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Читать книгу: «Erste Novellen», страница 3

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Familiengeschichte

In dem finstern Kontor, das durch ein schmales Fenster matt und grünlich erleuchtet wurde, gestand Ernst seinem Vater stockend seine Neigung zu Fräulein Madeleine Désiron. Der dicke Tuchhändler wurde plötzlich feuerrot, ballte die Faust und schrie seinem Sohn entgegen: »Scher' dich zum Teufel!«, worauf der erbleichende Ernst machte, daß er hinauskam.

Bei Tisch bewahrte Herr Boyveau ein finsteres Schweigen, beugte den Kopf über den Teller und machte ein böses Gesicht. Ernst schlich schweigsam und mit geröteter Nase zu seinem Platz, stocherte nur im Essen herum und warf Märtyrerblicke auf seinen Vater. Frau Boyveau versuchte, die Mahlzeit durch ein wenig Stadtklatsch zu beleben, doch ihr Ton klang matt und matter und endlich schwieg sie ganz und hob nur die Augen betrübt zur Zimmerdecke empor.

Als sie sich am Abend mit dürren Fingern die Papilloten eindrehte, wagte sie es endlich, ihren Gatten zu fragen:

»Warum eigentlich nicht?«

Wütend drehte er sich auf einem Fuß herum, schwang eine Halsbinde in der Hand und brach aus: »Ihr seid wohl sämtlich verrückt geworden?«

Die arme Frau Boyveau wankte vor Entsetzen und mußte sich am Nachttischchen festhalten.

Als Boyveau im Bette lag, warf er sich von einer Seite auf die andere und stieß Laute aus wie ein gereiztes Raubtier, bis er endlich mit den Tönen eines ratternden Automobils seinen Einzug in das Traumland hielt.

Die Idee einer Heirat zwischen Ernst und Madeleine war nämlich die unmöglichste der Welt und das aus einem sehr einfachen Grunde: Ernst Boyveau und Madeleine Désiron waren aller Wahrscheinlichkeit nach Bruder und Schwester.

Wenigstens hatte Frau Désiron, die damals noch Amelie für ihn hieß, als sie noch schön und Herr Boyvean noch schlank war, in einer ihrer letzten Auseinandersetzungen geschworen, daß Madeleine ebenso seine Tochter sei, wie Ernst sein legitimer Sohn.

Diese Behauptung Amelies eröffnete schreckensvolle Perspektiven und die zwei jungen Leute machten die ungeheure Dummheit, sich ineinander zu verlieben, wo es doch eine solche Fülle anderer junger Menschen beiderlei Geschlechts in der Stadt gab.

Die einzige Entschuldigung der beiden armen Narren war, daß sie nicht wissen konnten, was das ehebrecherische Frauenzimmer als gewiß behauptet hatte. Niemand wußte übrigens davon, da die Schuldigen die ganze Zeit über eine tadellose Haltung gewahrt hatten.

Die nächsten Tage verliefen äußerst peinlich. Die brutale Abweisung Herrn Boyveaus sprach sich rasch herum und verletzte allgemein: die Ansprüche, die Ernst auf die Teilhaberschaft in der Firma machte, waren durchaus berechtigt, die Verhältnisse stimmten ausgezeichnet zusammen. Der einzige Makel, daß Frau Désiron sich hatte scheiden lassen und wieder verheiratet war, wurde durch die Tatsache ausgelöscht, daß sie in Nimes lebte und das Geld sowieso nicht ihr gehörte. Der dicke Tuchhändler, der allein sein Geheimnis zu hüten hatte, begegnete jeden Augenblick dem stummen Vorwurf in den Augen Ernsts, der ihm immerfort wie eine Erscheinung in den Weg trat, ganz weiß, flach und beinahe rechteckig wie ein Blatt Papier. Er mußte es auch mitansehen, wie seine Frau ganz verstört wurde, ihre häuslichen Beschäftigungen einstellte und sogar darauf verzichtete, den schrecklichen Untaten der Magd Interesse entgegenzubringen.

Eine öffentliche Mißstimmung war nicht länger zu verkennen. Die Stadt blickte streng und überrascht auf Boyveau, wenn er am Feierabend durch die grauen Gassen dem Café Pipaud zuschritt, mit flatterndem Rock und lebhaften Farben, wie ein Plakat aus der Ferne anzusehen.

Im Café empfingen ihn die alten Freunde mit einem Lächeln, hinter dem man ein Grinsen des Übelwollens fühlte. Andere grüßten, zu flüchtig, den Hut nur mit den Fingerspitzen lüftend. Einer aus der täglichen Spielpartie versuchte treuherzig, eine Aussprache herbeizuführen, aber er bekam scharfe Antworten und höhnische Bemerkungen über seine Vordringlichkeit zu hören. Schließlich schwieg man, aber ersichtlich war ein jeder in Gedanken mit dieser Sache beschäftigt.

Boyveau besaß nicht genügend Phantasie und diplomatische Begabung, um sich aus der Situation zu ziehen. Er machte den ganzen Tag über ein finsteres Gesicht, er schrie und grollte, aber er litt, für Tragödien war er nicht geschaffen. Im Grunde ward ihm Angst davor, als Einziger gegen alle zu stehen, und daß er der Welt als Narr galt, machte ihn immer schwermütiger.

An einem Morgen im Februar trat Frau Boyveau bei ihm ein mit ihrem demütigen Gesicht. Im grünlichen Licht des finstern Kontors stand er über sein Schreibpult gebeugt und sah Rechnungen durch. Er hob sein hilfloses und verschwommenes Gesicht empor.

»Hör' mal,« flüsterte die trübe Gefährtin, »unser Ernst reibt sich auf vor Kummer. Gestern hat er nur Suppe gegessen, wird er morgen überhaupt noch etwas essen? Auch die Kleine ist ganz elend und außerdem hat sie einen großen Schmerz zu tragen: du weißt es noch gar nicht, ihre Mutter ist dieser Tage in Nimes gestorben.«

»Wie?« stammelte der Kaufmann, »ist das wahr?«

»Es steht schon in der Zeitung,« sagte die Frau mit ängstlicher und erloschener Stimme. »Ihr zweiter Mann ist sehr angesehen, da haben die Blätter den Todesfall gleich gebracht.«

Der dicke Mann riß die Augen auf und griff sich an die Stirn. Dann nahm er seinen Hut, blieb auf der Schwelle einen Augenblick stehen wie bewußtlos und lief hinaus.

Frau Désiron tot! Er atmete aus voller Lunge: der Frühling war doch schön, schöner als man ahnte. Unter silbernen Sonnenstrahlen fächelte ein feiner Wind. Noch war es winterlich und doch fühlte man ein erstes und zartes Versprechen einer Erneuerung, wie einen Frühling des Frühlings.

Am Ende der Straße hob er den Kopf. Sein Gesicht erhellte sich allmählich. Er trabte dem Café Pipaud entgegen.

Also war sie tot! Arme Amelie! So muß ein jeder dahingehen! Nun war er der einzige Mensch auf der Welt, der von dieser Vaterschaft wußte, dieser angeblichen Vaterschaft.

Um die Fleischerstraße zu vermeiden, machte er eine Wendung nach rechts mit der Leichtigkeit eines Jünglings. Er lächelte dem Blumenstock von Hortense Pépé zu, der immer und ewig in dem niedrigen Eckfenster blühte. Er durchlief die Straße mit großen elastischen Sprüngen. Er fühlte sich behaglich, freigebig, glücklich.

Obgleich er im Café sehr wohl die Atmosphäre des Übelwollens fühlte, sprach er laut und lachte besonders fröhlich, wenn ihm Ameliens Tod in den Sinn kam; er war wirklich kein solcher Narr, daß er über das Hinscheiden einer Dame hätte trauern sollen, die die legitime Gattin anderer Männer gewesen war.

Als er heraustrat, dachte er, wie schlecht sich die Tote benommen hatte, indem sie versuchte, ihm solche Gedanken über Madeleines Ursprung einzuimpfen. Drei Wochen lang hatte sie die ganze Stadt damit gequält, nur auf eine Vermutung hin, die ebenso anzweifelbar wie unwahrscheinlich war!

Frauen sind Teufel, aber er war ein guter Mensch und wollte ihr verzeihen. Ein Liedchen drängte sich auf seine Lippen und beim Nachhausekommen summte er die Marseillaise.

Er suchte Ernst auf, der sich scheu wie immer an seinem Lieblingsplatz unter Stoffballen verbarg und plötzlich wurde er von dem jämmerlichen Aussehen des Jünglings gerührt, der doch ganz und gar zu ihm gehörte. Voll Großmut rief er ihn an: »Na, mein Junge?«

Ernst erhob seine sklavisch demütigen und hilflosen Augen und sein breiter Mund zitterte in dem magern Gesicht.

»Nur Mut, alles wird gut werden, glaub' deinem alten Papa!«

Er dachte nicht mehr nach, er berechnete nichts mehr, aus seinem Herzen kamen gute Worte und freundliches Lachen. Er ließ sich gehen, fortgerissen von einer geheimnisvollen und großmütigen Lebensfreude.

Seine Wangen, die vom Laufen rosig und feucht schimmerten wie ein schöner Schinken, färbten sich noch dunkler. Er gab seinem Sohn einen freundschaftlichen Puff und schalt auf den bösen Vater, der sein liebes Kind kränkte und quälte. Dann rief er »Zu Tisch« und schleppte seine Frau an der Hand ins Speisezimmer; sie hatte sich auf dem Gang herumgedrückt und sah dünn und schlaff aus, wie ein aufgehängtes Kleid.

Auf seinem Gesicht strahlte das Bewußtsein treu erfüllter Pflicht, die endlich über alle Widerwärtigkeiten gesiegt hatte und die reine Freude, daß er nach sturmvoller Zeit endlich Frieden und himmlisches Glück rings um sich verbreiten durfte.

Das letzte Mal

Sie trennten sich auf dem Straßenpflaster, beim Ausgang des Wirtshauses an der Ecke. Der Abend erfüllte die kleine Stadt und schien sanft auf die Fußgänger herabzusinken, gerade in dem Augenblick, in dem die beiden sich zum letzten Male im Leben Aug' in Auge gegenüberstanden.

Sie wußten nicht, daß es das letzte Mal war. Obwohl sie den Bruch beschlossen hatten und die große endgültige Aussprache schon vor acht Tagen gewesen war, ahnten sie nicht, daß die Ereignisse sich überstürzen würden und ihre Schicksale, die des Studenten und der Arbeiterin, für immer voneinander trennen.

Wie gewöhnlich sagten sie einander ›Auf Wiedersehen‹ mit der belegten Stimme von Menschen, die nicht wagen, sich Lebewohl zu sagen. Sie sahen sich an, voll Überdruß und Zorn. Sie, die Schlanke, glitt leise an den geschlossenen Läden entlang, den breiten Rücken des dicken Jungen, der mit einem grüngestreiften, abgeschabten Rock bedeckt war, sah man schwerfällig im Bogen einer Straße verschwinden.

Sie sahen einander niemals wieder. Ihr Roman, der drei Jahre früher in einem öffentlichen Garten begonnen hatte, mit einem Lächeln, einem Nicken, den kleinen Narrheiten und tollen Einfällen, die in solchem Falle üblich sind, war endgültig abgeschlossen an diesem Abend, an dieser Straßenecke, unter dem blassen Licht, das aus dem Papiergeschäft Angot schimmerte.

Paul mußte am nächsten Morgen den Zug erreichen, da ihn eine erwartete Nachricht nach Paris rief. So konnte er sich die Formalität des letzten Abschiedes ersparen und er dachte: Umso besser! Und sie? Was dachte sie?

Er arbeitete und fing an, sie zu vergessen. Eines Tages, als der Frühling ihn an den seiner Heimat erinnerte, tat es ihm doch leid, ihr nicht Lebewohl gesagt zu haben. Durch dieses Bedauern mußte er wieder an sie denken. Man ist doch sentimentaler, als man ahnt. Oft sah er sie vor sich, wenn er die Augen schloß oder wenn er Abends die dunkle Treppe seines Quartiers hinaufklomm. Wie oft und wie eifrig sich neue Gesichter und neue Räume vor seine Erinnerung schoben, sie konnten das Bild des lieben kleinen Zimmers nicht verdrängen, in dem sie glücklich gewesen waren.

Dieses Zimmer lag im ersten Stock eines Geschäftshauses, das den Schwestern Cavalcade gehörte, die Tür ging auf einen dunklen Korridor und das Fenster auf die Arsenalstraße. Da sah er sie schlafen, das Kindergesicht sanft in den großen weißen Rahmen des Kopfkissens geschmiegt. Auch zum Ausgehen bereit sah er sie, leichtfüßig auf der ersten Treppenstufe stehend, ein schelmisches, wissendes und doch feines Lächeln auf dem Gesicht, anmutig wie ein Veilchenstrauß . . . Wenn er langsam aus seinen Träumen erwachte, formte sich ein blasser Engel vor ihm und der Engel ward allmählich zum Vorhang seines Fensters, das auf den Luxembourg-Garten ging.

Er sehnte sich danach, sie wiederzusehen. Er fuhr zurück und kehrte in der verlassenen Unterpräfektur ein. Mit braunen und goldenen Blättern bedeckte der Herbst die Gartenwege, auf denen der Herr Pfarrer witwenschwarz spazieren ging.

Er begab sich in das Geschäft der Schwestern Cavalcade und kam sich vor wie ein Bettler, der sich als Besucher einführt.

»Sie ist fort,« sagte Honorine, die Magd.

Sie hob ihr Gesicht, das aufgequollen und rosa war, von einem häßlichen, schon mehr lachsfarbenen Rosa, und ließ die dicken Hände sinken, die vom vielen Geschirrwaschen aussahen wie gekocht.

»Ach,« sagte er, »das ist bös . . . Nein, es macht nichts . . . Also, sie ist fortgezogen? Wo ist sie denn?«

»Weiß nicht,« sagte Honorine.

Er suchte sie bis zum Abgang des Zuges. Ohne etwas erfahren zu haben, irrte er umher. Bei Etienne Jean hatte sie gewohnt, aber die beiden Weiber, die dort hausten, waren verschiedener Meinung über den Weg, den sie am nächsten Morgen gegangen war.

Endlich ging er auf die Bahn. »Aber ich werde wiederkommen.«

Er kehrte wieder, aber er fand sie nicht. Es gibt Wünsche, deren Erfüllung so einfach, so unendlich leicht wäre und auf die man doch verzichten muß.

Er fand sie nicht. Er wartete, bis er halbverrückt wurde, er zerbrach sich den Kopf, er schrieb zahllose Briefe und setzte Agenten in Bewegung. Sie blieb ihm verloren.

Dieser Verlust war ein großes Unglück für ihn, denn jetzt erst hatte sie sein ganzes Herz erobert.

Die Jahre vergingen, er gab das Suchen auf, aber er dachte immerfort an sie. Heimlich sah er ihr Bild an, auf dem sie unbeweglich und unerbittlich dastand, wie die heilige Jungfrau. Er entsann sich nicht nur ihrer Anmut, sondern auch ihrer Tapferkeit, ihrer Aufopferung; er erinnerte sich, wie ernst und vernünftig ihre liebe Stimme geklungen hatte, wenn ein Entschluß zu fassen, eine Schwierigkeit zu überwinden war, und er ertappte sich dabei, daß er sich vorstellte, was sie zu diesem und jenem wohl sagen würde. Nachher kam er sich wie verwitwet vor, des Abends, an seinem trüben Fenster, das Zimmer von einem dürftigen Schimmer erhellt, wie auf einem Rembrandt-Bild.

Unter dem Lärm, den Stößen und Förmlichkeiten des Lebens wurde seine Einsamkeit immer tiefer und unterwühlte ihn. Sein Gesicht war von Selbstvorwürfen und schlaflosen Nächten wie gepflügt. Einst war es rosig und frisch gewesen, nun wurde es lang und gelblich und er ließ einen Bart darum sprossen, der schwarz wie ein Trauerschleier war. Seine Stimme und seine Bewegungen waren müde und der Glanz seiner Augen war dem Ausdruck einer stumpfen Güte gewichen. Das Leid, das ihn keinen Tag mehr verließ, hatte ihn allmählich zu einem andern Menschen gewandelt.

Mit fieberhafter Unruhe trieb es ihn von einem Beruf zum andern und, nachdem seine Zukunftspläne mannigfach gewechselt hatten, wurde er Leiter der Chavarin-Stiftung, die alte Künstler aufnahm.

Es war ein wundervoller Landbesitz, das Haus war fürstlich und es gab nur zwölf Pensionäre. Die Männer glichen alten Offizieren, die Frauen schienen vornehme Witwen. Es gab ganz alte, die immer vor sich hinlachten, andere, die nicht einmal mehr lachen konnten, aber unaufhörlich zu ihren Nachbarn redeten oder vor sich hinmurmelten, als machten sie Volk in der Statisterie. Eine Strenge, Hochmütige pflanzte sich in den Ecken auf, als wäre sie ein kostbarer Kunstgegenstand. Auch eine Tänzerin war da mit chaotischem Namen und fremdartiger Aussprache, eine messingfarbene Perücke über das dick geschminkte Runzelgesicht gestülpt, auf dem ein verzerrtes Lächeln lag, als wäre sie krampfhaft bemüht, das Strahlen jener Zeit festzuhalten, da ihr der Jubel der Menge entgegenflog.

Zehn Jahre gingen dahin, die alten Pensionäre vegetierten noch immer. Er lebte mitten unter ihnen, wurde mit freundlicher Provinzvertraulichkeit nur Herr Paul genannt und führte Gespräche mit Friedrich, Berta und Pauline. Er lauschte ihren Erzählungen oder schien wenigstens zuzuhören, denn er sah immer ein wenig abwesend aus, wie geblendet von einer wunderbaren Erinnerung.

Eines Abends starb eine der Pensionärinnen: die Tänzerin. Er kehrte eben fröstelnd von einem Spaziergang im Park zurück. Es war einer jener Oktobertage, wo der Winter wie das Skelett der Welt durch das herbstliche Gold zu blicken scheint.

»Sie ist tot!« rief ihm der Wärter von der Schwelle des Krankenzimmers entgegen.

Er trat ein, wankte und stieß einen Schrei aus.

Sanft auf das Kopfkissen geschmiegt, sah er das kindliche Köpfchen, das er so lange gesucht hatte – lieber Himmel, wie hatte er es gesucht! Da lag es still und unbeweglich.

Er streckte die Hände aus, umklammerte die Eisenstäbe des Bettes und sah sie nur immer an.

Von der Perücke befreit, umglänzten seine Silberhaare den Kopf, die aussahen, als wären sie ganz lichtblond. Ohne Schminke gewahrte man die natürliche Hautfarbe, die noch immer der einer blassen Teerose glich. Die Züge waren jugendlich geworden in jener seltsamen Entspannung, die Toten zuweilen das Antlitz früherer Zeit wiedergibt, sie von den Verzerrungen der Ermüdung und des Alters befreit: an diesem schrecklichen und heiligen Wunder erkannte er sie.

Er sagte sich nicht: »Na, sie war immerhin weniger alt, als es den Anschein hatte bei ihren Runzeln . . . Sonderbares Schicksal! Dieser Beruf, dieser fremdartige Name, dieses Wanderleben in der Fremde!« Bevor seine Vernunft sich über die einfachen, logischen und geradezu kindlich simplen Tatsachen klar werden konnte, die ein Wiedererkennen verhindert hatten, fiel ihm ein, daß er zehn Jahre neben ihr gelebt hatte, ohne sie zu sehen!

Er sank an dem Bette nieder, das die Kerzenflammen gespenstisch umschimmerten.

Erst war er wie im Starrkrampf, dann fiel er in sich zusammen und begann zu schluchzen. Er weinte, weil die Welt sinnlos erschaffen ist, weil die Menschen töricht und vom Unglück verfolgt sind und weil die Trennung, die nun zu Ende ging, schlimmer gewesen war als die, die jetzt beginnen sollte.

Возрастное ограничение:
0+
Дата выхода на Литрес:
10 декабря 2019
Объем:
80 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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