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Auch ‹Native Speakers›, welche durch ihren flüssigen, korrekten und wohlklingenden Sprachausdruck beeindrucken, müssen entsprechend ihren Fähigkeiten gefördert werden. Oftmals täuscht die Beherrschung der mündlichen Sprache darüber hinweg, dass andere Lernziele – wie z. B. die Sicherheit im schriftlichen Ausdruck oder das Literaturverständnis – nicht gleichermaßen entwickelt sind und dort durchaus Lernbedarf besteht, der auch dementsprechend gefördert werden soll.

Lösungsansätze

Transparenz und respektvoller Umgang als grundlegende Prinzipien

Die Klasse muss darüber informiert werden, dass unterschiedliche Voraussetzungen vorhanden sind und entsprechend auch Lehr- und Lernformen angewendet werden, die diesen Bedingungen besser gerecht werden. Wichtig als Prinzip ist hierbei, dass weder schwächere noch stärkere Schülerinnen und Schüler für die anderen ein Grund für Unruhe, Gelächter usw. sein dürfen. Es gilt gegenseitiger Respekt. Darauf muss die Lehrperson bestehen.

Wichtig für die Lehrperson ist es zu wissen, dass sie nie wirklich allen gerecht werden kann. Aber sie kann gegenüber den Lernenden deutlich machen, was sie sich überlegt hat, damit möglichst viele zum Zuge kommen. Feedbacks einholen ist dabei besonders wichtig (kurze Rückmeldephasen am Schluss der Stunde, mündlich oder schriftlich), sodass zusätzliche Vorschläge von Schülerinnen und Schülern einbezogen werden können. Das Einzelcoaching ist auf ein Minimum zu beschränken – Lernende können sich in Partner-Lernsituationen auch gut gegenseitig helfen.

Konkrete Maßnahmen im Umgang mit heterogenen Klassenzusammensetzungen

Wenn die Lehrperson auf Heterogenität eingestellt ist, kann sie sich auch entsprechend vorbereiten. So ist es sinnvoll, Mindestkompetenzen zu definieren, die von allen erreicht werden sollen bzw. die für alle als Maßstab gelten müssen. Darüber hinaus sind aber vor allem leistungsstarke Lernende mit spezifischen Aufgaben zu fördern, damit sie die Freude am Lernen nicht verlieren (individualisierender Unterricht; siehe Dubs 2009; Gage und Berliner 1996; Gasser 2008). Dies kann in Einzel- oder Partnerarbeit erfolgen. Parallel dazu kann die Lehrperson mit dem Rest der Klasse arbeiten.

Mit Maßnahmen der Inneren Differenzierung lässt die Lehrperson die Lerngruppe als Ganzes bestehen und versucht durch entsprechende pädagogische und didaktische Vorgehensweise der Individualität der Schülerinnen und Schüler gerecht zu werden: Durch unterschiedlich anspruchsvolle Lernziele (dabei die Mindestkompetenz einhaltend) und verschiedene Methoden und Medien können differenzierte Lernhilfen geboten werden (vgl. Klafki und Stöcker 2007). Alle Lernenden sollen damit das gleiche Ziel erreichen, aber auf unterschiedlich anspruchsvolle Weise.

Konkret kann dies bedeuten: Um die Niveauunterschiede auffangen zu können, wird ein und dieselbe Übungseinheit auf unterschiedlichen Levels angeboten (z. B. leicht, mittelschwer, anspruchsvoll). Nach einer kurzen Einführung erarbeiten sich die Lernenden das Thema selbstständig anhand eines Arbeitsplanes, welcher Anweisungen entsprechend der drei Schwierigkeitsgrade enthält.

Weitere individualisierende Unterrichtsmethoden, welche bei heterogenen Klassen Erfolg versprechen, aber auch viel Vorbereitung erfordern: Werkstattunterricht, Lernaufgaben, Fallstudien oder projektartige Gruppenarbeiten.

Zusammenarbeit im Kollegium

Die zu erreichenden Lernziele bis Ablauf der Probezeit sind innerhalb der Fachschaft gemäß Lehr- und Stoffplan gemeinsam festzulegen. Die Probezeit ist eine Phase, die eine besonders sorgfältige Absprache innerhalb der Fachschaft bedarf, auch was die geforderten Minimalkompetenzen und den Notenmassstab betrifft. Wo dies an der Schule nicht selbstverständlich ist, müssen die Fachlehrpersonen solche Abstimmungen bei der Schulleitung einfordern.

Die Entscheidung für Bestehen oder nicht Bestehen nach der Probezeit muss vom ganzen Klassenkollegium mit aller Vorsicht vorgenommen werden. Dabei spielt das Gesamtbild eines Schülers/einer Schülerin eine Rolle. Wichtig ist die Einschätzung, ob noch vorhandene Defizite im Laufe einiger Monate ausgeglichen werden können.

Damit das Erstellen von geeigneten Aufgaben bei individualisierenden Unterrichtsmethoden nicht zur Überlastung führt, sollte die einzelne Lehrperson sich mit mindestens einer Fachkollegin/einem Fachkollegen zusammentun, um die Lernangebote zu konzipieren und vorzubereiten bzw. die Aufgaben aufzuteilen. So kann im Laufe der Zeit ein geeigneter Stock von interessanten Lernangeboten für jedes Thema entwickelt werden.

Leistungsstarke Schülerinnen und Schüler nicht vergessen

Für gute, motivierte Schülerinnen und Schüler können häufiger Formen selbstständigen Lernens angeboten werden als für andere. Es sollen aber beide Leistungsgruppen sowohl durch direkte Instruktion als auch selbstständig lernen. Dazu kann die Klasse ab und zu geteilt werden, wobei jedoch im gleichen Raum (wie in einer Mehrklassenschule) gearbeitet wird. Ebenfalls ist es wichtig, dass für leistungsstarke Lernende weiterführende Aufgaben konzipiert werden, die herausfordernd sind und neue Lernerfahrungen erlauben. Gerade für begabte Lernende kann ein Angebot von neuen, fakultativen Themen motivierend sein.

Zur Frage der Motivation

Beim Lernen spielt in jedem Fall die Motivation der Schülerinnen und Schüler eine wichtige Rolle. Die Motivation wird erhöht, wenn Lernende Vertrauen in ihren eigenen Lernprozess gewinnen. Das Vertrauen der Schülerinnen und Schüler in ihre Fähigkeiten kann durch realistische und anspruchsvolle Ziele und Aufgaben erhöht werden, bei deren Lösung sie ihre eigenen Stärken und Schwächen kennenlernen (z. B. durch spezifische Rückmeldungen der Lehrperson und durch die Erfahrung der Lernenden, dass die gesteckten Ziele dank eigener Leistung erreicht werden können). Eine solche Erfahrung entspricht dem theoretisch beschriebenen Konzept der internal-variablen Attribution bei Erfolg und Misserfolg, wie es z. B. von Rudolph (2007) erläutert wird: Lernende schreiben ihren Erfolg bzw. Misserfolg sich selbst (internal) und ihren spezifischen (variablen) Anstrengungen zu. Dies motiviert sie, sich weiterhin anzustrengen.

Literatur

Dubs, R. (2009). Lehrerverhalten. Ein Beitrag zur Interaktion von Lehrenden und Lernenden im Unterricht. 2., vollständig neu bearbeitete Auflage. Zürich: SKV.

Edelmann, W. und Wittmann, S. (2012). Lernpsychologie. 7., vollständig überarbeite Auflage. Weinheim: Beltz PVU.

Gage, N. und Berliner, D. (1996). Pädagogische Psychologie. 5., vollständig überarbeitete Auflage. Weinheim: Beltz.

Gasser, P. (2008). Neue Lernkultur. Eine integrative Didaktik. 3. Auflage. Oberentfelden: Sauerländer.

Klafki, W. und Stöcker, H. (2007). Innere Differenzierung des Unterrichts. In: W. Klafki (Hrsg.). Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Zeitgemässe Allgemeinbildung und kritisch-konstruktive Didaktik. 6., neu ausgestattete Auflage. Weinheim und Basel: Beltz. S. 173 –208.

Rossbach, H.-G. und Wellenreuther, M. (2002). Empirische Forschungen zur Wirksamkeit von Methoden der Leistungsdifferenzierung in der Grundschule. In: F. Heinzel und A. Prengel (Hrsg.). Heterogenität, Integration und Differenzierung in der Primarstufe (Jahrbuch Grundschulforschung Bd. 6). Opladen: Leske und Budrich, S. 44 –57.

Rudolph, U. (2007). Motivationspsychologie. 2., vollständig überarbeitete Auflage. Weinheim: Beltz PVU.

Internetquelle

Bundesamt für Statistik; Bildungssystemindikatoren:

www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/15/17/blank/01.html (21.09.2015)

Mündliche Beteiligung

Titel Mündliche Beteiligung

Fach Geschichte

Schultyp Berufsmaturitätsschule (in der Fallbeschreibung Berufsmittelschule genannt)

Klassenstufe 2. Klasse/11. Schuljahr

Klassengröße 17

Zusammensetzung der Klasse 11 Schülerinnen und 6 Schüler

Ergänzende Anmerkung Keine Angabe

Beschreibung des Falles


Ich unterrichte seit neun Jahren Geschichte an einer Berufsmittelschule. Berufsmittelschüler haben zwei Jahre Geschichtsunterricht, abgedeckt wird die Zeit von der Aufklärung bis in die Gegenwart. Ein großes Problem ist die mündliche Beteiligung, besonders bei Detailhandels-BM [Berufsmaturitäts]-Klassen. Eine Detailhandels-Berufsmittelschulklasse absolvierte jeweils am Freitagmorgen die ersten zwei Lektionen. Die Sitzwahl ist zwar nicht vorgegeben, aber es ergab sich, dass in der hufeisenförmigen Sitzordnung von mir aus gesehen fünf Mädchen auf der linken Seite nebeneinander sitzen, die sich mündlich am Unterricht nicht beteiligen wollen. Es zeigte sich ohnehin, dass sich nur etwa 20 – 25 % der Klasse regelmäßig mündlich beteiligen. 3 – 4 Schüler/innen beteiligten sich fast immer, d. h. konstant, zwei bis drei weitere nach Lust und Laune. Der Rest – insbesondere die erwähnte linke Reihe – war auch nach mehrmaligem Nachhaken nicht zum Mitmachen zu bewegen. Die Schüler/innen wussten zwar, dass sich die mündliche Beteiligung notenmäßig auf die Semesternote auswirken würde, dieser ‹Druck› verleitete die Mädchen aber auch nicht zur aktiven Beteiligung. Auch der Hinweis, dass die Berufsmatur eine mündliche Prüfung sei und es von Vorteil sei, im Unterricht dafür zu ‹trainieren›, konnte die Schüler/innen nicht zum Mitmachen animieren. Es zeigte sich auch, dass die Qualität jener Antworten auf Fragen, die ich den Mädchen spontan stellte, ungenügend war. Die Antworten der Mädchen auf die Frage, warum sie sich nicht am Unterricht beteiligen, lauteten u. a.: Geschichte interessiert mich nicht, ich habe im Unterricht noch nie mündlich mitgemacht, auch in anderen Fächern nicht, die Fragen sind zu schwierig usw. Der Großteil der Klasse war allerdings mit dem Unterricht zufrieden, wie sich bei einem eingeholten Feedback herausstellte.

Was fällt auf?


Die Lehrperson unterrichtet seit neun Jahren Geschichte an einer Berufsmaturitätsschule. Laut ihrer Erfahrung ist die mündliche Beteiligung generell ein großes Problem, besonders aber bei den Detailhandels-Berufsmaturitäts-Klassen.

Die Lehrperson beschreibt einen bestimmten Fall, an dem sie die Probleme der mündlichen Beteiligung in Detailhandels-BM-Klassen exemplarisch verdeutlicht.

Der Unterricht der besagten Klasse findet jeweils am Freitagmorgen statt. Die Klasse sitzt in einer Hufeisenform, die Platzwahl ist frei. Auf der linken Seite der Hufeisenform sitzen fünf Mädchen, denen die Lehrperson unterstellt, sie wollten sich mündlich nicht am Unterricht beteiligen. Sie ergänzt, ohnehin würden sich «nur etwa 20 bis 25 Prozent der Klasse regelmäßig mündlich beteiligen». Drei bis vier Schülerinnen und Schüler beteiligen sich in der Wahrnehmung der Lehrperson konstant, zwei bis drei weitere «nach Lust und Laune». Vom «Rest», die linke Reihe eingeschlossen, berichtet die Lehrperson, dass die Schülerinnen und Schüler «auch nach mehrmaligem Nachhaken nicht zum Mitmachen zu bewegen» seien. Die Ausdrucksweise legt nahe, dass es die Lehrperson viel Kraft kostet, die mündliche Beteiligung vermehrt über die ganze Klasse zu verteilen. Auch das Wissen, dass sich die mündliche Beteiligung «notenmäßig auf die Semesternote auswirken würde», worin die Lehrperson einen gewissen «Druck» sieht, «verleite» die Mädchen nicht zur aktiven Beteiligung. Mit dieser Aussage stehen wiederum die Mädchen auf der linken Seite im Fokus, die in der Wahrnehmung der Lehrperson eine Gruppe mit gruppenkonformem Verhalten (sich nicht mündlich am Geschichtsunterricht zu beteiligen) zu bilden scheinen. Auch der Hinweis, dass es von Vorteil sei, den mündlichen Unterricht als Trainingsmöglichkeit für die mündliche Berufsmatur zu nutzen, kann «nicht zum Mitmachen animieren». Die Lehrperson beschreibt den mündlichen Unterricht als eine Situation, in der sie mit verschiedenen Lockmitteln sozusagen zum Mitspielen anregen will. Ein eigentliches pädagogisches Ziel der mündlichen Beteiligung bleibt dabei unausgesprochen.

Die bis zu diesem Punkt des Falles beschriebene mangelnde mündliche Beteiligung bezieht sich auf die Quantität der Wortmeldungen. Wie beiläufig kommt die Lehrperson in einem einzigen Satz auf die Qualität der Antworten zu sprechen: Wenn sie den Mädchen in der linken Reihe spontan Fragen stellte, waren die Antworten «ungenügend». Ob das wirklich jedes Mal zutraf und wie die Lehrperson auf die ungenügenden Antworten reagierte, schreibt sie nicht, auch nicht, wie sie die Fragen gestellt hat und um welchen Schwierigkeitsgrad es sich bei den Fragen handelte. Dass es für die Schülerinnen eher schwierig ist, aus dem Stegreif heraus eine sprachlich und inhaltlich qualitativ hochstehende Antwort zu geben, ist nachvollziehbar.

Die Lehrperson schildert zum Schluss, dass sie die Mädchen auf die mangelnde Mitarbeit anspricht, wobei nicht klar wird, ob sie sie direkt vor der Klasse, nach dem Unterricht, als Gruppe oder einzeln anspricht. Die dokumentierten Antworten der Mädchen beziehen sich einerseits auf den Unterricht («die Fragen sind zu schwierig»), auf ein fachunabhängiges Verhalten («ich habe im Unterricht noch nie mündlich mitgemacht, auch in anderen Fächern nicht») oder auf ein mangelndes inhaltliches Interesse («Geschichte interessiert mich nicht»). Die Lehrperson hat diese Aussagen offenbar einfach zur Kenntnis genommen, ohne mit den Schülerinnen weiter über ihre Erfahrungen mit mündlicher Beteiligung zu sprechen. Zusätzlich holt die Lehrperson ein Feedback ein. Sie stellt fest, dass der «Großteil der Klasse […] allerdings mit dem Unterricht zufrieden war». Auf welche Weise dieses Feedback erhoben wurde, ob es sich um eine mündliche oder schriftliche generelle Einschätzung oder eine Befragung anhand eines Fragebogens mit vorgegebenen Kriterien handelte, beschreibt die Lehrperson nicht.

Das Problem der mangelhaften mündlichen Beteiligung aus der Sicht der Lehrperson wird von den Schülerinnen und Schülern nicht negativ beurteilt, vielleicht auch nicht einmal wahrgenommen. Für sie steht vermutlich im Vordergrund, ob der Unterricht interessant ist.

Was ist das Problem?

Das Fallbeispiel beschreibt die mangelhafte mündliche Beteiligung von Lernenden im Geschichtsunterricht. Bei einer hufeisenförmigen Sitzordnung wird die linke Reihe von fünf Mädchen gebildet, die sich auch durch Nachhaken nicht mündlich am Unterricht beteiligen wollen. Lediglich drei bis vier Schülerinnen und Schüler sind aktiv, zwei bis drei weitere «nach Lust und Laune». Für die Nichtbeteiligung am Unterricht geben die Schülerinnen verschiedene Gründe an. Obwohl die mündliche Mitarbeit benotet wird und am Ende der Schulzeit eine mündliche Abschlussprüfung bevorsteht, können die Schülerinnen nicht zum Mitmachen bewegt werden. Wie ein Feedback zeigt, ist der Großteil der Klasse mit dem Unterricht zufrieden.

Zwei Probleme lassen sich erkennen:

–Die Vorstellung der Lehrperson von einem guten mündlichen Unterricht deckt sich nicht mit der Vorstellung der Lernenden von gutem Unterricht.

–Was ist ein guter mündlicher Unterricht und wie lässt er sich umsetzen?

Erklärungsansätze und Hintergründe

Annahmen der Lehrperson über die «Detailhandels-BM-Klasse»

Die Lehrperson sieht die mangelnde mündliche Beteiligung als besonders großes Problem bei Detailhandels-BM-Klassen. Es ist denkbar, dass sie oft ähnliche Erfahrungen mit früheren Klassen gemacht hat. Vielleicht aber findet sie die mündliche Beteiligung bei dieser Berufsrichtung auch ausgesprochen wichtig und wünscht sich deshalb eine besonders gute Beteiligung. Die Art und Weise, wie sich die Lehrperson ausdrückt, lässt ein Vorurteil vermuten: Detailhandels-Klassen beteiligen sich immer mangelhaft am mündlichen Unterricht.

Einflüsse auf die mündliche Beteiligung der Schülerinnen und Schüler im Unterricht

So wie die Erfahrungen der Lehrperson latent als Vorurteil in den Unterricht einfließen, so gilt dies auch für die Lernenden: Ihre Erfahrungen mit dem mündlichen Unterricht dürften einen direkten Einfluss auf ihre Beteiligung bzw. Nichtbeteiligung im Unterricht haben («ich habe im Unterricht noch nie mündlich mitgemacht, auch in anderen Fächern nicht»). Weitere Faktoren, die einen Einfluss auf das Verhalten im mündlichen Unterricht haben können, sind: persönliche Einstellung gegenüber dem von der Lehrperson gewünschten Verhalten; wahrgenommene Schwierigkeit, dieses Verhalten ‹korrekt› auszuführen; Annahme über die Akzeptanz oder Ablehnung des gezeigten Verhaltens durch andere, z. B. die Mitschülerinnen und -schüler oder die Lehrperson (vgl. hierzu die «Theorie des geplanten Verhaltens» [Ajzen und Fishbein 1977; Tonglet, Phillips und Read 2004]).

Gründe für die Nichtbeteiligung am Unterricht aus der Perspektive der Lernenden

Die Schülerinnen beschreiben verschiedene Gründe, warum sie sich nicht am Unterricht beteiligen:

–«Geschichte interessiert mich nicht»: Diese Aussage kann einerseits eine bequeme Rechtfertigung sein, sich dem Unterricht entziehen zu können, oder ein echtes Interesse fehlt tatsächlich. Bei einem fehlenden Interesse können eine Vielzahl von Faktoren dafür verantwortlich gemacht werden: z. B. mangelndes Sachinteresse; mangelnde Selbstwirksamkeit; fehlende Relevanz des Inhalts für die Schülerin; Kritik an der Qualität des Unterrichts, die zu einem tiefen situationsbedingten Interesse beiträgt (siehe Krapp 1992, 2002 zum Interessenbegriff).

–«Die Fragen sind zu schwierig»: Wenn die Schülerin die Fragen als zu anspruchsvoll erlebt, geht dies mit der Erfahrung einher, dass ihre Fähigkeiten und ihr Wissen ungenügend sind, um die Fragen beantworten zu können. In der Folge sinkt die Anstrengungsbereitschaft (Wahl et al. 2001). Vielleicht will sie sich auch nicht exponieren und benützt die angebliche Schwierigkeit der Fragen als Ausrede.

Denn im mündlichen Unterricht wird das Können oder Nichtkönnen direkt für andere sichtbar.

Es gibt weitere Gründe, warum sich Lernende kaum oder gar nicht am mündlichen Unterricht beteiligen. Darüber sprechen die Lernenden im Fallbeispiel allerdings nicht.

Überlegen Sie für sich selbst: Melden Sie sich gerne und jederzeit bei einer Diskussion in einer Seminar-Veranstaltung oder in einem großen Plenarraum vor versammelter Zuhörerschaft? Mussten Sie sich im Studium ab und zu oder dauernd überwinden, um ein Votum abzugeben? Oder gehören Sie zu denjenigen, die lieber zuhören?

Gründe für eine passivere Rolle können sein: Angst, sich zu exponieren; Angst, ausgelacht zu werden; Angst vor den besseren Leistungen anderer; Angst vor Misserfolg; Scheu, vor anderen zu sprechen; Bescheidenheit. Es kann von Lernenden, die sich nicht freiwillig melden, nicht sicher gesagt werden, ob sie etwas nicht können, sich nicht getrauen, nicht motiviert sind oder andere Gründe haben. Eine Nichtbeteiligung darf somit niemals gleichgesetzt werden mit Nichtkönnen.

Zur Frage der Qualität von Antworten im mündlichen Unterricht

Die Lehrperson schreibt in einem einzigen Satz, dass die Schülerinnen auf spontan gestellte Fragen nur Antworten von ungenügender Qualität geben. Worauf sich die mangelnde Qualität bezieht, die inhaltliche Sachkenntnis oder die Formulierung, beschreibt sie nicht. Ebenso erläutert sie nicht, was sie unter einer guten Antwort versteht. Wie die Lehrperson auf die ungenügenden Antworten reagiert, geht ebenfalls nicht aus der Beschreibung hervor. Wenn Schülerinnen und Schüler ungenügende Antworten geben, ist zunächst danach zu fragen, wie die Fragen gestellt werden: Entspricht das Anforderungsniveau den Lernenden? Ist die Frage interessant genug für die Lernenden, um sich konzentriert damit zu befassen? Ist die Frage klar genug gestellt? Welche Erwartungshaltung geht aus der Art der Fragestellung hervor? Sollen die Lernenden mit einem Wort, einem Satz, einer längeren Erklärung antworten? Nimmt sich die Lehrperson die Zeit, die Schülerin ausreden zu lassen, oder erwartet sie lediglich ein Stichwort? In der Reaktion auf die Antwort kann die Lehrperson ebenfalls verschiedene Verhaltensweisen zeigen: Sie kann eine Antwort einfach als falsch taxieren, sie kann eine andere Schülerin oder einen anderen Schüler aufrufen, sie kann die Frage in eine besser verständliche Form umformulieren, sie kann nachfragen, wie die Schülerin die Frage verstanden hat; sie kann aber auch mangelhafte Antworten aufgreifen und gemeinsam mit der Schülerin und/oder anderen Lernenden eine gute Antwort entwickeln.

Mangelnde bzw. mangelhafte Antworten können der Lehrperson also auch ein Feedback zu ihrer Frageweise geben und bilden in jedem Fall eine Herausforderung, sich stetig in der fragend-entwickelnden Unterrichtsform zu verbessern. Ungenügende Antworten können ebenso ein Problem der betreffenden Lernenden wie auch des methodischen Geschicks der Lehrperson sein.

Was ist guter mündlicher Unterricht?

Die Lehrperson legt ihrer Fallbeschreibung eine Vorstellung von gutem Unterricht zugrunde, die sie aber nicht erläutert und auch nicht begründet. Vordergründig scheint es ihr darum zu gehen, dass möglichst alle Schülerinnen und Schüler durch mündliche Beiträge den Unterricht anregen. Man könnte daraus schließen, dass für sie der Unterricht umso besser ist, je mehr er durch die Mitarbeit der Lernenden belebt wird. Warum die offenbar zahlreich gewünschten Beiträge notwendig sind und welcher Art die Beiträge sein sollen, wissen wir nicht.

Es gibt Lehrpersonen, die bei ihrem Unterricht die Interaktion ins Zentrum stellen. Ihnen ist es wichtig, dass möglichst lebhaft und interessant diskutiert wird. Das systematische Wissen wird daneben über Lehrmittel, Skripts, Arbeitsblätter, u. ä. vermittelt.

Andere Lehrpersonen bauen ihren Unterricht auf das fragend-entwickelnde Verfahren auf. Das systematische Wissen wird durch Vermittlung der Lehrperson direkt im Unterricht aufgebaut, unterbrochen durch Fragen an die Lernenden. Die Qualität dieses Unterrichts ist abhängig von der Qualität der Fragestellungen, der angemessenen Reaktion auf die Antworten der Lernenden und der Fähigkeit der Lehrperson, den roten Faden in allen Phasen des Unterrichts zu verfolgen und für die Lernenden sichtbar zu machen (vgl. die etwas plakative, im Kern aber durch viele Studien belegte berechtigte Kritik an der fragend-entwickelnden Unterrichtsmethode, vgl. Gudjons 2011).

Dubs (2009) beschreibt verschiedene Spielarten und die Qualitätsanforderungen der fragend-entwickelnden Unterrichtsform, wie klare Zielorientierung, vorbereitete und im Schwierigkeitsgrad angemessene Fragestellungen, Trennung von Information und Anregungen zum Nachdenken. Gudjons (2011) legt dagegen eher Gewicht auf eine gute Einbettung des Frontalunterrichts und plädiert für fragend-entwickelnde Unterrichtsphasen in Form von nur kurzen Einschüben.

Grell und Grell (2010) legen weniger Gewicht auf die mündliche Beteiligung selbst als vielmehr auf interessante, anspruchsvolle und im Schwierigkeitsgrad angemessene Aufgabenstellungen während des Unterrichts. Sie beschreiben mit ihren Unterrichtsrezepten ein konkretes Unterrichtsvorgehen, das von Berufsanfängerinnen und -anfängern wegen seiner Praktikabilität sehr geschätzt wird. Diese Unterrichtsform kann jedoch auch zu einem eintönigen und wenig interaktiven Unterricht verleiten.

Schwierigkeiten beim fragend-entwickelnden Unterrichtsgespräch

Die Lehrperson muss im fragend-entwickelnden Unterrichtsgespräch vielen Bedürfnissen gleichzeitig gerecht werden und zudem das Lernziel erreichen (Dubs 2009; Grell und Grell 2010; Gudjons 2011).

Im Klassenverband fühlen sich die Schülerinnen und Schüler nicht wirklich verantwortlich für das Ergebnis, weil die Lehrperson den Lernprozess in den Händen hat. Die Lernenden können eine passive Haltung einnehmen oder umgekehrt die Klasse als ‹Bühne› für Selbstinszenierungen verwenden. Den Lernenden ist aber auch oft nicht klar, was von ihnen erwartet wird. Sie sehen in ihren eigenen Beiträgen keinen Lerneffekt für sich selbst und für die anderen. Es geht – aus ihrer Sicht – im Hinblick auf das Endprodukt des Unterrichts genauso gut und mit geringerem Aufwand auch ohne Beiträge. Manchmal machen sie auch die Erfahrung, dass die Lehrperson am Schluss doch alle wichtigen Inhalte nochmals selbst formuliert, sodass sich die Anstrengung der Schülerinnen und Schüler nicht zu lohnen scheint. Erschwerend für die Teilnahme am Unterrichtsgespräch kann zudem sein, dass sich in einer Klasse mit der Zeit Rollenmuster herausbilden. Die Lernenden wissen gegenseitig, wer jeweils einen Beitrag leistet, um wenigstens peinliche Situationen zu vermeiden. Ohne Unterstützung von Lehrpersonen kann die Klasse kaum aus einer eingespielten Struktur herauskommen.

Mündliche Beteiligung – wozu?

Manche Lehrpersonen würden spontan argumentieren, dass die mündliche Mitarbeit für einen lebendigen Unterricht notwendig sei. Mündliche Mitarbeit unterstützt das Konzept eines interaktiven Unterrichts, das sich die Lehrperson vorgibt. Mitarbeit der Lernenden soll die didaktische Arbeit der Lehrperson bereichern. Eine pädagogische Begründung ist damit aber noch nicht gegeben. Jugendliche, die merken, dass sie lediglich der Lehrperson zuliebe am mündlichen Unterricht teilnehmen sollen, werden sich eher zurückhalten, außer sie wollen die Lehrperson nicht im Regen stehen lassen. Schülerinnen und Schüler, die sich aus solchen altruistischen Gründen mündlich beteiligen, gibt es in der Regel in jeder Klasse.

Mündliche Mitarbeit muss aber mehr sein als Unterstützung des Unterrichtskonzepts der Lehrperson. Interaktion zwischen der Lehrperson und den Lernenden wie auch unter den Lernenden wird in didaktischen Modellen als eine zentrale Komponente von Unterricht beschrieben. Interaktion ist Teil des didaktisch arrangierten Lehr-/Lernkonzepts. Dabei ist entscheidend, dass mit Interaktion pädagogische Ziele angestrebt werden, die sich mit anderen Unterrichtsformen wie Einzelarbeit oder Lehrvortrag nicht erreichen lassen: einen Sachverhalt erfassen und paraphrasierend wiedergeben, eine Aussage analysieren, einen Sachverhalt interpretierend darstellen, begründende Argumente darlegen, auf Beiträge anderer reagieren, sich verständlich ausdrücken, etwas erklären, klare Fragen formulieren, modellierend einen Lösungsweg vorstellen u. a.

Aus der Perspektive der Lehrperson dient die Interaktion mit den Lernenden zudem der Vergewisserung, ob und wie sie einen Sachverhalt oder eine Aufgabenstellung verstanden haben. Interaktion hat somit auch viel mit Nachfragen, Paraphrasieren von Fragen und Antworten sowie mit Metakommunikation zu tun, also mit dem Miteinander-Reden über die kommunikative Interaktion.

Anforderungen bei der Führung von Unterrichtsgesprächen

Vom fragend-entwickelnden Gespräch (siehe oben) ist das interaktive Unterrichtsgespräch, auch Klassendiskussion genannt, zu unterscheiden. Bei dieser Form nimmt die Lehrperson (oder gelegentlich auch eine Schülerin oder ein Schüler) eine moderierende Rolle ein. Wichtig ist, dass die Lernenden miteinander diskutieren und die Lehrperson nicht laufend korrigierend eingreift. Sie kann sich die Voten (auch falsche Aussagen) notieren und später bei der Auswertung des Gesprächs wieder einbringen (Gudjons 2011).

Es geht aus der Fallbeschreibung nicht hervor, wie die Lehrperson methodisch vorgeht. Es handelt sich offensichtlich um eine frontale, von der Lehrperson geleitete Unterrichtssituation. Ob sie ein fragend-entwickelndes Vorgehen oder ein interaktives Unterrichtsgespräch gewählt hat, ist unklar. Es ist Teil jeder didaktischen Vorbereitung zu entscheiden, welche Ziele mit welcher methodischen Vorgehensweise erreicht werden sollen. Man darf aus der Fallbeschreibung schließen, dass diese Klärung für die Lehrperson nicht im Vordergrund steht. Vielleicht versuchte sie eine Mischform von einem fragend-entwickelnden und einem interaktiven Unterrichtsgespräch zu realisieren und verbindet damit implizit die Vorstellung: Je lebendiger, desto besser; je mehr Lernende sich beteiligen, umso lebendiger.

Lösungsansätze

Klärung der pädagogischen Ziele und bewusste Wahl der Unterrichtsmethode

Die Lehrperson muss sich selbst im Klaren sein, was sie in einer bestimmten Lektion an Lernzielen und an lektionsübergreifenden Richtzielen erreichen will. Darauf aufbauend entscheidet sie über die genauen Inhalte und über das methodische Vorgehen im Unterricht. Dabei ist es notwendig, dass sich die Lehrperson in die Situation der Lernenden versetzt: Wer sind meine Schülerinnen und Schüler? Wo kommen sie her? Welchen Erfahrungshintergrund haben sie? Welche Ziele können für sie wichtig sein? Wo haben sie Stärken, wo haben sie Schwächen? Was ist für sie interessant? Was ist ihnen wichtig? Mit welchen Vorgehensweisen kann ich sie optimal unterstützen? Was sind besondere Herausforderungen, welche diese Lernenden an mich als Lehrperson stellen?

Möglicherweise zeigen solche Überlegungen, dass das fragend-entwickelnde Unterrichtsgespräch nicht die optimale Unterrichtsform ist, jedenfalls nicht über die gesamte Länge von ein oder sogar zwei Lektionen.

Zur Frage der Motivation der Schülerinnen und Schüler

Aus der Motivationsforschung ist bekannt, dass die Bereitschaft, eine persönliche Leistung zu erbringen, wächst, wenn ein persönlicher «Gewinn» sichtbar ist. So tragen Aspekte wie Selbsterkenntnis (ich lerne mich besser kennen), Belohnung (materiell, immateriell), Erfahrungen der eigenen Tüchtigkeit (ich bringe etwas fertig), Wirksamkeit (die Leistung zeigt eine erkennbare Wirkung), Selbstverwirklichung (ich kann meine Stärken und Fähigkeiten entdecken und entwickeln), Lust (Leistungstätigkeit als lustvoll erleben) zu einer Steigerung der Motivation bei (Heckhausen und Heckhausen 2010). Die Lernenden müssen somit erleben können, dass sie von ihrer Gedankenarbeit selbst profitieren und sie als sinnvoll wahrnehmen. Damit die Lernenden den «Profit» für sich erkennen, müssen sie wissen, welche Ziele erreicht werden sollen bzw. ob sie die Ziele erreicht haben (Rückmeldung zu den individuellen Leistungen). Zu den Zielen gehören nicht nur inhaltliche Lernziele, sondern auch zu erwerbende Kompetenzen wie z. B. Selbstständigkeit, Teamfähigkeit oder Kommunikationsfähigkeit.

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9783035504316
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