Читать книгу: «Shana», страница 13

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„Na, wer sagt´s denn?“, sagte Belly zufrieden. „Es hat funktioniert!“

„Sieht ganz so aus“, murmelte Rufus, verschloss die Kapsel sorgfältig und hängte sie sich wieder um den Hals. Dann trat er einen Schritt zurück und streckte sich.

„Dann lasst uns bitte gehen“, drängte Shana. „Mir wird langsam unheimlich in dieser Höhle.“

„Verstehe ich“, sagte Rufus und seufzte. „Aber ich fürchte, wir haben etwas vergessen.“

„Was denn?“

„Die Bilder entfalten nur nachts ihre Magie.“

„Verdammt!“, entfuhr es Belly.

„Es wird jetzt früher Abend sein“, meinte Rufus. „Wir werden noch etwa zwei Stunden warten müssen.“

„Aber dann lasst uns bitte draußen warten.“ Shana rieb sich die Arme. „Hier drin ist es unheimlich und mir ist kalt.“

Shana wollte schon zum Eingang gehen, aber Belly hielt sie am Arm zurück. „Warte. Wenn wir draußen sind, können uns die Piraten überraschen. Wir sehen sie doch erst, wenn sie aus dem Dschungel treten, und dann ist es zu spät.“

„Wir könnten auf dem Pfad warten“, wandte Shana ein.

„Das ist zu riskant“, meinte Rufus. „Belly hat recht. Es ist hier drin zwar ungemütlich, aber auf jeden Fall sicherer. Ich glaube zwar nicht, dass jetzt noch Männer hier raufkommen, aber wer weiß. Wenn wir bis zum Dunkelwerden nicht zurückkommen, werden sie Verdacht schöpfen.“

„Auf jeden Fall müssen wir in das Bild, sobald es lebendig wird“, sagte Belly entschlossen. „Kommt, lasst uns am Eingang warten, da ist es heller und wärmer.“

Shana murrte noch ein wenig, aber sie fügte sich. Die anderen hatten ja recht. Wenn sie an Bellamys Stelle gewesen wäre, hätte sie einen Suchtrupp losgeschickt. Der Käptn konnte zwar sicher sein, dass es ihnen nichts nutzte, wenn sie den Schatz der Whyla fänden, denn auf der Insel konnte man damit nichts anfangen. Aber das Wissen darum wollte er sicher nicht mit den Kindern und Rufus teilen. Womöglich würde er sie auf Death Island zurücklassen. Was aber wirklich gefährlich war, war die Tatsache, dass Typen wie Bennie unberechenbar waren. Wenn der rauskriegte, dass sie von dem Schatz wussten, hätte er vielleicht kurzen Prozess mit ihnen gemacht. Der handelte erst und dachte dann. Wenn überhaupt.

Sie ließen sich am Eingangsbereich der Höhle nieder. Bellys Bauch knurrte, aber er ignorierte es. Rufus nahm die Machete, bog die Büsche ein wenig beiseite und lugte hinaus.

„Nichts zu sehen. Noch ist die Luft rein.“

„Was machen wir, wenn wirklich jemand kommt?“, fragte Shana.

„Dann ziehen wir uns ans hintere Ende der Höhle zurück. Belly, weißt du, wieweit es da hinten noch weitergeht?“

„Nein, ich bin nur bis zu den Kisten gegangen. Außerdem wird es weiter hinten immer dunkler.“

„Die Männer werden die Fackeln anzünden, wenn sie reinkommen“, überlegte Shana. „Da können wir uns verstecken, wie wir wollen, es nutzt sowieso nichts.“

„Hm“, machte Rufus und stand auf. Er ging hinüber zu den Wandhalterungen, zog die beiden Fackeln heraus und warf sie in hohem Bogen in den hinteren Teil der Höhle.

„So“, meinte er zufrieden und setzte sich wieder hin. „Das erhöht die Chancengleichheit. Aber wenn erst jemand kommt, wenn es dunkel ist, haben wir sowieso verloren. Denn das Bild wird leuchten, sobald seine Magie erwacht. Das sieht dann hier in der Höhle aus wie eine Projektionswand.“

„Na toll.“ Belly rutschte unruhig auf dem Boden hin und her. „Rufus … das Bild bleibt doch hier für immer auf der Wand, oder nicht?“

„Hm.“

„Dann kann uns jeder hinterherkommen.“

„Ich wollte schon immer mal Piraten in meiner Hütte“, grinste Rufus. „Aber du hast recht. Das könnte passieren. Aber wir müssen das riskieren. Ich glaube nicht, dass jemand nachts hier reingeht. Warum sollten sie? Nur eine Handvoll Piraten kennt die Höhle. Ansonsten ist das hier eine einsame Insel weit ab von bewohntem Gebiet. Vermutlich steht sie sogar unter Naturschutz. Ihr wisst ja, es gibt nicht mehr viele unbesiedelte Gegenden auf der Welt. Der Rest ist streng geschützt, und hier raufbeamen darf man sich nicht. Durch Zufall wird man die Höhle nicht finden. Bleiben nur Bellamy und seine paar übriggebliebenen Männer. Aber wenn sie etwas von dem Schatz holen, dann sicher am Tag.“

„Ja, gut“, musste Shana zugeben. „Aber das Bild fällt auch am Tag auf wie ein betrunkener Affe.“

Rufus musste lachen. „Stimmt, da hast du recht. Sie werden sich wundern, wer sich hier neben den Ureinwohnern verewigt hat, doch das Bild ist tagsüber harmlos. Aber wir können solange reden, wie wir wollen, ein Restrisiko bleibt, das können wir nicht ändern.“

Die folgenden zwei Stunden zogen sich endlos dahin. In ständiger Anspannung, Piraten aus dem Pfad treten zu sehen, wechselten sich Rufus, Shana und Belly mit dem Wachehalten ab. Aber es tat sich nichts. Shana fragte sich, was Bellamy gerade dachte. Vielleicht führte er in diesem Augenblick eine erregte Diskussion mit seinen Männern, ob man sie suchen sollte oder nicht. Irgendwie fand sie es schade, diesen feinen Piraten zu verlassen. Sie fand, der war in Ordnung. Hoffentlich schaffte er es, von der Insel runterzukommen.

Schließlich wurde es merklich dunkler. Die Nacht brach herein.

„Los!“, rief Rufus und kam auf die Beine. „Zeit, zu verschwinden.“

Obwohl es draußen jede Minute dunkler wurde, schien es in der Höhle immer heller zu werden. Eine Lichtquelle der ganz besonderen Art war erwacht. Das Traumbild! Das Bild leuchtete in den beruhigenden Farben des Waldes und der Wiese, die auf ihm gemalt waren. Die Sonne in ihm war nicht direkt zu sehen, aber Rufus hatte sich die Hütte bei Tageslicht vorgestellt, und in der stockfinsteren Höhle wirkte das erwachende Bild wie ein Fenster zu einem Garten. Shana stand fasziniert davor und wartete darauf, dass Rufus ein Zeichen gab, wann sie losgehen würden.

Irgendetwas irritierte Shana an dem Bild. Sie konnte es nicht genau einordnen, aber ganz hinten in ihrem Unterbewusstsein entstand das Gefühl, dass etwas fehlte. Aber was? In dem Moment, als sie den anderen ihre Unsicherheit mitteilen wollte, gab Rufus den Befehl zum Aufbruch.

„Ich gehe voran. Shana, du als Zweite, und Belly zuletzt, okay?“

„Hm“, machte Belly, der nicht unbedingt als Letzter gehen wollte, aber einer musste es ja tun.

„Gut, dann gehe ich jetzt“, sagte Rufus und führte seine Hand dicht an das Bild heran. Sofort griffen Lichtfinger nach ihr und umspielten sie. Einen Sekundenbruchteil später umschloss der Strahl Rufus Arm, floss weiter über seinen ganzen Körper und schien ihn aufzulösen. Das Licht war derart intensiv, dass Belly und Shana die Augen schließen mussten. So hörten sie nur noch ein merkwürdiges schlürfendes Geräusch, und einen Augenblick später verdunkelte sich die Höhle wieder.

Shana öffnete die Augen. Rufus war verschwunden.

„Er ist durch. Jetzt ich.“ Sie wechselte einen kurzen Blick mit Belly und lächelte ihn an. „Sieh zu, dass du nachkommst. Und verlauf dich nicht!“

„Nein, Mama“, grinste Belly. „Ich bin ja schließlich als Erster in so ein Bild reingegangen, schon vergessen?“

Shana schüttelte belustigt den Kopf. „Wie kann ich das jemals vergessen? Jedes Mal, wenn ich deine Frisur anschaue, muss ich daran denken!“

Belly wollte aufbrausen, aber dazu ließ es Shana nicht mehr kommen. Mit einem „Bis gleich!“ stellte sie sich vor das Bild, hob die Hand und ließ sich von der Magie des Lichts einfangen. Belly kniff die Augen zusammen und sah dabei zu, wie seine Freundin von dem magischen Bild verschluckt wurde. Dann holte Belly tief Luft. Jetzt war er an der Reihe. Mit einem letzten Blick in Richtung Eingang straffte er sich und hob den Arm. Kurz ging ihm noch durch den Kopf, dass das das Beste war, was er je erlebt hatte, doch dann packte ihn der energiereiche Lichtstrahl und nahm ihm jede Orientierung. Einen Sekundenbruchteil später wurde es schwarz um ihn herum.

Zurück blieb die Höhle der Piraten der Whyla mit einem unvorstellbar wertvollen Schatz, für die Ewigkeit geschaffenen Wandmalereien und einem Bild, dessen Magie nicht von dieser Welt schien. Eine Maus kroch aus einem Winkel der Höhle hervor und hob witternd ihren Kopf in Richtung der leuchtenden Stelle auf der Höhlenwand. Doch schnell verlor sie das Interesse und verschwand nach draußen auf der Suche nach etwas Fressbarem.

Kapitel 7

Es war das dritte Mal, dass Shana in ein Traumbild eingetaucht war. Als sie bei den Goshis rauskamen, war sie noch einige Zeit bewusstlos gewesen, doch auf dem Piratenschiff hatte sie sich schon viel schneller von dem Vorgang erholt. Und diesmal war sie nur etwas benommen, als sich ihr Blick langsam klärte. Mit wackligen Knien suchte sie irgendwo nach Halt, berührte etwas an ihrer Seite und hielt sich daran fest. Sie blickte sich um. Das, woran sie sich festhielt, war ein alter, windschiefer Tisch, dessen Platte aus undefinierbarem Holz bestand und dermaßen zerkratzt war, dass sich seine ursprüngliche Maserung nicht mehr abzeichnete. An der gegenüberliegenden Seite stand Belly und hielt sich ebenso wie sie daran fest. Rufus befand sich an dem einzigen Fenster des Raumes und blickte nach draußen. Da er als Erster durch das Bild gegangen war, schien er bereits wieder klar zu sein.

Shana spürte, wie ihre Kräfte zurückkehrten. Doch sie realisierte noch etwas. Das war nicht Rufus Hütte! Ein Klumpen bildete sich in ihrem Magen. War etwas schiefgegangen? Rufus kannte doch seine Hütte am allerbesten. Wollte er sie anders haben als vorher oder …

„Hey, Rufus!“, rief Belly nervös. „Was hast du mit deiner Hütte gemacht?”

Rufus stand am Fenster und rührte sich nicht. „Alles sieht genauso aus wie bei mir, aber das ist nicht meine Hütte.“

Das ist nicht deine Hütte?“, rief Shana entsetzt. „Aber wie kannst du dich verträumen? Das geht doch gar nicht!“

Statt einer Antwort winkte Rufus die beiden zu sich. „Kommt mal her!“

Belly und Shana stellten sich vor das reichlich trübe Fensterglas und warfen einen Blick nach draußen. Sie schauten auf eine Veranda, von der ein paar Holzstufen hinabführten und an die sich eine Lichtung mit einer saftigen Wiese anschloss. Im Hintergrund der Saum des Waldes.

„Das ist doch deine Lichtung!“, entfuhr es Belly.

„Fast“, murmelte Rufus. „Aber nicht ganz.“

Blitzartig erkannte Shana, was anders war. „Die Apfelbäume! Die Apfelbäume sind weg!“

Belly schluckte. Dann musste er trotz der ernsten Situation grinsen. „Tja, Rufus, ich will ja nichts sagen, aber da bin ich wohl nicht der einzige, der sich woandershin gewünscht hat!“

Shana drehte sich um und betrachtete das Innere der Hütte. Hier gab es weit mehr Unterschiede als nur fehlende Apfelbäume. Der Raum war in etwa so groß wie der der Hütte zu Hause und besaß auch eine Tür zu einem weiteren Zimmer an der gleichen Stelle. Aber Shana hätte wetten können, dass sich dahinter keine Traumbilder befanden. Und es schien hier nur alte Sachen zu geben. Gusseiserne Pfannen und Töpfe hingen von der Decke, am Tisch standen klapprige Holzschemel, in einer Ecke schwere Lederstiefel und etwas, das Shana nicht recht einordnen konnte. Die beiden Dinger sahen aus wie eine Mischung aus Tennisschläger und ihren selbstgebauten Reusen, nur breiter und flacher.

„Das sind Schneeschuhe“, sagte Rufus, der Shanas Blick bemerkt hatte. „Damit steht fest, dass das nicht meine Hütte ist.“

„Aber sie sieht genauso aus“, stellte Shana fest. „Selbst die Lichtung sieht aus wie deine. Rufus … was ist passiert? Wo sind wir?“

Rufus ging auf den Tisch zu, auf dem schmutziges Zinkgeschirr stand. Er hob einen Teller an und betrachtete die eingetrockneten Essensreste, die schon ewig an ihm zu kleben schienen. Dann warf er einen langen Blick auf einen Haufen Werkzeug, Hacken und Schaufeln, die in einer Ecke standen. Shana wartete auf eine Antwort, aber Rufus nickte nur nachdenklich. Belly löste sich vom Fenster und nahm eine von mehreren großen Pfannen auf, die an der Wand lehnten.

„Seht mal, komische Dinger. Die haben keinen Stiel. Wie willst du denn die vom Herd kriegen? Da verbrennst du dich ja total!“

Rufus holte tief Luft. „Ich glaube, so langsam weiß ich, was passiert ist. Belly, das sind Pfannen zum Goldwaschen. Die braucht man, um aus dem Sand eines Flusses Gold auszuwaschen. Ich hab so das Gefühl, wir sind in der Goldgräberhütte rausgekommen, die ich mir ganz am Anfang mal gewünscht hatte.“

„Dann ist dir das gleiche passiert wie mir mit meinem Schiff?“ Belly blickte Shana triumphierend an. Doch die konterte umgehend.

„Du hast das mit Absicht gemacht! Aber Rufus aus Versehen! Stimmt doch, oder, Rufus?“

Rufus seufzte. „Es war keine Absicht, glaubt mir. Aber ein bisschen ist es mir wohl so ergangen wie Belly. Als ich mir damals die Hütte auf der Lichtung erträumte, wollte ich so eine haben wie die von den Goldwäschern. Ich wollte in Kanada sein. Auf einer Wiese mitten im Wald sollte sie stehen, aus schönen dicken Baumstämmen gebaut und mit alten Sachen drin. Eben wie diese hier. Ich wollte auch mal Gold waschen gehen, aber ich hab schnell gemerkt, dass das kein Spaß ist. Ich habe es tagelang versucht, aber außer zerschundenen Händen und ein paar Goldsplittern hat es mir nichts eingebracht. Und lausig kalt war es auch. Schließlich bin ich wieder zurück und hab mir die Hütte neu erträumt, auf einer Lichtung im Sommer zu Hause und ein bisschen moderner. Da konnte ich auch viel besser malen ohne zu frieren.“

„Und mit Apfelbäumen“, fiel Shana ein.

„Richtig.“

„Na toll!“, entfuhr es Belly. „Und wieso sind wir dann jetzt hier gelandet?“

Rufus zuckte bedauernd die Schultern. „Das weiß ich nicht genau. Ich hab mir meine Hütte vorgestellt. Aber wenn man in einen Tagtraum verfällt, denkt man nicht mehr klar. Vielleicht ist meine Sehnsucht nach der alten Zeit zu groß, und ich habe mich im Unterbewusstsein nach der hier gesehnt.“

„Ist ja jetzt auch egal“, meinte Shana. „Rufus, wie viel Traumfarbe hast du noch?“

„Es reicht schon noch“, beruhigte Rufus sie. „Wir müssen nur etwas finden, worauf wir malen können. Vielleicht finden wir einen alten Block oder etwas Ähnliches. Lasst uns nachschauen, ob wir was finden.“

Während sich die drei auf die Suche nach irgendetwas machten, worauf sich malen ließ, brummte Belly vor sich hin.

„Mann, hab ich ´n Hunger! Ich würde mein letztes Hemd geben für einen Burger!“

„Tja“, lachte Shana, „schau dir dein letztes Hemd doch mal an! Meinst du, dafür kriegst du noch `n Burger? Außerdem hast du mir versprochen, dass du ab jetzt vernünftig isst.“

„Versprochen hab ich gar nichts. Ich hab nur gesagt, ich will´s versuchen.“

„Belly …“

„Ja, ja, ist ja schon gut, Mama. Ich versprech´s!“

„Hey, schaut mal hier!“, rief Rufus und hielt eine vergilbte Zeitung hoch. Neugierig traten Shana und Belly an den Tisch, auf dem Rufus die Zeitschrift vorsichtig ablegte.

„Darauf kann man nicht malen“, stellte Belly fest. „Die fällt ja gleich auseinander.“

„Stimmt schon“, meinte Rufus. „Aber seht mal, sie stammt aus dem Jahr 1897.“

„Oh Mann!“, entfuhr es Shana. „Dann ist sie aber echt alt!“

„Hm“, machte Rufus und überflog die Titelseite. Eine riesige Schlagzeile beherrschte sie.

Gold! Gold! Gold!“, las Shana vor. “68 Goldsucher kehren als reiche Männer auf dem Dampfer Portland zurück!”

Rufus Blick glitt noch einmal zum Datum. „Die Zeitung stammt vom 17. Juli 1897. Leute, wir halten die Nachricht in den Händen, die damals den Beginn des wohl größten Goldrauschs der Geschichte auslöste!“

Belly hielt den Kopf schräg. „Die Zeitung heißt Seattle Post Intelligencer. Liegt Seattle nicht in den Vereinigten Staaten von Amerika?“

„Sehr gut, Herr Belly!“, grinste Rufus. „Da lernt man bei euch in der virtuellen Schule also doch einiges. Ja, Seattle liegt in den USA. Als damals in Seattle die Nachricht von den erfolgreichen Goldsuchern gedruckt wurde, löste das einen Rausch aus. Zehntausende machten sich auf, ihr Glück zu versuchen. Viele kamen dabei um, sehr viele. Und nur wenige wurden tatsächlich fündig und wohlhabend.“ Rufus lachte leise. „Die wirklich reich wurden, waren die, die gar nicht erst mit dem Goldsuchen anfingen, sondern die den Menschen all das verkauften, was sie in der Wildnis Kanadas brauchten. Es gab damals am Klondike, so hieß der Fluss, der das meiste Gold versprach, keine Läden, ja eigentlich gab es gar nichts. Da ließ sich das meiste Geld nicht mit Gold, sondern mit den Goldsuchern selbst verdienen.“

„Aber wie kommt diese Zeitung aus Amerika in eine kanadische Hütte?“, fragte Belly nachdenklich.

„Da kann man nur raten“, meinte Rufus. „Ich glaube, die meisten Menschen damals hatten einen Traum. So wie du, Belly. Du hast immer davon geträumt, auf einem alten Segelschiff zu fahren. Und die Menschen im Jahr 1897 wollten aus der Armut heraus. Sie waren nicht unbedingt gierig, na ja, einige vielleicht, aber vielen ging es einfach schlecht. Ihr Traum war es, Gold zu finden und ein besseres Leben zu führen. Derjenige, der diese Hütte bewohnt hat, stammt vielleicht aus Seattle, hat den Artikel gelesen und beschlossen, aufzubrechen. Und die Zeitung trug er immer bei sich, damit er das Ziel niemals aus den Augen verlor. Sie gab ihm Kraft, durchzuhalten.“

„Und wo ist er jetzt?“, fragte Shana trocken.

„Vielleicht hat er ja wirklich Gold gefunden“, überlegte Belly. „Die Hütte sieht ja nicht gerade nach der eines armen Mannes aus. Und wenn er welches gefunden hat, dann ist er wieder zurück nach Seattle gegangen.“

„Möglich“, nickte Rufus. „Das werden wir wohl nie rauskriegen. Jedenfalls ist die Hütte schon mindestens seit Wochen, wenn nicht Monaten nicht mehr bewohnt. Als ich mir damals das erste Mal eine Hütte gewünscht hab, wollte ich unbedingt eine echte, so mit allem Drum und Dran. Und ich wollte sie eben in Kanada haben. Aber … na ja, den Rest kennt ihr ja.“

„Worauf hast du denn früher gemalt, damit du wieder zurück kommst?“, fragte Shana.

„Ich hab immer zwei, drei kleine zusammengrollte Leinwände mitgenommen. Die hatte ich übrigens auch jetzt dabei, als ich euch zu den Goshis gefolgt bin. Aber die sind mit der Adventure untergegangen. Außerdem lege ich einen Vorrat an Leinwand an den Orten an, wo ich öfter bin.“

„Wie bei den Goshis“, fiel Belly ein. „Adam hat uns ja welche gegeben.“

„Hm.“

„Leute, ich will nach Hause!“ Shana stampfte mit dem Fuß auf. „Mein Vater bringt mich um, wenn ich drei Tage nicht nach Hause komme!“

„Wird er nicht.“ Rufus legte Shana eine Hand auf die Schulter. „Das versprech ich dir. Aber jetzt lasst uns weitersuchen.“

Sie durchsuchten die Hütte gründlich, aber es fand sich nichts, das sich als Leinwand geeignet hätte. Aber dafür gab es in dem zweiten Raum, neben allerlei Werkzeug und der üblichen Ausrüstung für Goldschürfer etwas, womit sie nicht gerechnet hatten.

„Was zu futtern!“, rief Belly. „Mensch, ich werd verrückt!“

Mehrere Regale an der rechten Wand waren gefüllt mit den unterschiedlichsten Konservendosen.

„Pökelfleisch, Bohnen, Reis, Bohnen, Bohnen, und noch mal Bohnen!“, las Belly vor.

„Sehr ausgewogene Ernährung!“, lachte Rufus. „Aber schaut mal, da oben!“

Shana und Belly folgten seinem Blick und entdeckten einen großen Schinken, der an einem Haken in der Ecke von der Decke hing.

„Das ist meiner!“, grinste Belly und ging hinüber, um sich das Prachtexemplar anzuschauen. „Sieht noch gut aus. Riecht auch noch gut. Was meint ihr, wollen wir ein paar Dosen aufmachen und den Schinken anschneiden? Ich sterbe vor Hunger! Endlich mal was anderes als Kokosnüsse und Leguanbeine!“

Rufus kam hinüber zu Belly und half ihm, den Schinken vom Haken zu nehmen. Aber dann musste er Belly einen kleinen Dämpfer verpassen.

„Ich denke, die Konserven lassen wir, wie sie sind. Ich habe gehört, dass man die seinerzeit mit bleihaltigem Blech hergestellt hat. Das hat zu schweren Erkrankungen geführt. Ich weiß nicht genau, ob die hier bleihaltig sind oder nicht. Ich denke, wir verzichten lieber auf die Konserven und halten uns an den Schinken. Komm, Belly, leg ihn in der Küche auf den Tisch, und ich such ein Messer.“

Shana grinste und hielt die Machete hoch. „Wie wär´s mit dem hier?“

„Natürlich, die hatte ich ganz vergessen.“

Rufus schnitt ein paar Scheiben ab und versuchte, sie so dünn wie möglich zu halten. „Wildschwein ist das nicht“, murmelte er. „Vielleicht ein Rehpopo.“

Shana lachte. Dann fiel ihr etwas ein. „Sagt mal, habt ihr etwas zu trinken gesehen? Der Schinken wird salzig sein, und ich hab so schon gewaltigen Durst.“

Rufus wies zur Tür. „Ich denke, wir essen draußen, was meint ihr? Wenn das die Hütte ist, die ich schon damals erträumt hatte, dann gibt es gleich hinter dem Saum des Waldes einen Bach. Belly, nimm bitte einen der Töpfe mit raus und versuch mal, rauszukriegen, ob ich recht habe. Und wenn, dann kannst du uns Wasser holen.“

Belly hangelte sich einen der Töpfe von den Haken und folgte Shana durch die Eingangstür auf die Veranda, wo ihn warmes Sonnenlicht empfing.

„Ist doch gar nicht so kalt“, meinte er und sah sich um. Die Wiese und der sich anschließende Wald sahen der Stelle, an der Rufus zu Hause seine Hütte erträumt hatte, verblüffend ähnlich. Fehlten wirklich nur die Obstbäume.

„Bringt die Schemel mit nach draußen!“, rief er über die Schulter zurück. „Ich schau nach Wasser.“

Rufus legte die nach würzigem Rauch riechenden Schinkenscheiben auf ein Holzbrett und trug sie nach draußen. Danach half er Shana, drei Schemel auf die Veranda zu tragen. Dann setzten sich die beiden und schauten Belly nach, der gerade im Wald verschwand. Er sah dabei mehr nach unten als nach vorne, da er ja immer noch barfuß war und aufpassen musste, nirgendwo reinzutreten.

Mit einem Mal bekam Shana ein mulmiges Gefühl. „Sag mal, Rufus, ist es hier gefährlich?“

„Nein. Ich denke nicht. Manchmal haben sich die Goldsucher gegenseitig umgebracht, aber wir sind hier weit weg von einer Siedlung.“

Shana war fürs erste beruhigt. Aber ein Gedanke ließ sie nicht ruhen. „Und worauf malen wir jetzt?“

„Keine Ahnung“, gab Rufus zu. „Aber uns wird schon was einfallen. Ich hab mich mal nach Afrika geträumt. Da haben mir Eingeborene die Leinwand weggenommen und bei einem fröhlichen Tanz verbrannt. Keine Ahnung, was sie sich dabei dachten, aber ihren Spaß hatten sie. Damals habe ich mir geholfen, indem ich ein gegerbtes Antilopenfell benutzt habe. Ging einwandfrei. Wir werden schon was finden.“

In dem Moment kam Belly aus dem Wald zurück, und daran, wie vorsichtig er den Topf trug, erkannten sie, dass er tatsächlich Wasser gefunden hatte.

„Na, hab ich doch gesagt!“, freute sich Rufus. Schnaufend näherte sich Belly und reichte Rufus das Wasser hoch. Schwer atmend ließ er sich auf dem dritten Schemel nieder.

„Mann, ich werde alt! Weißt du was, Shana?“

„Nein.“

„Das erste, was ich mache, wenn wir nach Hause kommen, ist, mir von der Multiwand neue Schuhe machen zu lassen! Auf der Wiese und im Sand ist barfuß laufen ja schön, aber da im Wald tut es verdammt weh!“

Shana lächelte. „Jetzt ruh dich aus und iss was! Hier, lecker Schinken vom Rehpopo!“

Das ließ sich Belly nicht zweimal sagen. Der Schinken schmeckte unvergleichlich. Obwohl Shana Fleisch nicht sehr mochte, genoss sie jeden Bissen. Das Wasser aus dem Bach schmeckte besser als jede Limonade, kalt und süß. Wenn sie nicht das Problem mit der fehlenden Leinwand und die Gedanken an die Eltern gehabt hätten, hätte Shana dieses Festmahl richtig genießen können. Nach zehn Minuten lag nur noch eine Scheibe Schinken auf dem Holzbrett.

„Na, wer will sie haben?“, fragte Rufus.

„Ich kann nicht mehr!“, stöhnte Belly.

„Ich auch nicht.“ Shana strich sich über den Bauch. „Und was machen wir jetzt? Hast du eine Idee, Rufus?“

„Nein“, gab Rufus zu. „Schauen wir noch einmal in der Hütte nach. Vielleicht ist uns etwas entgangen. Wir brauchen eine glatte Fläche. Eine getünchte Wand gibt es hier nicht, aber vielleicht etwas anderes in der Art. Und wenn wir gar nichts finden, müssen wir uns morgen die Umgebung ansehen. Möglicherweise finden wir eine Höhle oder eine Felswand, die geeignet ist.“

Morgen?“, fragte Shana entsetzt. „Ich will auf keinen Fall noch eine Nacht von zu Hause weg sein!“

„Die Sonne steht schon tief. Und die Bilder gehen sowieso nur nachts, wie du weißt. Es ist nicht zu ändern, bevor wir das Problem nicht gelöst haben.“

Shana seufzte. Dann war ihr, als würde sie eine Bewegung am Waldrand entdeckt haben. Ihr Blick flog hinüber. Da! Da war es wieder! Ein großer Ast schwankte unnatürlich. Und dann weiteten sich ihre Augen vor Schreck. Aus dem Wald stapfte ein gewaltiger schwarzer Bär! Als er die Wiese betrat, stellte sich das riesige Tier auf seine Hinterbeine und witterte in ihre Richtung.

Rufus! Belly!“, flüsterte Shana mit zittriger Stimme. „Seht doch! Da kommt ein Bär!“

„Du heilige Wapitikacke!“, entfuhr es Belly.

Rufus stand ruckartig auf, wobei er seinen Schemel umstieß, was einen Heidenlärm veranstaltete. Jetzt hatte der Bär sie entdeckt und starrte zu ihnen herüber.

„Kannst du nicht aufpassen!“, schimpfte Shana. „Jetzt hat er uns gehört!“

„Shana …“, sagte Rufus langsam. „Ich hab etwas vergessen, als du mich vorhin gefragt hast, ob es hier gefährlich ist. Das ist ein Grizzly. Ein verdammt großer Grizzly. Und ob ich hier Krach mache oder nicht, ist vollkommen egal. Ein Grizzly kann Nahrung bis auf dreißig Kilometer wittern. Wir hätten den Schinken nicht draußen essen dürfen.“

„Na, ganz große Klasse!“, rief Shana wütend. „Und du schickst Belly in den Wald!“

„Ich hab einfach nicht dran gedacht“, gab Rufus zu. In diesem Moment stieß der Bär eine Reihe tief brummender Laute aus, kam runter auf alle Viere und rannte los.

Reeiiiin!“, brüllte Rufus und stieß Shana und Rufus durch die Eingangstür der Hütte. Dann bückte er sich mit einer hastigen Bewegung, nahm das letzte Schinkenstück von dem Holzbrett und schleuderte es dem Bären entgegen auf die Wiese. Befriedigt sah Rufus, wie das Tier abbremste und sich über den Schinken hermachte. Mit einem Satz folgte er den beiden Kindern in die Hütte, warf die Tür zu und legte den schweren Holzriegel vor.

„Puuhhh“, machte er. „Der ist wirklich groß. Der ist verdammt groß.“

„Wunderbar. Wirklich wunderbar!“ Shana war fuchsteufelswild. „Du schickst Belly in den Wald, obwohl es hier Grizzlys gibt! Und dann wartet dieses Viech sicher auch noch vor unserer Tür, bis wir verhungert sind! Wie sollen wir denn jetzt hier wieder rauskommen?“

„Beruhige dich erst einmal“, sagte Rufus und hob beschwichtigend die Hände. „Auch ein Bär verliert irgendwann einmal die Geduld. Zur Not werfen wir ihm den Schinken raus.“

Shana verdrehte die Augen. „Der Schinken ist für den eine Vorspeise! Der wird immer mehr wollen!“

„Nun warte doch erstmal ab. Belly, guck mal raus, was er macht.“

Belly schlich zum Fenster und lugte hinaus.

„Ich seh ihn nicht.“ Er drehte den Kopf und versuchte, seinen Blickwinkel nach rechts und links zu erweitern. Urplötzlich schob sich ein großer schwarzer Schatten vor das Fenster. Belly sprang zurück, und im gleichen Moment zerschlug eine riesige Pranke das Fensterglas und langte in die Hütte.

Aahhhhhh!“, schrie Belly und stieß sich die Hüfte an der Tischkante.

Er riecht den Schinken!“, schrie Shana mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen.

Ich schmeiß ihn raus!“ Rufus packte den Schinken und wartete einen günstigen Moment ab. Der Bär schien sich offensichtlich leicht verletzt zu haben, als er die Scheibe einschlug. Blut tropfte auf den Holzboden und hinterließ ein gruseliges Muster. Der Grizzly zog für einen Moment die Tatze zurück, um sie abzulecken. Darauf hatte Rufus gewartet. Mit einem Satz war er beim Fenster und warf den Schinken hinaus. Dann trat er einen Meter zurück und beobachtete das Tier. Rufus hatte das Gefühl, dass der Grizzly mindestens drei Meter groß war, wenn er sich aufrichtete. Mit einem Kloß im Hals nahm er die scharfen Krallen war, die sich ihm darboten, während der Bär weiterhin seine Wunde leckte. Ein tiefes Grollen entfuhr seiner Kehle. Rufus schluckte.

Was macht er?“, flüsterte Shana hinter ihm.

Warte!“, zischte Rufus. „Jetzt hat er den Schinken bemerkt!“

Shana und Belly traten vorsichtig hinter Rufus. Da die milchige Scheibe zerbrochen war, hatten sie einen klaren Blick nach draußen. Der Grizzly brummte weiter vor sich hin, diesmal aber wohl eher vor Freude über den Braten, der da auf der Veranda lag. Mit einem Sprung, der die Hütte erbeben ließ, sprang das massige Tier darauf zu, ließ sich fallen und begann, den Schinken zu zerreißen.

Los!“, rief Rufus gedämpft. „Sucht die Hütte ab! Wir haben nicht viel Zeit! Ich glaube nicht, dass das Viech von dem Häppchen satt wird! Sucht ihr den anderen Raum ab. Ich versuche es hier.“

Hastig und mit wild pochendem Herzen stürmten Shana und Belly in den hinteren Raum. Der stand voller Gerümpel, das für ihre Zwecke rein gar nicht zu gebrauchen war. Ein flacher Schlitten, Kisten mit Werkzeug, die Konserven, Tierfelle, die aber so grob waren, dass sie als Leinwand ausfielen, Petroleumlampen und sonstiger Krimskrams. Die Wände bestanden wie die ganze Hütte aus übereinandergelegten Baumstämmen. Verzweifelt stieß Shana die Luft aus.

„Hier gibt es einfach nichts, was wir benutzen können, oder siehst du was, Belly?“

Belly schüttelte stumm den Kopf. Das war aussichtslos. Er drehte sich um und ging zu Rufus zurück, der ihm enttäuscht entgegenblickte.

„Nichts?“

„Hm.“

Belly machte noch einen Schritt in den Raum hinein, als er aufhorchte. Unter ihm hatte eine Diele geknarrt, und ihm war, als hätte der Boden unter seinem Gewicht leicht nachgegeben. Überrascht schaute er nach unten. Genau unter seinem Fuß zeichnete sich ein Rechteck ab.

„Hey, kommt mal her! Ich glaube, hier ist so was wie eine Falltür.“

Rufus und Shana setzten sich zu ihm in die Hocke.

„Hm“, machte Rufus. „Für eine Falltür ist das zu klein. Aber natürlichen Ursprungs ist das auch nicht. Seht mal, hier. Da hat jemand öfters dran rumgespielt.“

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