Читать книгу: «Die Messermacher», страница 4

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warum er das tun sollte, aber …“.

Weiter kam er nicht, denn Joska unterbrach ihn forsch:

„Man muss alle Möglichkeiten durchdenken, das haben Sie doch sicher schon bei uns gelernt. Aber lassen wir das jetzt. Wir gehen und … ach ja. Falls der Hund auftauchen sollte, wüssten wir das auch gerne umgehend!“, versetzte er streng und ging dann den klappernden Tischgeräuschen nach. Für seine Ansage brauchte er gar nicht nach allen anderen zu suchen, denn sie saßen einhellig beim Mittagessen beisammen, wozu sich nun auch die zuletzt befragten Jugendlichen setzten. Allerdings hatten diese keinen Hunger, sie stocherten nur traurig in ihrem Essen herum. Beim Anblick der schwäbischen Maultaschen lief Herrn Clemens nun doch das Wasser im Munde zusammen, während Herr Kiss angewidert das Gesicht verzog. Seine ungarischen Wurzeln machten sich breit und ließen es nicht zu, dieses urschwäbische Mahl als lecker zu befinden. Sofort drängte sich ihm das Bild eines dampfenden, scharfen Gulaschs auf und auch er bekam augenblicklich Hunger.

„Nun denn … wir sind fürs Erste mit unseren Fragen durch. Sie melden sich, wenn es irgendetwas Neues gibt – egal was es ist. Hier sind meine Karte und die meiner Chefin. Einen guten Appetit noch und ich hoffe für Sie alle, dass Herr Angerer Senior sich bald meldet und dass es ihm gut geht.“

Mit diesen Worten ging Herr Kiss hinaus, doch Herr Clemens nickte den Angerers nur zu und folgte seinem Kollegen nach draußen. Als die beiden Polizisten fort waren, atmeten die Angerers hörbar auf und Nora sagte:

„Der Herr Kiss ist ja ein netter, aber der andere hat echt keine Manieren. Nicht mal verabschiedet hat der sich!“

„Ja, der Kiss ist ein richtig hübscher Goldjunge, das muss man schon sagen“, meinte Marianne süffisant und fügte noch hinzu: „Leider nicht meine Altersklasse … obwohl … so einen jungen hatte ich noch nicht!“

„Marianne!“, riefen ihre Geschwister im Chor, doch diese winkte nur lässig lächelnd ab.

„War doch nur Spaß, ihr alten Spielverderber. Der ist doch im Dienst und wir sind außerdem Verdächtige – da dürfte er sowieso nichts mit mir anfangen“.

Daran hatte Nora noch gar nicht gedacht – dass sie ja alle zu dem Kreis der Verdächtigen zählten. Es wäre doch möglich, dass die Beamten auf die Idee kämen, dass ihre Familie mit dem Verschwinden von Reno etwas zu tun haben könnte. Ein sehr beunruhigender Gedanke! Dass der junge Herr Kiss in ihrer Liga spielte und sie für ihn interessant sein könnte, daran verschwendete sie momentan keinen einzigen Gedanken. Sie wollte nur endlich wissen, was mit ihrem Opa geschehen war. Ihm durfte nichts passiert sein!

Warum meldete er sich denn nicht?

Vielleicht musste sie nur ganz fest an ihn denken – das hatte doch schon oft geklappt zwischen ihnen beiden. Eigentlich glaubte sie ja nicht an Telepathie, doch bei ihr und ihrem Großvater hatte das wirklich schon einige Male funktioniert.

„Ich geh mal kurz raus in die Sonne. Wie lange machen wir noch Mittagspause? Arbeiten wir heute überhaupt noch?“, wollte das Mädchen wissen und schnappte sich ihre moderne, großrandige Sonnenbrille.

„Ich denke, wir sollten so schnell wie möglich wieder zum Alltag zurückkehren. Das lenkt ab und wir haben doch so viele Aufträge, die termingerecht erledigt werden sollten. Noch ne halbe Stunde, dann gehen wir wieder an die Arbeit“, entschied Jakob, der sich als Ältester nun berufen fühlte, Entscheidungen zu treffen. Marianne und Tobias schauten sich zwar seufzend an, doch im Moment wollten sie ihrem Bruder auch nicht widersprechen. Er hatte ja in allen Punkten Recht – so würde die Wartezeit, bis Reno sich endlich melden würde, schneller vorübergehen. Dass er sich melden würde, war irgendwie allen klar. Einen anderen Gedanken ließen sie gar nicht zu.

Der schlacksige Felix, bei dem alles etwas blasser als bei seiner Schwester war – hellere Haut, hellere rotblonde Haare und hellere grüne Augen, war Nora in den Garten gefolgt. Doch als er sich zu ihr setzen wollte, wimmelte sie ihn unfreundlich ab, was eigentlich gar nicht ihre Art war. Beleidigt zog der Junge wieder ab, doch er wollte seiner Schwester nicht lange grollen, denn in dieser Ausnahmesituation reagierten alle nicht so wie gewohnt. Er selbst war ja normalerweise auch nicht so anhänglich, doch heute wäre er Nora am liebsten überallhin gefolgt. Wenn seine Mutter nicht da war, hielt er sich meistens an Nora. Mit seinem Vater zu kuscheln fand er dann doch etwas abwegig, ebenso wollte er sich nicht an Tobias oder Marianne hängen. Er mochte die zwei zwar sehr gerne, doch körperliche Nähe hatte er nur als Kleinkind zugelassen. Jetzt war er dafür doch schon zu alt, nur seine Mutter durfte ihn noch in den Arm nehmen und zu einer abendlichen Rückenmassage sagte er auch selten nein. Wenn er an Delfina mit ihrem weichen Körper und den immer nach Kokos duftenden Haaren dachte, überfiel ihn eine fast körperlich schmerzende Sehnsucht nach seiner Mutter. Nur noch zwei Tage, dann konnte er sie wieder in die Arme nehmen und sich von ihr trösten lassen (wenn es niemand sah!).

Nora unterdessen hatte sich in die Hollywood-Schaukel gesetzt, ließ sich hin und her wiegen und dachte mit allen Fasern ihres Körpers an ihren Opa. Immer wieder murmelte sie: „Opa, bitte ruf an … bitte melde dich … Opa bitte!“ Eine halbe Stunde lang, bis ihr Vater zur Arbeit rief, hatte sie vor sich hingemurmelt und gerade, als sie resigniert und traurig aufstand, um ins Haus zu gehen, läutete das Telefon.

8

Während der Befragungen im Hause Angerer war Reno in sein Campinghäuschen gegangen und hatte sich ins Bett gelegt. Obwohl er total erschöpft war und sich seine Gedanken weiterhin im Kreis drehten, hatte er zunächst nicht einschlafen können. Der blöde Köter von nebenan hatte auch immer mal wieder gebellt und so hatte es eine Weile gedauert, bis sich der erlösende Schlaf endlich eingestellt hatte.

Unruhig warf der alte Mann sich im Schlaf nun hin und her – es war nicht verwunderlich, dass er nach den nächtlichen Erlebnissen von Albträumen geplagt wurde. So wachte er nach zwei Stunden auch völlig schweißgebadet auf und wusste zunächst nicht, wo er sich befand. Erst als er Amigo, diesen ollen Kläffer, vom Nachbarhaus her bellen hörte, erinnerte er sich wieder. Doch was hatte er da gerade geträumt? Konnte es wirklich so gewesen sein, dass jemand anderes im Haus gewesen war und Adele mit einem Kissen erstickt hatte? In seinem Traum hatte er so etwas gesehen, aber nicht, wer es gewesen war. Wie konnte er das herausfinden? War es wirklich so gewesen oder hatte er einfach nur irgendetwas geträumt? Und wer spukte nun noch in seinem Kopf umher? Er versuchte, sich darauf zu konzentrieren und allmählich wurde ihm immer klarer, wer ihn da mit der Macht ihrer Gedanken rief: Nora! Das arme Kind musste ja total verstört sein! Wie hatte er nur so egoistisch sein können? Womöglich hatten sie oder ihr Bruder die tote Adele gefunden. Oh mein Gott, meine armen Enkel! Das konnte er nie mehr gutmachen! Was würden sie nur von ihm denken, dass er sie so im Stich gelassen hatte? Dass sie in ihm den Mörder seiner Frau sehen könnten, darauf verschwendete er keinen einzigen Gedanken. Er musste sich melden, und zwar sofort! Aber wie anfangen? Was sagen und wie erklären, warum er einfach abgehauen war? Er brauchte zuerst einen Kaffee! Doch er hatte noch gar nichts eingekauft. Ob er wohl seine neue Bekannte, diese Helene danach fragen sollte? Oder doch zuerst anrufen, um seine Lieben zu Hause nicht noch länger im Ungewissen zu lassen?

Als er sich jedoch dazu durchgerungen hatte, um wieder in Schwung zu kommen, einen Kaffee zu trinken, erledigte sich die Sache von selbst. Denn Helene bog mit ihrem Hollandrad und ihrem Hund an der Seite gerade um die nächste Ecke und war verschwunden. Also doch kein Kaffee, sondern gleich der Anruf. Doch daraus wurde auch nichts, denn der Akku seines uralten Handys war leer. Sein neues Smartphone hatte er jemand anderem gegeben, aber warum eigentlich? Auch das konnte er sich momentan überhaupt nicht erklären. Sein Gedächtnis spielte ihm in dieser Sache wirklich einen üblen Streich!

Nun hatte er zwei Möglichkeiten: Entweder Handy aufladen und warten (aber hatte er das Ladegerät denn in seiner blinden Flucht mitgenommen?) oder irgendwo von einem öffentlichen Fernsprecher aus anrufen? Vielleicht wurde ja schon nach ihm gefahndet und es wäre sicherer, nicht mit dem Handy zu telefonieren? Da fiel ihm ein, dass seine Familie ja noch gar nicht wusste, dass er das Smartphone nicht mehr hatte. Seine Familie rief ihn so gut wie nie auf diesem neuen Gerät an, weil er es sowieso nicht zuverlässig dabei hatte. Deshalb hatte er gar nicht weiter darüber nachgedacht, als er seinem Bekannten sein Telefon gegeben hatte. Wenn er an ihn dachte, wurde ihm sofort wieder schlecht. Was hatte er sich bei der ganzen Aktion eigentlich gedacht? Seine Veranlagung hatte ihn in die unmöglichste Situation gebracht, in die man überhaupt kommen konnte – wie sollte er aus diesem Schlamassel jemals wieder rauskommen?

Doch bei dem Gedanken an seine sicher total verängstigten Enkelkinder gab sich Reno dann doch einen Ruck und trat den langen Weg ins Dorf zu Fuß an. So hatte er Zeit, sich genau zu überlegen, was er sagen wollte. Die Sonne stand jetzt im Juni zur Mittagszeit strahlend am Himmel und schnell wurde dem gebeugt dahinschlurfenden Mann heiß. Als er nachts aufgebrochen war, war es noch empfindlich kalt gewesen und er hatte ein Sweatshirt angezogen. Das war ihm jetzt deutlich zu warm, aber er hatte kein T-Shirt oder ein kurzärmliges Hemd dabei. Wenn er genauer darüber nachdachte – er hatte überhaupt nichts dabei. Keine Klamotten zum Wechseln, keine Zahnbürste, weder Rasierzeug noch Handtuch. Mechanisch griff er in seine Hosentasche und atmete hörbar auf – wenigstens seinen immer gut gefüllten Geldbeutel mit allen wichtigen Kreditkarten hatte er mitgenommen. Welch ein Glück, dass er daran gedacht hatte. Der Griff zur Geldbörse war anscheinend tief in ihm verwurzelt, denn sogar zum Gassi gehen mit dem Hund hatte er stets seine Börse dabei. Man konnte ja nie wissen …

Diese Angewohnheit verhalf ihm nun dazu, sich in dem kleinen Ort mit dem Nötigsten zu versorgen. Wie auch in seinem Heimatort Ottenbach gab es hier einen kleinen Tante-Emma-Laden, der auch etwas Kleidung da hatte. In Ottenbach hatten sie sogar einen kleinen Stoffladen, wo man auch ein paar Kleidungsstücke kaufen konnte. Dass momentan allerdings kein Metzger im Ort war und angeblich auch die neue Ärztin wieder aufhören wollte, war nicht so gut für die Gemeinde.

„Lenk dich nicht dauernd mit anderen Gedanken ab, Reno!“, schimpfte sich der alte Mann leise murmelnd selbst, während er an der Kasse wartete. Nur eine Frau war noch vor ihm und erst jetzt registrierte er die weißen Haare. In diesem Moment drehte sich die Frau um und strahlte ihn an.

„Reno! Auch hier zum Einkaufen?“, fragte sie, ohne nachzudenken, denn dass er etwas eingekauft hatte, sah sie ja an den vielen Dingen in seinem Korb. Reno jedoch war zu höflich, um so einer dummen Frage große Bedeutung beizumessen und so sagte er nur:

„Wenn ich gewusst hätte, dass du auch einkaufen musst, hätten wir ja auch mit dem Auto gemeinsam fahren können.“

„Nein, nein. Ich fahre, zumindest bei diesem herrlichen Wetter, sehr gerne mit dem Rad. Du bist zu Fuß hier, nehme ich an?“, fragte sie freundlich, während sie ihre Sachen einpackte und dann zu der Verkäuferin sagte, sie solle alles bitte aufschreiben. Renos fragenden Blick und den leicht genervten Blick der Verkäuferin ignorierte sie einfach. Mit Blick auf ihren draußen wie verrückt herumhüpfenden Hund verkündete sie:

„Ich muss los – Amigo hasst es, wenn er draußen warten muss. Man sieht sich …“, und schon war sie weg.

„Wird Zeit, dass die mal wieder einen Roman verkauft“, murmelte die Verkäuferin mehr zu sich selbst, doch Reno hatte sie genau verstanden. Seine Augen waren zwar nicht mehr ganz so gut, aber seine Ohren schon. Schriftstellerin war sie also, folgerte er aus den Worten der Dame, die nun eifrig seine Waren aus dem Korb zog und alles eintippte. Amüsiert beobachtete er sie, denn es war eine uralte Kasse, ein riesiges schwarzes Ungetüm mit hohen Tasten und einer Kurbel an der Seite. Den Betrag, den er zu bezahlen hatte, konnte er an vier nach oben gehüpften weißen Tasten mit schwarzen Zahlen ablesen. Solche Kassen waren zu seiner Jugendzeit höchst modern gewesen. Es freute den alten Mann, dass es doch noch ein paar solche urige Dinger gab, die sogar noch einwandfrei funktionierten. Beim Klingeln der Kasse sprang die Schublade auf und dieser Ton versetzte Reno wieder in seine Schulzeit. Schon wieder wollte er sich von anderen Gedanken ablenken lassen, doch die Kassiererin holte ihn in die Gegenwart zurück.

„Haben Sie es nicht kleiner? Auf einen Zweihunderter kann ich nicht rausgeben! Wenn ich ehrlich bin, hab ich so einen noch nie gesehen“, gestand sie kleinlaut. Anscheinend schämte sie sich, das zugeben zu müssen.

Reno schaute bestürzt in seinen prall gefüllten Geldbeutel und musste feststellen, dass er außer Zweihundertern und sogar einem Fünfhunderter nichts Kleineres dabei hatte. Bedauernd schüttelte er den Kopf.

„Was machen wir denn nun? Kann man bei Ihnen auch mit Karte bezahlen?“, fragte er hoffnungsvoll, obwohl er nirgends ein Eingabegerät sehen konnte.

„Nein, das haben wir auch nicht. Also entweder legen Sie die Sachen wieder zurück oder ich lege Sie Ihnen beiseite, Sie gehen zum nächsten Bankautomaten und kommen dann mit kleineren Scheinen zurück.“

„Wo ist denn der nächste Automat? Ich bin nämlich nicht von hier“, fragte Reno schnell, denn hinter ihm wurden zwei alte Damen langsam ungeduldig. Ja, die Rentner – die hatten nie Zeit!

„Gleich um die Ecke ist unsere kleine Sparkasse. Da gibt es auch einen Automaten. Soll ich die Sachen also zurücklegen?“, fragte die Verkäuferin nun ebenfalls etwas gereizt.

„Ja bitte. Das wäre wirklich sehr freundlich von Ihnen und entschuldigen Sie nochmals die Unannehmlichkeiten“, sagte er auch mit Blick auf die wartenden Frauen. Wie erwartet erlagen alle drei Damen seinem Charme und sie beteuerten, das wäre doch nicht so schlimm. Mit einem freundlichen Gruß verließ Reno das Lädchen, um draußen sofort wieder den Kopf hängen zu lassen und schwer seufzend den Bankautomaten anzusteuern. Da hatte man nun über tausend Euro in der Tasche und konnte erst nichts damit anfangen! Wo gab`s denn so was? Doch beim Automaten tat sich ihm die nächste Hürde auf, denn er hatte zwar seine Karte dabei, aber die Pin-Nummer vergessen! Er brauchte sie so gut wie nie, da er sein Geld meist am Schalter seiner Hausbank in Ottenbach abholte und dann immer bar bezahlte. Obwohl er kein waschechter Schwabe war, sah er es trotzdem nicht ein, für jede Zahlung mit der Bankkarte Gebühren zahlen zu müssen. Das hatte er nun davon – hier kam er nicht an Geld heran. Doch plötzlich musste er laut lachen und mit Schwung stieß er die Türe zum Schalterraum auf.

„So schwungvoll heute schon, der Herr?“, fragte eine hübsche junge Dame freundlich. „Was kann ich für Sie tun?“

„Ich wollte nur schnell einen Fünfhunderter kleinmachen. Können Sie mir den bitte in Fünfer, Zehner, Zwanziger und Fünfziger wechseln?“, fragte Reno hoffnungsfroh und knallte mit einem entwaffnenden Lächeln den lila Schein auf die Theke.

„Sie sind kein Kunde unserer Bank?“, fragte Frau Heimlich (so stand es auf ihrem Namensschild).

„Nein, ich bin normalerweise bei der Volksbank, aber diese haben Sie hier im Ort ja nicht. Ich bin hier auf Urlaub“, stellte Reno klar und sah nun besorgt in das skeptische Gesicht des jungen Fräuleins. Diese war sich anscheinend nicht sicher, ob der Schein echt war, und entschuldigte sich mit den Worten: „Bin gleich wieder da.“

Was sollte das nun wieder? War der Schein etwa gefälscht? Das konnte doch nicht wahr sein! Diesen Schein hatte er doch direkt aus den Händen seines Hausbankers erhalten. Oder doch nicht? Wo könnte er ihn sonst herhaben? Während die Bankangestellte anscheinend ihren Vorgesetzten konsultierte, verfiel Reno in fieberhaftes Grübeln. Wo hatte er diesen Fünfhunderter her? Er überlegte hin und her und so ganz allmählich kam die Erinnerung zurück: Er hatte ein Messer nach München in seine Stammkneipe mitgenommen und dort verkauft. Schwarz natürlich, also ohne Rechnung und der Typ hatte damals in bar bezahlt – mit einem Fünfhunderter! Niemals wäre Reno auf die Idee gekommen, dass der Schein eine Fälschung sein könnte! Auch das noch – das durfte doch nicht wahr sein! Jetzt machte er sich durch diesen blöden Schein zusätzlich verdächtig! Ob er einfach ohne diesen vermaledeiten Schein abhauen sollte? Würde er sich dadurch nicht noch verdächtiger machen? Aber er brauchte das Geld dringend für die Bezahlung des Campingplatzes, für die Sachen im kleinen Lädchen um die Ecke und natürlich für Benzin und was zum Essen und Trinken. Schöner Mist! Wurde man für den Besitz eines gefälschten Scheines eigentlich gleich verhaftet oder konnte er sich rausreden, dass er den Schein von seiner Bank erhalten hatte? Würde diese Bank hier den Schein einfach einbehalten?

Mitten in seine Grübeleien kam die Dame mit einem breiten Lächeln zurück und Reno fiel dabei ein ganzer Felsbrocken vom Herzen. So lächelte nur jemand, wenn alles in Ordnung war, oder wollte sie ihn nur in Sicherheit wiegen und hatte bereits die Polizei angerufen? Dem armen alten Mann brach der kalte Schweiß aus, doch er versuchte, sich seine Nervosität nicht anmerken zu lassen. Krampfhaft lächelnd sah er Frau Heimlich in die Augen und diese erklärte:

„Alles in Ordnung, mein Herr. Wir sind nur angehalten, solche großen Scheine genauestens zu prüfen, da in letzter Zeit immer mal wieder gefälschte im Umlauf waren. Aber Ihren kann ich nun gerne wechseln. Sagen Sie mir bitte nochmals die gewünschte Sortierung der kleinen Scheine? Brauchen Sie auch ein paar Münzen?“

Einen tiefen Seufzer unterdrückend meinte Reno nur:

„Machen Sie einfach, wie Sie denken. Hauptsache, ich kann endlich die kleinen Beträge in den diversen Geschäften bezahlen.“

„Mit so großen Scheinen ist das wirklich fast überall ein Problem. Vielleicht lassen Sie sich in Zukunft gleich die kleinen Scheine geben?“, versuchte Frau Heimlich ihrem Kunden einen Rat zu erteilen und Reno versprach ganz artig, das in Zukunft zu tun. Natürlich würde er das nicht tun, denn so viel Geld, wie er gewohnheitsmäßig mit sich herumschleppte, konnte man unmöglich in kleinen Scheinen in den Geldbeutel stopfen – das hätte niemals Platz und die Hosentasche wäre zu voll. Aber das sagte er der freundlichen Bankangestellten natürlich nicht. Dennoch nahm er sich vor, immer auch wenigstens ein paar Fünfziger dabei zu haben.

Nachdem er dann endlich seine Sachen in dem kleinen Lebensmittelgeschäft abgeholt und erfahren hatte, wo noch ein letzter öffentlicher Fernsprecher stand, machte er sich auf den Weg dorthin. Es war wirklich schwierig, im Handy-Zeitalter eine Telefonzelle zu finden und wenn man dann endlich eine gefunden hatte, funktionierte diese nur mit einer Telefonkarte – so auch hier! Reno hätte beinahe in seinem Frust mit den Fäusten gegen die Scheibe geschlagen, konnte sich jedoch gerade noch zurückhalten. Was sollte er denn nun tun? Er musste dringend zu Hause anrufen! Ob diese Helene vielleicht ein Telefon in ihrem Bungalow hatte? Er hätte zwar auch von dem Gasthaus dort drüben aus anrufen können, aber da hätten dann alle mithören können und das wollte er nicht. Also war seine letzte Hoffnung doch die freundliche Helene. Doch falls sie ein Telefon hatte, wie konnte er sie dazu bringen, ihn alleine telefonieren zu lassen? Ihm musste dringend etwas einfallen und so marschierte er mit seinen vollgepackten Einkaufstüten strammen Schrittes zurück zum Campingplatz, wobei ihm schon nach wenigen Metern der Schweiß in die Augen rann und die Arme wegen der ungewohnten Belastung schmerzten.

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Дата выхода на Литрес:
25 мая 2021
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291 стр. 3 иллюстрации
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9783960147954
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