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Kapitel 2

Beim ersten Tageslicht berief der Dorfvorsteher die Versammlung der Dorfältesten, des Richters, des Arztes, des Weisens und des Schriftgelehrten ein. Der Weise, der Jeschua und die anderen jungen Schriftgelehrten nach ihrer Prüfung noch eine Weile begleitete, befragte sie: „Wer aus Eurem Kreis wird mich zur Dorfversammlung begleiten?“ Einer musste einen neugekauften Acker besehen, ein anderer ein neugekauftes Joch Ochsen und ein Dritter hatte gerade eben erst geheiratet. (Lk 14,15–24 EU: angelehnt an das Gleichnis vom großen Abendmahl.) Und so fiel die Wahl auf Jeschua.

Und der Weise, der nach den vielen Jahren des Unterrichtens in die Herzen und Seelen seiner Schüler hineinschaute, fragte sie: „Kennt einer von Euch einen guten Grund, weshalb Jeschua mich nicht zur Dorfversammlung begleiten wird? Falls ja, so möge er jetzt sprechen oder für immer schweigen.“ Die jungen Schriftgelehrten schüttelten die Köpfe. Doch der Weise sah auch Zaghaftigkeit und Missgunst in den Herzen. So gingen der Weise und Jeschua zur Versammlung.

Auf dem Dorfplatz waren bereits einige Dorfbewohner versammelt, denn die Kunde des nächtlichen Boten hatte sich schnell unter ihnen verbreitet. „Wer Ohren hat zu hören, der höre!“ Der Ortsvorsteher unterbrach das Gemurmel unter den Männern mit lauter Stimme und er deutete auf den Boten aus NaÏn. „Edler Dorfvorsteher, edle Älteste und edler Weiser aus Nazaret.“ Und die Männer aus Nazaret nickten über dessen Eröffnung. „Mein Name ist Tobias, ich überbringe Euch traurige Kunde von meinem Vater Elias, dem Ortsvorsteher von NaÏn. Vor zwei Tagen fanden wir Simon, den Schriftgelehrten unseres Dorfes, auf mysteriöse Art gestorben auf seinem Weinberg vor.“ „Möge er in Frieden ruhn,“ murmelten die Männer, doch der Ortsvorsteher befahl ihnen erneut Einhalt. „Wie Ihr wisst, war Simon der Schriftgelehrte, möge er in Frieden ruhn, ein kluger und starker Mann, denn er bestellte seinen Weinberg gut und er war ein wachsamer Hirte unserer Gemeinde.“ Und wieder nickten die Männer. „Doch der Arzt befand nach eingehender Untersuchung, dass er von fremder Hand erschlagen wurde.“ Und der Bote senkte seinen Kopf zum Zeichen seiner Bestürzung und Trauer. Diesmal schwiegen die Männer, denn sie waren entsetzt. Einen Schriftgelehrten zu erschlagen, war eine schreckliche Sünde und alle fürchteten den Zorn der Gottheit. „Und so bitten wir aus NaÏn, Euch, edle Nazarener, um Eure Hilfe, indem einer Eurer Schriftgelehrten das Amt übergangsweise übernehmen möge, bis wir einen würdigen Nachfolger gefunden haben. Es soll ihm an nichts mangeln.“ Die Männer sahen sich untereinander an und laute Gespräche unter ihnen begannen. „Seid still!“ Befahl der Ortsvorsteher und die Männer schwiegen wieder.

„Habt Ihr den ergriffen, der Simon, den Schriftgelehrten, erschlug?“ Fragte er den Boten und Tobias aus NaÏn schüttelte seinen Kopf. „Doch mein Vater und die Männer des Dorfes untersuchen den Vorfall.“ Obwohl es für Jeschua die erste Dorfversammlung war, an der er teilnahm, erstaunten ihn die Reaktionen der Versammlung nicht. Hatte er in den zurückliegenden Jahren doch mit allen Männern gesprochen. Und er konnte die Ängstlichen von den Wütenden unterscheiden, die Nachdenklichen von den Lauten, ohne sie anzusehen. Leevi, den Ortsvorsteher von Nazaret, kannte er in seiner offiziellen Rolle bisher nicht und dessen Rede und Auftreten überraschte Jeschua, und er verstand jetzt, weshalb er dieses Amt innehatte. Und Leevi erhob sich, befahl erneut Ruhe und er wandte sich an die Ältesten unter ihnen: „Ezra, Isaak, Nathan, was sagt Ihr?“ Die Ältesten besprachen sich kurz und Isaak erhob sich: „Tobias, Sohn des Ortsvorstehers von NaÏn, auch wenn es traurige Kunde ist, die Du uns bringst, so danken wir Dir für Dein Kommen und für Euer Vertrauen in uns und wir grüßen Elias, Deinen Vater.“ Die Männer nickten. „Und so wie es der Väter Sitte ist, werden wir heute noch Rat halten. Geh zu Lea der Gastwirtin, sie wird Dir Essen und Getränke geben. Und danach werden wir Dir unseren Entschluss mitteilen. Ist das für Dich akzeptabel?“ Tobias dankte ihnen und er verließ die Versammlung.

Die Männer wogen alle Argumente für und gegen die Unterstützung NaÏns durch Nazaret sorgfältig ab. Und weil Jeschua der jüngste unter ihnen war, wurde er vom Ortsvorsteher nach seiner Meinung befragt, als alle anderen bereits gesprochen hatten. „Gründlich habt Ihr das Pro und Kontra der Bitte des Tobias und der armen Menschen von NaÏn abgewogen. Und ja, es ist ein Risiko, solange der Mörder des Simon auf freiem Fuß ist und wir die Motive des Mörders nicht kennen. Doch steht nicht auch geschrieben? Denn der Arme wird nicht aufhören inmitten des Landes; darum gebiete ich dir und spreche: Du sollst deinem Bruder, deinem Dürftigen und deinem Armen in deinem Land, deine Hand weit auftun. (Jesaja 58.7) Könnt Ihr Euch vorstellen in einem Dorf ohne einen Schriftgelehrten zu leben?“ Die Männer vernahmen seine Worte und sie schüttelten die Köpfe. „Doch bedenket,“ fuhr er fort. „Es steht auch geschrieben, dass wenn ein Mensch ein Gelübde tut oder einen Eid schwört, ein Bündnis auf seine Seele zu nehmen, so soll er sein Wort nicht brechen: Nach allem, was aus seinem Mund hervorgegangen ist, soll er tun.“ (3. Mose 27.2) Und wieder nickten die Männer.

In diesem Moment kannte Jeschua seine Stimme nicht wieder. „Wenn es Euer Wunsch ist, gehe ich nach NaÏn, damit die armen Menschen dort nicht ohne die Worte der Gottheit sind, bis sie einen würdigen Nachfolger für den armen Simon gewählt haben, möge er in Frieden ruhn. Ich fürchte den Tod nicht, Vorfahren und Nachkommen trifft es, wie Dich!“ Und die Männer sahen ihn an und sie bewunderten seine klare Stimme. Und so riefen sie den Tobias und sie teilten ihm ihren Entschluss mit. Und die Augen des Tobias leuchteten über die Barmherzigkeit der Nazarener. Als die Versammlung beendet war, sprach Jeschua den Weisen an. „Meister?“ Der Weise sah ihn an. „Hättest Du an meiner Stelle anders gesprochen und gehandelt?“ Und der Weise sagte: „Du hast wohl gesprochen und gehandelt. Denn in diesem Sinne haben wir Dich gelehrt.“ „Und doch spüre ich, dass Du nicht vollständig mit mir zufrieden bist. Irren mich meine Sinne?“ „Du hast viel dazugelernt, Jeschua. Erlaube mir zu fragen, bestand nicht auch die Möglichkeit zu einem kurzen Gespräch unter unseren vier Augen, damit wir Dein Angebot hätten besprechen können, bevor Du es gemacht hast?“ Doch Jeschua sagte: “Hätte das Gespräch unter unseren vier Augen etwas an dem Entschluss geändert?“ „Vermutlich nicht, Jeschua, denn der Entschluss ist gerecht. Doch ist es nicht noch wirkungsvoller, wenn ein Entschluss gemeinsam geboren wird und alle an ihm teilhaben?“ Und Jeschua stimmte ihm von Herzen zu, denn er verstand das Argument. „Es wird mir eine Lehre sein,“ sagte er. Und der Weise befand Jeschua für gut, denn er konnte dessen Aufrichtigkeit in seiner Seele und in seinem Herzen lesen.

Seine Mutter und seine Geschwister weinten, als Jeschua ihnen den Beschluss überbrachte und sie waren auch voller Stolz auf ihn, so wie sein Patenonkel. So geschah es, dass Jeschua aus Nazaret, der Sohn von Maria, seine wichtigsten Habseligkeiten packte und er sich auf den Weg nach NaÏn begab.

Reisende konnten auf zwei Wegen von Nazaret nach NaÏn gelangen. Entweder verließ man Nazaret nach Nordosten in Richtung des galiläischen Meeres, um dann nach wenigen Meilen am Berg Tabor vorbei nach Südwesten zu gehen. Oder man ging durch das südliche Stadttor, und ging für einige Meilen nach Süden. So erreichte man NaÏn nach den letzten drei bis vier Meilen östlich von dieser Route. Der Weg nach Nordosten war etwas länger als der nach Süden und war etwas anstrengender, da man zu Beginn für ein paar Meilen bergauf gehen musste, aber es gab mehr bewaldete Wegstrecken, die Schatten spendeten. Ein geübter Mann konnte die Strecke gut in vier Stunden ohne Rast bewältigen. Inklusive Pausen, die aufgrund des Reisegepäcks, der Hitze der Mittagszeit und wegen menschlicher Bedürfnisse nötig waren, war es aber ein Marsch, der einen größeren Zeitraum des Tageslichtes andauerte, vorausgesetzt es gab keine unerwarteten Zwischenfälle.

Zur Sicherheit befahl Leevi, der Ortsvorsteher von Nazaret daher, dass Jeschua und Tobias von zwei besonders kräftigen und mit Waffen vertrauten Männern des Dorfes begleitet werden. Reisende wurden auf diesen Wegen normalerweise nicht von Räubern bedroht, doch Leevi bedachte auch, dass sie als Schutz bei Jeschua bleiben sollten, bis sich die Lage in NaÏn als ungefährlich für einen Schriftgelehrten erweisen sollte. Einer der Begleiter war Johannes, Sohn des Zebedäus. Der andere war Kenan, Sohn des Kaufmanns Isaak. Und als sie nach einiger Zeit den Weltenberg sahen, der sich wie eine archaische Gestalt aus der Ebene erhob, erinnerte Jeschua sich an die uralten Geschichten, die er vor einiger Zeit von den Weisen gehört hatte. Die Geschichten, die aus dem Fernen Osten zu ihnen gekommen waren, viele Meilen weiter entfernt im Osten als Babylon, und die die Menschen um den großen Griechen mitgebracht hatten. Über die, deren oberstes Lebensziel es war Erleuchtung zu erlangen. „Ist nicht unser Streben nach Weisheit und gerechtem Leben vor der Gottheit dieser Erleuchtung vergleichbar und sind wir dadurch nicht verwandt mit den Menschen im Fernen Osten?“ Hatte Jeschua die Weisen gefragt. Die Weisen hatten ihm zugestimmt. Ist es nicht verwunderlich, wie die Menschen untereinander verbunden sind? Dachte Jeschua.

Nachdem sie den Berg Tabor hinter sich gelassen hatten, bat Tobias um eine Rast. Es war noch vor der Mittagsstunde und sie suchten einen schattigen Platz unter den Pinien am Wegesrand. „Tobias, Sohn des Elias. Erzähle uns von NaÏn. Ich war noch nie bei Euch,“ sagte Jeschua nach einer Weile. Und auch Johannes und Kenan sahen Tobias an. „Unser Dorf ist nicht so groß wie Nazaret. Vielleicht einhundertfünfzig Menschen leben bei uns.“ Und er erzählte ihnen, so gut er es konnte, dass die Häuser so wie die in Nazaret gebaut waren, gemauert aus Steinen, mit Holz verstärkt. Die Dächer waren mit Ziegeln bedeckt. Die Häuser waren entlang des Hauptweges gebaut und es gab auch Häuser abseits des Hauptweges, die man über schmalere Wege erreichen konnte. In der Mitte war der Dorfplatz, an dem der Markt und Versammlungen stattfanden. Dort stand auch ein alter Eichenbaum. Das Gebetshaus stand gegenüber dem Haus des Dorfvorstehers, dem Vater von Tobias. Wie die Menschen in Nazaret lebten sie in NaÏn von der Landwirtschaft. Die Weinbauern hatten ihre Häuser außerhalb des Dorfes in den Weinbergen, so auch Simon, der Schriftgelehrte, der von fremder Hand erschlagen wurde. „Wir Menschen in NaÏn sind nicht wohlhabend, so wie die Menschen in Zippori oder die im neu erbauten Tiberias. Doch es fehlt uns an nichts,“ sagte er mit etwas Stolz.

„Danke für Deine Worte, Tobias. Und wie ist es möglich, dass in einem Dorf, das so ist, wie Du es beschrieben hast, ein Mann, zumal ein Schriftgelehrter, ohne Zeugen erschlagen werden kann?“ Fragte Jeschua ihn. Und Tobias sagte: „Am Abend an dem Simon tot aufgefunden wurde, fand im Dorf ein großes Fest zur Feier des Geburtstages unseres Dorfältesten statt. Es wurde fröhlich und lange gefeiert, so, wie es Tradition ist. Simon und seine Frau verabschiedeten sich jedoch früher als seine Weingärtner und die Mägde, weil Simon früh am nächsten Morgen zu seinen Kunden reisen wollte. Als schließlich auch die Mägde in Begleitung der Weingärtner auf das Weingut zurückkamen, fanden sie eine große Unordnung vor und weder Simon noch seine Frau waren im Haus und es herrschte großes Entsetzen unter ihnen.“ Jeschua bemerkte, wie Tobias Stimme anfing zu beben, daher unterließ er weitere Fragen zu den Umständen von Simons Tod. Stattdessen fragte er: „Und was bist Du von Beruf?“ „Mein Vater ist Kaufmann, und wie es die Sitte will, bin auch ich Kaufmann geworden.“ „Hast Du Geschwister?“ „Ja, Schriftgelehrter, einen Bruder und eine Schwester.“ Und Tobias stellte dem Schriftgelehrten auch eine Frage: „Womit verdienst Du Deinen Lebensunterhalt?“

„Nun, Tobias, ich arbeite bei meinem Patenonkel, der Bauhandwerker ist.“ Tobias nickte wohlgefällig. „Wir wollen weitergehen,“ sagte Tobias, „es ist ja noch ein gutes Stück Weg.“ Nach einer weiteren Rast zur Mittagsstunde sahen sie am Nachmittag das Dorf NaÏn vor ihnen liegen. Es sah so aus, wie Tobias es gesagt hatte. Jeschua sah auch die Felder und die Weinberge, die Tobias beschrieben hatte. Das Dorf hatte kein festes Stadttor, so wie Nazaret. Die Häuser und Zäune waren zu einer Art Stadtmauer angeordnet. Ein steinerner Rundbogen über dem Hauptweg, an dem zwei Wachmänner standen, deutete jedoch unmissverständlich an, dass hier das Dorf NaÏn begann und jeder Fremde, der in das Dorf wollte, musste sich den Wachmännern erklären. Tobias blieb kurz stehen, und so blieben auch die anderen stehen, und seine Hand deutete auf ein Haus in den Weinbergen östlich der Stadtbegrenzung und ihre Blicke folgten ihm. „Dies ist das Haus von Simon.“ Und sie nickten und sie sagten leise, dass er in Frieden ruhen möge. Die Wachmänner ließen Tobias und die Fremden passieren, als ihnen der Grund für das Erscheinen erklärt war. „Und wo sind die Kinder von Simon?“ Fragte Jeschua. „Nun, Schriftgelehrter. Simon und seine Frau waren kinderlos, was ein großes Unglück für sie war.“

„Wo sind die Mägde und die Weingärtner des Simon jetzt?“ „Die Mägde sind bei meiner Mutter, denn sie wollten aus Angst nicht wieder zurück in das Haus des Simon gehen. Die Weingärtner sind jetzt bei ihren Familien und warten auf Anweisungen.“ Jeschua, Johannes und Kenan nickten. Und Jeschua fragte sich, war es möglich, dass Simon von seiner eigenen Frau erschlagen wurde? Tobias bat sie in das Haus seines Vaters und dort wurden sie von Elias und der Familie begrüßt. „Friede sei mit Euch. Bitte, legt Euch nieder, Ihr müsst erschöpft sein. Mein Haus soll Euer Haus sein. Trinkt, denn mein Getränk soll auch Euer Getränk sein. Doch verzeiht mir. Jetzt möchte ich kurz mit meinem Sohn sprechen und hören, was er zu berichten hat. Wir sind in Kürze wieder bei Euch.“

Und die Dienerinnen des Ortsvorstehers brachten ihnen Brot und Salz und frisches Wasser und etwas Obst. Und dann betraten Elias und Tobias wieder den Raum und sie legten sich nieder. „Wohlan, Schriftgelehrter Jeschua, Danke, dass Ihr Nazarener,“ er sah Johannes und Kenan an „und Du, dass Ihr uns in diesen dunklen Stunden zur Seite steht.“ Und Jeschua sagte: „Es war der Wille der Gottheit, denn es steht geschrieben, dass sich Menschen in der Not gegenseitig helfen.“ Die Männer und Frauen im Raum nickten. Und Jeschua fragte: „Wie können wir Euch helfen? Welches Vorgehen bestimmst Du?“ Elias sagte, dass er in dem Durcheinander der vergangenen Tage noch nicht viel Zeit hatte darüber nachzudenken. Die Gemeinde zu beruhigen und die Untersuchungen zu Simons Tod hatten ihn sehr beansprucht und da waren ja auch noch seine Geschäfte, die nicht ruhen konnten.

„Ehrlich gesagt hatte ich gehofft, dass Du mir hierbei zur Seite stehen könntest. Was würdest Du tun, wenn Du in meinen Schuhen stehen würdest?“ Und Jeschua dachte kurz nach, indem er sich seinerseits in die Schuhe der Weisen begab und sich fragte, was sie tun würden. Doch er hatte von den Worten des Weisen gelernt und so bat er um ein kurzes Gespräch mit Johannes und Kenan unter ihren sechs Augen. Es wurde ihm gewährt. Dann sagte er: „Nun, Elias, Ortsvorsteher von NaÏn, nach Deinen Erklärungen erscheint es uns, dass die Gemeinde recht beunruhigt ist und dass sie wieder Ruhe finden muss, soweit es jetzt möglich ist.“ Und Elias nickte.

„Was sagst Du dazu eine Dorfversammlung einzuberufen, damit die Menschen erfahren, weshalb Fremde unter ihnen sind. Und Du ihnen über den Stand Deiner Untersuchungen berichtest, damit sie sich nicht weiter fürchten?“ „Ehrlich gesagt, wissen wir heute nicht mehr, als wir vor zwei Tagen wussten: Simon wurde erschlagen und seine Frau ist verschwunden. Das wissen die Menschen bereits. Sie erwarten viel von ihrem Ortsvorsteher.“ Jeschua sah, dass Elias auch um sein Ansehen fürchtete und er konnte ihn verstehen. „Steht nicht geschrieben, dass der Vater den Kindern die Wahrheit sagt und Du die Wahrheit nicht verkaufen sollst?“ Und Elias verstand, was der Schriftgelehrte ihm damit sagte. „Gut hast Du gesprochen. Ich habe noch ein Problem. Was sage ich den Menschen über die Nachfolge des Simon?“

Und Jeschua sagte: „Kein Mann und keine Frau werden in dieser Situation erwarten, dass jetzt ein Schriftgelehrter und ein Winzer vom Himmel fallen, die dauerhaft unter Euch sein werden. Meine Anwesenheit mögen sie als Zeichen dafür nehmen, dass Du Dich der Nachfolgefrage bereits angenommen hast und dass die Nazarener und Ihr aus NaÏn gemeinsam an einer Lösung arbeiten. Denn auch das ist die Wahrheit.“ „So soll es geschehen!“ Sprach Elias. Und sein Sohn Tobias ging zu den Häusern und kündigte die morgige Dorfversammlung an. Jeder erwachsene Mann und jede erwachsene Frau war dazu eingeladen. Die Frau des Elias reichte ihnen das Abendessen und sie durften in den Gästezimmern schlafen.

Kapitel 3

Am nächsten Morgen gingen die Menschen zum Dorfplatz und Elias sprach die Wahrheit zu ihnen, so, wie sie es am Tag zuvor besprochen hatten. Und die Menschen hörten, was er sagte und ihre Herzen beruhigten sich. Und ein Mann fragte: „Elias, unser Dorfvorsteher. Was wird mit den Weinbergen des Simon geschehen?“ Elias, der seine Mitbürger gut kannte, hatte diese Frage erwartet. „Wie Du weißt, hatten wir in der Geschichte unseres Dorfes noch keinen vergleichbaren Vorfall, an dem wir uns orientieren könnten. Also werde ich morgen nach Tiberias gehen und die Rechtsgelehrten befragen. Sie werden einen gerechten Rat wissen. Und bis dahin wäre es gut, wenn Ihr wie gewohnt an Eure Arbeit geht. Simon hätte das gewollt.“

Und da der Ortsvorsteher bestimmte, dass der Schriftgelehrte und seine aufrechten Begleiter bis zur Nachfolge des Simon in dessen Haus wohnen sollten, fürchteten sie sich nicht mehr so sehr und sie gingen wieder an ihre Arbeit. Und Elias Augen leuchteten über seine Mitbürger und er sagte zu Jeschua: „Dein Beispiel soll mir ein Beispiel sein. Ich werde es mir mein Leben lang bewahren.“ „Danke nicht mir, Elias. Danke der Wahrheit. Sie ist es, die Dich geleitet hat und leiten wird, wenn Du es willst.“ Und so wie der Weise es ihn gelehrt hatte, nahm Jeschua Elias zur Seite und er fragte: „Wäre es nicht schön gewesen, wir hätten Deinen Entschluss, dass Johannes, Kenan und ich das Haus des Simon bis zur Nachfolge gemeinsam bewohnen sollen, vorab besprochen?“ Und Elias fragte: „Hätte das etwas geändert?“

„Nein, Elias. Aber wäre es nicht schöner gewesen, wenn der Entschluss gemeinsam geboren worden wäre?“ Und Elias sagte: „Du bist wahrlich ein Schriftgelehrter und es soll mir eine Lehre sein.“ Wenig später kamen Johannes und Kenan zu Jeschua und sie sprachen: „Schriftgelehrter! Heute haben wir mit unseren eigenen Augen gesehen und mit unseren eigenen Ohren gehört, wie mächtig das Wort ist, aus den Mündern der Gerechten.“ Doch Jeschua sagte: „Ich freue mich sehr über Euch. Und ist es nicht auch so, dass Worte, die von Schwertern begleitet werden, nur halb so mächtig sind?“ Und er sah die Waffen an ihren Gürteln und sie sagten: „Ja, Schriftgelehrter. Aber heute sind sie nicht schädlich.“ Und Jeschua nickte nachdenklich.

Als sie vor Simons Haus ankamen, fanden sie eine große Unordnung vor. Kenan zählte drei Hunde, die, noch an langen Ketten, tot vor ihren Hütten lagen. Ihre Leiber begannen sich zu wölben. „Jemand hat ihnen Gift gegeben, Schriftgelehrter,“ sagte Kenan. Im Haus sahen sie zerbrochene Krüge auf dem Boden, ihr Inhalt daneben, die Regale im Küchenbereich waren leer. Die Asche in den Feuerstellen war grau und kalt. Sie gingen auch in das obere Stockwerk mit den Schlafräumen. Kleidung lag auf den Schlafplätzen und auf dem Boden, die Kommoden und Truhen waren geöffnet, ihr Inhalt herausgeräumt. „Schriftgelehrter,“ sagte Kenan. „Diebe waren hier.“

„Möglich,“ sagte Jeschua. Auch ihm schien es, dass jemand nach etwas gesucht hatte. „Andererseits, lieber Kenan, sieh in die Fächer in den Kommoden und unter die Dielen. Sie sind unberührt,“ und Jeschua sah in diese Richtung. „Nach welchem Gut haben die Diebe also gesucht, wenn es welche waren?“ Fragte Jeschua. „Selbst der Schmuck von Simons Frau ist noch an seinem Platz,“ bemerkte Johannes. „Lasst uns das, was wir hier sehen, in uns bewahren, vielleicht müssen wir es noch bezeugen,“ sagte Kenan. „Du hast Recht, Kenan,“ sagte Jeschua. „Zuerst wollen wir die armen Tiere begraben. Dann müssen wir Ordnung schaffen, denn wir werden hier für einige Zeit zu Hause sein.“

Und nach dem Mittag kamen die Mägde des Simon zurück zum Haus. „Wie ist Euer Name?“ Fragte Jeschua sie freundlich. „Rebecca und Esther,“ antworteten sie mit gesenkten Köpfen. „Bitte, erhebt Eure Köpfe. Ihr ward in diesem Haus lange, bevor wir kamen.“ Und auch die Weingärtner des Simon, die Daniel, Aaron und Nataneel hießen, erschienen zur gleichen Stunde. Und sie gingen mit ihnen zu den Weinbergen und sie befanden, sie waren so, wie es Tobias bei der Dorfversammlung in Nazaret beschrieben hatte: Sie waren gut bestellt. Doch der Wein im Lagerhaus war ungenießbar gemacht worden. Die Täter hatten Ratten in die Fässer geworfen, in denen der Wein gelagert wurde. Die Bäuche der Tiere waren aufgeschnitten, jetzt schwammen sie leblos auf dem Wein. Und Jeschua wandte sich wieder an Kenan und Johannes: „Hier ist etwas Beispielloses geschehen.“ Und die Männer nickten.

Wie unter allen Landwirten, Handwerkern und Kaufleuten war auch unter den Winzern die Konkurrenz groß. Jeschua kannte die Auseinandersetzungen zwischen ihnen Meist ging es um niedrige Preise oder Panscherei, die ein Winzer dem anderen vorwarf. Doch von tödlicher Gewalt unter ihnen hatte er noch nicht gehört. Und das Verschwinden von Simons Frau erschien ihm noch mysteriöser als vorher. Elias erschien mit zweien seiner Mägde und sie brachten ihnen Speisen und Getränke aus ihren Vorräten. „Schriftgelehrter,“ sagte Elias. „Morgen früh gehe ich nach Tiberias, um die Rechtsgelehrten zu befragen. Es ist ein Viertagesmarsch hin und zurück, ich werde also eine Weile fort sein. Wendet Euch bitte in dieser Zeit mit all Euren Anliegen an Tobias. Er hat mein uneingeschränktes Vertrauen.“

Woher manche seiner Worte kamen, konnte Jeschua nicht sagen. Sie waren einfach da und wieder erschrak er darüber in sich, denn vor dem Abendessen sagte er: „Lasst uns das Abendessen gemeinsam einnehmen, wir wollen miteinander sprechen, denn wir werden für eine Weile zusammen leben.“ Üblich war, dass Mägde und Diener das Essen getrennt von der Familie des Hausherrn einnahmen. Und so legten sie sich etwas zögernd zum Abendessen nieder, die Weingärtner, die Mägde, Johannes, Kenan und Jeschua.

„Schriftgelehrter,“ begann Johannes das Gespräch, nachdem sie den ersten Hunger besänftigt hatte. „Wie soll es jetzt mit uns weitergehen, was sind Deine Pläne?“ Für Jeschua war es wichtig, dass sie sich jetzt als eine Gemeinschaft verstanden, die durch den Willen der Gottheit entstanden war. „Ein jeder von Euch soll das zu unserer Gemeinschaft beitragen, was sie oder er am besten kann. Und jeder von Euch soll über seinen Verantwortungsbereich verfügen. Doch wichtige Entscheidungen, wie zum Beispiel größere Ausgaben, sollen von uns gemeinsam besprochen werden.“ Und so besprachen sie die fürs Erste wichtigsten Bereiche des täglichen Lebens. Das Anwesen und die Kleider mussten reinlich gehalten werden, ausreichend Essen und Wasser musste vorrätig sein. Der vergiftete Wein musste entsorgt und neue Weinfässer mussten bestellt werden. Jeder Mann und jede Frau übernahm eigene Verantwortungsbereiche.

Und Nataneel frage: „Schriftgelehrter, mit welchem Geld bezahlen wir das alles? Und, Simon schuldete uns noch Lohn.“ „Gut gesprochen, Nataneel,“ sagte Jeschua. „Wir werden die Bücher des Simon durchsehen und den Lohn von dem vergüten, was wir jetzt von dem vorhandenen Geld verwenden können oder von den Sachen, die wir jetzt guten Gewissens zu Geld machen können.“ Soweit er es verstand, hatten Simon und seine Frau hier ohne familiäre Verpflichtungen gelebt. Niemand konnte sagen, wo ihre Eltern oder ihre Familien lebten, ob sie überhaupt lebten. Vor vielen Jahren waren sie hier, wie aus dem Nichts, erschienen und Simon bot damals dem Dorf seine Dienste als Schriftgelehrter und Winzer an. Der Dorfrat hatte seinem Wunsch zugestimmt und so hatten sie Simon und seine Frau in ihre Gemeinschaft aufgenommen. Und sie waren sehr zufrieden mit ihnen. Dies hatte er am Vormittag von Elias erfahren.

Als Schriftgelehrter war Jeschua nicht nur in religiösen Angelegenheiten geschult, sondern auch in den weltlichen Fragen und in Rechtsangelegenheiten, soweit sie von kleinen Dorfgemeinschaften verantwortet werden konnten. Denn für die Gesellschaft, in der sie lebten, war eine Trennung zwischen den irdischen Fragen und der Worte der Gottheit undenkbar. Schwerwiegende Ereignisse, und diese Situation war ein solches, mussten jedoch grundsätzlich mit den Würdenträgern in Tiberias besprochen werden. Daher tat Elias gut daran, dort hinzugehen. Und vier Tage Verspätung konnte er problemlos rechtfertigen, zumal Jeschua von den Weisen gehört hatte, dass ein Antragsteller für ein Gespräch mit einem Würdenträger in Tiberias durchaus ein paar Tage warten musste, da viele Menschen ihre Entscheidungen oder Ratschläge benötigten. Jeschua kannte die Schriften gut und er wusste, dass es eines der Rechtsprinzipien war, dass wo kein Kläger auch kein Richter war.

Jeschua hatte von den Weisen und von den römischen Soldaten gehört, dass es im fernen Rom und in einigen größeren Städten Italiens besondere Soldaten gab, die dort in den Städten für Ruhe und Ordnung sorgten oder die für den Schutz vor Feuern zuständig waren. Diese Soldaten übernahmen in bestimmten Fällen auch die Suche nach Tätern von schweren Straftaten, was ansonsten von den Familien der Opfer getan werden musste. Doch hier in Galiläa gab es eine solche Institution nicht. Simon und seine Frau hatten keine Familie, die berechtigterweise hätte Klage erheben können, wenn der Mörder gefasst worden wäre, oder die das Erbe hätten antreten können. Elias selbst und viele Männer aus NaÏn hatten ungefähr zwei Tage nach dem Mörder und der Ehefrau Simons gesucht, zwar erfolglos, doch das war nach den allgemein üblichen Maßstäben und unter diesen Bedingungen ausreichend. Niemand hätte es ihnen vorgeworfen, wenn sie nicht gesucht hätten. Sie taten es, weil sie Simon und dessen Frau sehr geschätzt hatten und, weil sie erhofften, so den unausweichlichen Zorn der Gottheit zu besänftigen.

Alle Bewohner NaÏns glaubten zwar, der Täter käme nicht aus ihren Reihen, aber ganz so sicher waren sich viele von ihnen nicht. So setzten sie kleine Stücke aus ihren Erinnerungen über Simon und dessen Frau zu wilden Geschichten zusammen. Im Kern der Geschichten vermuteten die meisten Dorfbewohner, dass Simon von einem Schuldner umgebracht worden war, der sich damit seiner Verantwortung entziehen wollte. Elias ging nach Tiberias, um vor allem auf die Frage, wie mit dem Besitz des Simon zu verfahren sei, eine Antwort der Gelehrten zu erhalten.

Und am nächsten Morgen gingen sie alle an ihre Arbeiten, so wie sie es besprochen hatten. Jeschua war der Meinung, dass alles für das Anwesen des Simon momentan Nötige geregelt sei, deshalb hatte er mit ihnen besprochen, er würde in das Gebetshaus gehen, da er ja auch deshalb gerufen worden und gekommen sei. Die Dorfbewohner, die bereits zu früher Stunde auf dem Weg zu ihren Geschäften oder Angelegenheiten waren, grüßten ihn und er grüßte sie. Bevor er das Gebetshaus betrat, ging er zu Tobias und er kündigte seine Anwesenheit an, weil es sich aus Respekt so geziemte und weil Tobias ja nun auch ein von ihm betreutes Gemeindemitglied war. Und jetzt erschien ihm Tobias in seiner Geschäftigkeit so, wie viele der Kaufleute, die er aus Nazaret kannte. Das erfreute Jeschua, denn die Last der vergangenen Tage schien etwas von ihm abgefallen.

Der Schreibraum neben dem Gebetsraum machte auf ihn den Eindruck, als wäre er erst vor kurzem verlassen worden und sein Eigentümer würde bald zurückkommen. Auf einem Pult lagen Schriftrollen, einige waren beschrieben, andere nicht. Jeschua sah ein Fass mit Tinte und mehrere sehr gut gespitzte Schreibrohre. In den Regalen dahinter waren weitere Schriftrollen, darunter auch die heiligen Schriften, was Jeschua besonders freute. Auch war er erleichtert, als er nach dem Durchsehen der Schriftrollen die Buchhaltungsschriften des Simon fand. Er hatte es vermutet, denn im Anwesen hatte er sie nicht vorgefunden. Er entrollte einige beschriebene Papyri, deren Schriftzeichen er vorher noch nie gesehen hatte und so verstand er nicht, was dort geschrieben stand. Er hatte aber den Eindruck, dass die Handschrift der Buchhaltungsschriften und die fremden Schriftzeichen von der gleichen Hand geschrieben waren. Einige Schriftrollen waren fremdartig versiegelt. Er vermutete, dass er deren Inhalt nicht verstehen würde. Daher beließ er die Siegel ungeöffnet. Bei nächster Gelegenheit würde er seinen Fund mit Elias besprechen. Der Gebetsraum war nicht so groß, wie der in Nazaret, aber Jeschua war sich sicher, dass er den Anforderungen der Gemeinde in NaÏn genügte. Im Anschluss erkundete er das Dorf.

Auch jetzt grüßten ihn die Menschen und er grüßte sie. Denen, die ihn am Tag vorher nicht auf der Dorfversammlung gesehen hatten, stellte er sich vor. Und schon bald kamen die Menschen zu ihm, so wie er es aus Nazaret gewohnt war. Er gab Ratschläge und eine Geburtsfeier musste vorbereitet werden. Für den bevorstehenden Sabbat mussten Anordnungen getroffen werden. Doch er vermisste auch die Bautätigkeit und so erkundigte er sich nach möglicher Arbeit, zunächst ohne Erfolg. Als sich die Sonne auf ihrer Bahn den Hausdächern im Westen näherte, ging Jeschua zu Tobias, und berichtete ihm von seinen Eindrücken des Tages, und Tobias freute sich darüber. Anschließend ging er zurück zum Anwesen des Simon. Dort angekommen erkundigte er sich bei Johannes und Kenan über ihren Tagesablauf, gleiches bei den Mägden und später bei den von den Weinbergen zurückkommenden Weingärtnern.

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