Читать книгу: «Jeschua», страница 4

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Und gleich nach ihrer Ankunft sah Jeschua, wie Bezalel Claudius zur Seite nahm und wie sich ein kurzes und intensives Gespräch zwischen ihnen entwickelte. Dann gingen sie zu Jeschua. „Bezalel informierte mich über Euer Gespräch, Jeschua. Ich bin damit einverstanden,“ sagte Claudius.

Wenig später kamen Petronius, Johannes und Kenan von ihren Erkundigungen zurück und sie gingen gleich zu Claudius: „Herr,“ erstattete Petronius Bericht. „Wir haben die Gegend um das Anwesen in einem Kreis von ungefähr zwei Meilen durchsucht. Viele Sträucher mit Dornen versperren Menschen ein Durchkommen, doch es gibt von Menschen ausgetretene Wege, vermutlich für die Jagd. Und in etwa einer Meile in nordöstlicher Richtung fanden wir das hier.“

Petronius hob stolz ein etwa zwei handbreit großes, zerrissenes, scharlachrotes Stück Baumwollstoff in die Höhe. Es war nicht sehr verstaubt, es konnte von einem Kleidungsstück stammen, das helle Rot sprach für das Kleidungsstück einer Frau, denn diese Farbe war nicht nur bei den Römerinnen sehr in Mode. „Wir folgten einigen nicht zu alten Schuhspuren, die sich aber leider nach ein bis zwei Stadien verloren (Antikes, römisches Längenmaß. Ein Stadium entspricht zirka einhundertfünfundachtzig Meter.). Es ist auch unsicher, ob sie von einer Frau stammten.“

„Sehr gut, Männer!“ Lobte Claudius. „In welche Richtung zeigten die Fußspuren?“ „Nach Nordosten, Herr!“ Sagte Petronius.

Und nachdem sie sich gründlich gewaschen hatten, nahmen sie gemeinsam das Abendessen ein. Vor allem die Männer aus Tiberias waren zu Beginn sehr erstaunt darüber, dass sie alle zu Tisch liegen werden, doch Jeschua erklärte ihnen die Gründe dafür und sie befanden sie für gut. Sie waren tatsächlich eine Art Schicksalsgemeinschaft, in der sie einander brauchten. Der gesellschaftliche Rang war hierfür nicht von Belang. Dieser Jeschua, dachte sich Claudius, ist wirklich ein bemerkenswerter, junger Mann. Denn auch während eines Feldzuges waren die Offiziere nah bei den Legionären. Jeder musste sich auf den Anderen verlassen können.

Kapitel 5

Am nächsten Morgen wandte sich Claudius an die Mägde: „Ich habe so gut geschlafen, wie seit vielen Monaten nicht mehr!“ Und sie freuten sich sehr. Nach dem Frühstück versammelten sie sich alle voller Tatendrang. Für einen Moment wussten sie zuerst nicht, wer das Wort führen sollte, doch Jeschua fragte: „Claudius, was sind Deine Pläne?“ Sie nickten alle, und Claudius dankte ihnen.

„Lucius, Du reitest nach dieser Versammlung nach Tiberias und beginnst die Schriftrollen zu übersetzen. Petronius wird Dich begleiten. Nehmt eines der Packpferde mit.“ „Ja, Claudius!“ Sagte Lucius. Und Claudius sagte ihnen: „Ihr habt keine Eile, denn wollen kein Aufhebens machen. Schicke einen Boten zu uns, aber nur, wenn Du in den Schriften etwas Wichtiges finden solltest.“ „Ja, Herr!“ Sagten sie.

Dann wandte er sich an Jeschua: „Wir beide wollen zuerst mit den Leuten aus NaÏn sprechen.“ „Ja, Claudius.“ „Bezalel und Johannes,“ und er rollte eine sehr grob gezeichnete Karte der Gegend aus, auf der Ortsnamen und Namen von Simons Kunden geschrieben waren. „Besucht zuerst die etwas weiter entfernt liegenden Kunden des Simon. Du kannst doch ein Pferd reiten, Johannes?“

„Ja, Herr!“ Antwortete dieser. Und Claudius sagte: „Ihr beginnt mit den Kunden, bei denen es noch offene Zahlungen gibt.“ Und er deutete mit einem Schreibrohr auf die zu besuchenden Orte. Hat jemand Fragen?“

„Ja, Herr!“ Sagte Kenan. Was wünschst Du, das ich tue?“ „Bleibe in der Nähe des Anwesens und halte ein Auge darauf. Morgen wirst Du Johannes ablösen.“ „Ja, Herr!“ Sagte Kenan. Und Claudius ergänzte für jene, die die Kunden besuchen würden: „Ihr seid die vorübergehenden Verwalter von Simons Weingut, bis in Tiberias über den Besitz entschieden wurde. Stellt Euch höflich vor, erklärt den Kunden die Lage, so wie sie ist. Simon wurde von fremder Hand erschlagen, seine Frau ist verschwunden. Ihr könnt nicht sagen aus welchen Gründen. In den Büchern habt Ihr noch offene Zahlungen gefunden und heute wollt Ihr Euch danach erkundigen. Seid höflich, aber nicht zu demütig. Hört ihren Worten zu. Wir besprechen unsere Eindrücke beim Abendessen.“

„Herr! Werden die Pferde nicht auffallen? Das Landvolk besitzt keine solchen Pferde,“ sagte Petronius. „Das stimmt, Petronius. Doch wir sind eine Gemeinschaft von Menschen aus NaÏn und Tiberias, die sich angesichts der besonderen Umstände zusammengefunden hat und das Weingut bewirtschaftet, denn der Wein ist sehr schmackhaft und begehrt.“ Es war durchaus üblich, dass Römer und Aramäer gemeinsam Geschäfte betrieben, wenn beide Seiten davon profitieren konnten. Einige Römer besserten so auch ihren Sold auf. Und Petronius dachte kurz über Claudius Worte nach, doch er konnte darin keine Unglaubwürdigkeit finden und er nickte Claudius zu. „Lasst uns an die Arbeit gehen!“ Sagte Claudius.

Wenig später gingen Jeschua und Claudius zu den Männern aus NaÏn. Bezalel und Johannes ritten an ihnen vorbei, die anderen taten, was sie besprochen hatten.

Viele der Männer des Dorfes waren Landwirte, die um die frühe Stunde bereits auf den Feldern beschäftigt waren. Allen Männern stellte Claudius zu Beginn des Gespräches, nachdem er sich für die Störung entschuldigt hatte, die gleiche Frage: „Ist Euch am Tag des Todes von Simon, oder davor irgendetwas Besonderes aufgefallen. Etwas, das nicht so war, wie es hätte sein sollen?“ Und alle, die sie ansprachen, schüttelten ihre Köpfe. Und nach einer Weile sagte Jeschua: „Claudius, das war bisher nicht sehr ergiebig.“ „Ja und nein, Jeschua,“ sagte Claudius. „Die Männer fürchten sich noch immer, und sie sind sehr beschäftigt mit ihren Arbeiten. Vielleicht haben sie ein schlechtes Gewissen, weil sie Simon und seine Frau nicht überredet haben, länger auf dem Fest zu bleiben. Lass uns zu dem Weinberg gehen, wo Simon aufgefunden wurde.“

„Welchen Beruf hast Du erlernt, Claudius?“ Fragte Jeschua auf dem Weg zum Weinberg. „Ich studierte römisches Recht und Philosophie, Jeschua. In Rom, gemeinsam mit Bezalel. Wir beide,“ Claudius sah Jeschua an, „besuchten im Grunde die gleiche Schule, wenn auch an anderen Orten. Allein, ich habe keine Gotteslehre, wie Du und Dein Volk. Und wie meine Philosophielehrer bin auch ich skeptisch über die Existenz der Götter. Einer hat mal geschrieben: Sollten die Götter doch existieren, wäre es gut, ihnen geopfert zu haben.“ (Marcus Tullius Cicero (106 – 43 v. Chr.) Römischer Politiker, Anwalt, Schriftsteller und Philosoph.)

Jeschua erschrak. „Und dennoch darfst Du ein so hohes Amt ausüben?“

„Nun, Jeschua, in unserer Gesellschaft gibt es viel Toleranz gegenüber Andersdenkende, solange sie sich an unsere Gesetze halten und sie ihre Steuern zahlen.“ Das erstaunte Jeschua. „Dann trat ich auf Wunsch meines Vaters in die römische Armee ein. Ich diente bei der vierten Legion in Hispanien und, wie Johannes und Kenan, bei der Zwölften in Syria, bis ich nach Jerusalem und schließlich nach Tiberias kam.“ Claudius bemerkte, dass Jeschua ihm hier nicht folgen konnte. „Wenn wir etwas Zeit finden sollten, erkläre ich Dir gerne, was das bedeutet, Jeschua. Jetzt bekleide ich den Rang eines Legaten, mit dem Auftrag, die Dinge zu untersuchen, von denen Dir Bezalel gestern berichtete.“

Jeschua dankte ihm. Und so kamen sie an den Ort an, an dem Simon leblos aufgefunden wurde. „Wer hat ihn gefunden?“ Jeschua konnte sich nicht daran erinnern, dies von irgendeinem der Männer aus NaÏn gehört hatte. Deshalb sagte er: „Lass uns Daniel, Aaron oder Nataneel fragen, sie sollten es wissen.“ „Warte noch,“ sagte Claudius. „Wir wollen uns noch etwas umsehen. Auch nach vielen Tagen hinterlassen Taten noch Spuren.“ Und Jeschua folgte den Augen des Claudius. Hier ein paar unnatürlich geknickte Grashalme, dort einige kleine, dunkle Flecken. Schleifspuren im Boden, die verwischt worden waren. „Ist es üblich, dass Orte, an denen Tote gefunden werden, wieder in ihren ursprünglichen Zustand versetzt werden?“ Jeschua wusste keine Antwort darauf.

Als Ersten der Weingärtner sahen sie Daniel. Er besah gerade die Trauben des neuen Jahrgangs. Claudius und Jeschua grüßten Daniel, dann fragte Claudius: „Nun, Daniel, wie entwickeln sich die Trauben?“

„Sehr gut, Herr,“ freute sich Daniel „es wird ein guter Jahrgang.“ „Das sind gute Nachrichten. Doch nun haben wir eine traurige Frage an Dich: Wer fand Simon zuerst, dort drüben?“ Claudius deutete mit einer Hand in Richtung des Fundortes der Leiche. „Ich, Herr,“ sagte Daniel. „Ist Dir an Simons Leiche etwas aufgefallen, das nicht so war, wie es hätte sein sollen?“ Fragte Claudius. Doch Daniel berichtete von den Ereignissen am Abend, als Aviels Geburtstag gefeiert wurde. Sie kamen zirka eine Stunde, nachdem Simon und seine Frau das Fest verlassen hatten, zurück auf das Weingut. Simon hatte ihnen gestattet, noch zu feiern, er selbst wollte früh am nächsten Tag zu seinen Kunden reisen. Vor dem Haus lagen die Hunde an ihren Ketten und sie winselten schrecklich. Als sie vor dem Haupthaus standen, sahen sie im Küchenbereich noch Licht von brennenden Öllampen, das furchtbare Schatten an die Wände zeichnete und sie konnten die Unordnung auf dem Boden sehen. Sie riefen nach Simon und seiner Frau, doch sie antworteten ihnen nicht. „Wir alle hatten große Angst und wir sind ins Dorf zurückgeeilt. Der Dorfrat beschloss, dass Posten an den Dorfeingängen die Nacht über Wache halten sollten und dass alle Männer des Dorfes ab Sonnenaufgang gemeinsam nach Simon und seiner Frau suchen sollten.“

„Ich verstehe,“ sagte Claudius. Diesmal stellte Claudius die Eingangsfrage nach Simon anders. „Was war anders an Simons Leiche, als das, was Du schon an anderen Leichen gesehen hast, Daniel?“ Und Daniel brach in Tränen aus. „Sein Kopf war völlig zertrümmert!“ Rief er. „Ich konnte sein Gesicht kaum erkennen!“

„Und Du bist sicher, dass es Simon war, der vor Dir lag?“ Wollte Claudius wissen. „Ja, Herr!“ Rief Daniel. „Er trug schließlich seine eigenen Kleider!“

„Das war sicher ein grausamer Anblick für Dich, Daniel. Es tut mir leid, dass wir diese schrecklichen Erinnerungen in Dir wachgerufen haben,“ beruhigte Claudius ihn. „Geh zu den Mägden und erhole Dich bei einem Becher frischem Wasser, Daniel.“ „Ja, Herr. Danke, Herr,“ sagte Daniel. Und Claudius fragte Jeschua: „Wo ist Simon begraben?“ „Auf dem Gräberfeld, Claudius.“

„Nun gut, Jeschua. Das soll es für heute gewesen sein. Wir fahren morgen mit unseren Untersuchungen fort.“ Claudius und Jeschua gingen zum Anwesen zurück.

Wenig später kehrten auch Bezalel und Johannes von Simons Kunden zurück. Obwohl die Pferde höchste Kraft und Ausdauerleistung erbringen konnten, sah Claudius ihnen die Anstrengungen eines langen Tagesrittes an. Nachdem sie sich gegrüßt hatten, sagte Claudius daher: „Die Tiere werden Erholung brauchen.“

„Ja, die Insekten in dieser Gegend waren eine echte Plage für sie,“ sagte Bezalel. Er machte eine kurze Pause, um ihnen seine Unterarme zu zeigen. „Und für uns auch.“ Die Haut war mit Insektenstichen übersäht. Johannes war es auch nicht anders ergangen. Zudem bei Johannes einige Zeit vergangen war, als er zum letzten Mal ein Pferd geritten hatte. „Alle meine Muskeln und Knochen schmerzen, ich werde heute Nacht wie ein Stein schlafen,“ sagte er. Kenan kam hinzu und er half ihnen bei der Versorgung der Pferde.

Später, beim Abendessen, berichteten alle über ihre Eindrücke des Tages. Rebecca und Esther hatten für ein besonders reichhaltiges Essen gesorgt und Esther sagte: „Morgen ist Wochenmarkt in NaÏn. Eine gute Gelegenheit, unsere Vorräte aufzustocken. Habt Ihr besondere Wünsche?“ Und Claudius sagte: „Nein, wir sind Eure Gäste und wir sind nicht anspruchsvoll.“ Und er sah die Männer an, die ihm zustimmten. Und Esther nickte, dass sie verstanden hatte.

Claudius und Jeschua berichteten über ihre Gespräche mit den Dorfbewohnern, die keine besonderen Erkenntnisse zutage gebracht hatten. Johannes und Bezalel waren zuerst östlich bis kurz vor das Jordantal geritten. Sie dachten, sie könnten drei oder vier Kunden von Simon sprechen. Bei den ersten beiden Zielen, deren Namen Bezalel kaum aussprechen konnte, trafen sie niemanden an. Die Anwesen waren verlassen worden. Den dritten Zielort konnten sie nicht finden. Auf dem Rückweg, am frühen Nachmittag, ein paar Meilen südwestlich von NaÏn, waren sie zuletzt auf den Kaufmann Jeshod getroffen, der sie inständig angefleht hatte, ihm zu glauben, dass er seine Schulden bei Simon bei nächster Gelegenheit begleichen wollte. Auf Johannes Frage, wann denn diese Gelegenheit sei, wusste Jeshod so recht keine Antwort, und er beglich seine Schulden an Ort und Stelle. Und er war einigermaßen verwundert, als ihm Bezalel eine Quittung, die auf ein dünnes Stück Rinde geschrieben stand, dafür in die Hand drückte. Außer Claudius und Bezalel waren alle hier aufgewachsen, sie kannten ihre Landsleute, und so schmunzelten sie über Bezalels Erzählung.

Doch Claudius interessierte sich mehr für die verlassenen Anwesen. „Wann wurden die Hütten verlassen, Johannes, was denkst Du?“

„Nun, Herr, dem Staub auf dem Boden der Hütten nach, vielleicht vor vier bis fünf Tagen.“

„Beide Anwesen?“ „Ja, Herr.“ „Und was ist Dir sonst in den Hütten aufgefallen?“

Johannes erinnerte sich an seine Wahrnehmungen. „Die Hütten waren vollständig leer. Keine Möbel, keine Gebrauchsgegenstände, nur kahle Wände und Ziegeln auf den Dächern.“ „Du bist ein guter Beobachter, Johannes. Was sagst Du, Bezalel?“

„In beiden Hütten, im Bereich der Feuerstellen, waren ungewöhnliche, kleine Formen auf die Wände gemalt,“ sagte Bezalel. „Zwei flache Rundbögen offen zueinander, mit Kohle gemalt, vor den rechten Enden der Linien überkreuzten sich allerdings die Striche, für mich sah es aus wie ein schmales, geschminktes Auge einer Frau.“

„Hast Du die Zeichen auch gesehen, Johannes?“ Fragte Claudius. „Ja, Herr, doch ich dachte mir nichts dabei.“ Bezalel ging zu den Feuerstellen, nahm von einem Rand ein warmes Stück Holzkohle und er malte das Zeichen, das er gesehen hatte, auf den Fußboden. „Sieht für mich eher nach einem Fisch aus, Bezalel,“ sagte Jeschua, „einer der Fische, die im Galiläischen Meer gefangen werden können.“

„Ja,“ sagte Rebecca, „das sieht aus, wie eine Sardine.“ Sie war es nicht gewohnt, ungefragt zu sprechen und sie wollte sich entschuldigen, doch Jeschua lobte sie für ihren Beitrag. „Hat jemand von Euch dieses Zeichen schon irgendwo gesehen?“ Fragte Claudius. Sie alle schüttelten die Köpfe. Und dann sagte Claudius: „Wir wollen dem Zeichen noch keine große Bedeutung beimessen. Vielleicht kannten sich die Menschen auf den beiden Anwesen, vielleicht haben ihre Kinder die Wände bemalt. Ich habe das Zeichen schon in ähnlicher Form in Roms Straßen gesehen.“ Und Jeschua sagte: „Auch wir Kinder haben manchmal aus Spaß Zeichen auf die Wände im Haus gemalt und meine Mutter fand nicht alle Kunstwerke gelungen.“

Sie lachten, weil sie alle die gleichen Geschichten aus ihrer Kindheit kannten. Sie redeten noch eine Weile über alltägliche Dinge, dann wurden sie müde und sie gingen schlafen.

Nach dem Frühstück am nächsten Morgen traten sie wieder zur Versammlung zusammen. Und Claudius sprach: „Gestern waren Bezalel und Johannes im Osten und Südwesten von NaÏn. Heute werden Bezalel und Kenan die Kunden mit offenen Rechnungen in den nördlichen Richtungen besuchen.“ „Ja, Claudius,“ sagten die Aufgerufenen. „Doch achtet auf die Pferde. Sie waren gestern sehr erschöpft. Wir haben nur diese und wir brauchen sie.“ Bezalel und Kenan nickten. „Johannes,“ sagte Claudius. „Wie geht es Deinen Muskeln und Knochen heute Morgen?“ Johannes lachte. „Gut, Herr! Doch ich bin darüber froh, vermutlich hierbleiben zu dürfen, um das Anwesen zu bewachen.“

„So sei es,“ sagte Claudius und er sah Jeschua an. „Rebecca und Esther,“ fuhr Jeschua fort. „Heute ist Markttag, und morgen ist Sabbat. Wir wollen unseren Gästen aus Tiberias, uns allen, ein anständiges Sabbatmahl bereiten.“ „Ja, Herr,“ sagten sie und ihre Augen strahlten.

„Kennt Ihr die Verpflichtungen der Frauen am Sabbat?“ „Ja, Herr,“ sagten sie wieder. „Nun, niemand ist hier mit niemandem verwandt oder verheiratet, doch es würde uns alle sehr freuen, wenn Ihr trotz dieses Umstandes die Aufgaben der Frauen am Sabbat übernehmt. Ist das für Euch akzeptabel?“

„Ja, Herr,“ sagten beide erneut. „Ihr Weingärtner wisst, was zu tun ist.“ „Ja, Herr,“ antworteten sie. Und Claudius sagte: „Jeschua und ich werden die Untersuchungen in NaÏn fortsetzen.“ Und Jeschua sagte: „Wir könnten zuerst mit dem Arzt sprechen. Ich hörte, er ist heute im Dorf. Danach muss ich die Sabbatfeier vorbereiten, am Nachmittag können wir mit den Untersuchungen fortfahren.“

„Das trifft sich gut, Jeschua. Ich werde in dieser Zeit an meinem Bericht arbeiten, der von mir bei meiner Rückkehr in Tiberias erwartet wird.“ Sie nickten alle und gingen an ihre Arbeiten. Jeschua und Claudius gingen mit Bezalel und Kenan zu den Pferden. „Die Ruhe hat ihnen gutgetan,“ sagte Claudius. „Wir werden sie heute aber nicht sehr antreiben, Claudius,“ sagte Bezalel. „Gut,“ sagte Claudius.

Auf dem Weg nach NaÏn sagte Claudius: „Es ist ein guter Gedanke mit dem Dorfarzt zu sprechen, Jeschua. Ich bin gespannt seine Eindrücke zu hören.“ Unter den Dorfbewohnern war die erste Anspannung über die Anwesenheit der Fremden der üblichen Geschäftigkeit gewichen. Selbst die Katzen schlugen ihre Krallen wieder ins Holz und auch die Hunde dösten, wie sonst, vor den Hütten. Jeschua sah, wie der Wochenmarkt vorbereitet wurde. Sie gingen zu Elias und Tobias, um sich über ihr Befinden zu erkundigen. Auch sie waren beschäftigt. „Friede sei mit Euch,“ sagte Jeschua zu ihnen. „Und der Friede sei auch mit Dir, Schriftgelehrter“ sagten sie. „Wie gehen die Geschäfte?“ Erkundigte sich Jeschua bei Elias. „Nun, Schriftgelehrter, ganz gut, sie könnten aber besser sein. Die Ereignisse hier in NaÏn haben sich schnell unter den Menschen verbreitet und der eine oder andere Kunde hält sich mit Aufträgen zurück.“

„Wie das, Elias?“ „Du kennst die Menschen hier, Schriftgelehrter. Der Aberglauben über unnatürliche Todesfälle ist groß unter ihnen. Sie fürchten, der Zorn der Gottheit, der über NaÏn kommen wird, kommt auch zu ihnen, wenn sie mit uns Geschäfte machen.“

„Dann sage Ihnen dies: Der Zorn der Gottheit wird über NaÏn und seine Menschen kommen, wenn sie sich am Tod des Simon schuldig gemacht haben sollten. Und! Der Zorn der Gottheit wartet sicher nicht auf das Urteil der Menschen. Der Zorn der Gottheit hätte Dich und alle Menschen von NaÏn bereits gerichtet, wenn sie schuldig wären. Wie also kannst Du leibhaftig vor Deinen Kunden stehen, obwohl Dich die Gottheit ja schon gerichtet hat?“ Elias sagte: „Das ist wahr, Jeschua. Danke für Deine Worte.“ Und Jeschua fragte Elias: „Weißt Du, wo sich der Arzt gerade aufhält?“

„Geht zu Aviels Haus. Aviel fühlte sich heute Morgen nicht wohl.“ „Danke, Elias.“ Und sie verabschiedeten sich. Jeschua führte Claudius zu Aviels Haus. Dort angekommen warteten sie bis der Arzt, der Gallech hieß, Aviels Haus verließ. Gallech war sichtlich überrascht darüber, dass er Jeschua und Claudius antraf. „Friede sei mit Dir, Gallech,“ sagte Jeschua. „Und Friede sei mit Euch,“ grüßte Gallech. „Ihr seid nicht gekommen, weil ihr eines Arztes bedürft, nehme ich an,“ sagte Gallech. „Nein, Gallech. Das ist wahr. Wir wollen uns bei Dir über den Tod des Simon erkundigen und ein paar Fragen an Dich stellen, deren Beantwortung Dir im Rahmen der Schweigepflicht natürlich freisteht,“ sagte Jeschua.

Claudius hatte, wie viele wohlhabende Menschen in Rom, seit seiner Kindheit Kontakt zu griechischen Ärzten oder zu Römern, die bei den Griechen studiert hatten. In Tiberias versorgten griechische Ärzte die höhergestellten Offiziere, falls diese erkrankten. Einen aramäischen Arzt hatte er bisher noch nicht gesprochen. „Beschreibe uns, was Du zu Simons Tod sagen kannst,“ bat Claudius Gallech. Der Arzt bestätigte Daniels Beschreibung vom völlig zertrümmerten Schädel und Gesicht des Simon. „Ich hatte Schwierigkeiten ihn als Simon zu erkennen,“ sagte Gallech. „Doch Du bist sicher, dass es Simon war?“ Fragte Claudius. „Ja, Römer,“ sagte Gallech. „Ich habe Simon, möge er in Frieden ruhn, einige Mal untersucht und behandelt, als er noch lebte. Er hatte Narben am Rücken, die sich hin und wieder entzündeten, und ich verordnete ihm Salben aufzutragen. Ich besah Simons Leichnam und sah die Narben, die ich kannte.“

„Was waren das für Narben, Gallech?“ Fragte Claudius. „Ich würde sagen, ursprünglich waren es Wunden von einer Klinge.“

„Mit was wurde der Schädel des Simon Deiner Meinung nach zertrümmert?“ Fragte Claudius. „Ich sah keine Reste von Erde oder Verfärbungen, wie sie von Steinen hinterlassen werden. Meiner Meinung nach benutzte der Täter einen schweren Hammer. Habt Ihr noch Fragen?“ Wollte Gallech wissen. „Andere Menschen warten bereits auf mich und ich muss heute noch weiterziehen.“

„Du lebst nicht hier, Gallech?“ Fragte Jeschua. „Nein, Schriftgelehrter. Ich stamme aus Garizim und ich besuche NaÏn in regelmäßigen Abständen, da sie hier keinen Arzt haben und weil meine älteste Tochter hier verheiratet ist.“ „Ein weiter Weg,“ sagte Jeschua. „Das ist es, Schriftgelehrter.“ Jeschua ging in die Hocke und er malte mit seinem rechten Zeigefinger das Zeichen, dass sie gestern Abend gesehen hatten in den Staub. „Was tust Du, Schriftgelehrter?“ Fragte Gallech. „Hast Du dieses Zeichen schon einmal gesehen, Gallech?“ Fragte Claudius. „Nein, Römer,“ sagte Gallech. „Wir danken Dir, Gallech. Friede sei mit Dir,“ sagte Jeschua und Gallech ging zu seinem nächsten Patienten. „Eine gute Idee, den Arzt nach dem Zeichen zu befragen,“ befand Claudius. „Ich dachte, es wäre einen Versuch wert,“ sagte Jeschua. „Doch nun muss ich mich um die Vorbereitungen für den Sabbat kümmern. Treffen wir uns nach dem Mittag vor dem Gebetshaus?“ „Ja, Jeschua,“ sagte Claudius und er ging zurück zu Simons Anwesen.

Im Schreibraum des Gebetshauses besah Jeschua die Schriftrollen und er überlegte, welche er für die Lesungen verwenden sollte. Er entschied sich für das fünfte Buch Mose, denn es enthielt Moses Testament, an das sich die Menschen zu halten hatten. Er befreite den Gebetsraum vom Staub der vergangenen Tage und er war darauf bedacht, dass auch sonst alles reinlich war. Die Schriftrollen mit dem fünften Buch Mose legte er auf das Pult an der Kopfseite des Gebetsraumes. Zufrieden verließ er das Gebetshaus. Dann ging er langsam an den Marktständen vorbei und er begrüßte jeden Händler. Unter den Menschen war Jeschua in seinen Elementen. Er lobte das Aussehen und die Festigkeit von Äpfeln, Birnen, Feigen und getrockneten Weintrauben, andere boten Pistazien, Mandeln, Oliven, aber auch wild gepflückte Beeren an. Einige Frauen standen vor den Ständen der Mehl und Salzhändler, andere begutachteten angebotene Stoffe. Die kleinen Mädchen waren in der Nähe ihrer Mütter und sie sahen und hörten ihnen zu. Die Buben sprangen umher und verursachten einigen Lärm. Er sah und hörte Männer, die Werkzeug für ihre Arbeiten suchten und die mit den Händlern feilschten. In der Luft war der Duft von Gewürzen. Getrennt von den Lebensmitteln wurden Tiere für den Verzehr und solche als Nutztiere angeboten. Und er dachte an Claudius Worte: Hier war Alles so, wie es sein sollte. Der Gang über den Markt hatte Jeschua hungrig gemacht und so ging er zum Dorfwirt. Dort nahm er einen Imbiss und einen Becher frisches Wasser zu sich, wofür er einen Viertel Sesterz bezahlte (Antikes römisches Zahlungsmittel auf Messingbasis.).

Im Schreibraum hatte Simon einen Schlafplatz errichtet. Jeschua ging nach dem Imbiss dorthin, um etwas Mittagsschlaf zu halten. Die vielen Eindrücke und die Anspannung der vergangenen Tage fielen etwas von ihm ab. Geräusche am Eingang des Gebetshauses weckten ihn auf. Es war Claudius, der wie besprochen, nach dem Mittag zu ihm gekommen war. „Nun, Jeschua,“ sagte Claudius. „Sind die Vorbereitungen für Eure Feiern getroffen?“

„Ja, Claudius,“ sagte Jeschua. „Was werden wir jetzt tun?“

„Zeig mir bitte den Ort, an dem Simon begraben ist,“ sagte Claudius und sie gingen zum Gräberfeld, das zweieinhalb Stadien außerhalb des Dorfes in der Nähe eines kleinen Wäldchens angelegt worden war. Schon aus einiger Entfernung konnten sie die Grabsteine sehen. „Darf ich diesen Ort betreten, Jeschua?“ Fragte Claudius. „Ja, Claudius,“ sagte Jeschua.

Nach kurzer Suche fanden sie das Grab des Simon, denn es sah noch nicht verwittert aus, wie die anderen und es war noch kein Grabstein aufgestellt. Auf dem Grabhügel lag eine kleine Tontafel mit dem grob eingeritzten Namen des Simon und zum Zeichen dafür, dass er Schriftgelehrter war, waren dort auch zwei ausgebreitete Hände mit gespreizten Fingern angedeutet. Jeschua befand, was er sah, für gut und er sprach ein leises Gebet für Simon. Auf dem Rückweg zum Dorf fragte Jeschua: „Werden wir die Geheimnisse um Simons Tod jemals entschlüsseln?“

„Das ist schwer zu sagen, Jeschua. Meiner Meinung nach liegt der Schlüssel dafür aber nicht in NaÏn oder bei seinen Menschen, sondern in Orten und bei Menschen, die wir noch nicht kennen.“ Und er fügte hinzu: „Nach Eurem Sabbat werden wir zurück nach Tiberias reiten, Jeschua. Ein Gefühl sagt mir, der Fisch wird uns zum Schlüssel führen und Fische können ohne Wasser nicht leben.“ Und Jeschua nickte nachdenklich, denn er verstand Claudius, der damit das galiläische Meer meinte.

Am Abend versammelten sie sich alle um den Tisch und die Mägde entzündeten die Öllampen, den Sabbat zu begrüßen: „Gesegnet seist Du, Jehova, unser Jehova, König des Universums, der uns geheiligt hat durch Seine Gebote, und uns befohlen hat, das Licht des heiligen Sabbats zu entzünden,“ sagten Rebecca und Esther. Und die Aramäer schlossen ihre Augen und sie beteten still für ihre Nächsten. Dann öffneten sie ihre Augen und sagten: „Friede sei mit dir, Sabbat.“ Kenan und Bezalel waren gerade noch rechtzeitig von ihrem Ritt zurückgekehrt, doch bis zum Ende des Sabbat war es ihnen nicht erlaubt, über ihre Erlebnisse zu sprechen, da es sich ja um ihre Arbeit handelte und die Arbeit, außer in sehr dringenden Notfällen, ruhte am Sabbat. Claudius beobachtete die Riten. Die Mägde reichten allen Wein und es gab ein reichliches, sehr schmackhaftes Abendessen, das von allen sehr gelobt wurde. Zwischendurch wurden aramäische Lieder gesungen, Bezalel und Jeschua zitierten aus den Schriften und sie alle fühlten sich sehr wohl.

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