Читайте только на ЛитРес

Книгу нельзя скачать файлом, но можно читать в нашем приложении или онлайн на сайте.

Читать книгу: «Erste Novellen», страница 7

Шрифт:

Das Paar

»Das alles ist sehr schön,« sagte Leander. »Alle diese kleinen Dramen, deren Helden ihr selber seid, sind sehr gut erfunden, obgleich sie ehrlich erlebt sein mögen, und ich bin froh darüber, daß ein jeder von euch eingewilligt hat, etwas aus seinem Liebesleben zu erzählen, obwohl diese Erzählungen in der Runde schon ein wenig in Mißkredit gekommen sind, weil sie in der Literatur etwas gar zu oft angewendet wurden.

Es gibt auch ein Aber dabei und darüber wollen wir uns einmal ehrlich aussprechen. Nach meiner Meinung ist es doch ein bißchen anders mit der Liebe. Eure raffinierten Folgerungen und eure Psychologie der Verblüffung verwirren mich. Das Leben ist viel einfacher, liebe Freunde. Die wirklichen Tragödien, denen die Liebesleute zum Opfer fallen, sind, in neun Fällen unter zehn, viel weniger verwickelt und alle Subtilitäten glänzen da, leider Gottes, durch Abwesenheit. Das ist eben das Unglück. Diese Einfachheit ist so schlicht, daß unsere Einbildungskraft gar nicht stark genug ist, sie zu begreifen.

Was mich anbelangt – ich erzähle keine Geschichte, ich gebe nur ein Beispiel – so kann ich euch niemals schildern, was ich alles durch eine gewisse Emma gelitten habe, noch warum: es wäre zu einfach.

Emma war der Name eines braven Mädels, das ich kannte, als ich Apothekergehilfe in Senlis war. Wir kannten uns, das gestehe ich gern, im biblischen Sinne des Wortes. Wir stammten aus ähnlichen Verhältnissen: sie hatte ein kleines Drogengeschäft in der Fegardstraße, deren alte Fenster aussehen, als wären sie Brillen, und deren Dächer wie verrunzelt scheinen. Ich machte Päckchen und empfahl Medikamente in einem Raum, der mit weißen Porzellantiegeln tapeziert war, wie ein Beinhaus mit Schädeln; durch die großen farbigen Glasgefäße im Schaufenster sah ich die Passanten rot auftauchen und grün verschwinden.

Soweit ich mich erinnere, war sie nicht hübsch. Sie sah unbedeutend aus, ihr Haar war weder blond noch schwarz, noch kastanienbraun; ihre Augen hatten eine Mittelfarbe zwischen grau, grün und blau; ihr Mund lenkte die Aufmerksamkeit nicht auf sich, wenn sie sprach, aber schließlich und endlich hatte sie mich sehr lieb und auch ich freute mich aufrichtig, wenn sie mich abends abholte und erst rot, dann grüngefärbt auf der Straße sichtbar wurde.

Ich habe gesagt, daß sie ein braves Mädel war. Ich muß es wiederholen und sagen, daß sie gut war, im wahrsten Sinn des Wortes. Sie liebte mich wirklich und herzlich. Wenn ich kam und ging, erblühte eine mütterliche Güte, man könnte fast sagen, Schönheit auf ihrem Gesicht. Sie sah mich schmerzlich, beinahe mitleidig an, selbst wenn ich mich glücklich fühlte. Warum? Das ist das Geheimnis des weiblichen Herzens . . . Wenn wir abends in unser kleines Zimmer eintraten, nahm sie mich in ihre Arme, um mich zu erwärmen, als wären es breite schützende Schwingen.

Ihr könnt euch denken, wie unglücklich sie war, als ich sie verlassen mußte, um mich in Figeac niederzulassen. Auch ich litt unter der bevorstehenden Trennung, weniger als sie natürlich, aber es tat mir doch leid. Dennoch war ich vorsichtig und vernünftig genug, sie von ihrem Plan abzubringen, der darin bestand, ihr Geschäft zu verkaufen und mir zu folgen.

In den Tagen, die meiner Abreise vorangingen, zerschmolz sie in Tränen, die sie beinahe ertränkten. Sie versuchte immer wieder, sich zu fassen und versicherte tausendmal: ›Ich werde dich immer lieb haben. Ich werde immer auf dich warten. Ich werde immer allein bleiben, immer bereit sein für deine Wiederkehr, immer, immer!‹ Ich ließ mich in Figeac nieder, aber ich konnte nicht dort bleiben. Die Gründe sind ja gleichgültig, warum ich es in dieser Stadt nicht aushielt, die mir wenig geneigt schien, und warum ich später meine Apothekerlaufbahn aufgab. Mir geschah nichts Besonderes, das wißt ihr, oder vielmehr ihr wüßtet es, wenn das Gegenteil eingetreten wäre.

Ich erwarb weder Geld noch Ruhm. Ich erreichte nichts, weder in der Wissenschaft noch in der allgemeinen Wertschätzung; aber ich hatte viele Liebesabenteuer.

Keines aber ging erfreulich aus und eines Tages fühlte ich mich tief ermüdet und angeekelt von der Bewegtheit dieses Lebens. Meine letzte Affäre war eine ziemlich unrühmliche Angelegenheit mit einer wirklichen und wirklich verrückten Marquise gewesen und sie veranlaßte mich dazu, in mich zu gehen, den Kopf über alle Dinge dieser Art zu schütteln und mich wieder an Emma zu erinnern, die mir gesagt hatte: ›Ich werde immer auf dich warten.‹

Sehr glänzend war es ja nicht, wieder zum Ausgangspunkt zurückzukehren; ich sträubte mich auch zuerst dagegen, aber ich fühlte mich so beschmutzt, so verbraucht, daß die warme verstehende Güte des armen Mädels immer lockender vor mir aufstieg.

Was wohl aus ihr geworden war in den sieben Jahren, da wir uns nicht mehr gesehen hatten, in den sechseinhalb, seit ihre Briefe an mich unbeantwortet geblieben waren? Kein Zweifel, sie war mir treu geblieben. Aber sie konnte inzwischen gestorben sein.

Ich konnte es nicht mehr aushalten, ich sehnte mich nach einem Menschen, an den ich mich lehnen konnte, und ich schrieb ihr. Ich hatte kaum begonnen, mich zu wundern, daß keine Antwort kam, als ein Telegramm von ihr eintraf, übervoll von Versicherungen, von Zärtlichkeit, von zitternder Sehnsucht. Sie lebte nur für mich und für ihre Erinnerungen – sie erwartete mich hingebungsvoller als je.

Erst zögerte ich, dann fuhr ich doch nach Senlis. Ich sah die Altstadt wieder und die graue, wie aus steinernen Spitzen gefertigte Kathedrale; ich sah die andern Kirchen, die jetzt vielfach für weltliche Zwecke verwendet werden, und die altertümlichen Ecksteine an den Mauern, die aufrecht standen, wie Passanten, die sich nicht bewegen.

Nun näherte ich mich der Fegardstraße. Ein böses Vorgefühl ergriff mich: wenn sie sich gar zu sehr verändert hätte. Wenn sie in diesen sieben Jahren allzu fett oder allzu mager oder gar zu häßlich geworden wäre!

Ich beschloß, vorsichtig zu sein. Ich suchte mir einen Beobachtungsposten aus, von dem ich sie sehen konnte, ohne gesehen zu werden.

Da erblickte ich sie. Sie hatte sich nicht verändert, sie schien im Gegenteil eher hübscher geworden mit ihrem blassen Gesicht, in dem ihre sanften Augen feucht glänzten, mit ihren weichen Scheiteln, in ihrer dunklen Kleidung, die ihr etwas Zartes, Witwenhaftes gab.

Ich trat vor, ich war glücklich, ich lächelte sie an.

Und dann . . . Ja, das ist schwer zu schildern. Sie hob den Blick und sah mich an. Ich blieb auf dem Gehsteig stehen, knapp vor ihr, recht auffällig. Sie blickte mich an, ein-, zweimal – und erkannte mich nicht!

Sie wendete den Kopf, entfernte sich und verließ mich so, ohne es zu wissen. Ein Riß ging durch mein Herz, als hätte ich mein lebelang niemanden geliebt als sie. Ich floh, von einem plötzlichen Gefühl getrieben, denn ich begriff: es nützte nichts, daß ich an ihr hing, da sie mich nicht erkannt hatte, würden wir niemals mehr ›wir zweie‹ sein können. Ich rannte auf die Bahn und warf mich in den Zug, obgleich ich mich lieber darunter geworfen hätte.

Ihr habt mich wohl verstanden: sie hatte mich nicht erkannt. So einfach, so wunderbar einfach verlief diese Geschichte. Kein Lärm, keine Komplikationen, nur ein unbegreifliches Schweigen und ein Stückchen Nichts und Vergänglichkeit: sie erkannte mich ganz einfach nicht.

Alles hatte ich bedacht, alles vorausgesehen, nur nicht, daß ich in wenigen Jahren so weit gealtert war, daß nichts in mir sie an ihre ehemalige Liebe erinnerte, als ich vor ihr stand!

Den Schluß zu dieser Geschichte ohne Handlung macht euch selber. Sagt dazu, was ihr wollt, nur nicht, daß so etwas unmöglich ist: denn es ist so gewesen. Ihr müßt es glauben, wie ich daran glauben mußte in den Tagen, die folgten und die ich traurig verbrachte – o ewiger Widerspruchsgeist des Herzens – in einer Eifersucht ohne Namen, ohne Form, ohne Grenzen, in einer seltsamen Eifersucht auf den Tod!«

Eine wunderbare Geschichte

»Sie fängt nicht gut an, Ihre wunderbare Geschichte,« bemerkte Chaline.

»Allerdings« antwortete ich. »Ich erzählte also, daß die zarte Bianca eines Abends weinend in die Arme ihrer Mutter, der alten Tita, fiel. Die alte Italienerin senkte ihr trübes erdfarbenes Gesicht und fing gleichfalls an zu weinen. Diese Szene, auf die sich die Abenddämmerung senkte, spielte in . . .«

»In einem der belebtesten Viertel von Neapel,« vermutete Chaline.

»Nicht doch, in einer australischen Stadt; in einer dieser großen nagelneuen Städte, in denen sich die Goldgräber scharenweise niederlassen. Ein Italiener kam einmal hin und schleppte seine Familie mit; er richtete sich in einem dürftigen knochenweißen Hause ein, dessen Eigentümer plötzlich gestorben war. Auch der Auswanderer ging zugrunde, starb an Erschöpfung und Enttäuschung, und ließ eine gealterte, verhungerte Witwe zurück mit einer Tochter, Bianca, und einem Sohn, Biasce.

Zu Lebzeiten des Vaters hatte man kein Gold finden können, nach seinem Tod fand man nicht einmal Brot. Wer sollte sich der fremden Brut annehmen? In der großen Straße, in der sie sich befanden, in der großen Stadt, in der sich die Straße befand, in der großen Welt, in der sich alles befindet, dachte jedermann nur an sich.

Die Goldsucher waren nur gleichgültig, aber die Gläubiger waren grausam und planten, das Haus zwangsweise zu versteigern: für jene, die noch darin vegetierten, war das der Todesstoß. An dem Abend, von dem ich spreche, hielten sich Mutter und Tochter umschlungen und weinten. Die Alte war häßlich geworden wie eine Hexe und die verblühende Jugend der Tochter begann, ihr zu ähneln. Sie schienen Schwestern: das Elend und das Leiden. Aus dem Dunkel sah man ein schmales bleiches Gesicht auftauchen: Biasce. Er begriff alles und murmelte: »Wenn ich meine Statuen verkaufte!«

Mit seinen zwanzig Jahren war Biasce so schmächtig, daß man ihn für ein Kind halten konnte. Er war zu nichts zu gebrauchen mit seinen Hustenanfällen, die ihn schüttelten, mit seinem weißen Gesicht, auf dem die Lider und die Backenknochen sich in rötlichen Flecken abzeichneten.

Aber aus seinen Augen schlug eine wunderbar leuchtende Flamme, wenn er sich der Bildhauerei hingab. Schon als Kind hatte er begonnen, die Statuen in den Museen anzubeten und davon zu träumen, daß auch er einst Ähnliches schaffen würde. Er fühlte, daß dies seine Bestimmung war und sie bemächtigte sich seiner gewaltsam unter den armseligen Pflichten des Alltags. Er lebte im Traum, geblendet von dem Gedanken an seine dereinstigen Meisterwerke. Seine Bildwerke verkaufen! Das war eine ungeheure Prüfung für ihn, denn er hatte bisher vor aller Augen verborgen, was er schuf, obgleich in seinem Herzen eine strahlende Zuversicht lebte.«

»Na,« lächelte Chaline, »die wunderbare Geschichte scheint mit Siebenmeilenstiefeln einer etwas banalen Lösung entgegenzugehen.«

»Der großartige Entschluß des jungen Künstlers schrumpfte in den Augen seiner Mutter und Schwester zu einem recht aussichtslosen Unternehmen zusammen. Es war auch kaum anzunehmen, daß dieses steinerne Spielzeug, das er ohne Lehrer und nur zu seinem Vergnügen anfertigte, am Ende wirkliches Geld einbringen könnte! Dennoch fühlte die alte Tita dumpf, daß sich hier immerhin die Möglichkeit eines Gewinnes bot, den man nicht von der Hand weisen durfte. Am nächsten Morgen packte sie gehorsam die Statuetten in ihre Schürze und ging in die schönsten Häuser der Stadt, um sie den müßigen Herren und den eleganten Damen daselbst in einem unterwürfigen und barbarischen Kauderwelsch anzubieten.

Die sahen die Arbeiten an, schnitten Gesichter und erklärten sie für abscheulich.«

»Dummes Pack!« grollte Chaline.

»Nein,« sagte ich, »sie hatten recht.

Die Leidenschaft für die Kunst knüpft sich nicht unbedingt an das Talent. Der kleine Biasce, so sehr er die Kunst liebte, war ein recht miserabler Bildhauer.

Nach diesen Urteilen reicher Kunstliebhaber hielt es Tita für überflüssig, es noch bei den Kunsthändlern zu versuchen. Sie verbarg ihres Kindes Arbeiten in ihrer zerschlissenen Schürze und kam heim, ihr armes demütiges Raubvogelgesicht tief zur Erde geneigt.

Biasce harrte ihrer und in seinem Blick lag eine solche erwartungsvolle Spannung, daß seine Mutter ihm die Wahrheit nicht sagen konnte und vage Ausflüchte stammelte: Die Herrschaften hätten gesagt, sie würden sichs überlegen und der Kunsthändler wäre grade nicht daheim gewesen.

›Ich werde selbst zu ihm gehen,‹ erklärte Biasce, den die mütterliche Antwort, so mühselig sie war, mit unendlicher Hoffnung erfüllte. Er packte sich drei Statuen auf, aus glänzendem Gestein, seine letzten Werke, und begab sich, zum Zusammenbrechen beladen, zum Kunsthändler. Die beiden Frauen hätten ihn gern von dieser Unternehmung zurückgehalten, die ihm voraussichtlich einen furchtbaren Mißerfolg bringen mußte. Aber sie waren so arm und so unwissend, daß ihnen die richtigen Worte nicht zur Verfügung standen. So ließen sie ihn still ziehen und als er gegangen war, blickten sie einander in dem gleichen tiefen Schweigen an.

Der Händler, ein ehemaliger Goldgräber, knurrte erst, da er aber neugierig von Beruf war, ergriff er die Statuetten, wog sie hierauf in der Hand, nicht ohne eine Bewegung des Erstaunens und brachte sie dann ganz nahe an seine porzellanartigen Glotzaugen. Er räusperte sich und musterte verstohlen den dürftigen Besucher mit dem demütigen Lächeln. Dann schwor er bei Gott und allen Heiligen, daß er nichts mit diesen Sachen anfangen könne, gar nichts, obgleich sie nicht übel gearbeitet wären. Endlich, nach vielen Ausflüchten, bot er ein Pfund in bar für jede Plastik.

Der entzückte Biasce schlug die Hände zusammen. Nicht nur, daß der Händler ihn augenblicklich entlohnte, er lud ihn ein, Platz zu nehmen, frug nach seiner Gesundheit und erkundigte sich, wo er denn das Material für seine hübschen Statuetten hergenommen habe. Biasce, ganz beschämt von so viel Freundlichkeit, erzählte, daß er einen Block des glänzenden Gesteins in seinem Hause gefunden habe, im Keller, unter einer Kohlenschicht. Vermutlich war es von dem früheren Eigentümer des Hauses, der sich ertränkt hatte, da zurückgelassen worden.

Da geschah das Wunder, daß der Händler den kleinen Biasce aufforderte, noch andere Statuen anzufertigen, aber gleiche, ganz gleiche und daß er ihm verbot, sie jemand anderem zu zeigen, denn er würde ihm alle abkaufen, ein Pfund das Stück, wenn sie ihm gefielen.

Am Abend gab es in dem Hause des Elends ein merkwürdiges Bild: drei echte Goldstücke schimmerten und leuchteten auf der Tischfläche und der kleine Biasce strahlte im Triumph, erhoben in den Augen der Menschen, durchdrungen, berauscht von seiner Begabung, seinem Genius. Auch die beiden Frauen waren von der Freude verklärt und verschönt. Der Kunsthändler aber strahlte nicht minder.«

»Donnerwetter,« sagte Chaline, »und was geschah weiter?«

»Diese wunderbare Geschichte dauerte lange genug, daß die arme, bis dahin vom Schicksal so bös verfolgte Familie wieder in leidlich geordnete Verhältnisse kommen konnte. Dank ihrer kleinen Mitgift heiratete die zarte Bianca einen anständigen Goldgräber, der gewillt war, die Sorge um die schwere Zukunft für sie und die Ihren auf sich zu nehmen. Aber so lange dauerte dieses feenhafte Abenteuer nicht, daß der kleine Bildhauer sich über die wohltätige Täuschung klar werden konnte, die das Schicksal zu seinen Gunsten vorgenommen hatte. Auch er wurde von der Sorge um eine schwere Zukunft befreit: Er starb an einem milden Abend im April oder vielmehr, er schlief beim ersten lauen Frühlingswehen ein. Er schloß die Augen, beseligt im Bewußtsein seiner selbst und lächelnd bei dem Gedanken, daß er morgen aufwachen würde, im seligen Morgenrot des Jahres und des Ruhms, im Frühling, im Paradies.«

Возрастное ограничение:
0+
Дата выхода на Литрес:
10 декабря 2019
Объем:
80 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

С этой книгой читают