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3. Jesus Christus im Spiegel ausgewählter Namen und Titel Gottes im Alten Testament
3.1. Theologie als Namenskunde

Theologie lässt sich verstehen als argumentative Entfaltung der im Namen eines Gottes oder einer Göttin enthaltenen Bedeutungen, der durch diesen Namen eröffneten Sinnhorizonte, seiner geschichtlichen Hintergründe sowie seiner narrativen und funktionalen Kontexte. Anfänge einer so verstandenen Theologie bieten die Reflexion des israelitisch-jüdischen Gottesnamens Jhwh, des sogenannten Tetragramms, in Ex 3,13–15, der israelitisch-jüdischen Gottesbezeichnung Schaddaj in Jes 13,6 (par. Joel 1,15) oder des griechischen Gottesnamens Zeus bei Platon (Kratylos 396a).

|23|Im Blick auf die biblische Theologie legt sich ein solcher Zugang aus zwei Gründen besonders nahe: Erstens kann der Name Jhwh als das eigentliche Zentrum des Alten Testaments angesehen werden (Zimmerli 1999: 11), was sich neutestamentlich in der ersten Bitte des Vaterunsers (»geheiligt werde dein Name«, Mt 6,9) spiegelt. Zweitens fasst der aus dem Eigennamen »Jesus« (hebr. ješûaʻ als Kurzform von jehôšûaʻ, griech. Ἰησοῦς/Iēsous) und dem ursprünglichen Königstitel »Christus« (hebr. māšîa, aram. mešîḥā ̓, griech. χριστός/christos, gräzisiert Μεσσίας/Messias) bestehende Doppelname programmatisch das Neue Testament zusammen. So bedeutet der Name Jesus Christus als Satz gelesen »Der, der ›Jhwh ist Hilfe‹ (heißt), (ist) der Gesalbte/Messias« (s. dazu ausführlich unten 4.6.1.; Hofius 1993: 106). Dabei kennzeichnet der Titel Messias/Christus/Gesalbter biblisch immer eine Zuordnung zu Gott.

Ausgehend von einzelnen Gottesnamen und Gott beigelegten Titeln, Epitheta, Rollen und Funktionsbeschreibungen lassen sich Altes und Neues Testament als Spiegel der Geschichte Jhwhs und Jesu Christi lesen. Ein innerbiblischer Dreh- und Angelpunkt eines solchen an den Namen »Jhwh« und »Jesus Christus« orientierten Zugangs ist das Motiv der Übereignung des Namens Gottes an Jesus Christus in Phil 2,9–10 (vgl. Jes 42,8; Vollenweider 2008: 180–184).

3.2. Jhwh – Kyrios – Der Herr

Die im Alten Testament mit Abstand am häufigsten gebrauchte, religionsgeschichtlich und theologisch gewichtigste sowie im Blick auf das Verständnis und die Anrede Jesu Christi wirkmächtigste Gottesbezeichnung ist der Gottesname Jhwh. Die im Alten Testament zur Bezeichnung Gottes bevorzugte Verwendung des Eigennamens Jhwh kennzeichnet das personale Gottesverständnis des Alten Testaments. Literarischer Ausgangspunkt einer theologischen Wesensbestimmung Jhwhs ist die in Ex 3,14 überlieferte Selbstvorstellung, die auch im hellenistischen Judentum (vgl. Philo, det. 160; mut. 11; somn. II, 230–231) und im Neuen Testament (vgl. Hebr 11,6; Apk 1,4) aufscheint. Aus dieser Selbstvorstellung Jhwhs ergibt sich ein doppelter Grundzug des alttestamentlichen Gottesverständnisses:|24| Jhwh entzieht sich einer bestimmten Definition und ist jeder menschlichen Verfügungsgewalt enthoben. Er ist ein handelnder, kein in sich ruhender Gott; seine Bedeutung besteht nicht in seinem (bloßen) Sein, sondern in seinem (wirkenden) Dasein. Das Alte Testament vermittelt kein statisches, sondern ein dynamisches, durchgehend auf Leben und Lebendigkeit bezogenes Gottesverständnis.

Dadurch, dass das Tetragramm seit etwa 300 v. Chr. als ʼadonāj (»Herr«; wörtlich: »meine Herren«) gelesen, ab etwa 200 v. Chr. auch literarisch weitgehend durch das Epitheton ʼadonāj abgelöst und in den seit der Mitte des 3. Jahrhunderts v. Chr. angefertigten griechischen Übersetzungen der hebräischen (und aramäischen) Schriften Israels fast ausschließlich mit κύριος/kyrios/Herr übersetzt wurde, ist der Aspekt der universalen Herrschaft des israelitisch-jüdischen Gottes auch sprachlich besonders in den Vordergrund getreten.

Die Bezeichnung Jhwhs als Herr ist, wie im zwischenmenschlichen Bereich zur Kennzeichnung des Verhältnisses zwischen einem Höher- und einem Niedriggestellteren, eine Relationsbezeichnung, mittels derer sich der Verehrer selbst und seine ihn umgebende Welt in eine Beziehung zu seinem Gott setzt. Entscheidende theologische Funktion dieser Gottesbezeichnung ist die Relativierung jeglicher anderer Macht, sei es von Menschen beanspruchter und ausgeübter Macht, sei es von in anderen Religionen als Götter verehrten Herren: Der Titel »Herr« steht nach alttestamentlichem Verständnis letztlich keinem König zu, sondern allein Gott (Ex 15,11; Jdt 9,7–9; EstLXX 4,17a). Die Anrede Jhwhs als Herr ist einerseits Bekenntnis zu seiner alleinigen und absoluten Autorität, die alle Lebensbereiche umfasst, andererseits Ausdruck grenzenlosen Vertrauens auf seine Stärke.

Durch die Anrede Jhwhs als Herr und die Wiedergabe des Tetragramms mit κύριος wurde eine Gleichsetzung dieses Gottes mit dem bereits im Neuen Testament als κύριος angesprochenen Jesus Christus (Röm 10,9; 1Kor 8,6) ermöglicht. Ps 110,1 spielte hierbei eine besondere Vermittlungsrolle (Feldmeier/Spieckermann 2011: 43). Ein wesentlicher Faktor der im Neuen Testament angelegten und dann in der Alten Kirche entfalteten Gleichsetzung, in deren |25|Folge der Kyrios Jesus Christus als in der Rolle des alttestamentlichen Kyrios handelnd gesehen werden konnte, war, dass die neutestamentlichen Autoren die Schriften des antiken Judentums im wesentlichen in ihrer griechischen Gestalt benutzten und diese in Form der Septuaginta zunächst zur Bibel der Kirche, dann zum Alten Testament wurden. Damit ist Jesus Christus nicht nur zu einem Erben Jhwhs geworden, sondern hat auch die durch die Epitheta ʼādôn/ʼadonāj und κύριος vermittelte Rolle der universalen Herrschaft übernommen.

3.3. König – Hirte – Zebaoth und Allmächtiger

Wie die anderen Götter des Alten Orients und der klassischen Antike kann Jhwh im Alten Testament mit einer Vielzahl von Titeln angesprochen und unterschiedlichen Epitheta ausgeschmückt werden. Insbesondere die Psalmen als an Jhwh gerichtete Bitt-, Dank-, Lob- und Klagegebete weisen hierin einen großen Reichtum auf. Dabei besitzt jedes Epitheton eine eigene religionsgeschichtliche Herkunft, einen spezifischen soziokulturellen und literarischen Verwendungszusammenhang sowie eine eigene Funktion im Blick auf den so titulierten Gott, dem damit auch jeweils eine bestimmte Rolle zugewiesen wird. Dabei können sich einzelne Epitheta motivisch mit anderen überschneiden und je nach Kontext in ihrem Bildgehalt und in ihrer Funktion variieren. Im Neuen Testament begegnen eine Reihe der wichtigsten Jhwh-Epitheta wieder (Zimmermann 2007), sei es zur Bezeichnung des Gottes Israels, woraus sich dann Aspekte der besonderen Korrelierung Jesu zu diesem ablesen lassen, sei es als Anrede Jesu selbst, wodurch dieser wie im Fall des Kyrios-Titels als Erbe Jhwhs erscheint und woraus sich ein bestimmtes christologisches Verständnis erheben lässt.

3.3.1. Die Bezeichnung Jhwhs als König (Ps 98,6; Jes 6,5; Jer 46,18) wurzelt religionsgeschichtlich im syrisch-kanaanäischen Polytheismus. Sie setzt ein Pantheon voraus, über das der als König bezeichnete Gott herrscht. In der Jhwh-Verehrung taucht die Bezeichnung Jhwhs als König im Lauf des 1. Jahrtausend v. Chr. auf und spiegelt vor allem eine Übertragung von Elementen aus der Baal-Verehrung |26|sowie eine Aufnahme solarer Motive (»Solarisierung Jhwhs«) wider. Zum Kontext der Bezeichnung Jhwhs als König gehören die Beschreibung der himmlischen Herrschaft über die »Göttersöhne« (benê hāʼælohîm, Hi 1,6; vgl. Ps 82,1.6; 97,9), die Beschreibung des himmlischen Throns (Jes 6,1; Ps 47,3–9; 93,1f.), die Vorstellung von Jhwhs königlichem Handeln im Himmel und auf der Erde (Ps 103,19) sowie die in eschatologischen Entwürfen des Alten Testaments und nicht kanonischen frühjüdischen Apokalypsen breit entfaltete Vorstellung von der kommenden Königsherrschaft Gottes (s.u. 4.6.).

In theologischer Hinsicht erfüllt die Bezeichnung Jhwhs als König eine doppelte Funktion: Zum einen lassen sich mithilfe des Königstitels auch ursprünglich nichtjahwistische Gottesvorstellungen in die Jhwh-Verehrung einbetten. Jhwh erscheint demnach weniger als König über Israel als vielmehr als König über die ägyptischen, assyrischen, babylonischen, phönizischen oder syrischen Götter, die in seinen himmlischen Hofstaat eingegliedert und ihm so untergeordnet werden (vgl. Ps 29). Zum anderen wird, wie im Fall des Titels »Herr«, jede menschliche Herrschaft durch die Bezeichnung Jhwhs als König relativiert (vgl. Ps 82; 146). Letzteres wird in der vor allem in jüdischen Texten aus hellenistischer Zeit verwendeten superlativischen Bezeichnung Jhwhs als »König aller Könige« unterstrichen (Sir 51,12n [HB]; vgl. DtnLXX 9,26; EstLXX 14,12) und in der neutestamentlichen Rezeption fortgesetzt (1Tim 6,15; Apk 17,14).

3.3.2. Religionsgeschichtlich eng verwandt mit der Bezeichnung Jhwhs als König ist seine Anrede als Hirte. Die Titulierung eines Gottes als Hirten findet sich in zahlreichen antiken und altorientalischen Religionen und umfasst die Aspekte einer macht- und kraftvollen Herrschaft einerseits und einer gütigen, verantwortlichen Herrschaftsausübung andererseits. Als solche begegnet die Hirtenmetapher sowohl in Bezug auf Gott als auch auf den König. Die alttestamentliche Benennung Jhwhs als Hirten basiert auf dieser altorientalischen Vorstellung. Dabei kann Jhwh als Hirte des einzelnen Beters (Ps 23,1) und als Hirte des ganzen Volkes Israel (Gen 49,24; Ps 80,2) bezeichnet werden.

In Kombination mit der Wiedergabe des Tetragramms mit |27|κύριος bildet die Bezeichnung Jhwhs als Hirten einen wichtigen literarischen und motivischen Hintergrund für neutestamentliche Beschreibungen und Deutungen des Lebens Jesu (vgl. Mk 14,27 [als Zitat aus Sach 13,7]; Joh 10,11; Hebr 13,20).

3.3.3. Noch nicht im Neuen Testament, wohl aber seit der Alten Kirche finden sich inschriftliche, literarische oder ikonographische Belege für die Anwendung der Jhwh-Epitheta Zebaoth und Allmächtiger auf Jesus Christus. Mit Zebaoth liegt ein genuin hebräisches Jhwh-Epitheton vor, während der Titel »Allmächtiger« eine erst durch die Septuaginta in die Geschichte der Jhwh-Religion eingeführte Gottesbezeichnung ist. So hat die Septuaginta mit dem Wort παντοκράτωρ/pantokratōr/Allherrscher, das in der lateinischen Bibel als omnipotens und bei Martin Luther durchgehend als Allmächtiger erscheint, die hebräischen Begriffe eʼôt und ʼel šaddaj übersetzt (Witte 2011: 229–243).

Bei Zebaoth handelt es sich vor allem um einen kriegerisch konnotierten Titel, der für »Jhwh, den Gott der Heerscharen« steht. Er bezeichnet Jhwh als den vor dem Heer (hebr. ṣābāʼ) Israels herziehenden Kriegsgott (1Sam 17,45), als den Anführer der kosmischen Heerscharen/der Sterne (Jes 45,12; Neh 9,6), als den Herrn des himmlischen Hofstaates/der Engel (Jes 45,12; Ps 89,7–9; 103,21; 1QHa XI,22) oder als das Haupt aller irdischen und himmlischen Wesen (Gen 2,1). Die Septuaginta hat die Gottesbezeichnung Jhwh Zebaoth mit κύριος παντοκράτωρ/pantokratōr/der Herr, der Allmächtige übertragen und damit einen Grundstein für die Identifikation mit Jesus Christus gelegt, wie sie Martin Luther (1529) unter Verwendung von Ps 46 in dem Lied »Ein feste Burg ist unser Gott« (EG 362,2) explizit oder Georg Weisel (1623/1642) in der Nachdichtung von Ps 24 in dem Lied »Macht hoch die Tür« (EG 1) implizit vollziehen.

Über die Verwendung in der Übersetzung der Hebräischen Bibel hinaus findet sich die Bezeichnung παντοκράτωρ konzentriert im jüdisch-hellenistischen Schrifttum. In allen Fällen steht »παντοκράτωρ« für die umfassende Herrschermacht Gottes, die sich in seinem Wirken als Schöpfer, Richter und kriegerischem Beschützer artikuliert. Insgesamt fließen in der jüdischen Prägung |28|des παντοκράτωρ-Titels mehrere Komponenten zusammen: erstens Vorstellungen von der Herrschermacht der Götter, wie sie in der altorientalischen Welt vom 3. Jahrtausend v. Chr. bis in die römische Zeit nachweisbar sind, zweitens die Rezeption griechischer Terminologie, drittens die Auseinandersetzung mit dem in hellenistischer Zeit, vor allem in Ägypten auftretenden Phänomen der Zuschreibung umfassender Kompetenzen an einzelne Allgottheiten wie Zeus, Isis oder Sarapis, und viertens Reaktionen des hellenistischen Judentums auf die universalen Herrschaftsansprüche zunächst Alexanders des Großen (356–323 v. Chr.), sodann der sich etablierenden Reiche der Diadochen und schließlich des Imperium Romanum (Witte 2011). In römischer Zeit kann der Titel παντοκράτωρ im Judentum und im Christentum zudem als kritischer Reflex auf den im Herrscherkult wichtigen Begriff αὐτοκράτωρ/autokratōr/Alleinherrscher gedient haben (Zimmermann 2007: 238–240). Im frühen Christentum markiert »παντοκράτωρ« in seiner Anwendung auf Jesus Christus die diesem zugeschriebene universale Herrschaft und Frontstellung gegen pagane Götter (Zeus, Isis, Sarapis u.a.), die diesen Titel tragen, und gegen den römischen Kaiser.

3.4. Vater

Im Gegensatz zu den unter 3.3. genannten alttestamentlichen Epitheta, die neutestamentlich oder in der frühen Kirche auf Jesus Christus bezogen werden, bleibt die Bezeichnung Gottes als Vater (hebr. ʼāb; griech. πατήρ/patēr), die zu den Spezifika der Anrede Gottes durch Jesus selbst gehört (vgl. Mk 14,36; Mt 6,9) und die eine zentrale Rolle bei der späteren Entfaltung der Vorstellung von der Gottessohnschaft Jesu spielt (vgl. Mt 11,27; s.u. 4.5.), auf Jhwh selbst beschränkt. Das Alte Testament bezeichnet nur an wenigen Stellen Jhwh ausdrücklich als Vater und behält die Charakterisierung als Vater der metaphorischen Beschreibung des Verhältnisses zwischen Israel und seinem Gott bzw. zwischen dem König und Gott vor. Die Bezeichnung Jhwhs als Vater des einzelnen Gläubigen ist in den hebräischen Texten des Alten Testaments nicht belegt, findet sich aber im 2. Jahrhundert v. Chr. in der griechischen Version von Jesus Sirach (Sir 23,1.4) und in einem aus Qumran belegten hebräischen|29| Text (4Q372 Frag. 1,16; vgl. auch V. 10 in dem dem Sirachbuch später zugewachsenen hebräischen Gebet in Sir 51,1–11[HB]). Aus Personennamen, die das Namenselement –ʼāb- enthalten, ist aber ersichtlich, dass auch im alten Israel Jhwh als »Vater«, das heißt als persönliche Schutzmacht des einzelnen Menschen, verehrt wurde (vgl. Joab »Jhwh ist Vater«, 1Sam 26,6; Abija »mein Vater ist Jhwh«, 2Chr 13,20–21). Dazu kommt ab der Exilszeit (6. Jahrhundert v. Chr.) im Rahmen von Bildworten und Vergleichen die übertragene Bezeichnung Jhwhs als Vater (Jes 45,10; 63,16; Mal 1,6; Ps 103,13; Prov 3,12).

Die im Unterschied zu den vorderorientalischen Religionen sparsame Verwendung des Vater-Titels für Jhwh im Alten Testament steht im Kontext der Vermeidung von Anklängen an kanaanäisch-phönizische Fruchtbarkeitskulte. So führen das alttestamentliche Israel, die Könige Israels im Alten Testament wie auch der einzelne Gläubige des Alten Testaments ihr Gottesverhältnis auf ein personales, geschichtliches Erwählen (hebr. bāḥar, griech. ἐκλέγομαι/eklegomai) seitens Gottes und auf ein Erkennen (hebr. jādaʽ, griech. γινώσκω/ginōskō) und Bekennen (hebr. jādāh, griech. ἐξομολογέω/exomologeō) Gottes seitens des Menschen zurück. Das Vater-Sohn-Verhältnis zwischen Jhwh und dem judäischen König gründet nach dem Alten Testament in einer geschichtlich bedingten Erwählung (vgl. 1Sam 16,8–12), in einer Adoption (vgl. Ps 2,7), nicht in einer mythischen Zeugung (Feldmeier/Spieckermann 2011: 49; 66). Es kennzeichnet funktional die innerzeitliche Bestimmung des Königs als Stellvertreter und Repräsentanten Gottes sowie als irdischen Garanten von göttlicher Ordnung, Gerechtigkeit und Frieden (Ps 2,7; 89,27; s.u. 4.6.1.). Die Funktionalität der Vater-Sohn-Metapher spiegelt sich auch bei ihrer weisheitlichen Anwendung auf den einzelnen Weisen, der mittels Barmherzigkeit gegenüber den Armen den Titel »Sohn Gottes/des Höchsten« erhält (Sir 4,10). Das früheste Bekenntnis zur Gottessohnschaft Jesu liegt in dieser Linie eines funktionalen Verständnisses (Mk 1,11): als Sohn repräsentiert er die göttliche Gerechtigkeit, das himmlische Königtum und die göttliche Weisheit.

Ebenso dominiert in der Vater-Sohn-Beziehung zwischen Jhwh und Israel das Moment der funktionalen Zuordnung (Ex 4,22; |30|Dtn 1,31; Hos 11,1; Jes 1,2). Im Zentrum der Charakterisierung Jhwhs als Vater steht der Gedanke der liebevollen Zuwendung Jhwhs zu seinem Volk und des Anspruchs Jhwhs auf den Gehorsam seines Volkes (Dtn 32,6; Jes 64,7; Jer 31,9). Diese beiden Aspekte zeigen sich auch, neben anderen, bei den vielfältigen Anreden Gottes als Vater Jesu Christi und als Vater der Gläubigen im Neuen Testament (vgl. 2Thess 2,16; Mt 21,31; Zimmermann 2007: 41–166; 164–165).

Die vom Alten Testament repräsentierte Jhwh-Verehrung kennt im Gegensatz zu den Religionen im Alten Orient, aber auch im Gegensatz zum archäologischen und epigraphischen Befund innerhalb der Jhwh-Verehrung (vgl. die Inschriften von »Jhwh und seiner Aschera« aus Kuntillet ʽAğrud, 9./8. Jahrhundert v. Chr., und die Erwähnung einer Anat-Jahu in den Elephantine-Papyri, 5. Jahrhundert v. Chr., Nr. 44), weder eine neben Jhwh stehende Muttergottheit noch eine neben Jhwh verehrte Göttin der Fruchtbarkeit, der Liebe oder des Krieges. Dennoch finden sich zur Beschreibung des Verhältnisses von Jhwh zu seinem Volk auch weibliche Bildworte und Metaphern. So erscheint Jhwh gelegentlich im Bild der gebärenden Frau (Jes 42,14), der tröstenden oder liebenden und erziehenden Mutter (Jes 49,15; 66,13; Hos 11,1–4; vgl. auch Num 11,12). Auf das Bild der schützenden Flügel der Geiermutter greifen Ex 19,4 und Dtn 32,11–12 zurück. Im Verbund mit Epitheta der göttlichen Weisheit (hebr. ḥåkmāh, griech. σοφία/sophia; vgl. Prov 8,22–31; Sir 24; 51,13–30; SapSal 7) begegnen diese relational und funktional, nicht ontologisch zu verstehenden weiblichen Gottesaussagen im Neuen Testament in Anwendung auf Jesus Christus wieder (Mt 11,28–30; Lk 13,34; Joh 16,20–33).

3.5. »Ich-bin-Worte«

Eine prägnante Zusammenfassung des alttestamentlichen Gottesverständnisses bietet die im Alten Testament über zweihundert Mal belegte Selbstvorstellungsformel ʼanî jhwh/ἐγὼ κύριος/egō kyrios/Ich bin Jhwh/der Herr (vgl. Ex 6,2). So konvergieren in dieser Formel, die in ihrer grammatischen Struktur auch in den Religionen des Alten Orients und der klassischen Antike die Offenbarungsrede oder Epiphanie einer Gottheit eröffnen kann, auf |31|der Ebene der Endgestalt des Alten Testaments die genannten Gottesbezeichnungen und Epitheta. Erweitert um einzelne Aussagen wie »der Gott Abrahams« (Gen 28,13; vgl. Mt 22,32), »der dich herausführt (aus Ägypten)« (Ex 6,6f.), »dein Erschaffer« (Jes 43,1), »dein Heiland und dein Erlöser« (Jes 49,26) oder »der Erste und der Letzte« (Jes 48,12, vgl. Apk 1,17) konkretisiert sich in diesen »Ich-bin-Worten« das grundlegende personale, auf Beziehung angelegte Gottesverständnis des Alten Testaments. In Jesu »ich bin’s« (Mk 13,6; Mt 14,27; vgl. Jes 41,4) und zumal in den johanneischen Offenbarungsreden (vgl. Joh 6,48; 10,7; 14,6) wird dieses Gotteseverständnis christologisch erweitert. In Jesu ἐγώ εἰμι (egō eimi/ich bin’s) wird das spätdeuteronomistische ʼanî hû (Dtn 32,39) aufgegriffen und fokussiert: In Jesus Christus zeigt sich namentlich das Wesen Jhwhs schlechthin. Dieses Phänomen hat in der christlichen Rezeptionsgeschichte eine breite Spur hinterlassen, wenn zahlreiche Epitheta Jhwhs auf Jesus Christus übertragen und gemäß der unter Punkt 2 beschriebenen christologischen Auslegung des Alten Testaments rückschauend im alttestamentlichen Heiland/Retter (hebr. môšîaʽ, griech. oft σωτήρ/sōtēr) oder Erlöser (hebr. goʼel, im Griech. mit wechselnden Wörtern übersetzt) Jesus Christus erblickt werden konnte. Georg Friedrich Händels Oratorium »Der Messias« (1741/1742) mit der Identifikation von Hiobs Erlöser (goʼel, Hi 19,25) mit Jesus Christus ist hier nur ein Beispiel (Sopran-Arie, Nr. 40, gefolgt vom Chorstück, Nr. 41, über 1Kor 15,21f.)

1 500,53 ₽
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441 стр. 2 иллюстрации
ISBN:
9783846342138
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