] steht dabei in vorderster Linie jener Erziehungskräfte, die der Vaterlandsliebe einen religiös-sittlichen Unterbau geben. Andererseits schirmt sie jedoch gerade dadurch ab gegen jeden ungesunden übersteigerten Nationalismus; denn es liegt im Wesen des katholischen Denkens, die Würde jedes Menschen zu achten und neben dem eigenen auch jedem anderen Volk Gerechtigkeit, Anerkennung des ihm eigenen Guten und Wohlwollen entgegenzubringen.“44

Um ein richtiges Verhältnis bemüht sich Pius XII. auch mit seiner Enzyklika „Summi pontificatus“ vom 20. Oktober 1939. Der Papst schreibt darin: „Man fürchte nicht, daß das Bewußtsein des umfassenden brüderlichen Bandes, wie es die christliche Lehre nährt, und die ihr entsprechende Gesinnung in Gegensatz zur Anhänglichkeit an das Erbgut und an die Größe des eigenen Vaterlandes treten; man fürchte ebensowenig, daß dies alles sich hindernd in den Weg stellt, wenn es um die Förderung des Wohls und der berechtigten Anliegen der eigenen Heimat geht. Dieselbe Lehre zeigt nämlich, daß es bei der Übung der Liebe eine von Gott gefügte Ordnung gibt und nach dieser muß man mit gesteigerter Liebe und mit Vorzug diejenigen umfassen und bedenken, die besonders eng mit einem verbunden sind.

Auch der göttliche Meister zeigte durch sein Beispiel, daß er der Heimat und dem Vaterland in besonderer Weise zugetan war; er weinte ob der drohenden Verwüstung der Heiligen Stadt. Aber die begründete und rechte Liebe zum eigenen Vaterland darf nicht blind machen für die Weltweite der christlichen Liebe, die auch die andern und ihr Wohl im befriedenden Licht der Liebe sehen lehrt. Wunderbar ist diese Lehre von der Liebe und vom Frieden. In hohem Maße hat sie zum bürgerlichen und religiösen Fortschritt der Menschheit beigetragen.“45

Dem katholischen Denken der zitierten Päpste entspricht ebenfalls die Definition des Begriffs Vaterland aus der 1. Ausgabe des „Lexikon für Theologie und Kirche“ von 1938:

„Vaterland, das Land, das uns Vater ist, das uns geboren, genährt, gestaltet und körperlich-geistig eingebettet hat. Vaterland ist das Land unseres Volkes, dessen Kinder wir sind, das mit seinem Rassenbild, seiner Sprache und Kultur, seiner Sitte und Seelenhaltung, seinem geschichtlichen Sein und Streben in uns eingegangen ist und uns ein über die Familie und Heimat hinausreichendes Leben geschenkt hat. Sofern sich Volk zur Nation und zum Staat entwickelt, umfaßt Vaterland alle drei, aber sein Kernstück bildet die Volksgemeinschaft. Ähnlich wie Familie und Heimat ist Vaterland ein Geschenk des ‚Schicksals‘. Wir werden bis zu einem sehr hohen Grad zwangsläufig in die volkhafte, nationale und staatliche Einheit hineingestellt und hineinentwickelt. Hier liegt der erste Ansatz für eine religiöse Wertung. Denn dem gläubigen Menschen ist das Schicksal Fügung und Führung Gottes im Dienste eines ewigen Zieles. So empfangen die im Volk und Vaterland ruhenden Werte unter religiösem Blick eine höhere Weihe. […] Vaterlandsliebe zählt zu den wertvollsten Gütern des irdischen Daseins. Vaterlandsliebe ist ein Edelwert, der von der Kirche geschätzt und geschützt wird. Wie einen ungesunden Nationalismus, der die Lebensrechte anderer Völker mißachtet, lehnt sie sowohl den falschen Internationalismus, der das Vaterland verleugnet, wie den unrichtigen Pazifismus, der es wehrlos macht, entschieden ab. Aber Vaterlandsliebe ist ein Wert, der im Gesamtreich der Werte und Willen Gottes begründet ist, eingeordnet bleiben muß und eben darin seine wahre Bedeutung erlebt.“46

Theologisch interessant ist bezüglich unserer Untersuchung eine Predigt des katholischen Mainzer Bischofs Albert Stohr (1890–1961) von 1945, in der das Bekenntnis zu Volk und Vaterland im Sinne der biblischen Bluts- und Abstammungsgemeinschaft zum Ausdruck kommt: „In aller Offenheit und Überzeugung bekenne ich mich vor Euch zu unserem armen, geschlagenen, zerbrochenen, von fremden Mächten überzogenen Vaterland. Für uns Katholiken ist ja die Vaterlandsliebe mehr als ein bloß naturhaftes Nationalgefühl. Sie ist uns Willenstugend, deren Gegenstand die von Gott gewollte Bluts- und Gesinnungsgemeinschaft aller deutschen Brüder und Schwestern ist.“47

Die Liebe zum Vaterland wird ebenfalls im 1992 herausgegebenen Katechismus der Katholischen Kirche betont, in welchem es heißt: „Die Heimatliebe und der Einsatz für das Vaterland sind Dankespflichten und entsprechen der Ordnung der Liebe.“48

Ähnlich eindeutig ist die positive Haltung zur Nation in den evangelischen Gemeinschaften (mindestens) bis Mitte des 20. Jahrhunderts zu sehen. Hier ist jedoch in stärkerem Maße das Fehlen der übergeordneten, übernationalen Führung zu berücksichtigen, so daß die evangelische Gesellschaft gleichzeitig stärker dem nationalen Zeitgeist entsprach. Einzelne Entwicklungen seien kurz genannt:

Ab dem November 1918 verloren die evangelischen Christen in den deutschen Gliedstaaten ihre seit der Reformationszeit bestehende Institution der summi episcopi, da die Landesfürsten als jeweilige Oberhäupter der Landeskirchen gestürzt wurden. Die Landeskirchen blieben bestehen und setzten aus Wahlen hervorgegangene Oberpfarrer ein, teils mit landesbischöflichem Amtstitel. Ab 1933 sollte dann die einheitliche Struktur einer Deutschen Evangelischen Kirche gebildet werden, bei welcher die dem Nationalsozialismus nahestehende Gruppe der Deutschen Christen eine Dominanz erlangen konnte, jedoch keinen allumfassenden Sieg. Diese vielschichtige evangelische „Kirchenpartei“ lehnte zwar keineswegs in ihrer Gesamtheit das Alte Testament ab, wie mitunter fälschlich dargestellt wird, jedoch gab es tatsächlich auch Strömungen, welche unter dem 1933 durch eine öffentlich übertragene Rede bekannt- und berüchtigtgewordenen Reinhold Krause eindeutig den christlichen Boden verließen und unter die völkisch-religiösen neuheidnischen Richtungen gezählt werden müssen. Ihnen stand auch innerhalb der deutschchristlichen Bewegung eine sich ganz selbstverständlich zum Alten Testament bekennende Mehrheit gegenüber, etwa die ab 1938 als „Lutherdeutsche“ agierende Gemeinschaft um den schlesischen Pastor Dr. Werner Petersmann. Unter den der deutschchristlichen Bewegung ablehnend gegenüberstehenden Gruppen der sogenannten Bekennenden Kirche gab es ebenfalls eine hohe Mehrheit bekennender Nationalsozialisten.

Im Bereich der evangelischen Gemeinschaften gab es mit der „Stuttgarter Schulderklärung“ bzw. dem „Stuttgarter Schuldbekenntnis“ 1945 dann eine für das Kirchenvolk überraschende, ja weitgehend Empörung auslösende Selbstdistanzierung der evangelischen Kirchenführer in Westdeutschland von ihrer eigenen Nähe zum Nationalsozialismus bzw. eine in „Wir“-Form gehaltene Entschuldigung, die kontrovers blieb. Es handelte sich einerseits wohl um den Ausdruck tatsächlicher Selbstkritik, andererseits gibt es auch Anhaltspunkte dafür, daß hier durch internationale evangelische Gemeinschaften ein gewisser Druck im Gegenzug zu wirtschaftlicher Hilfe und erneuter gesellschaftlicher Anerkennung auf internationaler Ebene für die deutschen Mitbrüder eine Rolle spielte. Auch die Schweizer Theologie des Reformierten Karl Barth mit ihrer stärkeren Ablehnung des Gedankens der Schöpfungsordnung mag hier mitgewirkt haben: Sie gewann ab dieser Zeit an Einfluß, ebenso wie die gesamte liberale (historisch-kritische) Theologie insgesamt.

Es stellt sich die Frage, aus welchem Grunde das heutige Amtskirchenchristentum der beiden großen Konfessionen in Deutschland derart linksliberal und feindlich auf jeglichen nationalen Gedanken reagiert.

Hier muß unbedingt der Einfluß der Frankfurter Schule genannt werden: Eine Gruppe von Gesellschaftswissenschaftlern, meist Soziologen, hatte 1923 in Frankfurt am Main das „Institut für Sozialforschung“ gegründet. Die Lehre bzw. der Forschungsansatz vereinte die Philosophie von Karl Marx und dessen „Grundlagen“ bei Georg Wilhelm Friedrich Hegel mit der Psychoanalyse Sigmund Freuds, griff aber auch auf die soziologischen Forschungen Max Webers zurück. Die Gruppe des „Instituts für Sozialforschung“ – ebenso jüdischer Herkunft wie Marx und Freud selbst – emigrierte in der Zeit des Nationalsozialismus nach Amerika und kehrte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs mit der amerikanischen Besatzungsmacht zurück. Sie wurde stark in den amerikanischen Plan einer Reeducation, also einer Umerziehung der Deutschen, eingebunden. Dies hatte wesentlich Erfolg, weil Publikationen (etwa Zeitungen) nur mit alliierter Genehmigung erscheinen durften, welche an rechtsstehende Publizisten nicht vergeben wurde. Die sogenannte 68er-Bewegung basiert wesentlich auf dem Einfluß dieser Frankfurter Schule, aus der die Namen der Professoren Theodor Wiesengrund Adorno und Herbert Marcuse am bekanntesten werden sollten. Ein Konzept beinhaltete die kritische Betrachtung von Autorität – erst durch sie sei „Auschwitz“ (der Name des dortigen Konzentrationslagers wurde als Symbolbegriff für die nationalsozialistische Verfolgung gebraucht) möglich geworden. Da mit der Autorität auch jegliche Ordnung angegriffen wird, kam es folgerichtig zu Phänomenen wie dem „Wertewandel“ im kulturellen und auch sexualmoralischen Bereich, welcher sich seit dieser Zeit in der Gesellschaft zu verbreiten begann. Mit der allmählichen Durchdringung der Gesellschaft durch die 68er ab den 1970er Jahren setzte daher ein Umbruch ein, in dessen Verlauf bisher selbstverständliche Positionen der Vaterlandsliebe immer stärker verdrängt und kriminalisiert wurden. Diese gesellschaftliche Entwicklung prägte selbstverständlich auch die heranwachsende Generation der künftigen Theologiestudenten.

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