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Literatur

Deci, E. L. und Ryan, R. M. (1993). Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation und ihre Bedeutung für die Pädagogik. Zeitschrift für Pädagogik 39 (2), S. 223 – 238.

Dubs, R. (2009). Lehrerverhalten. Ein Beitrag zur Interaktion von Lehrenden und Lernenden im Unterricht. 2., vollständig neu bearbeite Auflage. Zürich: SKV.

Edelmann, W. und Wittmann, S. (2012). Lernpsychologie. 7., vollständig überarbeitete Auflage. Weinheim: Beltz.

Gage, N. L. und Berliner, D. C. (1996). Pädagogische Psychologie. 5., vollständig überarbeitete Auflage. Weinheim: Beltz PVU.

Heckhausen, J. und Heckhausen, H. (2010). Motivation und Handeln. 4., überarbeitete und aktualisierte Auflage. Heidelberg: Springer.

Mietzel, G. (2007). Pädagogische Psychologie des Lernens und Lehrens. 8., überarbeitete und erweiterte Auflage. Göttingen: Hogrefe.

Rudolph, U. (2007). Motivationspsychologie. 2., vollständig überarbeitete Auflage. Weinheim: Beltz PVU.

Oerter, R. und Dreher, E. (2008). Jugendalter. In: R. Oerter und L. Montada (Hrsg.), Entwicklungspsychologie. 6., vollständig überarbeitete Auflage. Weinheim: Beltz PVU. S. 271 –283.

Trittbrettfahrer bei der Arbeit in Gruppen

Titel Trittbrettfahrer bei der Arbeit in Gruppen

Fach Biologie

Schultyp Kurzzeitgymnasium

Klassenstufe 3. Klasse /11. Schuljahr

Klassengröße 21

Zusammensetzung der Klasse Keine Angabe

Besondere Umstände Doppellektion im Rahmen der Übungslektionen Biologie

Beschreibung des Falles


Im Rahmen der Übungslektionen im Fach Biologie war eine Doppellektion im Praktikumsstil zu halten. Das Thema war Herz-Kreislauf und mögliche Erkrankungen. Aufgrund der Fokussierung auf maximale Schüleraktivität wurde während 60 Minuten je eine Viertelstunde an vier Posten gearbeitet. Das Thema des ersten Postens war die Arbeit des Herzens. In erster Linie mussten Berechnungen zum täglichen Blutumsatz gelöst werden. Der zweite Posten behandelte Herztöne, die mithilfe eines Stethoskops am eigenen Körper abgehört werden konnten. Am dritten Posten beschäftigten sich die Schüler/innen mit ihrem eigenen Puls. Der vierte Posten behandelte schließlich die Reizleitung im Herzen. An sämtlichen Posten standen Modelle und Hilfsmittel zur Verfügung oder es wurde eine leichte sportliche Betätigung gefordert. Pro Posten arbeiteten fünf oder sechs Leute, die durch die Verteilung von Schokoladenherzen in vier Farben zu Beginn der Lektion zufällig zusammengemischt wurden.

An den Posten war eine Zusammenarbeit erwünscht, weil Diskussionen innerhalb der Gruppen jeweils zu besseren Ergebnissen führen, als wenn jeder für sich die Aufgaben zu lösen versucht. Es war jedoch bald auffallend, dass nicht alle Gruppen gleich gut arbeiteten und zudem innerhalb einer Fünfer- oder Sechsergruppe nicht alle gleich intensiv in die Arbeit involviert waren. Interessierte Schüler/innen lösten die Aufgaben, die anderen schrieben anschließend deren Lösungen ab. Trotz mehrmaliger Versuche, korrigierend darauf einzuwirken, änderte sich die Situation nur unwesentlich, sobald sich die Lehrperson von der Gruppe entfernte. Es gestaltete sich überdies als anspruchsvoll, einen Überblick über die einzelnen Gruppen zu behalten. Die treppenartige Anordnung der Bänke im engen Schulzimmer ließ sich nicht verändern, weshalb jeweils eine Gruppe aus Platzmangel außerhalb des Schulzimmers arbeiten musste. Da ferner lediglich vier Posten vorbereitet waren, konnten die Gruppen kurzfristig nicht weiter aufgeteilt werden.

Was fällt auf?


Die Lehrperson unterrichtet im Rahmen ihrer Ausbildung eine Doppellektion im Fach Biologie im Praktikumsstil zum Thema «Herz-Kreislauf und mögliche Erkrankungen». Dafür richtet sie vier Posten mit unterschiedlichen Arbeitsaufträgen und entsprechenden Materialien (z. B. Stethoskop, Modelle) ein, welche verschiedene Aspekte des Themas aufgreifen und die Schülerinnen und Schüler aktivieren sollen. Ziel der Lehrperson ist «Fokussierung auf maximale Schüleraktivität während 60 Minuten», wobei je eine Viertelstunde an vier Posten gearbeitet werden soll. Außerdem ist an den Posten «eine Zusammenarbeit erwünscht». Die Lehrperson begründet dies damit, dass «Diskussionen innerhalb der Gruppen jeweils zu besseren Ergebnissen führen, als wenn jeder für sich die Aufgaben zu lösen versucht». Die genaue Ausgestaltung der Aufträge innerhalb der Posten wird nicht beschrieben. Es bleibt deshalb unklar, inwiefern die Aufgabenstellung die Annahme stützt, dass Diskussionen zu besseren Ergebnissen führen als Einzelarbeit.

Die Gruppen, welche durch die Verteilung von Schokoladenherzen in vier Farben nach dem Zufallsprinzip gebildet werden, bestehen aus fünf bis sechs Schülerinnen und Schülern. Es handelt sich demnach um große Gruppen. Zudem bedingt die zufällige Gruppenzusammensetzung je nach Ausgestaltung der Aufträge innerhalb bestimmter Gruppen besondere Anstrengungen zur Organisation der Arbeit. Dies wird auch durch die Aussage der Lehrperson gestützt, indem sie festhält, «dass nicht alle Gruppen gleich gut arbeiteten und zudem innerhalb einer Fünfer- oder Sechsergruppe nicht alle gleich intensiv in die Arbeit involviert waren»: Die interessierten Schülerinnen und Schüler lösten die Aufgaben, die anderen Gruppenmitglieder schrieben die Lösungen anschließend ab. Da die Lehrperson die Fünfer- und Sechsergruppen erwähnt, ist anzunehmen, dass kleinere Gruppen besser zusammenarbeiteten bzw. dass die Lehrperson vermutet, dass kleinere Gruppen besser zusammenarbeiten würden und sie daher die Gruppengröße infrage stellt. Es fällt auf, dass die Lehrperson ihren Fall «Trittbrettfahrer bei der Arbeit in Gruppen» nennt, im Fallbeispiel selbst aber nicht von Trittbrettfahrern spricht. Sie versucht offenbar, das Problem mit dem Titel zu akzentuieren.

Die Lehrperson schreibt, sie habe mehrmals versucht, «korrigierend» darauf einzuwirken, dass sich alle Lernenden in der Gruppe bei der Postenaufgabe beteiligten. Doch die Situation habe sich nur unwesentlich verändert, sobald sich die Lehrperson von der Gruppe entfernte. Solange die Lehrperson anwesend war, konnte sie die Lernenden scheinbar zu einer besseren Zusammenarbeit bewegen. Wie die korrigierenden Maßnahmen der Lehrperson konkret ausgesehen haben, beschreibt sie nicht. Da die Wirkung nur von kurzer Dauer war, ist zu vermuten, dass die Maßnahmen auf die verbale Aufforderung, dass sich alle beteiligen sollten, beschränkt blieben.

Die Lehrperson schildert als weiteres Problem, dass es «anspruchsvoll» sei, «einen Überblick über die einzelnen Gruppen zu behalten». Die Lehrperson scheint den fehlenden Überblick darauf zurückzuführen, dass ein Posten außerhalb des Schulzimmers aufgebaut werden musste, also jeweils eine Gruppe nicht im Schulzimmer arbeiten konnte. Ein Posten außerhalb des Schulzimmers ist grundsätzlich unproblematisch, solange die Lernenden Tische, Stühle usw. vorfinden, ungestört arbeiten können und andere Klassen nicht gestört werden. Der fehlende Überblick, den die Lehrperson erwähnt, könnte sich aber auch darauf beziehen, dass sie versuchte, die Aufsicht über die Schüleraktivität, die Zusammenarbeit in der Gruppe oder die Ergebnissicherung der Gruppen zu haben. Prinzipiell sollten die Gruppenaufträge so gestaltet sein, dass die Gruppen keine Aufsicht benötigen, sondern sich selbstverantwortlich betätigen können.

Abschließend weist die Lehrperson darauf hin, dass sie lediglich vier Posten vorbereitet hat, weshalb die Gruppen «kurzfristig» nicht weiter aufgeteilt werden können. Da es sich um eine Übungslektion handelt, konnte die Lehrperson wohl aus zeitlichen Gründen nur vier Posten angemessen vorbereiten.

Was ist das Problem?

Das Fallbeispiel beschreibt die unterschiedlich intensive Beteiligung der Schülerinnen und Schüler bei der Gruppenarbeit an vier Posten im Biologieunterricht.

Die Lehrperson wünscht sich eine gute Zusammenarbeit unter den Lernenden, da Diskussionen innerhalb der Gruppen zu besseren Resultaten führen, als wenn jeder für sich die Aufgaben zu lösen versucht. Der Lehrperson fällt dabei auf, dass nicht alle Gruppen gleich gut arbeiten: Interessierte Gruppenmitglieder lösen die Aufgaben, die anderen schreiben die Lösungen ab. Die Lehrperson versucht mehrmals, korrigierend einzuwirken, wobei sich die Situation nicht wesentlich ändert.

Das zentrale Problem aus der Sicht der Lehrperson kann daher mit der folgenden Frage umrissen werden:

–Wie kann eine kooperative, aktive Beteiligung aller Lernenden in Gruppenarbeiten erreicht werden?

Erklärungsansätze und Hintergründe

Die Gruppenarbeit

Die Gruppenarbeit ist eine Sozialform, bei welcher die Klasse unterteilt wird, sodass Kleingruppen entstehen, welche die Aufgabenstellung bearbeiten und die Resultate in einem späteren Schritt in den Unterricht einbringen (Meyer 2011). Die Lehrperson schreibt, dass sie die Form der Gruppenarbeit gewählt hat, um (1) eine hohe Schüleraktivität zu erreichen und (2) die Zusammenarbeit (Diskussionen) unter den Lernenden zur Erreichung besserer Ergebnisse zu fördern. Weitere Vorteile wie beispielsweise die Rhythmisierung des Unterrichts, das Lernen von anderen oder die Förderung der Sozialkompetenz durch Interaktion sprechen ebenfalls für den Einsatz von Gruppenarbeiten, werden aber von der Lehrperson nicht erwähnt. Ein wichtiges Ziel ist dabei aber wie bei jeder anderen Unterrichtsform das fachliche Lernen. Neben der Steigerung der Methodenvielfalt und der Förderung der Sozialkompetenz durch Teamfähigkeit (Bildungsziel) geht es in der Gruppenarbeit um die selbstständige Erarbeitung von neuem Wissen durch: (1) Erwerb, Austausch und Weitergabe von ‹ungeteiltem› Wissen zur eigenen Wissenskonstruktion (Lernen durch sozialen Austausch) und (2) Überprüfung und Revision des konstruierten Wissens.

Diese Ziele sind nicht per se durch den Einsatz von Gruppenarbeiten zu erreichen. Entscheidend hierbei ist die Art der Aufträge, die von den Gruppen bearbeitet werden sollen: Die Aufträge müssen so aufgebaut sein, dass sie nur von der Gruppe und nicht von Einzelpersonen allein selbsttätig gelöst werden können. Wenn also zum Beispiel ein Gruppenauftrag verlangt, dass die Gruppenmitglieder gegenseitig überprüfen, ob sie den Lerngegenstand verstanden haben, oder wenn sie individuell oder in Partnerarbeit ermittelte Lösungen in der Kleingruppe ausdiskutieren und sich für eine Lösung entscheiden müssen, wird damit mehr erreicht, als wenn die einzelnen Lernenden eine Aufgabe für sich selbst lösen. Inwiefern die gestellten Aufträge im Fallbeispiel die Zusammenarbeit in der Gruppe erforderlich machten, geht nicht aus der Beschreibung hervor. Es zeigt sich jedenfalls, dass die Lernenden offenbar keinen Grund zu echter Kooperation sahen und es vorzogen, innerhalb der 15 Minuten zu einem schriftlichen Resultat zu kommen, das dann alle in ihre Arbeitsblätter übertragen konnten. Denkbar ist auch, dass ihnen nach der praktischen Arbeit am Posten die Zeit für die Gruppendiskussion und zur Klärung von Fragen fehlte und es ihnen deshalb einfacher erschien, die interessierten Kolleginnen und Kollegen das Ergebnis erarbeiten zu lassen.

Damit Gruppenarbeiten gelingen, müssen sie sorgfältig geplant werden. Dies erfordert Überlegungen zur

–Vorbereitung: Gruppenbildung, geeignete Themenwahl, themengleiche oder themendifferenzierte Aufgabenbearbeitung, Formulierung der Aufträge und der Ziele, Klärung der Lernvoraussetzungen der Klasse, räumliche und zeitliche Voraussetzungen;

–Durchführung: Vereinbarung eines Regelkatalogs, Klärung der Verantwortlichkeiten innerhalb der Gruppe, Rolle der Lehrperson;

–Präsentation der Arbeitsergebnisse: Wahl der Methode;

–Rückmeldung: Feedback an die Gruppen, Reflexion der Gruppenergebnisse und -prozesse;

–Beurteilung: Verfahren zur Bewertung der Gruppenleistung und der Einzelleistung (vgl. hierzu Reich 2014 ff.).

Die Gruppenbildung

Die Lehrperson schreibt, dass die Gruppen zufällig gebildet wurden. Dies ist eine mögliche Vorgehensweise. Sie erscheint im vorliegenden Fall sinnvoll, da die Lehrperson die Lernenden vermutlich nicht genügend gut kennt, um eine gezielte Einteilung vorzunehmen. Eventuell hätte mit der Lehrperson der Klasse vorgängig die Gruppenbildung besprochen werden können, um allfällige unerwünschte Konstellationen zu vermeiden und gute, d. h. arbeitsfähige, Gruppenzusammensetzungen zu erreichen.

Grundsätzlich können Gruppen nach folgenden Kriterien zusammengesetzt werden: freie Wahl, zufällig, zugewiesen homogen oder zugewiesen heterogen. Günstig auf den Prozess und das Ergebnis wirkt sich in der Regel eine ausgewogene Kombination von stärkeren und schwächeren Lernenden aus, wobei die Differenzen in der Leistungsfähigkeit nicht zu groß und die stärkeren Lernenden nicht in der Überzahl sein sollten (Dubs 2009). Es ist allerdings zu beachten, dass auch bei vermeintlich ausgewogener Zusammensetzung Schwierigkeiten in einer Gruppe entstehen können, da die Möglichkeit zur produktiven Gruppenarbeit nicht nur von den Lernleistungen der Einzelnen abhängt, sondern beispielsweise auch durch affektive Komponenten wie die zwischenmenschliche Beziehung geprägt wird. Die Nürnberger Projektgruppe (2001), die über Jahre Gruppenarbeit im Unterricht empirisch untersucht hat, plädiert für eine freie Wahl der Gruppenzusammensetzung, fordert aber gleichzeitig, dass sich die Lehrperson um «extrem komplementäre Gruppenstrukturen», wie sie durch autoritäre [informelle] Gruppenführer bewirkt werden, kümmert. Gerade in solchen Gruppen könne es zu Trittbrettfahrern kommen, weil die autoritäre Führungsperson alles bestimmt und andere Gruppenmitglieder wenig zu sagen haben. Die Lehrperson kann helfen, indem sie der Gruppe die auseinanderdriftende Struktur bewusst macht und mit ihnen nach alternativen Arbeitsweisen sucht.

In der Fallbeschreibung wird erwähnt, dass die Gruppen aus fünf bis sechs Schülerinnen und Schülern bestehen. Gemäß Reich (2014 ff.) kann als Richtwert eine Gruppengröße von drei bis fünf empfohlen werden. Viele Lehrpersonen machen die Erfahrung einer idealen Gruppengröße bei drei Mitgliedern. Dabei gilt es jedoch festzuhalten, dass die Ziele und Inhalte des Unterrichts, die räumlichen Gegebenheiten und die Klassenstärke bei der Festlegung der Gruppengröße berücksichtigt werden müssen (Reich 2014 ff.). Aus der Fallbeschreibung wird ersichtlich, dass eine Klassenstärke von 21 Lernenden und vier Posten zur besagten Gruppengröße führt. Zu fragen ist in diesem Fall, ob die Inhalte und Aufgaben für eine derartige Gruppengröße geeignet sind. Sechs Schülerinnen und Schüler mit Material für nur eine einzige praktische Übung pro Posten sind klar zu viel. Einige Lernende müssen in einer solchen Situation zwingend zu Außenseitern werden. Falls die Aufgabenstellungen nur für kleinere Gruppengrößen geeignet sind, müssten die Posten auf jeden Fall doppelt angeboten werden. Inwiefern dies allerdings die als schwierig geschilderte Raumsituation zulässt, kann nicht abschließend beurteilt werden. Allenfalls müsste für den Unterricht in Gruppen ein anderes oder zweites Zimmer reserviert werden.

Sämtliche angestellten Überlegungen zur Gruppenbildung gehören zur Vorbereitung der Gruppenarbeit und wollen sorgfältig überlegt sein. Die Tatsache, dass vier Posten vorbereitet werden, die Raumsituation nicht gebührend berücksichtigt wird und die Gruppen nicht kurzfristig weiter aufgeteilt werden können, deutet darauf hin, dass die Vorbereitung durch die Lehrperson optimiert werden kann.

Der Trittbrettfahrereffekt

Die Lehrperson schreibt, dass nicht alle Gruppen gleich gut arbeiten und dass innerhalb der Gruppen nicht alle Schülerinnen und Schüler gleichermaßen intensiv in die Arbeit involviert sind. Berücksichtigt man die vorherigen Ausführungen zur Gruppengröße und zu adäquaten Aufgabenstellungen, so kann man festhalten, dass vermutlich nicht alle Lernenden eine Aufgabe erfüllen konnten. Vielleicht war auch der Arbeitsauftrag so, dass keine Kooperation unter den Gruppenmitgliedern erforderlich war. Es scheint, als ob die Aufgaben ebenso gut von einzelnen Lernenden, die ein explizites Interesse zeigen, erledigt werden konnten.

Im Zusammenhang mit der Aktivität einzelner Schülerinnen und Schüler bei der Bearbeitung der Aufgaben nennt die Lehrperson im Titel der Fallbeschreibung das Problem der Trittbrettfahrer. Salomon und Globerson (1989) untersuchten Probleme der Gruppenarbeit mittels Videoanalyse und fanden folgende Faktoren, welche effektives Arbeiten in Gruppen erschweren und eine einseitige Beteiligung begünstigen:

Free Rider Effect (Trittbrettfahrereffekt): Wie hier im Fallbeispiel beschrieben, geht es bei diesem Effekt darum, dass einzelne Gruppenmitglieder ihren Arbeitseinsatz in der Annahme reduzieren, dass andere, talentiertere, motiviertere oder ehrgeizigere Gruppenmitglieder die Arbeit erledigen werden (vgl. auch Nürnberger Projektgruppe 2001, 26). Dies gilt sowohl für die Arbeit in den Gruppen als auch für die Präsentation der Resultate. Dieser Effekt ist umso stärker, je einfacher die gesamte Arbeit auch nur durch eine Person erledigt werden kann oder das Ergebnis von der Leistungsfähigkeit eines einzelnen, besonders kompetenten Gruppenmitgliedes abhängt. Es ist durchaus denkbar, dass eine Schülerin oder ein Schüler die Aufgaben alleine und unabhängig von den Gruppenmitgliedern erledigen kann. Dieser Effekt tritt weniger häufig auf bei Aufgabenstellungen, deren optimale Erledigung den Einsatz aller Gruppenmitglieder erfordert. Beispiele: knappe Zeitverhältnisse, welche eine Arbeitsteilung und die Zusammenführung zu einem Gesamtergebnis durch die Gruppe erfordern; oder die Gruppe erhält den Auftrag sicherzustellen, dass alle einen Sachverhalt wirklich verstanden haben. Des Weiteren gilt: Je größer die Gruppe, desto häufiger der Trittbrettfahrereffekt.

Sucker Effect: Häufige Reaktion auf den Trittbrettfahrereffekt. Die besonders engagierten, kompetenten oder ehrgeizigen Gruppenmitglieder kommen sich ausgenutzt vor. Diese Reaktion kann dazu führen, dass auch die eifrigen Gruppenmitglieder ihren Einsatz zurückfahren oder die Motivation verlieren, sich erneut auf eine ähnliche Situation einzulassen. Die Gruppe bleibt in ihrer Wirkung unter dem eigentlichen Leistungspotenzial.

Ganging up on the Task: Die Gruppenmitglieder handeln die individuellen Arbeitseinsätze aus und einigen sich auf ein Minimalmaß. Dabei entgehen die Gruppen zwar einem Konflikt, erreichen aber das mögliche Leistungspotenzial nicht. Besonders engagierte Gruppenmitglieder können dann entweder die Aufgaben der anderen auch noch übernehmen oder sie kooperieren und passen sich der niedrigen Arbeitsmoral der anderen an.

Insgesamt kann durch diese Effekte die Motivation für weitere Gruppenarbeiten leiden. Die Lernenden sind wegen schlechter Erfahrungen nicht mehr bereit, sich auf diese Lernform einzulassen (Gruppenarbeit: Nein danke!). Eine Aufzählung von Vorzügen und Problemen des kooperativen Lernens findet sich bei Dubs (2009), praktische Anregungen bei der Nürnberger Projektgruppe (2001).

Lösungsansätze

Gelingensbedingungen für kooperatives Lernen

Huber (2006) gibt auf der Basis verschiedener Autoren eine Übersicht über günstige Bedingungen für kooperatives Lernen:

Kooperative Lernziele: Die eindeutig formulierten Lernziele (vgl. hierzu Gudjons 2003, Wellhöfer 2012, Grell und Grell 2010) sollen nur durch Zusammenarbeit in der Gruppe erreicht werden können. Dies trifft zu, wenn zur Bearbeitung der Aufgaben oder zur Lösung der Problemstellungen spezifische, nur der Gruppe zugängliche Ressourcen (z. B. Literatur, Medien) zur Verfügung stehen, die koordiniert werden müssen. Eine Variante dazu ist, dass die Gruppe sicherstellen muss, dass alle das Lernziel erreichen. Wichtig hierbei ist, dass im Sinne der Transparenz klare, differenzierte schriftliche Aufträge formuliert werden (Wandtafel, Hellraumprojektor, Handout). Aufträge sollen klare Angaben enthalten, die aber zugleich Raum für Gestaltungsmöglichkeiten durch die Gruppe offenlassen. Die Angaben betreffen das erwartete Resultat (Art, Form, Inhalt), räumliche und zeitliche Hinweise zur Gruppenarbeit und die zur Verfügung stehenden Hilfsmittel.

Spielraum für Entscheidungen: Die Lernumgebung sollte Spielräume für selbstständige Entscheidungen zulassen. Im vorliegenden Fall ist dies wohl nicht direkt möglich. Aber man könnte der Gruppe die Aufgabe stellen, sich eine Frage auszudenken, mit welcher der Lernerfolg überprüft werden kann. Die Frage wird am Schluss in einen Pool für einen Test gegeben.

Gemeinsame Verantwortung für das Lernen in der Gruppe: Falls die Lernenden wahrnehmen, dass sie ihre eigenen Lernziele am besten erreichen, wenn die anderen Gruppenmitglieder ebenfalls erfolgreich sind, stehen sie in einer Beziehung positiver Interdependenz und sie sind motiviert, sich gegenseitig zu unterstützen. Dies ist dann der Fall, wenn die Durchschnittsleistung der Gruppe ebenso zählt wie die individuelle Leistung.

Individuelle Verantwortlichkeit: Was für die Gruppe zählt, sind nicht nur die Gruppenergebnisse, sondern auch die individuellen Lernerfolge bei der Arbeit am gemeinsamen Gruppenprodukt. Die Gruppe muss dafür sorgen, dass alle Gruppenmitglieder zu einem guten Lernerfolg kommen. Um dies sicherzustellen, kann in der Auftragserteilung eine Phase in der Gruppenarbeit vorgegeben werden, in der die Lernfortschritte überprüft werden (siehe unten). Im vorliegenden Fall muss somit das Ziel, dass alle Gruppenmitglieder im Anschluss an die Bearbeitung des Auftrags in der Lage sind, die Fragen zu den Posten richtig zu beantworten, klar offengelegt werden. Gerade wenn mit Experimenten und Materialien gearbeitet wird, ist die Gefahr groß, dass die Posten einfach ‹erledigt› werden, ohne dass die Lernenden sich bewusst sind, was der Lerngewinn ist.

Neben diesen Aspekten ist es für eine erfolgreiche Gruppenarbeit zentral, dass die Lernenden bereits über methodische Vorkenntnisse – z. B. zur Gesprächsführung, zur Erstellung von Protokollen und zur Recherche von Informationen – verfügen (vgl. Internetquelle bei den Literaturhinweisen).

Kleinere Gruppen begünstigen die kooperative Arbeitsweise

Die Gruppengröße muss der Aufgabenstellung angepasst werden. Je mehr Gruppenmitglieder, desto schwieriger wird eine gute kooperative Arbeitsweise. Im vorliegenden Fall ist wahrscheinlich die Gruppengröße der Aufgabenstellung nicht angemessen. Grundsätzlich wird die Kooperation in der Gruppe bei mehr als vier Schülerinnen und Schülern sehr anspruchsvoll. Es ist günstiger, kleine Gruppen von zwei bis drei Mitgliedern zu bilden. Um das zu erreichen, können alle Themen doppelt geführt werden. Dies sollte mit dem vorhandenen Material machbar sein. Eine Verkleinerung der Gruppengröße entspricht auch Forderungen aus der Literatur, welche Dreiergruppen (Gudjons 2003) oder Gruppen von drei bis fünf (Reich 2014 ff.) Lernenden als geeignet erachten. Oft ist es gegeben, lediglich Partnergruppen zu bilden. In kleinen Guppen stellt sich das Trittbrettfahren weniger ein, sofern ein klarer Auftrag gegeben wird, der für alle Gruppenmitglieder eine Rolle vorsieht.

Zuteilung von Rollen zur Intensivierung der Gruppenarbeit

Damit sich alle Lernenden aktiv in die Gruppenarbeit einbringen können, bietet es sich neben den bereits erwähnten Möglichkeiten an, dass die einzelnen Gruppenmitglieder in Ergänzung zur inhaltlichen Arbeit spezifische Rollen übernehmen. Diese Rollen sind im Auftrag vorzusehen, die Lernenden sollen aber selbstständig in der Gruppe entscheiden können, wie sie die Rollen verteilen wollen. Einige Beispiele für Rollenfunktionen sind:

–Eine Schülerin oder ein Schüler übernimmt die Gruppenleitung, um die Arbeiten zu koordinieren, die Gruppenmitglieder auf die Arbeit zu fokussieren und den Ablauf der Gruppenarbeit im Auge zu behalten.

–Ein Schüler oder eine Schülerin übernimmt die Protokollführung, um die zentralen Ergebnisse festzuhalten und am Ende die Arbeitsergebnisse zu präsentieren.

–Eine Schülerin oder ein Schüler übernimmt das Zeitmanagement und achtet darauf, dass die Zeiten (auch die Pausen) eingehalten werden und dass mit der Zeit ökonomisch umgegangen wird.

–Ein Schüler oder eine Schülerin übernimmt die Gruppenbeobachtung und spiegelt der Gruppe ihr Verhalten, arbeitet aber selbst auch aktiv in der Gruppe mit.

Sind die Rollen nicht geklärt, kann es leicht geschehen, dass beispielsweise am Ende der Gruppenarbeit die Ergebnisse nicht in geeigneter Form aufbereitet vorliegen und die Frage aufkommt, wer die Ergebnisse im Plenum wie präsentiert. Oder es ist denkbar, dass die Gruppe zu lange bei einer Detailfrage verweilt und letztlich zu wenig Zeit zur Bearbeitung des gesamten Themas zur Verfügung steht. Wenn sich die Gruppenmitglieder Rollen zuteilen, können sie damit die Gruppenarbeit intensiver und effektiver gestalten. Indem sie die Verantwortlichkeiten klären, schaffen sie Transparenz während der Arbeitsphase.

«Hilfe zur Selbsthilfe»

Die Lehrperson erwähnt einerseits, dass innerhalb der Gruppe nicht alle gleich intensiv arbeiten, und anderseits, dass nicht alle Gruppen gleich gut arbeiten. Bei nicht arbeitsfähigen Gruppen kann die Gruppenkonstellation für kooperatives Arbeiten ungünstig sein, z. B. wenn es Antipathien unter den Gruppenmitgliedern gibt. Manchmal erweist es sich als notwendig, eine schwierige Gruppenkonstellation schon vor Beginn der Gruppenarbeit zu verändern.

Grundsätzlich sollen die Lernenden in den Gruppen selbstständig arbeiten. Es erweist sich in vielen Fällen als ungünstig, wenn sich die Lehrperson von außen in die Gruppen einmischt (Nürnberger Projektgruppe 2001). Gemäß Reich (2014 ff., in Anlehnung an Gutte 1976) ist es aber angebracht, dass sie dann in einer Gruppe eingreift, wenn Verbesserungen des sozialen Verhaltens oder der Arbeitseinstellung notwendig erscheinen. Da die Lehrperson in der Fallbeschreibung andeutet, dass einzelne Gruppen weniger intensiv arbeiten als andere oder Schwierigkeiten haben, die Arbeit aufzunehmen, kann die Lehrperson eine Starthilfe geben, indem sie beobachtend teilnimmt und die Gruppe durch «Hilfe zur Selbsthilfe» unterstützt. Das bedeutet, dass die Lehrperson der Gruppe nicht Lösungen anbietet, sondern die Lernenden dazu befähigt werden, den Auftrag selbstständig zu bearbeiten und eigene Lösungen zu finden (vgl. hierzu Gudjons 2003; Reich 2014 ff.). Wenn es sich zeigt, dass alle Gruppen Starthilfe brauchen, ist der Arbeitsauftrag zu wenig klar formuliert.

Auswertung und Bewertung der individuellen und der gemeinsamen Resultate

Aufgrund der Fallbeschreibung bleibt es unklar, ob und wenn ja in welcher Form die Gruppenarbeit ausgewertet und bewertet wird. Für die Lernenden ist es wichtig, dass sie wissen, wie die Ergebnisse später überprüft und beurteilt werden. Dabei kann sowohl die Auswertung als auch die Bewertung der individuellen und der gemeinsamen Resultate berücksichtigt werden. Man kann z. B. im vorliegenden Fall eine Überprüfung der individuellen Lernergebnisse vornehmen (kleiner Fragebogen am Schluss) und den Durchschnittserfolg des Tests pro Gruppe feststellen. Das kann die Gruppe anspornen, zusammenzuarbeiten und folglich gut abzuschneiden. Die Einschätzung der Gruppenleistung kann zusätzlich in die Leistungsbeurteilung einfließen.

Auch ein Feedback zum Gruppenprozess ist aus pädagogischer Sicht ein wichtiger Teil der Gruppenarbeit, vor allem, wenn es sich um eine größere Gruppenarbeit handelt. Die Rückmeldung sollte sich dabei auf die Inhaltsebene, die Beziehungsebene und die soziale Ebene beziehen (Reich 2014 ff.). Solche Feedbackgespräche können einen großen Effekt auf die Selbst- und Fremdwahrnehmung und die Einschätzung der eigenen Fähigkeiten haben, auch wenn keine Noten gesetzt werden. Des Weiteren wirken sich differenzierte Rückmeldungen positiv auf die Kooperationsbereitschaft und die Teamfähigkeit aus (Reich 2014 ff.). Für Feedbacks bieten sich folgende Varianten an (vgl. hierzu Bohl 2009; Dubs 2009):

(1)Selbsteinschätzung des individuellen Beitrages zum Gruppenprozess durch jedes Gruppenmitglied anhand einer Kriterienliste

(2)Gegenseitige Fremdeinschätzung der individuellen Beiträge zum Gruppenprozess durch jedes Gruppenmitglied anhand einer Kriterienliste

(3)Fremdeinschätzung durch die Lehrperson anhand einer Kriterienliste mit anschließendem Feedback

(4)Einschätzung des gemeinsamen Gruppenprozesses durch ein/jedes Gruppenmitglied

Die Reflexionsvarianten (2) und (4) können dann besonders gut durchgeführt werden, wenn ein Gruppenmitglied die Rolle als Gruppenbeobachterin oder Gruppenbeobachter übernommen hat. Eine solche Rolle muss im Auftrag zur Gruppenarbeit bereits fest vorgegeben werden (mit freier Wahl innerhalb der Gruppe, wer diese Rolle übernimmt).

Für das vorliegende Fallbeispiel ist allerdings festzuhalten, dass es bei einem derart dichten Programm nicht möglich ist, eine umfassende Auswertung und Beurteilung vorzunehmen. Es ist deshalb von Vorteil, bei einer Wiederholung der Postenaufgaben mit einer anderen Klasse, eine Doppelstunde (90 Minuten) einzuplanen, damit genügend Zeit für die wichtige Auswertung bleibt.

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