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Читать книгу: «Eine Teufelsaustreibung und andere Geschichten», страница 4

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INTERESSANTE MÄNNER

I

Im Hause einer mir befreundeten Familie erwartete man mit Ungeduld das Eintreffen des Februarheftes der Moskauer Zeitschrift »Mysl«. Diese Ungeduld war wohl begreiflich, weil in diesem Hefte eine neue Erzählung des Grafen Leo Tolstoi hatte erscheinen sollen. Ich kam nun fast täglich zu meinen Freunden, um das neue Werk unseres großen Dichters gleich nach Eintreffen der Zeitschrift in einer angenehmen Gesellschaft am runden Tisch beim milden Schein der Eßzimmerlampe zu lesen. Gleich mir kamen auch andere intime Freunde mit der gleichen Absicht fast jeden Abend hin. Das ersehnte Heft traf endlich ein, die Tolstoische Erzählung war aber darin nicht enthalten: ein kleiner rosa Zettel teilte den Abonnenten mit, daß die Erzählung nicht veröffentlicht werden könne. Alle waren enttäuscht und betrübt, und ein jeder zeigte es je nach seinem Charakter und Temperament: der eine runzelte die Stirne und schwieg, der andere schimpfte, der dritte suchte nach Parallelen zwischen der Gegenwart, die wir erlebten, der Vergangenheit, deren wir gedachten, und der Zukunft, die wir ersehnten. Ich aber blätterte schweigend in der Zeitschrift und durchflog die neue Skizze Gljeb Uspenskijs, eines der sehr wenigen russischen Literaten, die immer der Wahrheit des Lebens treu bleiben und nicht den sogenannten »Richtungen« zu Liebe lügen. Darum ist die Unterhaltung mit ihm immer angenehm und oft sogar nützlich.

Uspenskij erzählte diesmal von einem Gespräch mit einer älteren Dame, die ihm von der jüngsten Vergangenheit erzählt und die Meinung geäußert hatte, daß die Männer einst viel interessanter gewesen seien. In ihren engen Uniformen hätten sie zwar einen kühlen und reservierten Eindruck gemacht, dabei aber viel Begeisterung, Herzensglut, Edelsinn und andere Eigenschaften besessen, die den Menschen interessanter und anziehender machen. Alle diese Eigenschaften seien heute, meinte die Dame, nur sehr selten und oft gar nicht anzutreffen. Die Männer übten heute zwar freiere Berufe aus und kleideten sich auch viel ungezwungener, hätten zuweilen auch große Ideen im Kopfe, seien aber dabei alle nach der gleichen Form gestanzt, langweilig und uninteressant.

Die Bemerkungen der alten Dame erschienen mir durchaus treffend, und ich machte den Vorschlag, nicht länger über die Erzählung Tolstois, die wir nicht lesen konnten, zu trauern, sondern die Skizze Uspenskijs vorzunehmen. Mein Vorschlag wurde angenommen, und die von Uspenskij geäußerten Gedanken fanden allgemeine Zustimmung. Nun rückte ein jeder mit Erinnerungen und Vergleichen heraus. Unter den Anwesenden gab es einige, die den jüngst verstorbenen dicken General Rostislaw Faddejew gekannt hatten; man erzählte sich, wie ungewöhnlich interessant dieser Mann trotz seines gewöhnlichen, plumpen und wenig versprechenden Äußeren gewesen war. Wie er selbst im Alter die Aufmerksamkeit der klügsten und nettesten Damen zu fesseln vermochte und die blühendsten jungen Gecken aus dem Felde zu schlagen wußte.

»Ist es denn wirklich so erstaunlich?« sagte ein Herr, der älter als alle Anwesenden war und wohl auch einen klareren Blick hatte. »Ist es denn für einen so klugen Mann, wie es der verstorbene Faddejew war, schwer, das Interesse einer klugen Frau zu fesseln?! Die klugen Frauen fühlen sich immer ungemütlich. Erstens gibt es ihrer nur sehr wenige, und zweitens haben sie, da sie mehr als die andern verstehen, auch größeres Leid zu tragen; daher freuen sie sich so, wenn sie auf einen wirklich klugen Mann stoßen. Hier gilt der Satz: ‚Simile simili curatur‘ oder ‚gaudet‘ – ich weiß nicht, was richtiger ist. Sie alle und auch die Dame, deren Worte unser Dichter anführt, wählen ihre Beispiele unter den Männern von hervorragender Begabung und Bedeutung; weit bemerkenswerter ist es aber meines Erachtens, daß man einst auch auf weit tieferen Stufen ungemein lebendige und anziehende Persönlichkeiten, die man ‚interessante Männer‘ zu nennen pflegte, antreffen konnte. Auch die Damen, auf die sie solchen Eindruck machten, gehörten nicht zu den Auserwählten, die imstande sind, einen Mann mit hervorragenden Geistesgaben zu vergöttern; selbst unter den allergewöhnlichsten Durchschnittsfrauen gab es viele von hervorragender Empfindsamkeit. In ihnen war wie in tiefen Wassern eine latente Wärme enthalten. Solche Durchschnittsmenschen halte ich für viel bemerkenswerter als die Lermontowschen Charaktere, in die sich selbstverständlich jeder verlieben mußte.«

»Haben Sie einmal einen solchen Durchschnittsmenschen mit der latenten Wärme der tiefen Wasser gekannt?«

»Gewiß.«

»Erzählen Sie uns also von ihm und entschädigen Sie uns auf diese Weise für die Unmöglichkeit, die Erzählung Tolstois zu lesen.«

»Als Entschädigung kann meine Erzählung natürlich nicht gelten, aber einfach zu Ihrer Unterhaltung will ich Ihnen eine Geschichte aus dem allergewöhnlichsten Offiziersmilieu zum Besten geben.«

II

Ich diente bei der Kavallerie. Das Regiment lag in mehreren Dörfern des T-schen Gouvernements in Quartier; der Regimentskommandeur und sein Stab hielten sich aber natürlich in der Gouvernementsstadt selbst auf. Die Stadt war auch damals schon sauber und freundlich und hatte ein Theater, einen Adelsklub und ein riesengroßes, übrigens recht unsinnig angelegtes Hotel, dessen größten Teil wir mit Beschlag belegt hatten. Die Zimmer waren zum Teil von den Offizieren bewohnt, die sich ständig in der Stadt aufhielten, zum Teil für die Offiziere reserviert, die periodisch aus ihren Dorfquartieren in die Stadt kamen. Diese Zimmer wurden niemals an gewöhnliche Passanten vermietet. Sobald der eine Offizier auszog, kam sofort ein anderer gefahren, und diese »Offizierszimmer« waren immer besetzt.

Unser Zeitvertreib bestand natürlich im Kartenspiel und im Dienste des Bachus, sowie auch der Göttin der Herzensfreuden.

Man spielte zuweilen – besonders im Winter, während der Wahlen zur Adelsversammlung – sehr hoch. Man spielte nicht im Klub, sondern in den Hotelzimmern, wo man die Röcke ablegen durfte und sich überhaupt ungezwungener fühlte. Auf diese Weise verbrachte man Tage und Nächte. Es gibt wohl keinen sinnloseren und öderen Zeitvertreib, und Sie können daraus wohl selbst schließen, was für Menschen wir damals waren und was für Ideen uns begeistern konnten. Wir lasen wenig und schrieben noch weniger; letzteres nur nach großen Verlusten, wenn es galt, unsere Eltern anzulügen und von ihnen eine Extrasumme zu erpressen. Kurz und gut, man konnte von uns nichts Gutes lernen. Wir spielten teils unter uns, teils mit den durchreisenden Gutsbesitzern, die nicht viel ernster waren als wir; in den Zwischenpausen betranken wir uns, schlugen uns mit den Beamten herum und entführten Kaufmannsfrauen und Schauspielerinnen, die wir gleich darauf wieder laufen ließen.

Die Gesellschaft war furchtbar stupid und verbummelt; die Jüngeren eiferten den Älteren nach, und die einen wie die anderen zeigten nichts Gescheites und Beachtenswertes.

Über die Fragen der Ehre und des Anstandes wurde bei uns niemals gesprochen. Man trug seine Uniform und lebte nach der einmal eingeführten Sitte, – man bummelte und war bemüht, Herz und Seele gegen alles Erhabene, Empfindsame und Ernste abzustumpfen. Und doch gab es auch in unserem seichten Sumpfe die »latente Wärme«, die sonst nur tiefen Wassern eigen ist.

III

Unser Regimentskommandeur war ein nicht mehr junger, sehr anständiger und guter Soldat, aber ein rauher, strenger Mensch, ganz »ohne Zartgefühl für das weibliche Geschlecht«, wie man sich damals ausdrückte. Er war einige fünfzig Jahre alt und schon zweimal verheiratet gewesen; seine zweite Frau hatte er in T. verloren und war eben im Begriff, ein junges Mädchen, das aus einer nicht sehr reichen Gutsbesitzersfamilie stammte, zu heiraten. Sie hieß Anna Nikolajewna. Dieser so gewöhnliche Name entsprach durchaus ihrer ganzen gewöhnlichen Erscheinung. Sie war von mittlerem Wuchs, weder dick noch schlank, weder hübsch noch häßlich, hatte blonde Haare, blaue Äuglein, rote Lippen, weiße Zähne, ein rundes, weißes Gesicht und je ein Grübchen in jeder rosigen Wange, – mit einem Worte, ein Mädchen, das wenig Begeisterung wecken kann, eines von denen, die man »Trost des Greisenalters« zu nennen pflegt.

Unser Kommandeur lernte sie in Gesellschaft durch ihren Bruder, der bei uns als Kornett diente, kennen und hielt durch Vermittlung dieses selben Bruders um ihre Hand an.

Das wurde ganz einfach und kameradschaftlich gemacht. Er ließ den jungen Offizier zu sich ins Kabinett kommen und sagte ihm:

»Hören Sie einmal, Ihre würdige Schwester hat auf mich den angenehmsten Eindruck gemacht. Sie wissen wohl selbst, wie unangenehm es mir in meinem Alter und bei meiner Position wäre, einen Korb zu bekommen. Wir beide sind aber Soldaten, und Ihre Aufrichtigkeit kann mich unmöglich verletzen … Wenn mein Antrag angenommen wird, so ist es gut; wenn sie mir aber absagen sollte, wird es mir auch im Traume nicht einfallen, es Ihnen irgendwie übelzunehmen. Erkundigen Sie sich also …«

Jener erwiderte ebenso einfach:

»Gut, ich werde mich erkundigen.«

»Danke.«

»Kann ich vielleicht zu diesem Zweck einen Urlaub von drei oder vier Tagen bekommen?«

»Bitte sehr, auch für eine Woche.«

»Darf mich vielleicht mein Vetter begleiten?«

Sein Vetter war ein ebenso zarter und rosiger Jüngling wie er selbst. Wir nannten ihn alle »Sascha die Rose«. Beide jungen Leute waren gleich gewöhnlich und verdienen keine eingehende Schilderung.

Der Kommandeur fragte den Kornett:

»Was brauchen Sie Ihren Vetter in dieser Familienangelegenheit?«

Der Kornett antwortet, daß er den Vetter eben für diese Familienangelegenheit brauche.

»Während ich mit den Eltern verhandeln werde,« sagt der Kornett, »wird der Vetter meine Schwester in ein Gespräch ziehen und ihre Aufmerksamkeit ablenken, bis ich mit den Eltern fertig geworden bin.«

Der Kommandeur antwortet:

»Gut, fahren Sie in diesem Falle alle beide hin, ich will auch Ihrem Vetter einen Urlaub geben.«

Die beiden Kornetts fahren heim und führen den Auftrag zu voller Zufriedenheit des Kommandeurs aus. Der Bruder des jungen Mädchens kommt nach einigen Tagen zurück und meldet:

»Wenn Sie wollen, können Sie bei meinen Eltern brieflich oder mündlich um die Hand meiner Schwester anhalten. Sie haben keine Absage zu gewärtigen.«

»Und wie stellt sich Ihre Schwester dazu?«

»Auch die Schwester ist einverstanden.«

»Nun, freut sie sich oder nicht?«

»Ich weiß wirklich nicht.«

»Ist sie wenigstens zufrieden oder eher unzufrieden?«

»Die Wahrheit zu sagen, hat sie überhaupt nichts geäußert. Sie sagte nur zu den Eltern: Ganz wie Sie es befehlen, ich will mich Ihnen fügen.«

»Es ist ja sehr schön, daß sie das sagte, aber man kann doch in den Augen und im Gesicht lesen, was sich ein junges Mädchen dabei denkt!«

Der Kornett entschuldigt sich und sagt, er sei als Bruder an das Gesicht seiner Schwester so gewöhnt, daß er darin nicht zu lesen verstünde und den Ausdruck ihrer Augen nicht beobachtet habe; darum könne er darüber nichts Bestimmtes sagen.

»Aber Ihr Vetter hat doch etwas bemerken können. Haben Sie denn nicht auf der Rückfahrt mit ihm darüber gesprochen?«

»Nein,« antwortet jener, »wir haben darüber nicht sprechen können: ich wollte Ihnen die Antwort so schnell wie möglich überbringen, mein Vetter ist aber noch dort geblieben, und ich habe die Ehre, Ihnen gehorsamst zu melden: er ist plötzlich erkrankt, und wir haben sofort seine Eltern benachrichtigt.«

»So! Was hat er denn?«

»Es war eine plötzliche Ohnmacht und ein Schwindelanfall.«

»Eine echte Mädchenkrankheit. Schön. Ich danke Ihnen. Da wir nun miteinander so gut wie verwandt sind, bitte ich Sie, mit mir heute zu Mittag zu essen.«

Beim Mittagessen fragt er ihn immer nach dem Vetter aus: was der für ein Mensch sei, wie seine Eltern sich zu ihm verhielten, unter welchen Umständen er in Ohnmacht gefallen sei. Dabei schenkt er dem jungen Mann immer wieder Wein ein und macht ihn so betrunken, daß der Kornett sich wohl sicher verschnappt hätte, wenn er etwas gewußt hätte; glücklicherweise lag aber nichts vor, und der Kommandeur heiratete bald darauf Anna Nikolajewna. Wir alle waren bei der Hochzeit und tranken Bier und Wein. Die beiden Kornette – der Bruder und der Vetter – waren aber Brautführer, und man konnte keinem von den Beteiligten auch nur das Geringste anmerken. Die jungen Leute setzten ihr flottes Leben fort, unsere Kommandeuse aber wurde von Tag zu Tag voller und begann seltsame Gelüste zu äußern. Der Kommandeur freute sich darüber und bemühte sich, alle ihre Wünsche zu befriedigen, und die beiden jungen Leute – der Bruder und der Vetter – suchten ihn darin noch zu übertreffen. Wegen jeder Kleinigkeit schickte man eine Troika nach Moskau. Ihr Appetit war aber nicht auf irgendwelche ausgesuchte Leckerbissen, sondern auf ganz gewöhnliche Dinge gerichtet, doch auf solche, die schwer zu beschaffen waren: bald verlangte sie nach Sultan-Datteln, bald nach griechischer Chalwa, mit einem Worte nach lauter einfachen und kindlichen Dingen, wie sie auch selbst einen durchaus kindlichen Eindruck machte. Endlich kam für sie die schwere Stunde, und man ließ aus Moskau eine Hebamme kommen. Ich erinnere mich noch, daß diese Hebamme in die Stadt just um die Stunde gefahren kam, als man in allen Kirchen zur Abendmesse läutete, was unsere Heiterkeit erregte: »Schaut nur, die weise Frau wird mit Glockengeläute begrüßt! Was für Freuden wird sie uns wohl bringen?« Und wir warteten auf das Ereignis mit solcher Spannung, wie wenn das ganze Regiment daran beteiligt wäre. Indessen geschah aber etwas ganz Unerwartetes.

IV

Wenn Sie bei Bret Harte gelesen haben, welches Interesse ein Häuflein Vagabunden in der amerikanischen Wüste für die Niederkunft einer fremden Frau zeigte, so werden Sie auch das Interesse begreifen, mit dem wir, verbummelte Offiziere, die Niederkunft unserer jungen Kommandeuse erwarteten. Diesem Ereignisse maßen wir große Bedeutung bei und faßten den Beschluß, die Geburt des Kindes durch ein Trinkgelage zu feiern. Wir gaben unserem Restaurateur den Auftrag, einen ordentlichen Vorrat an Sekt bereit zu halten. Um aber inzwischen die Zeit totzuschlagen, setzten wir uns beim Abendläuten an die Kartentische.

Ich wiederhole, das Kartenspiel war für uns eine Beschäftigung, eine Gewohnheit, eine Arbeit und das beste uns bekannte Mittel gegen Langweile. Das Spiel begann auch an diesem Abend auf die gleiche Weise wie an den vorhergehenden. Die älteren Offiziere, die Rittmeister und die Stabsrittmeister mit den ersten grauen Haaren in den Schnurrbärten und an den Schläfen machten den Anfang. Sie setzten sich an die Kartentische just in dem Augenblick, als man zur Abendmesse zu läuten anfing und die Bürger, einander mit großem Respekt begrüßend, in die Kirchen zogen, um zu beichten und zu kommunizieren: das Ereignis, von dem ich spreche, spielte sich am Freitag in der sechsten Fastenwoche ab.

Die Rittmeister blickten diesen guten Christen und auch der Hebamme nach, die gerade in die Stadt einzog, wünschten ihnen allen in ihren einfältigen Soldatenherzen Glück und Erfolg, ließen in dem größten Hotelzimmer die grünen Kattunvorhänge herunter, zündeten die Leuchter an und setzten sich an die Arbeit.

Die Jugend machte indessen noch einige Touren durch die Straßen, wechselte im Vorbeigehen Blicke mit den Kaufmannstöchtern und erschien, als es schon ganz dunkel geworden war, im gleichen Hotelzimmer.

Ich kann mich gut an diesen Abend und wie er diesseits und jenseits der grünen Vorhänge verlief, erinnern. Draußen war es wunderschön. Der heitere Märztag war im schönsten Abendrot verglommen; die Pfützen, die während des Tages aufgetaut waren, überzogen sich wieder mit einer Eiskruste; es wurde frisch und kühl, in der Luft aber schwebte schon der Duft des Frühlings, und in der Höhe sangen die Lerchen. Die Kirchen waren halbbeleuchtet, und die von ihren Sünden erlösten Beichtenden kamen einzeln heraus. Ganz langsam, ohne mit jemand zu sprechen, gingen sie durch die Gassen und verschwanden stumm in den Häusern. Sie alle waren nur um das eine besorgt: jeder Ablenkung aus dem Wege zu gehen und den Frieden, der ihre Herzen erfüllte, nicht zu verlieren.

In der ganzen Stadt, die ja auch sonst nicht sehr belebt war, wurde es auf einmal still. Die Haustore wurden abgesperrt, hinter den Zäunen erklirrten die Ketten der Hofhunde, und alle kleinen Wirtshäuser wurden geschlossen; nur vor dem von uns besetzten Hotel standen noch immer zwei Mietsdroschken mit ausgesucht schönen Pferden, in Erwartung, daß wir sie noch zu irgendeinem Zweck brauchen würden.

Auf der hartgefrorenen Schneedecke der großen Straße klapperte plötzlich ein mit drei Pferden bespannter Reiseschlitten. Er hielt vor dem Hotel, ihm entstieg ein uns unbekannter schlanker Herr in einem Bärenpelz mit langen Ärmeln und erkundigte sich, ob noch ein Zimmer frei sei.

Das geschah gerade in dem Augenblick, als ich und noch zwei junge Offiziere vom letzten Rundgang durch die Straßen, in deren Fenstern nochmals die spröden Kaufmannstöchter erschienen, ins Hotel zurückkehrten.

Wir hörten, wie der Neuankömmling ein Zimmer verlangte und wie der Zimmerkellner Marko, der ihn mit »Awgust Matwejitsch« anredete, seine Frage beantwortete:

»Ich wage es nicht, Sie anzulügen und zu sagen, daß wir kein Zimmer haben. Wir haben wohl ein Zimmer, aber ich weiß wirklich nicht, ob es Ihnen passen wird.«

»Was ist denn damit?« fragte der Gast: »Ist es schmutzig oder voller Wanzen?«

»Nein, Sie wissen doch selbst, daß wir bei uns keinen Schmutz und keine Wanzen dulden. Wir haben aber sehr viel Offiziere im Hause.«

»Machen die solchen Lärm?«

»Ja, Sie können es sich wohl selbst denken: es sind lauter Junggesellen, die immer auf und ab rennen und pfeifen … Ich muß es Ihnen sagen, damit Sie uns später keine Vorwürfe machen … Wir können ja die jungen Leute nicht bändigen.«

»Das wäre ja nicht schlecht! Selbstverständlich darf sich niemand unterstehen, Offizieren Ruhe zu gebieten! Was wäre das für ein Leben? … Ich bin aber müde und glaube, daß ich schon irgendwie einschlafen werde.«

»Natürlich werden Sie einschlafen. Ich mußte aber Euer Gnaden für jeden Fall darauf aufmerksam machen. Darf ich das Gepäck und das Bettzeug hinauftragen?«

»Trag es nur hinauf, mein Bester. Ich komme direkt aus Moskau, habe mich unterwegs nirgends aufgehalten und bin so müde, daß mich wohl kein Lärm wecken wird.«

Der Kellner führte den Gast hinauf, und wir begaben uns in das größte Zimmer, das dem Schwadrons-Rittmeister gehörte. Hier war unsere ganze Gesellschaft versammelt mit Ausnahme des Vetters der Kommandeuse: er klagte über Unwohlsein, wollte weder trinken noch spielen und ging immer den Korridor auf und ab.

Der Bruder der Kommandeuse hatte an unserer Fensterparade teilgenommen und sich gleich uns an den Kartentisch gesetzt. Sascha aber blickte nur einmal in das Spielzimmer hinein und begann dann wieder im Korridor auf- und abzugehen.

Er machte einen seltsamen Eindruck, so daß wir auf ihn aufmerksam werden mußten. Er schien entweder krank oder verstimmt; wenn man ihn aber genauer ansah, schien keines von beiden der Fall zu sein. Er machte nur den Eindruck, wie wenn er im Geiste irgendwo weit von uns allen schweifte und an etwas, was uns allen fremd und ferne lag, dächte. Wir sagten im Scherze: »Du hast dich wohl in die Hebamme vergafft!« legten aber seinem Benehmen keine große Bedeutung bei. Er war ja noch sehr jung und den beliebten Offizierstrank »aus neun Elementen« nicht gewohnt. Es war sehr wahrscheinlich, daß sein Zustand nur eine Folge der vorhergehenden Trinkgelage war. Im Spielzimmer war es wie immer so vollgeraucht, daß man leicht Kopfweh bekommen konnte; schließlich war es auch möglich, daß seine Finanzen zerrüttet waren: er hatte in der letzten Zeit sehr hoch gespielt und größere Summen verloren; er hatte aber gewisse moralische Grundsätze und scheute sich, seinen Eltern mit solchen Dingen zu kommen.

Wir ließen also den jungen Mann in dem mit einem Tuchläufer belegten Korridor auf und abgehen. Wir selbst aber spielten, tranken und aßen, stritten und lärmten und dachten weder an die späte Stunde, noch an das freudige Ereignis, das im Hause des Kommandeurs erwartet wurde. Diese Vergessenheit wurde vollständig, als sich bald nach Mitternacht etwas ereignete, wobei der unbekannte Gast, der, wie gesagt, vor unseren Augen dem Reiseschlitten entstiegen war, die Hauptrolle spielte.

Возрастное ограничение:
12+
Дата выхода на Литрес:
13 октября 2017
Объем:
230 стр. 1 иллюстрация
Переводчик:
Правообладатель:
Public Domain

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