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Читать книгу: «Eine Teufelsaustreibung und andere Geschichten», страница 9

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DIE LADY MAKBETH DES MZENSKER LANDKREISES

I

In unserer Gegend kommen manchmal so seltsame Charaktere vor, daß man sich ihrer nicht ohne tiefste Erschütterung erinnern kann, selbst wenn schon viele Jahre nach der letzten Begegnung mit ihnen vergangen sind. Zu solchen Charakteren zählte die Kaufmannsfrau Katerina Lwowna Ismajlowa, die einst im Mittelpunkte eines grauenhaften Dramas gestanden hatte und bei unseren Gutsbesitzern unter dem treffenden Namen »Lady Makbeth des Mzensker Landkreises« bekannt war.

Katerina Lwowna war nicht, was man eine Schönheit nennt, doch von angenehmem Äußeren. Sie war erst vierundzwanzig Jahre alt, nicht sehr groß, doch schlank, hatte einen wie aus Marmor gemeißelten Hals, rundliche Schultern, einen prallen Busen, eine gerade, feine Nase, schwarze lebhafte Augen, eine hohe weiße Stirne und schwarzes, sogar blauschwarzes Haar. Man verheiratete sie mit einem Landsmann, dem Kaufmann Ismajlow aus Tuskarj im Kursker Gouvernement. Sie fühlte zwar keine Neigung zu ihm; Ismajlow hatte aber den Antrag gemacht, und sie durfte als armes Mädchen nicht wählerisch sein. Die Ismajlows waren in unserer Gegend angesehen: sie betrieben einen großen Mehlhandel, hatten auf dem Lande eine große Mühle in Pacht, einen einträglichen Garten vor der Stadt und ein schönes Haus in der Stadt und gehörten zu den wohlhabendsten Kaufleuten. Die Familie war obendrein nicht zu groß und bestand nur aus dem Schwiegervater Boris Timofejitsch Ismajlow, der schon an die achtzig Jahre alt und seit langem verwitwet war, seinem Sohn Sinowij Borissowitsch, Katerinas Mann, der auch nicht mehr jung – über fünfzig – war, und Katerina Lwowna selbst. Nach fünfjähriger Ehe hatte Katerina Lwowna noch immer kein Kind; Sinowij Borissowitsch hatte auch von seiner ersten Frau, mit der er zwanzig Jahre gelebt hatte, bevor er Katerina Lwowna heiratete, keine Kinder. Er hatte gehofft, daß Gott ihm wenigstens in seiner zweiten Ehe Kinder schenken würde, die seine Firma und sein Kapital erben könnten; er hatte aber auch mit Katerina Lwowna kein Glück.

Die Kinderlosigkeit machte Sinowij Borissowitsch großen Kummer, und nicht nur ihm allein, sondern auch dem alten Boris Timofejitsch; auch Katerina Lwowna selbst war darüber sehr traurig. Die tödliche Langweile in dem verschlossenen Kaufmannshause mit dem hohen Zaun und den bösen Kettenhunden machte die junge Kaufmannsfrau oft erstarren, so daß sie Gott weiß wie froh gewesen wäre, wenn sie ein Kindchen zu pflegen gehabt hätte; dann hatte sie auch die ewigen Vorwürfe satt: »Warum bist du diese Ehe eingegangen, warum hast du dem Menschen sein Schicksal gebunden, du Unfruchtbare?!« Als ob sie tatsächlich ein Verbrechen an ihrem Manne, am Schwiegervater und am ganzen ehrbaren Kaufmannsgeschlecht begangen hätte!

Bei allem Reichtum war das Leben Katerina Lwownas im Hause des Schwiegervaters öde und traurig. Sie kam fast nie aus dem Hause, und selbst wenn sie mit ihrem Manne irgendwo in Kaufmannsfamilien Besuch machte, hatte sie wenig Freude daran. Es waren lauter strenge Leute, die immer beobachteten, wie sie saß, wie sie ging, wie sie stand. Katerina Lwowna hatte aber einen feurigen Charakter und war als Mädchen ein freies Leben gewohnt; einst durfte sie mit den Eimern zum Fluß laufen, im Hemd am Landungssteg baden oder einen vorbeigehenden Burschen über die Gartenpforte mit Schalen von Sonnenblumenkernen überschütten; hier ist aber alles anders. Der Schwiegervater und der Mann stehen in aller Herrgottsfrühe auf, trinken um sechs Uhr Tee und gehen gleich an ihre Geschäfte. Sie aber wandert von Zimmer zu Zimmer. Überall ist es so rein, so still und so leer, vor den Heiligenbildern brennen die Lämpchen, und im ganzen Hause ist kein lebender Ton, keine menschliche Stimme.

Katerina Lwowna irrt eine Zeitlang durch die leeren Zimmer, beginnt vor Langweile zu gähnen und geht die Stiege in das eheliche Schlafzimmer im Mezzanin hinauf. Sie sitzt da, schaut zum Fenster hinaus, wie man vor den Speichern den Hanf aufhängt oder das Mehl in Säcke füllt; sie muß wieder gähnen und freut sich, daß sie eine oder zwei Stunden schlafen kann. Und wenn sie erwacht, überkommt sie wieder die Langweile des altrussischen Kaufmannshauses, vor der man sich, wie es heißt, mit Freuden erhängt. Katerina Lwowna fand auch am Lesen keine Freude, und im Hause gab es keine Bücher außer dem Kiewer Heiligenbuch.

So öde war das Leben Katerina Lwownas in dem reichen Hause, in dem sie nun schon fünf Jahre an der Seite eines lieblosen Gatten lebte. Aber, wie es so immer geht, niemand schenkte ihrer Langweile auch nur die geringste Beachtung.

II

Im Frühjahr des sechsten Jahres nach Katerina Lwownas Verheiratung gab es auf der Ismajlowschen Mühle ein Unglück: das Hochwasser hatte den Damm durchbrochen. Die Mühle hatte gerade viel Arbeit, und der Schaden war sehr groß: das Wasser kam unter den Lauftrog des leeren Gerinnes und ließ sich nicht wieder einfangen. Sinowij Borissowitsch trieb die Leute aus der ganzen Umgegend zusammen und überwachte Tag und Nacht die Arbeiten; die Geschäfte in der Stadt versah der Alte, und Katerina Lwowna war tagelang allein zu Hause. Als sie ohne Mann geblieben war, fühlte sie anfangs noch größere Langweile; dieser Zustand gefiel ihr aber mit der Zeit nicht schlecht; sie konnte freier aufatmen. Sie hatte ihn ja niemals geliebt, nun hatte sie wenigstens einen Aufseher weniger.

Einmal saß sie in ihrem Mezzanin am Fenster, gähnte, dachte an nichts Bestimmtes und schämte sich zuletzt, immer so zu gähnen. Draußen war aber der herrlichste Tag: warm, heiter, lustig, und durch das grüne Holzgitter des Gartens waren flinke Vöglein zu sehen, die von Zweig zu Zweig hüpften.

– Warum gähne ich so? – fragte sich Katerina Lwowna. – Ich will einmal aufstehen und in den Hof oder in den Garten gehen. —

Sie warf sich einen alten Pelzumhang um und ging hinaus.

Unten auf dem Hofe ist es so hell, die Luft ist so erfrischend, und auf der Galerie bei den Speichern schallt lustiges Gelächter.

»Was freut ihr euch so?« fragte Katerina Lwowna die Angestellten des Schwiegervaters.

»Wir haben eben ein lebendes Schwein gewogen,« antwortete ihr der alte Verwalter.

»Was für ein Schwein?«

»Das Schwein Aksinja, das den Sohn Wassilij geboren und uns zur Taufe nicht eingeladen hat,« berichtete ihr frech und lustig ein Bursche mit kühnem, hübschem Gesicht, pechschwarzen Locken und einem kaum sprossenden Bärtchen.

Aus dem Mehlkübel, der am Wagbalken angehängt war, sah in diesem Augenblick das dicke rotbackige Gesicht der Köchin Aksinja heraus.

»Verdammte Teufel!« fluchte die Köchin, indem sie nach dem eisernen Wagbalken griff und sich Mühe gab, aus dem hin- und herpendelnden Kübel herauszukriechen.

»Acht Pud wiegt sie vor dem Essen, und wenn sie zu Mittag ein Fuder Heu gefressen hat, so langen die Gewichte nicht!« erklärte der gleiche hübsche Bursche. Mit diesen Worten drehte er den Kübel um und warf die Köchin auf die in der Ecke geschichteten Säcke.

Die Köchin fluchte noch immer, eigentlich mehr im Scherz, und zupfte sich das Kleid zurecht.

»Nun, und wieviel wiege ich?« fragte Katerina Lwowna. Sie stieg auf das Brett und hielt sich an den Stricken fest.

»Drei Pud sieben Pfund,« antwortete der hübsche Bursche Ssergej, nachdem er die Gewichte nachgezählt hatte. »Ein Wunder!«

»Was wunderst du dich so?«

»Daß Sie über drei Pud wiegen, Katerina Lwowna. Ich glaube, daß ich Sie den ganzen Tag auf den Armen herumtragen könnte, ohne dabei müde zu werden. Ich würde es sogar für das größte Vergnügen ansehen.«

»Bin ich denn etwa kein Mensch? Würdest wohl müde werden!« erwiderte leicht errötend Katerina Lwowna, die solche Reden nicht mehr gewohnt war und plötzlich das Verlangen fühlte, lustig zu plaudern und zu scherzen.

»Gott behüte! Ich würde Sie bis nach dem glückseligen Arabien tragen,« antwortete Ssergej auf ihre Bemerkung.

»Du redest Unsinn,« sagte der Bauer, der das Getreide aufschüttete. »Was ist unsere Schwere? Ist es denn unser Körper, der was wiegt? Unser Körper, mein Lieber, wiegt nicht, es ist nur unsere Kraft, die uns zur Erde zieht, und nicht der Körper!«

»Als Mädchen hatte ich eine große Kraft,« sagte Katerina Lwowna, die sich wieder nicht beherrschen konnte. »Mancher Mann konnte mich nicht niederringen!«

»Erlauben Sie mal Ihr Händchen, wenn das wahr ist,« bat der hübsche Bursche.

Katerina Lwowna errötete wieder, reichte ihm aber die Hand.

»Laß los, es tut weh!« schrie Katerina Lwowna auf, als Ssergej ihre Hand in der seinigen zusammendrückte. Mit der freien Hand stieß sie ihn vor die Brust.

Der Bursche ließ ihre Hand los und taumelte vor ihrem Stoß einige Schritte zur Seite.

»Und das will ein Frauenzimmer sein!« wunderte sich der Bauer.

»Nein, nicht so! Wollen wir einmal richtig ringen?« sagte Ssergej, seine Locken schüttelnd.

»Nun, versuch’s,« antwortete Katerina Lwowna, immer lustiger werdend, und hob die Ellenbogen.

Ssergej umschlang die junge Frau und drückte ihre pralle Brust an sein rotes Hemd. Katerina Lwowna rührte nur die Schultern, Ssergej hatte sie aber schon in die Höhe gehoben, hielt sie eine Weile in den Armen, drückte sie zusammen und setzte sie zuletzt auf einen umgekehrten Scheffel.

Katerina Lwowna hatte nicht einmal Zeit gehabt, ihre Kraft, mit der sie so prahlte, zu zeigen. Über und über rot, zupfte sie den Pelzumhang, der ihr von der Schulter geglitten war, zurecht und ging langsam aus dem Speicher. Ssergej räusperte sich aber und rief:

»He, ihr Esel! Schüttet das Getreide auf, schont die Arme nicht! Wenn was übrig bleibt, so ist’s unser Verdienst!«

Er tat so, als hätte auf ihn der Ringkampf mit Katerina Lwowna nicht den geringsten Eindruck gemacht.

»Dieser Ssergej ist ein verdammter Mädchenjäger!« berichtete die Köchin Aksinja, ihrer Herrin nachgehend. »Alles an ihm ist gleich schön: der Wuchs, das Gesicht, die Gestalt. Er kann jedes Frauenzimmer betören und zur Sünde verführen. Dabei ist er ein untreuer, gemeiner Kerl!«

»Sag einmal, Aksinja,« sagte die junge Frau, vor der Köchin hergehend, »lebt dein Kind noch?«

»Es lebt, Mütterchen, es lebt, was soll ihm geschehen? Wenn man ein Kind nicht braucht, so ist es immer zählebig.«

»Wo hast du nur das Kind her?«

»Ach, man kriegt es leicht, wenn man unter Menschen lebt.«

»Ist dieser Bursche schon lange bei uns?«

»Welcher? Meinen Sie Ssergej?«

»Ja.«

»An die vier Wochen. Vorher war er bei den Kontschonows in Stellung, wurde aber hinausgejagt.« Aksinja fuhr mit gedämpfter Stimme fort: »Man sagt, er hätte dort mit der Hausfrau selbst angebandelt, darum hat ihn auch der Herr hinausgejagt … Er ist so furchtbar frech, der Verruchte!«

III

Eine warme milchweiße Dämmerung schwebte über der Stadt. Sinowij Borissowitsch war noch immer nicht von der Mühle heimgekehrt. Auch der Schwiegervater Boris Timofejewitsch war nicht zu Hause: er war zu einem alten Freund zum Namenstag gefahren und hatte angesagt, daß man ihn zum Abendessen nicht erwarten solle. Katerina Lwowna aß früh zu Abend, stand dann wieder am Fenster ihres Schlafzimmers, lehnte sich mit der Wange an den Pfosten und knackte Sonnenblumenkerne. Die Leute hatten eben in der Küche genachtmahlt und begaben sich zur Ruhe: der eine in die Tenne, der andere in den Speicher, der dritte auf den duftenden Heuboden. Als letzter kam aus der Küche Ssergej. Er schlenderte durch den Hof, ließ die Kettenhunde los, pfiff ein Liedchen, ging am Fenster Katerina Lwownas vorbei, blickte zu ihr hinauf und verneigte sich vor ihr.

»Guten Abend,« sagte Katerina Lwowna leise von ihrem Fenster herab, und auf dem Hofe wurde es plötzlich so still wie in einer Wüste.

»Gnädige Frau!« tönte es zwei Minuten später vor der versperrten Türe des Schlafzimmers.

»Wer ist da?« fragte Katerina Lwowna erschrocken.

»Erschrecken Sie nicht: ich bin es, Ssergej.«

»Was willst du, Ssergej?«

»Ich habe eine Bitte an Sie, Katerina Lwowna. Gestatten Sie mir, daß ich für einen Augenblick eintrete.«

Katerina Lwowna sperrte die Türe auf und ließ ihn ein.

»Was willst du?« fragte sie, wieder ans Fenster tretend.

»Ich möchte Sie fragen, Katerina Lwowna, ob Sie mir nicht irgendein Büchlein zum Lesen geben können. Ich vergehe vor Langweile.«

»Ich habe gar keine Bücher, Ssergej, ich lese niemals,« antwortete Katerina Lwowna.

»So furchtbar langweilig ist es hier,« klagte Ssergej.

»Was weißt du von Langweile?«

»Erlauben Sie einmal! Wie soll ich mich nicht langweilen? Ich bin ja ein junger Mensch, wir leben hier wie in einem Kloster, und ich habe vor mir keine andere Aussicht, als hier in der Einsamkeit zugrunde zu gehen. Zuweilen verzweifle ich an meinem Leben.«

»Warum heiratest du nicht?«

»Ja, heiraten, das ist leicht gesagt! Wen soll ich hier heiraten? Ich bin ja ein unbedeutender Mensch; ein Mädchen aus dem Kaufmannsstande wird mich nicht nehmen, und die von unserem armen Stande sind viel zu ungebildet, das wissen Sie doch selbst. Kann denn so ein Mädchen die Liebe richtig verstehen? Aber auch die Reichen verstehen sie nicht viel besser. Für jeden andern Menschen wären Sie wohl der Trost seines Lebens, Ihr Gemahl hält Sie aber wie einen Kanarienvogel im Bauer.«

»Ja, ich langweile mich,« sagte Katerina Lwowna unwillkürlich.

»Wie soll man sich auch nicht langweilen bei solch einem Leben, gnädige Frau! Selbst wenn Sie einen Geliebten hätten, wie die andern Frauen, so hätten Sie gar keine Möglichkeit, mit ihm zusammenzukommen.«

»Nein, du redest Unsinn. Ich glaube aber, daß es mir lustiger zumute wäre, wenn ich ein Kindchen hätte.«

»Erlauben Sie die Bemerkung, gnädige Frau: ein Kind kann man auch nicht so von heute auf morgen bekommen. Ich habe ja genug in den Kaufmannsfamilien gelebt und kenne mich in diesen Dingen gut aus. In einem Liede heißt es: ‚Wenn du keinen Liebsten hast, stirbt das Herz vor Schmerzenslast.‘ Diesen Schmerz empfinde ich so stark, Katerina Lwowna, daß ich mir das Herz aus der Brust schneiden und es Ihnen vor die Füßchen werfen könnte. Und es würde mir dann viel leichter zumute werden …«

Seine Stimme zitterte.

»Was erzählst du mir von deinem Herzen? Ich brauche es nicht. Geh …«

»Nein, erlauben Sie, gnädige Frau,« sagte Ssergej, am ganzen Leibe zitternd und einen Schritt näher kommend. »Ich weiß, ich sehe und begreife, daß auch Sie es nicht leichter haben als ich. Alles hängt jetzt aber nur von Ihnen ab, alles ruht in Ihrer Hand!« Die letzten Worte hauchte er nur.

»Was willst du? Was willst du? Was bist du zu mir gekommen? Ich werde mich aus dem Fenster stürzen,« sagte Katerina Lwowna, von einer namenlosen Angst erfaßt, und griff mit den Händen nach dem Fensterbrett.

»Du Unvergleichliche, du mein Leben! Was sollst du dich aus dem Fenster stürzen?« flüsterte Ssergej frech. Er riß die junge Frau vom Fenster los und umschlang sie mit seinen Armen.

»Laß los! Laß los!« stöhnte Katerina Lwowna leise, unter Ssergejs heißen Küssen ermattend und sich unwillkürlich an seine mächtige Brust schmiegend.

Ssergej nahm sie wie ein kleines Kind auf die Arme und trug sie in eine dunkle Ecke.

Im Zimmer trat nun eine Stille ein, die nur durch das gleichmäßige Ticken der Taschenuhr Sinowij Borissowitschs unterbrochen wurde, die über dem Bette Katerina Lwownas hing. Dieses Ticken störte aber niemand.

»Geh,« sagte Lwowna nach einer halben Stunde, ohne Ssergej anzublicken, ihr zerzaustes Haar vor dem kleinen Spiegel richtend.

»Was soll ich jetzt von hier fortgehen?« fragte Ssergej mit seliger Stimme.

»Der Schwiegervater wird die Türe zusperren.«

»Ach, meine liebe Seele! Hast du denn nur solche Männer gekannt, die eine Türe brauchen, um zur Geliebten zu gelangen? Wenn ich zu dir oder von dir will, so finde ich überall eine Türe,« antwortete der Bursche, auf die Balken, die die Galerie stützten, zeigend.

IV

Sinowij Borissowitsch blieb noch eine Woche auf der Mühle, und seine Frau ergötzte sich diese ganze Zeit allnächtlich bis an den lichten Tag mit Ssergej.

In diesen Nächten wurde im Schlafzimmer Sinowij Borissowitschs gar viel Wein aus dem Keller des Schwiegervaters ausgetrunken, viel Süßes gegessen, viel geküßt und viel mit den schwarzen Locken auf den weichen Kopfkissen gespielt. Die Landstraße ist aber nicht immer so eben wie eine Tischdecke, es gibt auch Löcher und Buckel.

Boris Timofejitsch konnte keinen Schlaf finden. Der Alte irrte in seinem bunten Kattunhemd durch das stille Haus, trat bald an das eine, bald an das andere Fenster und sah plötzlich das rote Hemd Ssergejs langsam den Balken unter dem Fenster der Schwiegertochter hinuntergleiten. Eine schöne Bescherung! Boris Timofejitsch ging in den Hof und packte den Burschen bei den Beinen. Dieser holte zuerst zu einem Schlage aus, überlegte sich aber, daß es zu viel Lärm geben würde.

»Sag einmal,« fragte Boris Timofejitsch, »wo warst du eben, du Dieb?«

»Wo ich war, da bin ich nicht mehr, Boris Timofejitsch,« antwortete Ssergej.

»Hast du bei der Schwiegertochter übernachtet?«

»Das ist meine Sache, Herr, wo ich übernachtet habe. Höre aber auf meine Worte, Boris Timofejitsch: was gewesen ist, läßt sich nicht mehr ändern. Tu wenigstens deinem Kaufmannshause keine Schande an. Sag mir, was willst du jetzt von mir? Was für eine Genugtuung soll ich dir geben?«

»Du sollst, Verruchter, fünfhundert Peitschenschläge bekommen,« antwortete Boris Timofejitsch.

»Die Schuld ist mein, der Wille ist dein,« sagte der Bursche. »Sag, wohin ich dir folgen soll, trinke mein Blut.«

Boris Timofejitsch führte Ssergej in seine gemauerte Vorratskammer und schlug ihn so lange mit der Peitsche, bis sein Arm erlahmte. Ssergej gab keinen Ton von sich, zerkaute aber die Hälfte seines Hemdärmels mit den Zähnen.

Boris Timofejitsch ließ Ssergej in der Kammer liegen, bis sein blutiggeschlagener Rücken verheilen würde, stellte ihm einen irdenen Krug mit Wasser hin, versperrte die Kammer mit einem großen Schloß und schickte nach dem Sohn.

Auch heute noch legt man hundert Werst auf einer russischen Landstraße nicht an einem Tag zurück, Katerina Lwowna kann aber ohne ihren Ssergej auch nicht eine Stunde aushalten. Ihre ganze zügellose Natur kam zum Durchbruch, und sie wurde sehr kühn und entschlossen. Sie erfuhr, wo Ssergej eingesperrt war, sprach mit ihm durch die Eisentüre einige Worte und machte sich auf die Suche nach den Schlüsseln. »Väterchen, laß doch den Ssergej heraus!« wandte sie sich an den Schwiegervater.

Der Alte wurde ganz grün vor Wut. Von seiner sündigen, bisher aber noch immer gehorsamen Schwiegertochter hatte er eine solche Frechheit nicht erwartet.

»Was fällt dir ein?« Und er fiel über Katerina Lwowna mit Schimpfworten her.

»Laß ihn heraus,« bestürmte sie ihn, »ich schwöre dir bei meinem Gewissen, daß es zwischen uns nichts Schlimmes gegeben hat.«

»So, es hat nichts Schlimmes gegeben!« sagt er und knirscht mit den Zähnen. »Was habt ihr dann in den Nächten getrieben? Die Kissen deines Mannes durchgeklopft?«

Sie aber hört gar nicht auf: »Laß ihn heraus!«

»Wenn die Dinge so stehen,« sagt Boris Timofejitsch, »so will ich dir folgendes sagen: wenn dein Mann zurückkommt, werden wir dich, du treulose Frau, im Pferdestalle mit eigenen Händen durchpeitschen. Ihn aber, den Schurken, werde ich gleich morgen ins Zuchthaus schicken.«

So hatte Boris Timofejitsch beschlossen; sein Beschluß wurde aber nicht zur Tat.

V

Boris Timofejitsch aß an diesem Abend einen Brei mit Pilzen und fühlte gleich darauf ein Brennen im Schlunde; es zwickte ihn im Magen, er bekam Erbrechen und starb gegen Morgen auf die gleiche Weise, wie die Ratten in seinem Speicher. Für die Ratten aber pflegte Katerina Lwowna mit eigenen Händen eine Speise mit einem gefährlichen weißen Pulver, das sie in Verwahrung hatte, anzurichten.

Katerina Lwowna ließ ihren Ssergej sofort aus der gemauerten Kammer heraus und legte ihn, ganz ohne Scheu vor den Leuten, auf das Bett ihres Mannes, damit er sich nach den Schlägen des Schwiegervaters erhole; dem Schwiegervater Boris Timofejitsch gab sie aber ein christliches Begräbnis. Seltsamerweise machte sich niemand über den Tod des Alten irgendwelche Gedanken. Boris Timofejitsch war eben gestorben, wie viele nach dem Genuß von Pilzen starben. Man beerdigte ihn in aller Eile, ohne selbst die Rückkehr des Sohnes abzuwarten, denn die Tage waren heiß; der nach Sinowij Borissowitsch geschickte Bote hatte ihn auf der Mühle nicht angetroffen. Sinowij Borissowitsch hatte gerade die Gelegenheit, einen Wald, der hundert Werst weiter lag, billig zu kaufen; er war hingefahren, um sich den Wald anzusehen, und hatte niemandem angesagt, wo dieser Wald liege.

Nachdem Katerina Lwowna dieses erledigt hatte, geriet sie ganz außer Rand und Band. Sie war ja auch sonst keine schüchterne Frau; jetzt konnte man aber unmöglich erraten, was sie noch alles vorhatte. Sie geht stolz einher, kommandiert das ganze Haus und läßt Ssergej nicht von ihrer Seite. Das kam dem Hausgesinde anfangs etwas merkwürdig vor, Katerina Lwowna verstand aber, die Leute so reich zu beschenken, daß ihnen das Staunen verging. Sie sagten sich nur: Die Frau hat wohl mit dem Ssergej angebandelt. Das ist ihre Sache, und nur sie allein wird sich dafür zu verantworten haben.

Ssergej genas indessen von seinen Wunden, ging wieder aufrecht einher, tänzelte stolz wie ein Falke um Katerina Lwowna, und die beiden hatten wieder das allerschönste Leben. Die Zeit rollte aber nicht nur für sie beide dahin: der beleidigte Gatte Sinowij Borissowitsch eilte nach langer Abwesenheit nach Hause.

Возрастное ограничение:
12+
Дата выхода на Литрес:
13 октября 2017
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230 стр. 1 иллюстрация
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Правообладатель:
Public Domain

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