Читать книгу: «Shana», страница 7

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Eine Königin?“, entfuhr es Belly und Shana gleichzeitig.

„Ja, eine Königin. Ich hab nicht gesehen, ob sie Eier legt oder neue Katongis ausbrütet. Aber ich hab gesehen, dass sie den Gral bewacht.“

„Und sie hat nicht geschlafen?“ In Shanas Handfläche, die immer noch den Knauf fest umschlossen hielt, bildete sich ein feiner Schweißfilm.

„Ich war mir nicht sicher“, gab Adam zu. „Aber sie war mir zu groß.“

„Sie war dir zu groß?“ Belly schluckte. „Wie groß?“

„So groß wie … hm …“ Der Goshi blickte zur Decke. „So groß wie mein Haus. Ungefähr.“

„So groß wie dein Haus.“ Shana nickte grimmig. „Das ist tatsächlich groß. Und ihre Zähne sind demnach auch so groß.“

„Ich hab sie nicht sehen können“, beeilte sich Adam zu sagen. „Ihr Mund war geschlossen. Sie schlief ja.“

„Wie beruhigend“, seufzte Shana. Dann kam ihr ein Einfall. „Hast du eine Schere?“

Adam schaute sie fragend an. „Was ist eine Schere?“

„Oder ein Messer?“

„Was ist ein Messer?“

Shana gab es auf. „Macht nichts. Kann man nichts machen. Wir hätten uns ein paar Haare abschneiden und sie damit ablenken können. Belly, komm jetzt. Mehr als unsere Haare verlieren können wir nicht. Wird schon klappen.“

„Shana …“, wandte Belly zaghaft ein. „Sie ist so groß wie dieses Haus! Die rasiert uns nicht, die frisst uns ganz!“

Anstelle einer Antwort öffnete Shana die Tür. Belly hielt den Atem an. Aber aus der dunklen Öffnung schossen keine Haarfresser herein. Auch sonst war kein Laut zu vernehmen. Die Nacht lag wie ein schwerer Vorhang vor dem Durchgang.

„Du kannst ja hierbleiben“, sagte Shana mit fester Stimme, aus der aber doch ein klein wenig ihre Beklemmung herausklang. „Ich geh jetzt.“

„Ich komm schon“, sagte Belly und holte tief Luft. „Ach ja, Adam, wo müssen wir überhaupt lang?“

„Wenn ihr rauskommt, steht ihr auf dem Dorfplatz. Ihr wendet euch nach rechts, nehmt den breiten Weg aus dem Dorf hinaus und lauft etwa fünf Minuten. Dann seht ihr schon den Berg. Es gibt nur einen Eingang, der groß genug für euch ist. Ist nicht zu übersehen.“

„Danke“, grunzte Belly. „Drück uns die Daumen.“

Adam starrte Belly ratlos an. „Wie soll ich das machen? Soll ich mitkommen und euch die ganze Zeit die Daumen halten?“

Shana musste lachen. „Nein, nein, das sagt man bei uns so, wenn man jemandem Glück wünscht.“

„Ach so. Na klar wünsch ich euch Glück! Ich wäre so gern wieder einmal draußen, ohne Angst zu haben, kahl gefressen zu werden! Und mein Fell möchte ich auch wiederhaben. Und in der Sonne sitzen …“

„Das wirst du!“, sagte Shana bestimmt. Damit ging sie zurück, nahm Belly an der Hand und zog ihn mit sich durch die niedrige Tür hinaus auf den Dorfplatz.

* * *

„Ich drück euch die Daumen!“

Shana blickte zurück und sah Adam, wie er seinen linken Daumen in die Höhe streckte und ihn mit der rechten Hand umschloss. Sie musste lächeln. Sie hatte das kleine, affenähnliche Wesen in ihr Herz geschlossen. Und wenn er auch nur gemalt ist, dachte sie, ich mag ihn.

Doch dann verschwand der Goshi in seinem Haus, schloss die Tür hinter sich, und die Dunkelheit legte sich beklemmend über Belly und Shana. Sie lauschten in die Nacht.

„Hörst du was?“, fragte Belly leise.

„Nein“, antwortete Shana ebenso leise. „Vielleicht gibt es wirklich keine anderen Lebewesen hier. Rufus hat das Bild mit dem Dorfplatz gemalt, die Felder, den Wald und den Berg, dazu die Katongis und die Goshis, und das war’s.“

„Nichts sonst?“, entfuhr es Belly verblüfft. „Aber das ist ja total langweilig!“

Shana nickte, was Belly nur in Umrissen wahrnahm. Aber so langsam gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit. Im Hintergrund erkannte er die dunkle Linie des Waldes. Zudem spendeten hier und da erleuchtete Fenster der Häuser der Goshis den einen oder anderen Lichtstreifen.

„Du hast recht“, sagte Shana entschieden. „Aber das hat auch Vorteile. Vor irgendwelchen wilden Tieren brauchen wir uns nicht zu fürchten. Komm, wir müssen da lang.“

Schon nach wenigen Schritten erreichten sie den Rand des Dorfplatzes. Der Weg, der aus dem Dorf hinausführte, hob sich deutlich von der dunklen Umgebung ab. Belly blickte sich noch einmal kurz um, blieb aber nicht stehen, als sie das scheinbar schützende Dorf verließen. Ausgerechnet jetzt spürte er, dass die tollen Schuhe, die er sich von der Multiwand hatte machen lassen, wieder zu drücken anfingen. Unwillkürlich dachte er an zu Hause. Was seine Eltern jetzt wohl machten? Hatten sie die Kontrollpolizei informiert? Oh Mann, dann würde es tierischen Ärger geben! Das Mindeste war ein Monat ohne Anifilme …, doch plötzlich ging ihm auf, wie unwichtig das war. Er befand sich in einer gemalten Traumwelt, musste ein magisches Gel von einer Rasierapparatekönigin klauen, um ein Bild zu malen, das ihn vielleicht wieder zurückbrachte, und das war wirklich ein weitaus größeres Problem, als einen Monat lang auf Anifilme zu verzichten.

„Da hinten ist der Berg!“, flüsterte Shana neben ihm. Belly zuckte zusammen und schaute auf. Schemenhaft schälten sich die Umrisse eines Hügels ab, der sich nicht allzu weit vor ihnen erhob.

„Das ist doch kein Berg“, murmelte Belly. „Höchstens ein Hügel.“

„Vergiss nicht, dass die Goshis viel kleiner sind als wir“, erinnerte ihn Shana. „Und außerdem haben sie keinen Vergleich. Sie wissen doch gar nicht, wie hoch Berge wirklich sein können.“

Inzwischen konnten Shana und Belly ganz gut sehen, und es dauerte nicht lange, bis sie vor der Flanke des Hügels standen, der sich vielleicht zwanzig Meter über dem an ihm endenden Weg in den Himmel reckte. Shana musterte die Erhebung eingehend. Nicht ein Baum oder Strauch wuchs auf dem Hügel. Das Ganze sah aus wie ein riesiger Ball, der zur Hälfte in der Erde versunken schien.

„Das Ding passt irgendwie zu den Katongis, findest du nicht?“

„Hm“, nickte Belly. „Genauso rund wie die Viecher selbst. Wahrscheinlich ist das ihr Bau, und sie haben ihn selbst errichtet. Sieht nicht so aus, als wäre das Ding ein normaler Hügel in der Landschaft.“

„Hier hat niemand etwas selbst gebaut“, warf Shana ein. „Alles, was du siehst, hat Rufus gemalt.“

„Das glaube ich irgendwie nicht.“ Belly hielt den Kopf in den Nacken, um hinaufschauen zu können. „Was auch immer dieses Gel bewirkt, die Goshis sind zu lebendig, als dass sie gemalte Wesen sein können. Vielleicht sind die Traumbilder nur Türen zu Welten, die irgendwo im Weltraum existieren.“

Shana warf Belly einen erstaunten Blick zu. Diese Gedanken hätte sie ihrem Freund gar nicht zugetraut. Obwohl sie hier vor einem unheimlichen Hügel stand, der merkwürdige und mit Sicherheit recht unfreundliche Wesen beherbergte, musste sie ihre Meinung über Belly ein weiteres Mal korrigieren. Er wurde nicht nur immer mutiger, er hatte auch gute Ideen. Sie wusste nicht recht, was sie darauf antworten sollte, also schwieg sie. Aber Belly nicht.

„Mir tun die Füße weh. Meine Schuhe drücken. Und ich hab Hunger.“

„Hast du die Taschenlampe?“

„Hm.“

„Mach sie nur im Notfall an. Noch können wir ja ganz gut sehen. Siehst du die Löcher da?“

Belly kniff die Lider zusammen. Jetzt nahm auch er die vielen kleinen Löcher wahr, die den Hügel durchzogen wie ein Sieb. Sie waren kreisrund und in etwa so groß, dass eine Bowlingkugel durchpassen würde.

„Das sind ihre Eingänge“, murmelte Shana.

„Aber da passen wir nie durch“, brummte Belly.

„Nein, aber Adam hat gesagt, es gibt ein großes Loch, das wir nehmen können.“

Belly hob den Arm und zeigte nach oben. „Meinst du das da?“

Shana folgte seinem Blick und entdeckte etwa auf halber Höhe des Hügels eine große dunkel gähnende Öffnung. Auch sie war kreisrund, besaß aber den Durchmesser einer Tunnelröhre.

Shana schluckte. „Das muss es sein. Bestimmt ist dieser Eingang für die Königin.“

„Vielleicht ist es auch ein Ausgang für die Königin“, krächzte Belly.

„Belly, die Katongis schlafen jetzt alle. Warum sollte ausgerechnet die Königin wach sein? Adam hat nur Angst gehabt, weil sie so groß ist. Los, komm! Wir können die kleinen Löcher als Leiter benutzen.“

Bevor Belly antworten konnte, dass auch er Angst hatte, weil die Königin so groß war, begann Shana bereits mit dem Aufstieg. Geschickt benutzte sie die kleinen Löcher, stellte ihren Fuß in das erste, testete, ob sie nicht wegrutschte, und stieg dann sicher von einem zum anderen. Belly seufzte und versuchte, es ihr nachzumachen. Es ging wesentlich einfacher, als er gedacht hatte. Das einzige, was ihn störte, war die wunde Stelle an seiner Ferse, die sich immer mehr aufscheuerte. Aber im Moment war seine Anspannung so groß, dass er nicht weiter darauf achtete. Zwei Minuten später hatte er die Hälfte des Hügels erklommen und hievte sich neben Shana in das große gähnende Loch. Ein leichter, milder Luftzug strich an ihm vorbei. Obwohl er von der für ihn ungewohnten Anspannung schwer atmete und schwitzte, überkam ihn ein Frösteln.

„Alles okay?“, fragte Shana leise.

„Ja, klar, was dachtest du denn?“, antwortete Belly viel mutiger, als er eigentlich wollte. „Soll ich die Lampe einschalten?“

„Warte noch. Versuchen wir’s erstmal so.“

Mit bis zum Hals klopfenden Herzen stellten sich Belly und Shana in diesen unheimlichen Tunnel und starrten hinein.

„Shana?“

„Hm?“

„Wenn diese Riesenkugel aufwacht und hier rausrollt, macht sie uns platt.“

Das Gleiche hatte Shana auch gerade gedacht, aber das wollte sie Belly nicht sagen.

„Hör mal, Belly, ich glaube, Rufus hat sich einen Spaß draus gemacht, die Goshis und die Katongis zu malen. Böse sind die Haarfresser ja nicht, nur hungrig. Er konnte ja nicht wissen, dass das Bild mit den Haaren kaputt geht.“

„Trotzdem `ne blöde Idee, sich lebendige Rasierapparate auszudenken“, murrte Belly.

„Ich glaube nicht, dass die Königin jemals aus ihrem Bau rauskommt. Sie ist wie eine Bienenkönigin, die bleibt auch für immer im Nest und legt die Eier.“

„Schon“, meinte Belly nervös. „Aber dann erklär mir mal, warum sie diesen Ausgang hier braucht?“

Darauf fiel Shana nichts Passendes mehr ein. „Egal, jetzt schlafen die alle. Lass uns reingehen.“

Als sich Belly die ersten Meter in den Tunnel hineingetastet hatte, wurden ihm seine Knie weich. Je mehr sie sich vom Eingang entfernten, desto dunkler wurde es, bis sie schließlich die Hand nicht mehr vor Augen sehen konnten. Belly blieb stehen, und auch Shana zögerte.

„Ich mach jetzt die Lampe an“, murmelte Belly. „Wenn wir nichts sehen, treten wir noch auf die drauf.“

„Okay, aber deck den Strahl erstmal mit deiner Hand ab.“

Belly legte seine linke Hand über die Lampe und schaltete sie ein. Das Licht der Lampe beleuchtete seine Finger in unheimlichem Rot. Belly passte auf, dass nicht zu viel Licht nach außen drang, aber es genügte, sich im Gang orientieren zu können. Der Hügel bestand im Innern aus seltsamem halbfesten Material. Der Boden federte bei jedem Schritt, und auch die Wände gaben nach, als Shana dagegen drückte. Voraus verlor sich der Gang im Dunkel, aber es war deutlich zu erkennen, dass er nach unten führte.

„Lass sie so“, flüsterte Shana. „Los, weiter!“

Einen Fuß langsam vor den anderen setzend schlichen Belly und Shana den Tunnel hinab. Da der Hügel nicht allzu groß war, war das Gefälle ziemlich stark, so dass sich die beiden immer mehr nach hinten lehnen mussten, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Doch lange brauchten sie nicht zu gehen.

„Warte!“, zischte Shana und hob die Hand. „Der Gang ist zu Ende! Sei bloß leise! Ich glaube, da kommt eine Höhle …“

Behutsam und so sachte wie möglich machte Shana drei, vier Schritte, dann blieb sie erneut stehen und winkte Belly heftig.

Sieh dir das an!“, flüsterte sie.

Atemlos trat Belly neben sie und versuchte, die Dunkelheit mit den Augen zu durchdringen. Seine Hand verkrampfte bald von dem Versuch, ständig das Licht zu dämpfen. Doch was er erblickte, ließ ihn alles vergessen. Der Tunnel hatte sich in eine große Höhle hinein geöffnet. Sie besaß etwa das Ausmaß einer Turnhalle, nur dass sie rund war. In den Wänden erkannte Belly viele kleine Löcher. Da müssen sie durchkommen!, durchzuckte es ihn. Und dann sah er sie. Es waren unglaublich viele. Sie bedeckten den Boden wie Bälle in einer Kinderspielkiste. Nur dass diese Bälle acht Augen und acht Beine hatten. Jetzt war davon nichts zu sehen, denn die Katongis lagen unbeweglich da. Hätte Belly nicht gewusst, dass es sich um Lebewesen handelte, er hätte diese Ansammlung von Kugeln für kreisrunde Steine gehalten. Aber das, was ihm wirklich den Magen zusammenzog, war die gigantische Kugel, die wie eine große Mutter auf einem wie ein kleiner Vulkan aussehenden aufgeschütteten Sandring ruhte. Unwillkürlich wollte Shana nach Bellys Hand greifen, aber der hielt ja die Lampe mit der einen, und mit der anderen deckte er das Licht ab.

„Die ist wirklich groß wie ein Haus …“, flüsterte sie ehrfürchtig.

„Wenn die sich auch von Haaren ernährt, wird sie verdammt hungrig sein“, meinte Belly kaum hörbar. „Sieh mal, da! Die Traumfarbe!“

Shana kniff die Augen zusammen, und dann entdeckte sie den kleinen Tiegel und auch das Bild, das Adam gemalt hatte. Am Fuße des aufgeschütteten Sandwalls, in dem die Königin wie eine in den Sand geplumpste gigantische Bocciakugel thronte, hatte sie wohl eine weitere kleine Vertiefung ausgehoben und den Tiegel und das Bild hineingelegt.

Shana schluckte. Sie stellte sich vor, wie dieses riesige Viech seine jetzt verborgenen Arme ausfuhr und damit eine solche Tunnelröhre buddelte wie die, durch sie gekommen waren. Ihre Nackenhaare richteten sich auf, als sie die Linie des Mauls erkannte, das beinahe von einem Ende der Kugel zur anderen reichte.

„Was machen wir denn jetzt?“, kam es so leise von Belly, dass sie ihn kaum verstand. „Wenn wir das Gel haben wollen, müssen wir mitten durch die Viecher durch!“

Shana legte langsam ihre Beklommenheit ab. Ihr Herz klopfte immer noch bis zum Hals, aber jetzt sah sie das Gel und beschloss, zu handeln. Sie betrachtete die vielen Kugeln, die in verschiedenen Größen in der gesamten Höhle herumlagen und schliefen. Manche erreichten die Größe eines Fußballs, andere die von Billardkugeln, und Shana entdeckte auch winzig kleine, nicht größer als Tischtennisbälle. Hier und da gab es Lücken in dem Meer aus Katongis. Das war ihre einzige Chance.

„Wenn du mir leuchtest, geh ich durch und hol die Sachen.“

Shana bereute ihre Worte schon, bevor sie ihren Mund verlassen hatten. Da durch? Aber einer musste es tun. Belly hatte die Lampe, aber man würde beide Hände brauchen, das Bild und den Tiegel zu holen. Shana seufzte innerlich. Sie fressen nur Haare!, sagte sie sich. Nur Haare! Dann straffte sie sich.

„Leuchte ein bisschen nach unten!“

Belly hielt die Taschenlampe etwas tiefer. Jetzt erkannte er, dass Adam recht gehabt hatte. Die Katongis sahen aus wie alte Fußbälle, ledrig und unansehnlich. Aber wenigstens schienen sie wirklich tief und fest zu schlafen. Mit einem mulmigen Gefühl leuchtete er Shana und sah zu, wie sie den ersten vorsichtigen Schritt zwischen die Leiber der Haarfresser tat. Shana machte das gar nicht schlecht, musste er feststellen. Lücke für Lücke nutzte sie geschickt, setzte ihre Füße genau in die Stellen, die die Katongis freigelassen hatten, und schaffte es tatsächlich, bis vor die Königin vorzudringen. Den massigen Körper direkt vor sich, fehlte ihr noch ein Schritt, um an das Bild und den Tiegel zu gelangen. Gerade als sie diesen letzten Schritt tun wollte und ihr rechtes Bein anhob, um einen volleyballgroßen Haarfresser zu übersteigen, erscholl ein Schreckensruf in ihrem Rücken. Belly!

Shanas Kopf fuhr herum. Bellys Hand schien sich endgültig verkrampft zu haben, denn in eben dem Moment, als Shana sich umblickte, wollte er die Lampe anders fassen, aber sie entglitt seinen Händen und knallte auf den Boden. Ein scharfer Lichtstrahl traf direkt auf einen kleinen Haarfresser, und was nicht hätte passieren dürfen, ließ sich nicht mehr abwenden. Der Katongi wachte auf! Nacheinander öffnete er seine acht Augen, was merkwürdigerweise mit einem Geräusch einherging. Klickklickklickklick …

Belly stand wie erstarrt mit ausgestrecktem Arm über dem plötzlich putzmunteren Haarfresser, der geblendet die Augen schloss, da der Strahl der Lampe direkt auf ihn traf.

Heb sie auf!“, entfuhr es Shana panisch. „Heb sie auf und mach sie aus! Los, mach schon!“

Plötzlich schossen die acht Arme des Katongi aus seinem Körper hervor, und die Kugel hob sich von ihnen getragen in die Luft. Er sah aus wie eine Volleyballspinne, aber zum Lachen war dieser Anblick wahrlich nicht, denn für den Bruchteil einer Sekunde erblickte Belly das sich öffnende Maul dieser Kreatur und die unzähligen rasiermesserscharfen Zähne. Das löste seine Erstarrung. Blitzschnell bückte er sich, um die Lampe zu greifen. Doch seine Körperfülle behinderte ihn. Er schaffte es, die Taschenlampe zu packen, aber dann verlor er das Gleichgewicht und ruderte mit den Armen. Er wollte nicht nach vorne mitten in die anderen Katongis fallen, also kippte er nach hinten in den Gang und fiel auf den Po. Die Lampe glitt ihm wieder aus den Händen, aber Gott sei Dank leuchtete sie in den Tunnel und nicht in die Höhle.

Fassungslos musste Shana mit ansehen, dass der von Belly aufgeweckte Katongi hinter ihm herflitzte. Und er war schneller als jede Spinne. Kaum wahrzunehmen waren seine Bewegungen. Belly war eben dabei, die Taschenlampe wieder an sich zu nehmen, da sprang ihn der Haarfresser an! Belly schrie auf, und im selben Moment ging die Lampe aus.

Belly!“ Shana ließ jede Vorsicht fallen. Aber das hätte sie lieber nicht tun sollen, denn hinter ihr ertönte ein tiefes, brummendes Geräusch. Die Königin wachte auf!

Shana!“ Jetzt schrie Belly. „Er hat mich! Er hat mich! Hiillffe!“

Shana bekam Todesangst. Sie konnte nicht das Geringste mehr sehen. Sie wollte im ersten Impuls losrennen, aber dann wäre sie auf die Katongis getreten. Nicht auszudenken, was das ausgelöst hätte … und hinter ihr brummte die Königin! Shana saß in der Falle. Eiskalte Hände griffen nach ihr, und mit weit aufgerissenen Augen, die doch nicht das Geringste wahrnahmen, starrte sie in die Richtung, wo Belly mit dem Katongi kämpfte. Sie hörte, wie ihr Freund sich hin und her wälzte. Sein schnaufender, panischer Atem erfüllte die Höhle. Zur Hilflosigkeit verbannt, durchlebte Shana die schrecklichsten Sekunden ihres Lebens. Doch dann mit einem Mal herrschte Stille. Nur Bellys und ihre eigenen Atemzüge beherrschten noch die Höhle. Ansonsten kein Geräusch mehr. Stille. Selbst die Königin brummte nicht mehr. Shana hörte, wie Belly sich aufzurichten schien. Was hätte sie alles dafür gegeben, jetzt etwas sehen zu können! Sie atmete tief durch und zählte langsam bis sechzig. Dann beschloss sie, es zu wagen.

Belly …“, hauchte sie in die Höhle. „Belly … was ist mit dir? Bist du in Ordnung?“

J … jja …“, kam es zurück. „Er ist weg.“

Bist du verletzt?“

N … nnnein. Ich glaub nicht.“

Ich glaube, sie schlafen alle wieder!“, flüsterte Shana jetzt etwas lauter. „Wenn du die Lampe anmachst, leuchte gegen die Decke!“

Ich mach die Lampe nie wieder an!“, krächzte Belly zurück. „Nie wieder!“

Du musst!“, drängte Shana. „Oder willst du mich hierlassen? Im Dunkeln trete ich auf die Viecher drauf! Und außerdem sehe ich nicht, wo das Gel liegt! Nun mach schon! Die Haarfresser scheinen im Dunkeln zu erstarren, sonst wären sie längst alle über uns hergefallen! Halt die Hand wieder vor und leuchte gegen die Decke!“

Shana konnte sich genau vorstellen, was in Belly jetzt vorging. Sie konnte ihn verstehen. Wenn sie von einem Haarfresser angefallen worden wäre, würde es ihr genauso gehen. Aber es gab keine andere Möglichkeit. Er musste es tun, sonst war alles umsonst.

Plötzlich erschien das fahle Licht der Taschenlampe. Es war kaum mehr als die rot leuchtende Hand von Belly zu sehen, der sie krampfhaft gegen die Öffnung hielt. Aber es reichte aus, dass Shana sich orientieren konnte. Sie hielt sich nicht lange auf. Wer wusste schon, ob der vorhin von Belly aufgeweckte Haarfresser jetzt wieder fest schlummerte oder nicht. Suchend blickte Shana sich um. Da war es! Keinen Meter von ihr entfernt lagen der Tiegel und das Bild in einem Nest aus festem Sand. Seltsam, dachte Shana, dass diese Katongis das so hüteten. Genutzt hatte es ihnen schließlich nicht. Sie kniff die Augen zusammen. Noch ein Schritt, und sie stand vor dem Nest. Erleichtert erkannte sie, dass auch der Pinsel mit darin lag. Behutsam bückte sie sich, nahm ihn an sich und klemmte ihn in ihren Gürtel. Dann fiel ihr siedendheiß etwas ein. Das Bild mit den Haaren! Jetzt herrschte die Nacht, und wenn sie diesem Bild zu nahe kam, würde sie hineingezogen werden. Panisch überlegte sie, was sie tun sollte. Sie war sich nicht sicher, ob das, was ihr einfiel, funktionieren würde, aber sie hatte keine andere Wahl. Sie zog ihre Jacke aus und warf sie behutsam über das Bild. Dann bückte sie sich, nahm das in die Jacke gewickelte Traumbild in die linke und den Tiegel in die rechte Hand. Nichts passierte. Erleichtert atmete Shana aus. Es funktionierte! Vorsichtig richtete sie sich wieder auf und drehte sich um. Belly stand am Tunnelausgang und beobachtete sie voller Angst. Irgendetwas an ihm wirkte anders, dachte Shana, aber sie sah ihn nur als Schemen, und der Gedanke verflüchtigte sich sofort, als sie sich darauf konzentrierte, den Rückweg anzutreten. Ihre Augen tränten, als sie wie ein Storch wieder durch die schlafenden Katongis stakste. Sie traute sich nicht zu blinzeln, denn ein Fehltritt und …

Belly ließ vor lauter Angst, dass wieder eines der Biester aufwachen könnte, so wenig Licht durch seine Hand, dass es für Shana beinahe unmöglich war, nicht auf eins zu treten. Aber schließlich hatte sie es doch geschafft. Erleichtert blickte sie sich um und betrachtete die gewaltige Gestalt der Königin und die Ansammlung von Kugeln unter ihr. Sie wusste, dass ihr dieser Anblick niemals mehr aus dem Kopf gehen würde.

Lass uns endlich verschwinden!“, flüsterte Belly eindringlich. „Ich mach mir gleich in die Hose!“

Shana kicherte leise, aber wenn sie ehrlich war, ging es ihr nicht viel besser. Nur raus hier. Sie warf noch einen letzten Blick auf die unheimliche Szene im Innern dieses Bruthügels. Dann drehte sie sich um und betrat den Tunnel.

„Ich geh vor“, flüsterte sie. „Jetzt kannst du mehr Licht geben.“

Belly ließ sie zwei Schritte voraus gehen und hielt die Lampe in Richtung Gang. Als sie ein paar Schritte im Innern waren, öffnete er die Finger einen Spalt breit, so dass ein feiner Lichtstrahl die Richtung wies. Shana warf lange unheimliche Schatten nach vorn, aber Belly fand, das war nichts im Vergleich zu dem, was er gerade erlebt hatte.

Keine zwei Minuten später standen sie an der Flanke des Hügels und schauten über das in Dunkelheit getauchte Gelände. Nicht allzu weit entfernt schimmerten ein paar Lichter herüber.

„Da ist das Dorf!“, flüsterte Shana.

„Hm.“

„Leuchte mir mal! Der Abstieg ist nicht gerade leicht.“

„Und wie willst du das Bild runterkriegen?“

Shana zögerte. Daran hatte sie nicht gedacht. Den Tiegel konnte man in der Hose verstauen, aber es war unmöglich, mit einer Hand das Bild zu halten und damit den Hang hinabzuklettern. Auf dem Po runterrutschen ging auch nicht, dazu war das Ganze viel zu steil. Shana starrte wütend nach unten und dachte nach. Dann kam ihr ein Einfall.

„Pass auf, ich geh runter und hole Adam. Der kann bestimmt klettern wie ein Affe. Für ihn ist es bestimmt kein Problem, das Bild zu halten und hier wieder runterzuturnen. Hier, nimm es, aber pass auf, dass die Jacke nicht verrutscht, sonst landest du im Land der Haare!“

Belly gefiel diese Idee ganz und gar nicht, aber etwas Besseres fiel auch ihm nicht ein. Mit einem Kloß im Hals nahm er das Bild von Shana entgegen.

„Aber beeil dich! „Wenn die Königin rauskommt …“

„Wird sie nicht, aber wenn doch, wirf das Bild runter und komm nach. Dann können wir es auch nicht ändern.“

Belly hielt die Lampe nach unten, und sah mit gemischten Gefühlen zu, wie Shana sich an den Abstieg machte, indem sie sich von einem Loch zum anderen tastete und Halt suchte. Schließlich gelangte sie sicher unten an und winkte Belly.

„Mach besser die Lampe aus, bis ich wieder da bin!“

Während Shana schon davoneilte, knipste Belly die Lampe aus, und sofort stand er in beinahe absoluter Dunkelheit. Ein Mond schien nicht, und nur wenige Sterne ließen sich blicken. Belly fühlte sich augenblicklich vollkommen allein. In diesem Moment verfluchte er diesen Rufus, der Schuld an allem war. Aber so ganz stimmte das ja auch nicht, schließlich hatte Belly in das Bild gegriffen, weil er Shanas Warnungen missachtet hatte. Mit allen Sinnen angespannt zog sich Belly an den Rand des Eingangs zurück. Er lauschte so angestrengt, dass er sein Blut in den Adern rauschen hörte. Mit aller Gewalt versuchte er an etwas anderes zu denken, als an die Vorstellung, dass diese Riesenkatongi hinter ihm aus dem Gang rollen könnte, aber es gelang ihm einfach nicht.

Minute um Minute verstrich. Belly wurde immer nervöser. Warum kam Shana nicht zurück? Sie müsste längst wieder da sein. War im Dorf etwas schiefgegangen? Hatte sie den Weg nicht gefunden? Aber nein, das war Quatsch, die Fenster leuchteten ihr den Weg. Und was, wenn …

Plötzlich packte ihn jemand am Arm, und Belly schrie in panischem Schreck auf.

Pssst!“, zischte eine Stimme neben ihm. „Ich bin’s, Adam!“

„Mein Gott, Adam, hast du mich erschreckt! Um ein Haar hätte ich das Bild fallen gelassen! Wie bist du bloß raufgekommen?“

„Na, geklettert“, sagte der Goshi, und Belly wusste genau, dass der sympathische kleine Kerl neben ihm grinste. „Ich hab gehört, du hast das Bild?“

„Hm.“

„Dafür werden wir euch für immer dankbar sein. Aber jetzt lass uns besser von hier verschwinden. Es wird bald hell.“

„Wie bitte?“, entfuhr es Belly. „Es ist doch gerade erst dunkel geworden!“

„Aber unsere Nacht dauert drei Stunden, wie immer.“

„Und der Tag?“

„Der dauert vier Stunden.“

„Rufus, du bist bekloppt“, murmelte Belly.

„Was hast du gesagt?“

„Ach, nichts. Hier, nimm das Bild. Aber sei vorsichtig. Du musst es mit der Jacke festhalten, sonst verschwindest du im Bild!“

„Keine Sorge, ich pass schon auf. Jetzt können wir sie endlich wieder füttern!“

Kaum hatte Adam ausgesprochen, huschte er schon den Berg hinunter, um keine zwei Sekunden später von unten heraufzurufen.

„Ich bin unten! Jetzt du!“

Belly war kein Goshi und auch als Mensch schon nicht sonderlich flink auf den Beinen. Es dauerte also ein Weilchen, ehe auch er sicher am Fuße des Hügels ankam. Wieder ergriff ihn die kleine Hand von Adam und zog ihn mit sich.

„Los, beeilen wir uns! Es dämmert bereits!“

Belly fragte sich verwundert, warum in aller Welt er sich so beeilen sollte, denn so schnell würde es schon nicht hell werden. Aber er hatte sich gründlich getäuscht. Bei einem Tag, der nur sieben Stunden dauerte, gab es kaum eine nennenswerte Dämmerung. Es wurde beinahe umgehend hell, so schnell umkreiste diese merkwürdige Welt ihre Sonne. Sie hatten noch nicht einmal die Hälfte des Weges geschafft, als schon die ersten Sonnenstrahlen ihre Gesichter trafen.

Laaufft!“, schrie Adam. „Sie kommen!“

Shana rannte davon, als würde ihr der Teufel auf den Fersen sein. Belly versuchte, mit ihr Schritt zu halten, aber das war bei seiner Körperfülle unmöglich, und er blieb hoffnungslos zurück. Als Adam, der noch schneller als Shana war, bemerkte, dass Belly nicht folgen konnte, kam er zurück, packte ihn am Arm und zog ihn mit sich. Das Bild hielt er immer noch unter seinen anderen Arm geklemmt. Wenn er es nicht hätte festhalten müssen, wäre er vermutlich dreimal so schnell gewesen. Aber er ließ Belly nicht im Stich. Der schnaufte und keuchte, dass es ihm schon in der Lunge brannte.

Das Dorf kam näher. Dann hatten sie Adams Haus erreicht. Adam brüllte irgendetwas, und die Eingangstür flog auf. Hinter sich hörte Belly ein unheimliches Grummeln, als würde eine Gerölllawine einen Berg hinabdonnern. Nie im Leben hätte er sich jetzt umgedreht. Mit weit aufgerissenen Augen sah er, wie Shana durch die Tür stürzte, dann taumelten auch Adam und er über die Schwelle, und sobald er im Haus des Goshis war, knallte schon jemand die Tür zu und verriegelte sie. Eine Sekunde später donnerten Dutzende kleiner Körper dagegen.

Bumm … bumm, bumm, bumm, bumm, bubumm … bubumm …

Mit rasendem Herzen und heftig keuchend sah Belly zu, wie Adam das wertvolle Traumbild, das immer noch von Shanas Jacke bedeckt war, seelenruhig an die Wand lehnte. Dann nahm der kleine Goshi einen weiteren Goshi, der im Haus gewartet haben musste, in die Arme und drückte ihn glücklich. Shana lehnte an der gegenüberliegenden Wand und keuchte beinahe genauso wie Belly, und das sollte was heißen. Überglücklich blickte sie ihren Freund an, doch dann änderte sich ihr Gesichtsausdruck plötzlich. Sie verzog den Mund und fing an zu lachen. Weil sie immer noch heftig atmete, verschluckte sie sich und begann zu husten. Adam löste sich von dem anderen Goshi, stellte sich neben Shana und grinste Belly an. Belly hatte das Gefühl, er sei verrückt geworden. Da hämmerten nur wenige Zentimeter von ihm entfernt Dutzende von Haarfressern gegen die Tür, sie waren gerade erst dem Maul der Königin entkommen und hatten das Bild und den Tiegel gerettet, und nun standen die beiden ihm gegenüber und lachten ihn aus.

„Was soll das?“, fragte er wütend zwischen zwei Atemstößen. „Habt ihr sie nicht mehr alle? Warum lacht ihr mich aus?“

„Also …“, gluckste Shana, „du siehst … ähhh … eben komisch aus! Richtig lustig! Ganz schön mutig, die Frisur!“

Belly erstarrte. So langsam formte sich ein Gedanke in seinem Kopf. Nein … das durfte nicht sein …

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9783738078831
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