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Kapitel 2:Beihilferecht

von Dr. Dietrich Borchert und Daniel Reineke (Competition & Regulation)

1.Einleitung

Wann darf ich Geld in die Hand nehmen, um einen Verein, eine soziale Einrichtung oder ein kommunales Unternehmen zu unterstützen, da sie wichtige Aufgaben in der Gemeinde, Stadt oder Landkreis übernehmen? Zu welchen Bedingungen darf ich ein Grundstück an ein Unternehmen veräußern oder erwerben? Darf ich für ein Unternehmen den Kaufpreis mindern, wenn es sich im Gegenzug verpflichtet, Arbeitsplätze zu schaffen? Um diese oder ähnliche Fragen zu beantworten, müssen sich Bürgermeister nicht mehr nur mit den Vorschriften des Kommunal-, des Haushalts- oder des Steuerrechts auskennen, sondern inzwischen auch mit denen des Beihilferechts der Europäischen Union.

Das Beihilferecht soll die Mitgliedstaaten daran hindern, bestimmten Unternehmen finanzielle Vorteile zu gewähren, die den Wettbewerb im Europäischen Binnenmarkt verfälschen können. Die Idee dahinter ist die Erkenntnis, dass die dafür aufgebrachten Haushaltsmittel für andere staatliche Aufgaben nicht mehr zur Verfügung stehen und dass hierdurch ineffiziente oder unwirtschaftliche Unternehmen zum Nachteil wirtschaftlicher Unternehmen gestützt werden. Staatliche Beihilfen sind daher gemäß Art. 107 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) grundsätzlich verboten. Doch Beihilfen sind nicht per se „schlecht“: Sie sollen etwa dort gewährt werden dürfen, wo die wirtschaftliche Effizienz der Märkte nicht gewahrt wird, also Waren und Dienstleistungen von Unternehmen nicht in der erforderlichen Qualität oder Quantität angeboten werden. Zur Behebung eines solchen Marktversagens liefern die beihilferechtlichen Vorschriften verschiedene Instrumente, mit deren Hilfe Beihilfen gewährt werden können, die mit dem Binnenmarkt vereinbar sind.

Dieses Kapitel soll die Bürgermeister daher darüber informieren, wie die Beihilfevorschriften funktionieren, wie sie auf kommunale Vorhaben anzuwenden sind und welche Möglichkeiten bestehen, die nicht unerheblichen Risiken zu meistern. Denn ein Verstoß gegen das Beihilferecht kann bedeuten, dass das Vorhaben eingestellt und die bereits erbrachten Leistungen nebst Zinsen zurückgefordert werden müssen. Dass das betroffene Unternehmen dadurch sogar insolvent gehen kann, nimmt das Beihilferecht ausdrücklich in Kauf.

1.1Ausgangsfall

Die Stadtwerke GmbH ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Stadt. Sie versorgt die Stadt nicht nur mit Energie, sondern betreibt auch das Bad, das aus einem Sport- und einem Freizeitbereich besteht. Im Sportbereich des Hallenbades findet insbesondere auch das Schwimmen der Schulen und Vereine statt. Der Sportbereich kann außerhalb der Schwimmzeiten der Schulen und Vereine aber auch von anderen Badegästen genutzt werden. Der Freizeitbereich besteht dagegen aus einem Erlebnisbereich mit Wasserrutschen und aus einer Saunalandschaft. Das Bad wird vornehmlich von Einwohnern der Stadt und der umliegenden Gemeinden genutzt. Allerdings ist das Bad auch für den Tourismus wichtig. Aufgrund der Grenznähe wird das Bad auch von Besuchern des nahegelegenen Mitgliedstaats N besucht.

Trotz steigender Umsatzzahlen können die Aufwendungen für die Instandhaltung des Bades und die Aufwendungen für den Betrieb nicht gedeckt werden, sodass die Verluste des Badbetriebs dauerhaft ausgeglichen werden müssen. Da das Bad über ein Blockheizkraftwerk wirtschaftlich mit der Energiesparte der Stadtwerke GmbH verflochten ist, können die Verluste des Badbetriebs im Rahmen des steuerlichen Querverbunds mit den Gewinnen der Energiesparte verrechnet werden, sodass die Stadtwerke nur Steuern auf den um die Schwimmbadverluste reduzierten Gewinn zahlen muss. In den nächsten fünf Jahren wird mit einem Verlustausgleich in Höhe von bis zu 500000 € jährlich gerechnet. Der Bürgermeister der Stadt fragt sich daher, ob er die Verluste des Bades ausgleichen darf. Insbesondere wird von einer Fraktion im Stadtrat die Auffassung vertreten, dass hierdurch gegen das Beihilferecht der Europäischen Union verstoßen wird.

1.2Rechtliche Rahmenbedingungen

Zunächst ist ein Überblick über die beihilferechtlichen Bestimmungen des europäischen Primär- (Verträge der Europäischen Union) sowie des Sekundär- und Tertiärrechts (Verordnungen, Richtlinien, Mitteilungen, Unionsrahmen und Leitlinien) notwendig. Die maßgebliche Rechtsgrundlage für die Frage, ob eine Beihilfe vorliegt, befinden sich in der primärrechtlichen Regelung des Art. 107 Abs. 1 AEUV. Diese Vorschrift begründet das grundsätzliche Verbot staatlicher Beihilfen:

„Soweit in den Verträgen nicht etwas anderes bestimmt ist, sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.“

Bei der Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale des Art. 107 Abs. 1 AEUV ist insbesondere die „Mitteilung zum Beihilfebegriff“26 zu beachten, die die wesentlichen Auslegungsmaßstäbe der Europäischen Kommission (nachfolgend: Kommission) für die Frage enthält, ob der Beihilfetatbestand erfüllt wird oder nicht.

Wird der Beihilfetatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV erfüllt, muss die Beihilfe grundsätzlich förmlich bei der Kommission angemeldet („notifiziert“) und von ihr genehmigt werden. Mit dieser „Notifizierungspflicht“ ist das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV verbunden, sodass die Beihilfe bis zum Abschluss der Prüfung durch die Kommission nicht gewährt werden darf. Geschieht dies dennoch, kann die Kommission die Zahlung der Beihilfe stoppen und je nach Ergebnis eine Rückzahlung verlangen27. Der Mitgliedstaat hat dann alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die rechtswidrige Beihilfe zurückzufordern. Das Rechtsgeschäft, auf dessen Grundlage eine unzulässige Beihilfe gewährt wurde, wäre im Übrigen gemäß § 134 BGB nichtig28. Nach der Rechtsprechung des EuGH wird sogar die Rechtskraft nationaler Urteile durchbrochen, wenn das Rechtsgeschäft wegen Verstößen gegen das Beihilferecht der Europäischen Union als nichtig anzusehen ist29.

Die Mitgliedstaaten und ihre Untergliederungen müssen aber nicht jede Beihilfe i. S. d. Art. 107 Abs. 1 AEUV bei der Kommission notifizieren lassen. Sie können auf eine Notifizierung von Beihilfen verzichten, die die Voraussetzungen der sog. Freistellungsregelungen der Europäischen Union erfüllen. Bei diesen Beihilfen wird angenommen, dass sie mit dem Binnenmarkt vereinbar sind, weil sie dazu beitragen, ein Marktversagen zu beseitigen. Besonders praxisrelevant sind die Freistellungsregelungen für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI) betraut sind, und die Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO)30.

Das Prüfungsschema stellt sich somit wie folgt dar:


1.3Rechtliche Bewertung des Ausgangsfalls

Der Bürgermeister der Stadt möchte mit Hilfe dieses beihilferechtlichen Prüfungsschemas nun ermitteln, ob die Stadtwerke GmbH die Verluste des Bades ausgleichen darf.

1.3.1Beihilfetatbestand

Der Verlustausgleich des Badbetriebs würde nicht dem grundsätzlichen Beihilfeverbot unterfallen, wenn es sich bei ihm bereits nicht um eine Beihilfe i. S. d. Art. 107 Abs. 1 AEUV handelt.

1.3.1.1Unternehmen

Beihilferelevant sind zunächst nur Maßnahmen zugunsten von „Unternehmen“. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist ein Unternehmen „eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung“. Eine wirtschaftliche Tätigkeit ist dabei „jede Tätigkeit, die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten31. Es kommt also nicht darauf an, ob die Stadt das Bad in öffentlich-rechtlicher Rechtsform als Regiebetrieb, Eigenbetrieb, Anstalt des öffentlichen Rechts bzw. Kommunalunternehmen oder als Zweckverband sowie in privater Rechtsform als GmbH, Verein oder Genossenschaft betreibt. Es kommt auch nicht darauf an, dass das Bad nicht zur Erzielung von Gewinnen betrieben wird. Entscheidend ist allein, dass Waren und Dienstleistungen angeboten werden. Bei der Ausübung hoheitlicher Befugnisse (z. B. bei Gefahrenabwehrtätigkeiten oder bei der Erschließung öffentlichen Geländes) wird eine wirtschaftliche Tätigkeit abgelehnt32. Auch Einrichtungen des Bildungswesens (Kindergärten, Schulen oder Hochschulen) erbringen keine wirtschaftlichen Tätigkeiten, wenn sie vorrangig aus staatlichen Mitteln und nicht aus Schul- oder Studiengebühren finanziert werden33. Dasselbe gilt für Einrichtungen im Bereich der Kultur und des Naturschutzes34.

Maßgeblich ist somit allein, ob der Betrieb des Bades als „wirtschaftliche Tätigkeit“ einzuordnen ist. Da das Bad Leistungen anbietet, die auch von privaten Bäderbetreibern angeboten werden können, ist der Betrieb als wirtschaftliche Tätigkeit zu qualifizieren, sodass das Bad ein Unternehmen i. S. d. Art. 107 Abs. 1 AEUV ist.

1.3.1.2Finanzierung aus staatlichen Mitteln

Als Beihilfen können zudem nur solche Vorteile angesehen werden, die unmittelbar oder mittelbar aus staatlichen Mitteln gewährt werden35. Der Begriff der staatlichen Mittel umfasst nicht nur die Haushaltsmittel der Mitgliedstaaten, sondern auch die ihrer Untergliederungen einschließlich der öffentlichen Einrichtungen und Unternehmen, auf welche die öffentliche Hand unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Entscheidend ist, dass die öffentlichen Haushalte durch die Maßnahme belastet werden36.

Da die Stadt im vorliegenden Fall einen beherrschenden Einfluss auf ihre hundertprozentige Tochtergesellschaft Stadtwerke GmbH ausüben kann, spielt es keine Rolle, dass ihr Haushalt nicht direkt belastet wird. Die Ausgleichszahlungen werden dennoch aus staatlichen Mitteln finanziert, da der Staat auf ihre Auszahlung Einfluss nehmen kann.

1.3.1.3Begünstigung

Eine Begünstigung erfasst nicht nur Geld- oder Sachleistungen, sondern alle staatlichen Maßnahmen, mit denen Unternehmen wirtschaftliche Vorteile gewährt werden, denen keine marktgerechte Gegenleistung gegenübersteht.

Aufgrund des weiten Vorteilsbegriffs ist für das Vorliegen einer Begünstigung oft das Fehlen einer marktgerechten Gegenleistung entscheidend. Um festzustellen, ob ein Staat von den normalen Marktbedingungen abweicht, ist das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten entwickelt worden. Mit dem „market economy operator test“ kann in einer umfassenden Bewertung ihrer Wirkung auf das betreffende Unternehmen festgestellt werden, ob die Transaktion (Investition, Darlehen, Bürgschaft, Verkauf etc.) den normalen Marktbedingungen entspricht. Neben diesem komplexen Verfahren stehen bei bestimmten Transaktionen aber auch einfachere Instrumente zur Verfügung, um ihre Marktkonformität festzustellen. Praxisrelevant sind insbesondere die folgenden Instrumente:

•Der Verkauf oder Kauf von Vermögenswerten, Waren und Dienstleistungen entspricht den Marktbedingungen, wenn der Staat ein wettbewerbliches, transparentes, diskriminierungsfreies und bedingungsfreies Ausschreibungsverfahren durchgeführt hat. Beim Kauf oder Verkauf von Grundstücken kann der Staat auch ein Marktwertgutachten einholen, um den Marktpreis des Grundstücks zu ermitteln37.

•Ob ein Kredit oder eine Bürgschaft den Marktbedingungen entspricht, kann durch einen Vergleich mit vergleichbaren Markttransaktionen festgestellt werden. Um diese Prüfung zu erleichtern, hat die Kommission Ersatzgrößen für die Ermittlung des Beihilfecharakters von Krediten und Bürgschaften entwickelt. Für Kredite wird die Methode zur Berechnung eines Referenzzinssatzes in der „Referenzzinsmitteilung“38 erläutert. Die „Bürgschaftsmitteilung“39 enthält dagegen Methoden zur Ermittlung von beihilfefreien Bürgschaftsentgelten.

Im Ausgangsfall handelt es sich um eine wirtschaftliche Begünstigung des Bades der Stadtwerke GmbH. Dass die entsprechende Entscheidung der Stadt aus strukturpolitischer Sicht nachvollziehbar ist, etwa weil Kinder im Rahmen der Schule oder in Vereinen im Bad Schwimmen lernen können, ist bei der Prüfung des Vorliegens einer marktgerechten Gegenleistung unerheblich, da diese Erwägungen von marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten nicht berücksichtigt werden würden. Das Bad wird durch die Ausgleichszahlungen somit begünstigt.

1.3.1.4Selektivität

Art. 107 Abs. 1 AEUV verlangt weiter, dass bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige begünstigt werden. Insbesondere in Fällen, in denen die gewährende Einrichtung über ein Ermessen verfügt, das es ihr ermöglicht, die Begünstigungen oder die Bedingungen, unter denen die Maßnahme gewährt wird, zu bestimmen, kann diese nach Ansicht des EuGH nicht als Maßnahme allgemeiner Art angesehen werden40. Im Regelfall ist im kommunalen Bereich die Selektivität einer Maßnahme gegeben. Auf europäischer Ebene ist dieses Tatbestandsmerkmal insbesondere dann relevant, wenn geprüft wird, ob ein eine Steuerregelung geschaffen wurde, um gezielt bestimmte Unternehmen zu begünstigen.

Über den Verlustausgleich des Bades kann die Stadt im Ergebnis frei entscheiden, da es sich um eine freiwillige Aufgabe der Stadt handelt. Es handelt sich bei ihm also um eine selektive Maßnahme.

1.3.1.5Auswirkungen auf Handel und Wettbewerb

Die selektive Begünstigung eines Unternehmens unterfällt schließlich nur dann dem Beihilfeverbot des Art. 107 Abs. 1 AEUV, wenn sie geeignet ist, den Wettbewerb und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

Durch das Beihilferecht sollen zunächst Wettbewerbsverzerrungen in jeder Form vermieden werden, sodass das Kriterium „Verfälschung des Wettbewerbs“ sehr extensiv zu verstehen und auszulegen ist. Es reicht bereits die Möglichkeit einer Wettbewerbsverfälschung aus41. Es ist daher anzunehmen, dass der Wettbewerb zwischen privaten sowie öffentlichen Thermen und Bädern durch den Verlustausgleich des Bades beeinträchtigt wird.

Die Begünstigung müsste zudem auch dazu geeignet sein, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Dabei spielt der Charakter der betroffenen Aktivität, ihre wirtschaftliche Bedeutung und ihre Reichweite eine entscheidende Rolle. Dies gilt besonders für staatliche Zuwendungen in den Bereichen, in denen der Markt wegen starker Regulierung von vornherein beschränkt ist, der finanzielle Vorteil für Unternehmen nur geringfügig ist oder die Tätigkeit nur lokal beschränkte Auswirkungen hat.42

Die Kommission zieht bei der Frage, ob eine Tätigkeit nur lokale Bedeutung hat, auch die Zielrichtung des Angebots heran. Dabei ist z. B. zu berücksichtigen, ob der Internetauftritt der Einrichtung in Fremdsprachen verfügbar ist43. Die Zielgruppe des Bades sind die Einwohner der Stadt und des Umlands. Das Bad wirbt nicht über die deutschen Grenzen hinaus. Das Internetangebot des Bades ist naturgemäß zwar weltweit abrufbar, wird aber – wie die anderen Werbemaßnahmen des Bades auch – nur in deutscher Sprache gehalten, sodass argumentiert werden kann, dass sich das Angebot nur an einen regionalen Nutzerkreis richtet.

Neben der Zielrichtung der Marketingmaßnahmen nutzt die Kommission auch Statistiken, um die fehlende grenzüberschreitende Bedeutung einer Begünstigung zu belegen oder zu widerlegen. In einer Entscheidung zu einem nah der tschechischen Grenze gelegenen Sportcamp in Nordbayern wertete die Kommission die vorgelegten Nutzungsstatistiken aus und kam zu dem Ergebnis, dass das Camp nur von lokaler Bedeutung sei44.

Eine grenzüberschreitende Bedeutung des Bades könnte also ausgeschlossen werden, wenn ein statistischer Nachweis geführt wird, dass das Bad auf den lokalen Markt ausgerichtet ist. Es ist daher anzuraten, dass das Bad regelmäßig über einen bestimmten Zeitraum seine Besucher durch die Abfrage von Postleitzahlen erfasst und dabei zwischen Gästen aus dem Inland und dem Ausland unterscheidet. Ist der Prozentsatz der Nutzer aus anderen Mitgliedstaaten unterhalb von 5 %, kann argumentiert werden, dass das Bad nur eine lokale Bedeutung hat.

1.3.1.6De-minimis-Beihilfen

Schließlich werden Begünstigungen eines Unternehmens bis zu einem bestimmten Höchstbetrag nicht als Maßnahmen erachtet, die geeignet sind, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Diese Begünstigungen werden als „De-minimis-Beihilfen“ bezeichnet, auch wenn es sich bei ihnen – mangels Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten – strenggenommen gar nicht um Beihilfen i. S. d. Art. 107 Abs. 1 AEUV handelt.

Die Voraussetzungen für die De-minimis-Beihilfen werden in Verordnungen der Europäischen Union geregelt. Nach der De-minimis-Verordnung45 kann jedes Unternehmen einen Betrag von bis zu 200000 € in einem Zeitraum von drei Jahren zugewendet bekommen. Nach der DAWI-De-minimis-Verordnung46 erhöht sich der Betrag bei der Erbringung von DAWI auf 500000 € in einem Zeitraum von drei Jahren. Dieses Instrument bietet sich insbesondere bei kleinen Unternehmen an, denen eine Investitionshilfe gegeben werden soll. Auch die die Reduzierung des Kaufpreises bei Verkauf eines Grundstücks an ein Unternehmen kann durch Beachtung dieser Höchstgrenze beihilfenkonform ausgestaltet werden.

Da die Grenzen der Verordnungen in unserem Ausgangsfall bei einem Verlustausgleich in Höhe von etwa 500000 € jährlich überschritten werden würden, handelt es sich bei den Ausgleichszahlungen für das Bad nicht um „De-minimis-Beihilfen“.

1.3.2Zwischenergebnis

Da in unserem Ausgangsfall nicht mit letzter Rechtssicherheit ausgeschlossen werden kann, dass der Verlustausgleich den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt, ist eine Rechtfertigung der Beihilfen zu prüfen.

1.4Rechtfertigung der Beihilfen nach der AGVO

Aus der AGVO, die zuletzt am 17.5.2017 durch eine Verordnung der Kommission47 geändert worden ist, ergeben sich eine Vielzahl von Freistellungsmöglichkeiten für die unterschiedlichsten Bereiche. Darin werden für bestimmte Bereiche Anforderungen festgelegt, bei deren Vorliegen die Beihilfen mit dem Binnenmarkt vereinbar sind und nicht der Notifizierung durch die Kommission bedürfen.

Gemäß den Freistellungsvoraussetzungen nach Art. 3 AGVO sind Beihilfen nach Art. 107 Abs. 3 AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar, wenn diese Beihilfen alle Voraussetzungen des Kapitels I der AGVO sowie die für die betreffende Gruppe von Beihilfen geltenden Voraussetzungen des Kapitels III der AGVO erfüllen.

1.4.1Allgemeine Freistellungsvoraussetzungen

Das Kapitel I der AGVO enthält eine Reihe von allgemeinen Voraussetzungen für die Freistellung von Beihilfen nach der AGVO:

•Gemäß Art. 4 Abs. 1 AGVO gilt die AGVO nicht für Beihilfen, die die dort genannten Anmeldeschwellen überschreiten. Die Anmeldeschwellen für Investitionsbeihilfen in Sport- und multifunktionale Freizeitinfrastrukturen liegen bei 30 Mio. € oder bei Gesamtkosten von über 100 Mio. € pro Vorhaben. Die Anmeldeschwelle für Betriebsbeihilfen liegt bei 2 Mio. € pro Infrastruktur und Jahr. Da der Verlustausgleich für den Betrieb des Bades in den nächsten Jahren immer weit unterhalb von 2 Mio. € liegen wird, werden die Anmeldeschwellen also nicht überschritten.

•In Art. 8 AGVO wird klargestellt, dass bei der Prüfung der Anmeldeschwellen die gesamten für die geförderte Tätigkeit, das geförderte Vorhaben oder das geförderte Unternehmen gewährten Beihilfen berücksichtigt werden müssen. Da das Bad Verlustausgleich keine weiteren Beihilfen erhält, werden die Anmeldeschwellen aber auch kumulativ nicht überschritten.

•Gemäß Art. 5 Abs. 1 AGVO gilt die AGVO nur für solche Beihilfen, deren Bruttosubventionsäquivalent sich im Voraus genau berechnen lässt, ohne dass eine Risikobewertung erforderlich ist („transparente Beihilfen“). Die Höhe der Beihilfe muss daher zum Zeitpunkt ihrer Gewährung genau feststehen. Als transparent gelten etwa per se Beihilfen in Form von Zuschüssen (Art. 5 Abs. 2 lit. a AGVO). Auch der Verlustausgleich für das Bad lässt sich zum Zeitpunkt seiner Gewährung quantitativ bestimmen, sodass es sich bei ihm um eine transparente Beihilfe handelt.

•Gemäß Art. 6 Abs. 1 AGVO gilt die nur für Beihilfen, die einen Anreizeffekt haben. Beihilfen sollen nur ein Anreiz für das geplante Vorhaben sein und nicht für Vorhaben gewährt werden, die das Unternehmen auch ohne Beihilfe durchgeführt hätte („Mitnahmeeffekt“). Ohne Verlustausgleich würde das Bad mittelfristig nicht mehr betrieben werden können und müsste geschlossen werden. Die Beihilfe in Form des Verlustausgleichs hat demnach auch einen Anreizeffekt.

•Die Mitgliedstaaten müssen zuletzt bestimmte Beihilfeinformationen über das TAM (Transparency Award Module) veröffentlichen: Zum einen die „SANI-2-Daten“ (Art. 9 Abs. 1 lit. a und b i. V. m. Art. 11 lit. a i. V. m. Anhang II AGVO) und bei Einzelbeihilfen von über 500000 € zum anderen auch eine Reihe weiterer Informationen (Art. 9 Abs. 1 lit. c i. V. m. Anhang III AGVO). Da die Ausgleichszahlungen für das Bad bei weniger als 500000 € jährlich liegen werden, kann auf eine Veröffentlichung der weiteren Daten verzichtet werden.

Über diese allgemeinen Anforderungen hinaus bestehen weitere Voraussetzungen, die aber keine Freistellungsvoraussetzungen darstellen (vgl. Art. 3 AGVO):

•Die SANI2-Daten müssen innerhalb von 20 Tagen nach ihrem Inkrafttreten an die Kommission gesendet sein und es muss ein Jahresbericht in elektronischer Form (SARI) an die Kommission übermittelt werden (Art. 11 AGVO). Den Zugang zum Tool vergeben die für Beihilferecht zuständigen Ministerien der Länder.

•Da eine Ex-post-Prüfung durch die Kommission durch jährliche Stichproben erfolgen kann, sind gemäß Art. 10 AGVO Aufzeichnungen und Unterlagen, mit denen die Einhaltung der Freistellungsvoraussetzungen der AGVO belegt werden kann, für zehn Jahre ab dem Tag der Beihilfegewährung aufzubewahren.

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9783829316316
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