Читать книгу: «Das Insolvenzgeld als Mittel zur Fortführung und Sanierung von Unternehmen», страница 5

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ee) Zwischenfazit

Wann die Erfüllung (bzw. Surrogate) der Arbeitnehmeransprüche durch einen Dritten die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit ausschließt, ist nicht leicht zu beurteilen. Die ungeschriebene Voraussetzung, dass die Arbeitsentgeltansprüche wirklich ausfallen, muss immer dann besonders kritisch geprüft werden, wenn im Zusammenhang mit dem öffentlichen Dienst erhebliche Zahlungen an das schuldnerische Unternehmen zur Deckung der laufenden Personalkosten fließen. Wirtschaftlich muss eine Doppelsubvention vermieden werden.

d) Inlandsbeschäftigung

Weitere Voraussetzung für den Anspruch auf Insolvenzgeld ist das Vorliegen einer Inlandsbeschäftigung. Der § 165 Abs. 1 S. 2 SGB III wurde mit dem Job-AQTIV-Gesetz hinzugefügt. Das Beschäftigungsverhältnis muss sein Zentrum im Inland haben. Das BSG spricht insoweit ohne inhaltliche Unterschiede vom Schwerpunkt der Beschäftigung.138 Der Begriff des Schwerpunktes ist meiner Ansicht nach aber ungenau, weil er noch keine Hinweise auf die Kriterien enthält. Der Begriff des Zentrums der Beschäftigung deutet hingegen schon die entscheidenden Indizien bzw. Fallgruppen an. Meist gibt es diverse Tatsachen, die für oder gegen eine Inlandsbeschäftigung sprechen.

aa) Kriterien einer Inlandsbeschäftigung

Folgende Kriterien zieht man heran, um eine Inlandsbeschäftigung anzunehmen: deutscher Gerichtsstand, Anwendbarkeit deutschen Arbeitsrechts, Beschränkung oder Befristung eines etwaigen Auslandsaufenthalts oder ein Arbeitsvertrag mit einem inländischen Unternehmen.139 Es geht insgesamt also immer darum, wo das Beschäftigungsverhältnis selbst seinen Mittelpunkt hat. Das muss nicht zwangsläufig der Ort sein, an dem die Arbeitsleistung erbracht wird.

Schwierig wird die Abgrenzung, wenn mehrere Kriterien zusammenfallen, beispielsweise, wenn ein Arbeitsvertrag mit einem inländischen Unternehmen bei Verwendung eines ausländischen Arbeitsvertrages unter Vereinbarung eines ausländischen Gerichtsstandes abgeschlossen wurde. Es ist dann nicht leicht zu ermitteln, wo das Zentrum des Beschäftigungsverhältnisses liegen soll. Letztlich werden diese Grenzen auf einem internationalen Arbeitsmarkt zunehmend fließender. Im Einzelfall wird man daher die Gesamtumstände unter Berücksichtigung des Schutzinteresses des Arbeitnehmers abwägen müssen. Auf europäischer Ebene ist der Schutzstandard in Deutschland meist höher als in anderen Ländern.

bb) Ein- und Ausstrahlung

In diesem Zusammenhang wird auch die Anknüpfung zu den Vorschriften der Ein- und Ausstrahlung in § 4 und § 5 SGB IV relevant. Ein- und Ausstrahlung sind verunglückte Begriffe für im Grunde genommen einfache Sachverhalte. Im Kern ist damit schlicht die befristete Entsendung eines deutschen Mitarbeiters ins Ausland bei bestehendem Beschäftigungsverhältnis in Deutschland gemeint (dann Ausstrahlung) oder die Entsendung eines ausländischen Mitarbeiters bei ausländischem Beschäftigungsverhältnis und zeitlicher Begrenzung ins Inland (dann Einstrahlung). Warum man das Ein- und Ausstrahlung nennen muss, ist semantisch überaus fragwürdig. Der Begriff „Strahlung“ ist plastisch und blumig, aber sprachlich und inhaltlich irreführend. Weder Beschäftigte noch Beschäftigungsverhältnisse „strahlen“ und erst recht nicht strahlen sie ins Ausland oder ins Inland. Besser wäre es wohl, von temporärer Aussendung und Hineinsendung zu sprechen.

In zeitlicher Hinsicht bedingt die zunehmende Globalisierung der Wirtschaft mitunter längere Auslandsaufenthalte. Starre zeitliche Grenzen lassen sich daher nicht festlegen. Deswegen normiert § 4 SGB IV, dass eine Entsendung eines Arbeitnehmers ins Ausland seine Versicherungsverpflichtung und Berechtigung nicht berührt, wenn das Beschäftigungsverhältnis es nach seiner Eigenart verlangt oder es sogar vertraglich zwischen den Parteien vereinbart ist. Genauso begründet es die Versicherungsverpflichtung, wenn ein ausländischer Arbeitnehmer nach Deutschland entsendet wird.140 Die Eigenart des Arbeitsverhältnisses lässt sich nur feststellen, indem man den Arbeitsvertrag auslegt.141

Bei klassischen kurzzeitigen Tätigkeiten wie Montage oder Reparaturarbeiten liegt das auf der Hand. Schwieriger kann es hingegen sein, sobald die Arbeit eine Dauer von 24 Monaten übersteigt, weil insoweit eine Kollision mit Art. 12 I VO (EG) 883/2004 entsteht. Die Richtlinie sieht nämlich in Art. 12 eine zeitliche Höchstgrenze der Entsendung von 24 Monaten vor. Das dürfte insoweit die europarechtliche Höchstdauer sein. Sobald ohnehin eine unbegrenzte Dauer der Auslandsbeschäftigung vorgesehen ist, erlischt der deutsche Sozialversicherungsschutz. Die Grundsätze gelten für sämtliche Sozialversicherungszweige und somit auch für das Insolvenzgeld.142 Demnach ist es auch eine Inlandsbeschäftigung im Sinne von § 165 Abs. 1 S. 2 SGB III, wenn der Arbeitnehmer entsendet wurde. Umgekehrt begründet nicht jeder nach Deutschland entsendete Arbeitnehmer eine Inlandsbeschäftigung im Sinne von § 165 Abs. 1 S. 2 SGB III. Trotzdem muss auch hier die Beurteilung anhand der bereits beschriebenen Merkmale erfolgen. Die Gewichtung kann dabei durchaus unterschiedlich ausfallen, wie die Entscheidung des EuGH in Sachen Dimosio/Stroumpoulis zeigt.143 Im Rahmen von Betriebsfortführungen in Konzernstrukturen ist insoweit ebenfalls zu bedenken, dass eine Umstrukturierung von gesamten Betriebsteilen ins Ausland Auswirkungen auf den Anspruch auf Insolvenzgeld haben kann. Gleichwohl dürften Probleme hier eher die Ausnahme bleiben, weil eine weitreichende Verlagerung von Betriebsteilen inklusive der Arbeitnehmer kaum kurzfristig funktioniert. Sie wird nur höchst selten im vom Insolvenzgeld abgedeckten Krisenzeitraum stattfinden können.

e) Innerhalb des Dreimonatszeitraums
aa) Regelfall

Der Zeitraum, in dem Insolvenzgeld gewährt wird, erstreckt sich grundsätzlich auf die letzten drei Monate des Ausfalles des Arbeitsentgeltes vor dem Insolvenzereignis. Gemeint sind damit nicht nur die drei Monate vor dem Insolvenzereignis. Auch länger zurückliegende Ansprüche werden erfasst, soweit noch Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis offengeblieben sind.

Insoweit ist § 165 Abs. 3 SGB III die Ausnahme zu diesem Grundsatz, weil in Unkenntnis des Insolvenzereignisses weiterarbeitende Arbeitnehmer geschützt werden sollen. Die Berechnung des Dreimonatszeitraumes kann nach der allgemein anerkannten Vorgehensweise bei der Fristberechnung erfolgen.144 Dazu stellt man zuerst den Fristbeginn fest. Das BSG vertritt für den Fristbeginn, dass es darauf ankomme, wann erstmals die Zahlungsunfähigkeit durch ein Insolvenzereignis hervorgetreten sei.145 Das ist terminologisch ungenau, weil es verschiedene Begriffe miteinander vermengt. Die insolvenzrechtliche Zahlungsfähigkeit ist kein Insolvenzereignis im Sinne von § 165 Abs. 1 SGB III und ein Insolvenzereignis im Sinne von § 165 Abs. 1 SGB III lässt nicht zwingend den Schluss auf die insolvenzrechtliche Zahlungsunfähigkeit zu, obwohl die Zahlungsunfähigkeit – neben anderen erforderlichen Kriterien – materielle Grundlage der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist. Zahlungsunfähigkeit kann aber schon lange vor einem sozialrechtlichen Insolvenzereignis vorgelegen haben. Ein Insolvenzverfahren kann auch fälschlich aufgrund von Zahlungsunfähigkeit eröffnet sein. Außerdem kennt das Insolvenzrecht auch andere Eröffnungsgründe. Bei einer drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) oder Überschuldung (§ 19 InsO) kann das Verfahren ebenso eröffnet werden, ohne dass es auf die Zahlungsunfähigkeit ankäme. Deswegen ist diese Anknüpfung insolvenzrechtlich zumindest ungenau. Diese Ungenauigkeit wird später noch weitere Argumente liefern.

Besser wäre es, den Fristbeginn daran zu knüpfen, wann sich erstmals ein Insolvenzeröffnungsgrund oder ein Mangel der Masse in Form eines sozialrechtlichen Insolvenzereignisses manifestiert hat. Dabei – und jetzt kommt eine Besonderheit – muss aber zuerst das Ende des Insolvenzgeldzeitraumes (ab dem Ereignis) und nicht der Anfang bestimmt werden. Der Zeitraum wird also rückwärts berechnet. Das Ende des Insolvenzgeldzeitraumes ist zugleich der Fristbeginn für die Dreimonatsfrist. Fristbeginn für die Berechnung der Dreimonatsfrist ist das Ereignis, an dem erstmalig ein Insolvenzereignis eingetreten ist. Es gilt § 187 Abs. 1 BGB. Der Ereignistag selbst ist deshalb nicht mit einzuberechnen. Demnach beginnt die Frist am Tag vor dem Insolvenzereignis. Zur Veranschaulichung der oben dargestellten Grundsätze soll folgende vereinfachte Grafik dienen:


Anders berechnet sich der Insolvenzgeldzeitraum, wenn das Arbeitsverhältnis endet, bevor das Insolvenzereignis eintritt. Dann ist der letzte Tag des Arbeitsverhältnisses maßgeblich. Dadurch kann Insolvenzgeld auch Arbeitnehmern zustehen, die noch offene Ansprüche haben, die lange vor dem Insolvenzereignis entstanden sind. Hat beispielsweise ein Arbeitnehmer, der vor mehreren Jahren im Unternehmen war, noch offene Ansprüche auf Arbeitsentgelt, könnte dieser zumindest theoretisch noch Insolvenzgeld bekommen.146 Auch dazu direkt zur Veranschaulichung folgendes Schaubild:


bb) Gegenauffassung

Anders sieht das wohl Peters-Lange, die an die auf dem Eröffnungsbeschluss angegebene Stunde anknüpfen will, weil § 187 Abs. 1 BGB für die Berechnung der Frist und damit des Fristendes gemäß § 188 Abs. 2 BGB nicht heranzuziehen sei, da das Gesetz den Fristbeginn auf den Insolvenzzeitpunkt lege.147 Auch wenn Folgeüberlegungen im Rahmen der juristischen Methodik mitunter zweifelhaft sein können, kann diese Ansicht beim Blick auf die praktischen Folgen nur eingeschränkt überzeugen. Sie wird der modernen Vielfalt von Arbeitszeitmodellen nicht gerecht und führt gerade bei größeren Unternehmen mit komplexen Personalstrukturen zu einer unnötig komplizierten Berechnung für die Bundesagentur für Arbeit und die Lohnbuchhaltung des Unternehmens. Wenn beispielsweise ein Gleitzeitmodell oder Schichtarbeit stattfindet, wird die Berechnung nahezu unmöglich. Es war mit Sicherheit nicht die Intention des Gesetzgebers, individuell unterschiedliche Zeiträume zu produzieren. Auch in systematischer Hinsicht spricht nichts dafür, die Frist an die konkrete Uhrzeit des Eröffnungsbeschlusses anzuknüpfen, statt an den Beginn bzw. Ablauf eines Kalendertages. Das systematisch vor dem Insolvenzgeld geregelte Arbeitslosengeld knüpft in § 150 SGB III ebenfalls an volle Tage an. Nur das lässt überhaupt eine einheitliche Überprüfung des Zeitraumes zu. Es ist also nicht nur aus praktischen Gründen sinnvoll, weil die Einbeziehung von einzelnen Arbeitsstunden bis zur genauen Stunde des Insolvenzereignisses überaus umständlich und kompliziert wäre, sondern es ist auch systematisch naheliegend. Gerade bei Unternehmen mit vielen Mitarbeitern und beispielsweise flexiblen Arbeitszeitmodellen wäre eine Berechnung auch für die Vorfinanzierung ein bürokratisches Problem. Man müsste dann nämlich für jeden Mitarbeiter die konkrete Stundenanzahl an dem Tag bis zur Stunde des Insolvenzereignisses nachvollziehen. Der damit verbundene Mehraufwand allein ist sicher kein Argument. Systematisch und dem Zweck der Norm nach kann man dem Gesetzgeber kaum unterstellen, dass er den Fristbeginn im Sozialrecht an die Eröffnungsstunde koppeln wollte. Das kann auch mit Blick auf andere Sozialleistungen nicht richtig sein.148 Das BSG knüpft daher m.E. zurecht an den vollen Tag an.

cc) Ausnahme § 165 Abs. 3 SGB III

Bisher wurde der Regelfall der Zeitraumberechnung dargestellt. Gerade bei andauernden Sanierungsversuchen ohne Beteiligung eines Insolvenzverwalters müssen die finanziellen Schwierigkeiten für die Arbeitnehmer nicht nach außen erkennbar sein. Die Arbeitnehmer sind üblicherweise vorleistungspflichtig und haben keine realistische Möglichkeit, die Liquidität des Unternehmens zu prüfen. Gerade neue Arbeitnehmer werden kaum erkennen, ob in der Vergangenheit ein Insolvenzereignis eingetreten ist. Deshalb ist die Ausnahme in § 165 Abs. 3 SGB III insoweit von entscheidender Bedeutung. Die Vorschrift zeigt den Schutzcharakter des Insolvenzgelds für die Arbeitnehmer und gewährt ihnen eine Absicherung sogar für den Fall der Weiterbeschäftigung bzw. Aufnahme der Arbeit in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses. Die Norm erweitert also den sozialrechtlichen Schutz für die Arbeitnehmer, da es auf deren erstmalige Kenntnis ankommt. Es handelt sich also um eine subjektive Frist. Erst durch die Kenntnis beginnt der Dreimonatszeitraum. Für eine Sanierung oder Fortführung ist diese Sonderkonstellation nur im Rahmen von Neueinstellungen von Bedeutung, weil der Insolvenzverwalter oder eigenverwaltende Schuldner gegenüber der vorgefundenen Belegschaft mit „offenen Karten“ spielen wird, um die Zusammenarbeit zu sichern. Spätestens die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters wird zudem öffentlich bekannt gemacht.


dd) Ruhende Arbeitsverhältnisse

Eine weitere Besonderheit stellen ruhende Arbeitsverhältnisse dar. Der EuGH hat in der Entscheidung EuGH 15. Mai 2003 – C 160/01 (Mau) klargestellt, dass nur solche Ansprüche vom Insolvenzgeld erfasst sind, die ihrer Natur nach zu offenen Ansprüchen auf Arbeitsentgelt führen können.149 Wann die „Natur des Arbeitsverhältnisses“ zu keinen offenen Ansprüchen führt, ist damit nicht geklärt. Die Entscheidung bezog sich aber ausschließlich auf ruhende Arbeitsverhältnisse. Die klassischen Fälle sind hier das Krankengeld oder die Inanspruchnahme von Elterngeld. In diesem Fall ist für die Fristberechnung an den letzten Tag anzuknüpfen, bevor das Arbeitsverhältnis suspendiert wurde.150 Die Berechnung funktioniert also prinzipiell gleich, nur, dass weder das Insolvenzereignis noch die Kenntnis davon entscheidend sind, sondern allein der letzte Tag vor dem Beginn des Ruhens.

Unklar ist aber, ob man die Entscheidung darüber hinaus so verstehen kann, dass es immer nur dann Insolvenzgeld geben soll, wenn die Natur des Arbeitsverhältnisses offene Ansprüche zur Folge hat. Die „Natur“ des Arbeitsverhältnisses ist insoweit ein ziemlich offener und unklarer Begriff. Gerade in den Konstellationen der Dritthaftung, wie sie oben geschildert wurden, ist es immerhin denkbar, dass auch diese ihrer Natur nach nicht zu offenen Ansprüchen führen können. Gleichwohl dürfte aber die Entscheidung des EuGH auf diese Fallkonstellation kaum abgezielt haben, sodass die Ausführungen zur „Natur des Arbeitsverhältnisses“ nicht überdehnt werden sollten. Es handelt sich tatsächlich nur um eine beschränkte Umschreibung mit eingeschränkter Übertragbarkeit auf andere Fälle.

4. Insolvenzereignisse

Das Gesetz sieht in § 165 Abs. 1 SGB III drei verschiedene Insolvenzereignisse vor. Diese lassen sich in zwei formelle Insolvenzereignisse und ein materielles Insolvenzereignis unterteilen. Die beiden formellen Insolvenzereignisse sind (1.) die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers und (2.) die Abweisung mangels Masse. Materielles Insolvenzereignis ist (3.) die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland. Man kann nunmehr fragen, warum diese Differenzierung notwendig ist. Letztlich müssen die Ereignisse nicht kumulativ vorliegen, sodass es gleichgültig ist, ob sie eher formeller oder materieller Natur sind. Es wird sich jedoch zeigen, dass sich die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die Abweisung mangels Masse wesentlich von der Beendigung der Betriebstätigkeit unterscheiden. Schon deshalb ist die Aufteilung naheliegend. Die Insolvenzereignisse sind abschließend. Andere Ereignisse, die womöglich ebenfalls Indizien für Zahlungsschwierigkeiten sein können, sind keine eigenen Insolvenzereignisse. Sie gehen im weiteren Verlauf des Verfahrens regelmäßig in einem der drei Ereignisse auf. So genügt der Insolvenzantrag selbst ebenso wenig wie die Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder eines vorläufigen Sachwalters. Nicht einmal die Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters unter gleichzeitiger Verhängung eines allgemeinen Verfügungsverbotes (vorläufig „starker“ Insolvenzverwalter) ist ausreichend, obwohl dies einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits sehr nahekommt. Selbstredend ist damit auch die Durchführung des in § 270b und d InsO normierten Schutzschirmverfahrens als besondere Spielart der vorläufigen Eigenverwaltung kein eigenes Insolvenzereignis.151 Aufgrund dieses Verständnisses ist es auch nicht naheliegend, die tatsächliche wirtschaftliche Lage als Argumentation in anderen Kontexten zu bemühen.152

a) Formelle Insolvenzereignisse
aa) Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens richtet sich nach den allgemeinen insolvenzrechtlichen Vorschriften der §§ 11ff InsO. Es sind insoweit die typischen Voraussetzungen zu prüfen, nämlich die Zulässigkeit und Begründetheit des Insolvenzantrages und die Deckung der Verfahrenskosten. Ohne Kostendeckung muss der Antrag gemäß § 26 Abs. 1 InsO abgewiesen werden, da ein Insolvenzverfahren nicht ausschließlich auf Kosten der Staatskasse durchgeführt werden darf.153 Deswegen stellen die institutionellen Gläubiger das auch üblicherweise direkt im Insolvenzantrag klar. Das Gericht trifft diesbezüglich gemäß § 16 InsO eine Amtsermittlungspflicht. Die tatsächlichen Grundlagen für die Eröffnungsentscheidung müssen so weit wie möglich aufgeklärt werden. Es wird die Voraussetzungen in der Regel aber nicht selbst prüfen, sondern einen Sachverständigen – meist zugleich den späteren vorläufigen und endgültigen Insolvenzverwalter – mit der Prüfung der Voraussetzungen im Wege eines Gutachtens beauftragen.154 Das Gericht delegiert damit einen Großteil der Ermittlungstätigkeit auf den Sachverständigen, bleibt aber gleichwohl verpflichtet, die Eröffnungsvoraussetzungen selbstständig zu prüfen.155 Zwischen Gericht und Sachverständigem besteht insoweit ein Kooperationsverhältnis. Der Sachverständige wird den Großteil der Ermittlungen selbst führen und dem Gericht entsprechend darüber berichten. Das Insolvenzgericht sollte sich aber nicht ausschließlich auf das Ergebnis des Gutachters verlassen, sondern das Gutachten zumindest summarisch auf inhaltliche Richtigkeit prüfen. Beispielsweise sind unterschiedliche Stichtage für Konten, Rechenfehler oder Widersprüche aufzuklären. Dabei ist aber auch zu berücksichtigen, dass der Sachverständige mitunter mit einer „Wäschekorbbuchhaltung“ konfrontiert ist.156 Die Aufsicht ist also mit Augenmaß auszuüben. Das Gericht sollte jedenfalls nicht nur das Ergebnis des Gutachtens übernehmen.157

Der Sachverständige hat verschiedene Auskunftsrechte. Der Schuldner ist gemäß § 20 Abs. 1 InsO zur Mitwirkung verpflichtet. Die Aufforderung zur Mitwirkung erfolgt bereits im Erstanschreiben des Sachverständigen an den Schuldner. Darin werden bereits wesentliche Informationen für das spätere Gutachten abgefragt (Kreditorenliste, Debitorenliste, aktuelle Inventur, Fahrzeuge etc.). Diese werden dann meist persönlich mit dem Schuldner besprochen. Anhand dieser Informationen wird der Sachverständige dann die Frage beantworten, ob die Masse ausreicht, um die Verfahrenskosten zu decken und, ob ein Insolvenzgrund vorliegt. Der Schuldner ist gemäß § 17 InsO zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Verbindlichkeiten zu erfüllen. Eine Überschuldung hingegen liegt gemäß § 19 InsO vor, wenn das Vermögen des schuldnerischen Unternehmens die bestehenden Verbindlichkeiten insgesamt nicht mehr deckt; es sei denn, die Fortführungsprognose ist positiv. Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit können kumulativ vorliegen, sind aber trotzdem streng voneinander zu unterscheiden. Ist das Gericht davon überzeugt, dass Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorliegen, eröffnet es das Insolvenzverfahren gemäß § 27 InsO. Anhand dieses Ablaufes wird deutlich, warum die Eröffnung des Verfahrens hier als formelles Insolvenzereignis anzusehen ist. Der Entscheidung geht eine umfassende Überprüfung der Vermögenslage durch das Gericht bzw. den Sachverständigen voraus. Die Beteiligten haben in der Regel Zugriff auf die entsprechenden Unterlagen des Schuldners, sofern dieser mitwirkt. Der Sachverhalt ist weitgehend aufgeklärt. Die Wahrscheinlichkeit einer Fehleinschätzung ist gering.

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