Читать книгу: «Shana», страница 12

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„Vielleicht machen sie es sogar ab und zu selbst“, überlegte Belly. Aber dann korrigierte er sich. „Nein, dazu sind sie viel zu dick.“

Shana musste lachen. „Na, du hast jedenfalls ganz schön abgenommen, seit wir unterwegs sind! Noch zwei Tage und deine Hose rutscht runter!“

Belly wurde rot. Er musste sie tatsächlich schon dauernd hochziehen. Und irgendwie fühlte er sich nicht nur leichter, sondern auch freier.

Als Shana fertig war und aufstehen wollte, hielt Rufus sie zurück.

„Warte noch einen Moment. Jetzt denken die Männer, wir sind noch am Arbeiten. Aber wenn wir die Reusen ausgelegt haben und in den Busch gehen, werden wir keine Wurzeln suchen, sondern abhauen.“

Shana griff sich eine der Reusen und tat so, als würde sie weiter daran arbeiten.

„Du hast einen Plan?“

„Hast du Segeltuch besorgt?“, fiel Belly ein. „Und was ist mit dem Pinsel?“

„Nein, das Segeltuch haben sie schon ins Beiboot gelegt. Ich kann wohl kaum etwas davon abschneiden. Aber ich hab heute früh nachgedacht. Belly hat doch von Wandmalereien erzählt, die sich in der Höhle befinden. Was haltet ihr davon, wenn wir eine weitere hinzufügen?“

Shana verstand sofort. „Du meinst …?“

„Wir könnten es versuchen. Wenn die damaligen Ureinwohner es geschafft haben, auf eine Wand zu malen, warum sollte es uns nicht auch gelingen? Zumal es ein natürlicher Untergrund ist. Aber er muss glatt sein.“

„War er“, warf Belly ein.

„Gut. Das müsste gehen.“

„Und was ist mit dem Pinsel?“, fragte Shana. „Hast du dafür auch eine Lösung?“

Mittlerweile brannte die Sonne vom Himmel, und Rufus musste sich den Schweiß von der Stirn wischen, obwohl sie im Schatten saßen.

„Na ja, eine richtige Lösung hab ich noch nicht, aber eine Idee. Belly, du hast doch gestern erzählt, dass dich ein Affe erschreckt hat.“

„Hm.“

„Wo war das?“

„Auf dem Pfad, nicht weit von hier. Der sprang mir genau vor die Füße, und in den Bäumen waren noch mehr von der Sorte. Sie waren ziemlich laut.“

„War er zutraulich?“

„Ich glaub nicht. Der hat sich genauso erschreckt wie ich.“

„Und wie groß war er?“

Belly hielt die flache Hand über den Boden. „Ungefähr halb so groß wie ich.“

„Schätze, das ist eine Lemurenart“, meinte Rufus zufrieden. „Die haben schönes Fell und die Schwanzspitze ist ein perfekter Pinsel.“

„Du willst ihm doch nicht den Schwanz abschneiden?“, fuhr Shana empört auf.

„Nein“, lachte Rufus. „Aber ein paar Haare abschaben. Das würde schon reichen.“

„Ich glaube, wir müssen langsam mal die Reusen auslegen“, sagte Belly leise. „Die Männer sehen immer öfter zu uns rüber.“

Shana erhob sich. „Ich glaub nicht, dass du einen Affen einfach so fangen kannst. Und wenn, dann kriegst du niemals seine Haare ab. Der kratzt und beißt, was das Zeug hält.“

Rufus stand ebenfalls auf und griff sich zwei Reusen. „Wir müssen ihn anlocken. Am besten mit Futter. Wenn wir uns gleich die Reste von gestern für die Reusen holen, steckt euch etwas davon in die Taschen. Ein, zwei Bananen wären auch nicht schlecht. Und ich hab da noch so eine Idee …“

„Was denn?“, fragten Shana und Belly gleichzeitig.

„Das verrate ich euch noch nicht. Aber ich muss Käptn Bellamy fragen, ob er etwas hat, was ich dazu brauche.“ Er lächelte verschmitzt. „Wenn sie richtige Piraten sind, dann haben sie in ihrem Lager nicht nur Decken und Segeltuch versteckt.“

„Und Gold“, entfuhr es Belly.

„Gold kann man nicht essen. Auf einer einsamen Insel ist Gold so viel wert wie Stein. Ganz andere Dinge bekommen mit einem Mal einen wichtigen Stellenwert. Zum Beispiel Wasser.“

Rufus ließ sich nichts mehr entlocken. Um nicht noch mehr aufzufallen, gingen sie hinüber zur Feuerstelle und sammelten die Knochenreste und Langustenschalen ein, die vom Vorabend überall herumlagen. Unauffällig griff sich Shana noch zwei Bananen von dem Vorratshaufen. Dann wateten sie zum Riff, um die Reusen auszulegen. Sie arbeiteten konzentriert und schafften es, alle vier sicher zu befestigen.

Als sie damit fertig waren, warteten Shana und Belly am Rand des Dschungels auf Rufus, der sich zum Käptn begab, um etwas zu besorgen. Aus der Entfernung sahen sie, dass eine Diskussion zwischen den Beiden entbrannte, aber sie konnten kein Wort davon verstehen. Merkwürdigerweise hielt sich Rufus öfters den Bauch und krümmte sich leicht. Schließlich nickte Bellamy und stapfte zu Bennie, der mit zwei weiteren Männern dabei war, den provisorischen Mast aufzurichten. Die zweite Diskussion, die daraufhin entbrannte, war weitaus heftiger, und einige Worte drangen bis zu Shana und Belly herüber. Bennie schien nicht erfreut darüber zu sein, was der Käptn von ihm verlangte. Schließlich jedoch langte er ins Beiboot und holte etwas hervor, das von weitem aussah wie eine Flasche. Bennie reichte sie dem Käptn, und der gab sie an Rufus weiter. Der bedankte sich überschwänglich. Dann sahen Shana und Belly, wie Rufus die Flasche anscheinend entkorkte. Gleich darauf führte er sie zum Mund und schien einen gehörigen Schluck zu nehmen. Mit einem letzten Gruß an den Käptn und den Mann mit dem Klaviergebiss zeigte Rufus auf die Kinder und deutete an, dass sie jetzt loszogen, um etwas Essbares zu besorgen. Der Käptn nickte und schickte Bennie zurück an die Arbeit, der sie sichtlich verärgert auch wieder aufnahm.

Rufus kam zu Shana und Belly zurück, zischte nur: lasst uns gehen, aber nehmt noch eine Machete mit!, und verschwand im Gestrüpp. Shana schnappte sich eins der Buschmesser, die von der Arbeit an den Reusen noch unter der Palme lagen und folgte dann den anderen. Erst, als sie ein gutes Stück auf dem Pfad entlanggegangen waren, rückte Rufus mit der Sprache raus.

„War gar nicht so einfach, dem dummen Bennie den Fusel abzuluchsen.“

Shana blieb stehen. „Da ist Schnaps drin? Wozu brauchst du den denn? Mir hat der Käptn vorgestern noch gesagt, er hätte keinen.“

Rufus hielt die unansehnliche Flasche hoch. „Du bist ein junges Mädchen. War schon in Ordnung, dass er dir keinen Schnaps gibt. Das ist echter Jamaika-Rum! Wusste ich doch, dass Piraten auf so was nicht verzichten. Ich hab Bellamy gesagt, ich hätte mir den Magen verdorben, und ob er nicht etwas Schnaps als Medizin hätte. Er hat’s mir glatt abgenommen!“ Rufus grinste von einem Ohr zum anderen. „Ich würde den ja gern selbst austrinken, aber ich glaube, unser Äffchen möchte auch was abhaben. Die Flasche ist leider nur noch halbvoll.“

„Du willst einen Affen besoffen machen?“, entrüstete sich Shana.

Rufus hob beschwichtigend die Hand. „Affen trinken gerne mal einen über den Durst. Wenn sie angegorenes Obst finden, schmeißen sie ´ne Party.“

Belly schüttelte den Kopf. „Wenn ich das meinem Vater erzähle …“

„Das nächste Mal nehmen wir ihn mit!“, grinste Rufus. „Aber jetzt sag mir mal, wo du den Affen getroffen hast.“

Belly überlegte kurz. „Ich war fast schon wieder am Strand. Es kann nicht weit von hier gewesen sein.“

„Gut. Dann haltet Augen und Ohren offen.“

Langsamen Schrittes gingen sie weiter. Vielfältige Geräusche drangen aus dem Urwald. Fiepen, Flattern, knisternde Äste und die abgehackten Rufe verschiedener Vögel. Aber ein Affe war nicht darunter. Einige Minuten liefen sie langsam den Pfad bergan, und genau in dem Moment, als Shana sagen wollte, die Horde wäre längst weitergezogen, ertönte das typische Gekreisch aus dem Buschwerk.

Rufus hob einen Arm. „Sie sind nicht weit. Ich wette, sie sehen uns ganz genau. Am besten, wir legen die Sachen vor uns auf den Weg, ziehen uns ein bisschen zurück und warten.“

Shana schälte die beiden Bananen, Belly nahm die Essensreste mit spitzen Fingern aus dem alten Tuch, in das er sie eingewickelt hatte und legte sie auf den Weg, und Rufus entkorkte die Flasche und stellte sie neben die anderen Sachen mitten auf den Pfad. Danach zogen sie sich zurück, blieben in gebührendem Abstand stehen und warteten.

Das Gekreisch kam näher. Es raschelte und knackte im Gebüsch, und Äste schwankten hin und her. Shana wusste, dass sich die Horde Affen jetzt ganz dicht am Pfad befinden musste. Sehen konnte sie aber immer noch keinen von ihnen. Urplötzlich teilte sich das Gestrüpp, und ein vorwitziges Exemplar sprang auf den Weg.

„Der sieht genauso aus wie der von gestern!“, flüsterte Belly.

„Vielleicht ist er es“, raunte Rufus. „Könnte der Anführer sein, der den anderen beweisen muss, wie mutig er ist. Bewegt euch nicht.“

Der Affe stützte sich auf die Fäuste und schaute intensiv zu den Zweibeinern hinüber. Irgendwie hatte es etwas Verschmitztes an sich, wie er seinen Kopf hin und her drehte und diese komischen großen Wesen vor ihm musterte. Nach einer Weile schien er zu dem Schluss gekommen zu sein, dass keine Gefahr von ihnen ausging. Vorsichtig und unter dem Gekreisch seiner Kollegen im Dschungel hüpfte er zu den Gaben, die da so verheißungsvoll vor ihm auf dem Pfad lagen. Zuerst griff er sich die beiden Bananen und klemmte sie sich unter den Arm. Dann versuchte er, auch die Knochen zusammenzuraffen, was ihm aber misslang, denn es waren einfach zu viele.

„Der Rum interessiert ihn nicht“, flüsterte Shana.

„Wart´s ab“, meinte Rufus. „Ein Affe kann nichts liegen lassen. Dafür ist er viel zu neugierig.“

Rufus hatte recht. Das Tier schien zu überlegen, wie man denn am besten alle Sachen tragen konnte. Dann sah Shana, dass der Affe die Nase in die Luft hielt und schnüffelte. Das Aroma des Rums lag in der Luft, und dem konnte der Kleine nicht widerstehen. Unvermittelt ließ er die Bananen und die Knochen fallen und griff sich die Flasche. Er lugte hinein und besah sich das Ding von allen Seiten. Dann roch er an der Öffnung, und schließlich leckte das Äffchen am Flaschenhals und verzog das Gesicht. Die drei Beobachter sahen genau, wie es überlegte, ob man das essen konnte oder nicht. Plötzlich schüttelte das Kerlchen die Flasche und spritzte ein wenig vom Inhalt heraus. Gierig leckte es die an der Flasche herabrinnenden Tropfen ab. Das Gesöff schien dem Lemuren sichtlich zu gefallen.

„Seht ihr“, sagte Rufus leise und schmunzelte. „So schnell wird man abhängig!“

Der Affe jedenfalls dachte nicht an die Folgen seines Tuns, wie auch, er besaß ja noch keine Erfahrung mit einer Buddel voll Rum. Es dauerte nicht lange, und er fand heraus, wie man die Flasche an den Mund setzte. Er nahm einen großen Schluck, und eine Sekunde später prustete er das Zeug in hohem Bogen wieder aus.

Die Kinder und Rufus pressten die Lippen aufeinander, um nicht laut loszulachen.

„Das kommt davon, wenn man zu gierig ist“, raunte Rufus. „Das Zeug hat mindestens fünfzig Prozent Alkohol, das brennt wie Feuer!“

Der Affe spuckte noch ein Weilchen, und wie es aussah, schienen sogar seine Augen zu tränen. Das hielt ihn aber nicht davon ab, es erneut zu versuchen. Diesmal war er vorsichtiger. Mit spitzen Lippen setzte er die Flasche wieder an und nahm jetzt einen kleineren Schluck. Neben ihm kreischten seine Artgenossen um die Wette.

„Die wollen auch was haben“, grinste Belly.

„Noch zwei Schluck, dann ist er blau“, meinte Rufus.

Doch wie das mit dem ersten Mal Alkohol trinken so ist, man kann es nicht einschätzen. Der Kleine beließ es nicht bei den zwei Schlucken. Wieder und wieder setzte er die Flache an und schickte sich an, den Rum auszutrinken.

„Das ist zuviel!“, sagte Rufus laut. „Wenn er nicht aufhört, kriegt er eine Alkoholvergiftung. Hey, Affe, Schluss jetzt!“

Das Äffchen schaute hoch, interessierte sich aber überhaupt nicht dafür, dass da ein Riese stand. Rufus schritt ein. Langsam ging er auf den Affen zu. Doch als er nur noch einen Meter vor ihm war, kehrte Energie in das Kerlchen zurück. Mit einer Art Wutschrei warf es die Flasche weg und rannte vom Pfad ins Gebüsch. Das heißt, der Affe wollte rennen, aber er schwankte von rechts nach links und wieder nach rechts. Dabei musste er sich mit den Händen wie ein Eisschnellläufer in einer zu scharfen Kurve abstützen, um nicht hinzufallen.

„Oh je, der ist total blau!“, entfuhr es Shana.

„Kommt und helft mir!“, rief Rufus. „Wenn er erstmal auf einem Baum ist, kriegen wir ihn nie!“

Doch es war zu spät. Der besoffene kleine Affe schlüpfte in eben dem Moment durch eine Lücke im Gestrüpp, als Rufus ihn packen wollte. Mit einem Fluch zwängte Rufus sich hinterher, wobei er sich ein paar ordentliche Kratzer von den Dornen der Büsche einhandelte.

„Warte!“, rief Belly. „Ich hab die Machete!“

Rufus ließ Belly vor, und der schlug ihnen den Weg mit dem Buschmesser frei. Während sie nach dem Affen Ausschau hielten, machte die Horde ein ordentliches Geschrei. Vermutlich waren sie sauer, dass ihr Anführer betrunken und ohne Bananen zurückkam.

„Seht ihr ihn?“, fragte Rufus angespannt. „Wenn er abhaut, war alles umsonst. Noch mehr Rum kriege ich bestimmt nicht.“

„Da oben ist er!“, rief Belly und deutete mit der Machete in die Höhe. Der Affe saß auf einem gefährlich schwankenden Ast eines gigantischen Gummibaums und bemühte sich krampfhaft, nicht herunterzufallen. Die anderen Affen lärmten ein gutes Stück entfernt und machten nicht die geringsten Anstalten, ihrem sich so merkwürdig aufführenden Kumpel zu helfen.

„Das kann nicht gut gehen“, murmelte Shana. „Der fällt gleich runter!“

„Stimmt“, meinte Rufus. In der gleichen Sekunde, als er das sagte, verlor der Affe den Halt und stürzte in die Tiefe. Mit einem Satz sprang Rufus vor und breitete die Arme aus. Wie durch ein Wunder fing er das Tier sicher auf. Allerdings verzog er das Gesicht vor Schmerz.

„Au!“ Behutsam nahm Rufus das Äffchen fester in die Arme. „Morgen werden wir beide ein paar blaue Flecken haben.“

„Ist er okay?“, fragte Shana besorgt.

„Sieht ganz so aus“, meinte Rufus. „Nur sturzbesoffen. Er wird einen ziemlichen Kater bekommen.“

„Der ist echt süß“, sagte Belly und streichelte dem Tier über das Fell. Der Affe glotzte ihn mit großen Augen an. Er schielte ein bisschen, und Belly musste grinsen. „Wahrscheinlich sieht er doppelt!“

„Na ja, ein bisschen viel war es schon“, meinte Rufus, den sein schlechtes Gewissen plagte. „Tut mir leid, kleiner Kerl. Aber ich verspreche dir, das war der letzte Schnaps deines Lebens!“

„Und was machen wir jetzt mit ihm?“, fragte Shana, während der kleine betrunkene Kerl seine Hand hob und Rufus an der Nase zog. Der musste lachen.

„Na, ganz so schlecht scheint es ihm nicht zu gehen. Ihr haltet ihn fest, und ich klau ihm ein paar seiner Haare. Aber lasst uns auf den Pfad zurückgehen. Da haben wir mehr Platz.“

Zurück auf dem Weg legten sie den kleinen Kerl hin. Der wollte zwar aufstehen, aber er war so wacklig, dass es ihm nicht gelang.

„Haltet ihn bitte gut fest“, sagte Rufus. „Und Belly, gib mir bitte deine Machete.“

„Aber tu ihm nicht weh!“, rief Shana.

„Keine Sorge, ich schabe nur ein Büschel Haare von seinem Schwanz.“

Belly reichte Rufus die Machete und half dann Shana, den Affen festzuhalten. Der wehrte sich nicht im Geringsten und ließ alles mit sich geschehen. Das Schwanzende dieser Lemurenart besaß eine Art Quaste, die selbst wie ein dicker, puscheliger Pinsel aussah. Rufus fixierte den Schwanz auf dem Boden und schabte dann mit Hilfe der Machete ein Büschel Haare herunter.

„Schon fertig!“, rief er und hielt die Haare in die Höhe.

Shana nahm den Affen wie ein Baby in den Arm. Dann wandte sie angewidert das Gesicht ab. „Puuhh, hat der ´ne Fahne!“

Rufus lachte. „Kommt, lasst ihn uns in den Urwald legen, da, wo seine Freunde ihn sehen und finden können. Ich hoffe, dass er nicht allzu lange braucht, wieder nüchtern zu werden.“

„Gibt es hier Raubtiere?“, fragte Shana bang.

Rufus überlegte. „Nein, das glaube ich nicht. Ich kenne viele Inseln, aber Raubtiere, zumindest große, hab ich nie gesehen. Außerdem ist diese Insel hier zu klein, um sie zu ernähren. Nein, keine Angst, ein Tiger wird ihn nicht fressen.“

Plötzlich fielen Shana Bellamys Worte ein. „Ich glaube, du hast recht. Der Käptn hat mir gesagt, dass es hier nur Echsen und Affen gibt.“

Einigermaßen beruhigt trug Shana den Affen hinter Rufus und Belly her in den Dschungel zurück. Sie hörten die Horde immer noch in der Nähe lärmen, und Rufus meinte, dass sie ohne den Anführer nicht weiterziehen würden. Dann traten sie hohe Gräser nieder und legten das Kerlchen darauf ab. Der schaute von einem zum anderen und verzog das Gesicht. Dann hickste er.

„Hoppla!“, rief Shana. „Jetzt kriegt er auch noch Schluckauf!“

„Tja, mein Lieber“, sagte Rufus und tätschelte dem Äffchen den Kopf. „Wir müssen uns bei dir entschuldigen. Aber wenn du wieder nüchtern bist, kannst du deinen Freunden erzählen, was du alles erlebt hast! Damit kannst du angeben bis an dein Lebensende!“

„Wartet mal!“, rief Belly. „Ich hole noch die Bananen!“

Er zwängte sich durch die Büsche, kehrte kurz darauf mit den Bananen und Knochenresten zurück und legte sie neben dem Affen ins Gras.

„So“, sagte er befriedigt. „Dann kehrst du wenigstens nicht mit leeren Händen zurück!“

„Lasst uns den Pinsel gleich hier machen“, meinte Rufus. „Dann können wir noch ein bisschen auf den Kleinen achtgeben. Shana, kannst du mir bitte ein Blatt von dem Baum dort drüben bringen? Der hat feine und widerstandsfähige Adern, besser als jeder Faden. Und Belly, such du mir bitte einen kleinen Stock, den wir zum Pinsel umfunktionieren können.“

Shana nahm die Machete und schlug eines der großen fleischigen Blätter von dem Baum ab, auf den Rufus gedeutet hatte. Belly hatte es etwas schwerer, denn alle Pflanzen hier waren zu groß für seine Zwecke. Auch das Gestrüpp war so ineinander verwoben, dass kaum ein gerader Zeig zu finden war. Doch dann entdeckte er das Wurzelwerk einer Würgepflanze, die den Stamm eines zweiten Baumes als Wirt benutzte und ihre dicken Ableger tief in den Boden schickte. Doch manche der Wurzeln waren noch klein, manche höchstens bleistiftdick, und genau auf diese hatte Belly es abgesehen. Doch ohne Werkzeug ging es nicht. Er ließ sich von Shana die Machete geben und schnitt eine der dünnen Wurzeln ab. Damit ging er zurück zu Rufus, der sie neben dem Haarbüschel und dem Blatt ablegte. Dann setzte sich Rufus in den Schneidersitz und nahm Belly das Buschmesser ab. Während Rufus sich ans Werk machte und aus dam Blatt die Adern löste, setzten sich Shana und Belly neben den kleinen betrunkenen Affen und kraulten ihm das Fell. Der arme Kerl blickte mit glasigen Augen von einem zum anderen, genoss es aber sichtlich, so verwöhnt zu werden. Ab und zu musste er aufstoßen, was die beiden Kinder jedes Mal ein Stück von ihm abrücken ließ.

„Oh Mann“, sagte Belly angewidert. „Das riecht nicht nur nach Rum. Das ist ja ekelhaft! Was hat der vorher bloß gegessen?“

„Frag lieber nicht!“, lachte Shana. „Auf jeden Fall verträgt es sich nicht miteinander. Sag mal, Rufus, hast du dem Käptn gesagt, wie lange wir weg sind?“

„Nein“, meinte Rufus und wickelte den Zwirnersatz, den er aus den Adern des Blattes gewonnen hatte, sorgfältig um das Büschel Haare und das Stück Wurzel, so dass es langsam tatsächlich an einen Pinsel erinnerte. „Aber du hast recht, allzu lange sollten wir uns nicht aufhalten. Wenn er ein paar Männer schickt, um weitere Sachen aus der Höhle zu holen oder wenn dieser Bennie auf die Idee kommt, uns zu suchen, sollten wir längst verschwunden sein.“

„Hey!“, rief Shana mit einem Mal. „Seht mal, der Kleine will aufstehen!“

Tapsig und schwerfällig versuchte der immer noch reichlich angeschlagene Affe auf die Beine zu kommen. Aber jedes Mal, wenn er halbwegs auf den Füßen war, plumpste er zurück auf den Po.

„Oh je“, machte Belly. „Der wird gewaltigen Ärger mit seiner Frau kriegen, wenn er nach Hause kommt!“

„Woher weißt du, dass es ein Männchen ist?“, fragte Shana spitz. „Hast du nachgesehen?“

„Ähh … nein. Ich dachte halt …“

„Dass es ein Männchen sein muss, weil es sich sinnlos betrinkt!“, lachte Rufus.

„Nein, weil du gesagt hast, es sei der Anführer. Das sind doch immer Männchen, oder nicht?“

Rufus nickte zustimmend. „Stimmt. Anführer sind meist auch Angeber. Und Angeber sind meist auch Männchen. Aber … wie du noch merken wirst …“ Rufus grinste, „… hinter jedem Männchen steht ein Weibchen, das ihn führt.“

„Ach ja?“, machte Shana. „Dann führe ich euch jetzt hier raus. Lasst uns bitte gehen. Irgendwie hab ich das Gefühl, wir sollten uns beeilen.“

„Okay, du hast recht. Schaut mal her, der Pinsel ist doch gut geworden, oder nicht?“

Rufus hielt ihn in die Höhe, und wenn Shana und Belly nicht gewusst hätten, woraus das Ding bestand, hätten sie es für einen zwar etwas krummen und buschigen, aber ganz normalen Pinsel halten können.

„Super!“, entfuhr es Belly. „Und der funktioniert?“

„Werden wir ja sehen“, meinte Rufus zuversichtlich. „Es braucht auch glatten Untergrund. Dazu muss ich mir erstmal die Wände der Höhle anschauen.“

„Mach´s gut, kleiner Affe!“, sagte Shana und streichelte den Kleinen ein letztes Mal. Jetzt hielt er sich schon besser auf den Beinen. Im Hintergrund kreischte die Meute seiner Kumpane. Sie schienen mitzubekommen, dass es ihrem Boss wieder besser ging. Noch immer schwankend nahm sich das Kerlchen eine Banane in jede Hand und torkelte damit ins Unterholz. Die übrigen Essensreste ließ er liegen. Das wäre wohl auch zuviel für ihn geworden. An ein paar sich unnatürlich bewegenden Ästen erkannte Shana, wo der Affe langging. Kurz darauf wurde das Kreischen der Horde noch lauter.

„Jetzt haben sie ihn wieder“, meinte Rufus lakonisch. „Hoffentlich wählen sie keinen neuen Anführer!“

„Ich bin froh, dass es ihm wieder gut geht.“ Shana nahm Rufus die Machete aus der Hand und bog damit das Gestrüpp zur Seite. „Aber lasst uns jetzt gehen.“

Shana trat vorsichtig auf den Pfad hinaus und spähte nach links und rechts. „Alles okay, die Luft ist rein. Ihr könnt kommen.“

„Wenn die uns jetzt erwischen, haben wir nicht ein Futzelchen zu Essen gefunden“, meinte Belly.

„Stimmt“, ergänzte Rufus. „Aber das Risiko müssen wir eingehen. Und wir wollen nichts zu essen suchen, sondern nach Hause. Los, beeilen wir uns.“

Belly führte die anderen den Pfad entlang bis zum Felsplateau, wo sie sich staunend umsahen. Shana reckte den Kopf in die Höhe und schirmte die Augen vor der Sonne ab, um die hoch aufragende Felswand auf sich einwirken zu lassen. Rufus hingegen ließ sich davon nicht beeindrucken, sondern suchte mit Blicken die dicht gewachsenen Sträucher ab, um den Höhleneingang zu finden. Belly stellte sich neben ihn und grinste.

„Glaubt man nicht, dass hier eine Höhle ist, stimmt´s?“

„Hm“, machte Rufus. „Verdammt schwer. Das Zeug ist so dicht … wie bist du da reingekommen?“

„Schau mal“, sagte Belly und deutete auf seine Beine, die jede Mange Kratzer zierten. „Das sind noch die Spuren von gestern!“

Shana trat ungeduldig neben die Beiden. „Belly, spann uns nicht auf die Folter. Zeig uns den Eingang.“

„Okay, aber helft mir bitte mit den Sträuchern. Hundert Kratzer reichen mir. Ich muss nicht noch mehr haben.“

Belly ging zielsicher auf die Felsen zu und platzierte sich vor eine Stelle, die für die anderen beiden so aussah wie jede andere.

„Hier.“

Shana packte die Machete und schob das Gestrüpp so weit zur Seite wie sie konnte. Ein dunkles Loch gähnte ihr entgegen.

Belly verbeugte sich. „Voilá, Madame. Der Eingang zum Schatz der Whyla!“

„Beeilt euch bitte“, drängte Shana. „Es strengt an, die Machete so lange zu halten.“

Belly schlüpfte hindurch. Rufus hatte etwas mehr Mühe, unbeschadet durch die Dornen zu kommen und musste sich zudem bücken, um durch den Eingang zu gelangen. Als er durch war, kam Shana an die Reihe, was für sie weit schwieriger war, denn sie musste sich beim Hindurchtasten gleichzeitig die Dornen vom Leib halten. Ganz ohne Kratzer ging es nicht ab, aber sie schaffte es.

„Puuhh“, machte sie, als sie neben den anderen im Dunkel der Höhle stand. „Wie haben das die Piraten nur gemacht, durch diesen Eingang die ganzen Sachen zu schleppen?“

„Vor allem die schweren Kisten“, nickte Rufus. „Wo stehen die eigentlich?“

„Ein gutes Stück weiter hinten“, sagte Belly. „Aber die Malereien sind gleich hier vorne. Wartet eine Minute, damit sich eure Augen an das Licht gewöhnen.“

Shana konnte es gar nicht abwarten, die Höhle zu erkunden, aber auch sie musste warten, bis sie mehr wahrnehmen konnte. Langsam schälten sich die Umrisse der Höhle aus dem Dunkel.

„Hey, hier hängen ja Fackeln!“, rief Rufus.

„Ja, die hab ich gestern auch schon gesehen. Aber ohne Feuerzeug nutzen sie uns gar nichts.“ Belly sah jetzt genug, um vorzugehen und den anderen die Malereien und die Kisten zu zeigen.

Sprachlos stand Rufus vor den uralten Wandbildern und staunte.

„Einfach unglaublich, wie früh auf der Welt es schon Künstler gegeben hat! Die Bilder sind bestimmt Jahrtausende alt, aber das sieht alles so aus, als wäre es eben gerade erst gemalt worden.“

„Rufus …“, drängte Shana. „Die Wand … ist sie in Ordnung? Ich meine … kannst du darauf mit der Traumfarbe malen?“

„Sieht gut aus“, meinte Rufus. „Wunderbar glatt und ohne Risse oder Vorsprünge. Sieht beinahe so aus, als hätten die Ureinwohner sie damals so bearbeitet, dass sie besser auf ihr malen konnten. Unglaublich.“

„Kannst du bitte anfangen?“, drängte Belly. „Irgendwie hab ich Hunger auf einen Hamburger.“

„Nichts da, Belly!“, rief Shana mit gespielter Strenge. „Ab sofort wirst du dich vernünftig ernähren! Darauf werde ich schon achten!“

„Gut, liebe Frau“, seufzte Belly. „Aber nur, wenn du mir den Entsperrungscode von Carl besorgst!“

Während Shana lachte, schaute Rufus verständnislos von einem zum anderen. „Was ist ein Entsperrungscode?“

„Völlig unwichtig“, sagte Shana ungerührt. „Aber Belly … zeigst du uns vorher noch den Schatz? Bitte …!“

„Den will ich auch noch sehen“, meinte Rufus. „Die eine Minute haben wir noch.“

„Okay, kommt.“

Belly führte die beiden tiefer in die Höhle hinein, bis er sich genau wie am Vortag die Zehen an der ersten Kiste stieß.

„Auu!“

„Mann, sind das viele!“, entfuhr es Shana.

„Mindestens dreißig“, schätzte Rufus. „Wenn in jeder von ihnen die gleichen Münzen stecken wie die, die du gefunden hast, Belly, dann liegt hier ein unschätzbares Vermögen.“

Belly rieb sich den Fuß. „Zwei hab ich schon. Ich finde, wir sollten jeder eine mitnehmen, dann haben wir alle ein Andenken an Bellamy. Werden sie schon nicht merken.“

Rufus nickte. „Ich glaube, dass sich die Kerle ganz sicher mit genügend Münzen eindecken werden, bevor sie die Insel verlassen. Sie werden es brauchen, wenn sie sich in eine besiedelte Gegend retten können. Ich darf doch, Käptn Belly?“

Der Angesprochene grinste und deutete auf eine Kiste. „Bitte sehr, bedient euch!“

Rufus ließ die Verschlüsse aufschnappen und langte vorsichtig hinein. Genau wie Belly genoss er das Geräusch der klimpernden Münzen und ließ sie durch die Hand rieseln. Aber dann besann er sich, nahm sich eine und ließ den Deckel wieder zufallen. Er verschloss die Kiste sorgfältig wieder und steckte die Münze in seine vollkommen zerschlissene Hose.

„Hoffentlich fällt sie nicht durch“, scherzte er und prüfte sicherheitshalber, ob die Hosentasche den Untergang der Adventure überlebt hatte.

„Kommt“, sagte er dann. „Malen wir ein Bild.“

Die drei gingen zurück in den vorderen Teil der Höhle und stellten sich vor die Wand mit den schönsten Malereien. Prüfend betrachtete Rufus die bemalte Fläche. „Hm. Wir brauchen eine unbemalte Stelle.“

Wir wär´s mit der?“, fragte Belly und deutete auf ein Stück der Wand etwas abseits.

„Perfekt“, meinte Rufus. „Dann wollen wir mal. Wenn ich male, dürft ihr mich nicht stören, okay?“

„Werden wir nicht“, versicherte Shana.

Rufus stellte sich vor die Wand und klemmte den Pinsel zwischen die Zähne. Dann streifte er sich die Kette mit der Kapsel über den Kopf und öffnete sie behutsam. Obwohl sie wenig sehen konnte, schien es Shana, als würden die Borsten, die aus den Haaren des Affen bestanden, zu pulsieren beginnen. Aber das konnte auch eine Täuschung sein. Jetzt nahm der Maler der Traumbilder die Kapsel mit dem Gel in die linke Hand und den Pinsel in die rechte. Dann verhaarte er und schloss die Augen.

„Rufus …“, flüsterte Shana.

„Du sollst ihn doch nicht stören!“, fauchte Belly.

„Ja, schon, aber wir müssen doch wissen, wohin wir gehen! Wir müssen doch alle drei woandershin! Du zu dir nach Hause, ich zu mir, und Rufus in den Wald. Aber er kann doch nicht drei verschiedene Bilder malen!“

Daran hatte Belly nicht gedacht. Rufus öffnete noch einmal die Augen und nickte.

„Sie hat recht. Drei Bilder wären zu riskant. Ich weiß ja noch nicht mal, ob das auf diesem Untergrund funktioniert. Ich werde meine Hütte malen. Dahin können wir alle drei gehen.“

„Aber von da kommen wir nicht nach Hause“, warf Belly ein. „Wir haben doch unsere Portables vergessen!“

„In meiner Hütte gibt es genügend Gel für Hunderte Bilder“, beruhigte Rufus. „Außerdem hab ich dort etwas, das euch sicher heimbringt.“

„Was denn?“, fragte Shana neugierig.

„Das sag ich euch, wenn wir da sind“, lächelte Rufus. „Und jetzt lasst mich malen, okay?“

Shana und Belly nickten. Gespannt sahen sie zu wie Rufus erneut die Augen schloss und sich entspannte. Minutenlang stand er da und atmete ruhig. Die beiden Kinder wussten, dass man sich in einen Traum fallen lassen musste, sonst würde es nicht gehen. Es war sicher schwer für Rufus, sich so von der Außenwelt und vor allem von der Anspannung abzuschotten, die ihn sicher gefangen hielt. Doch dann kam der Moment, auf den Belly und Shana gespannt gewartet hatten. Langsam führte Rufus den Pinsel zur Wand. Jetzt war es keine Einbildung mehr, denn Shana sah genau, dass sich die Haare am vorderen Ende des Pinsels bewegten. Sie schienen ungeduldig der Wand entgegenzustreben. Als sie sie endlich erreichten, saugten sie sich sofort fest und verharrten. Wie auf Rufus Staffelei sandten sie leichte Wellenbewegungen aus, doch noch entstand kein Bild. Rufus entspannte jetzt vollkommen. Er atmete ruhig ein und aus. Dann, ohne dass es vorher ein Anzeichen gegeben hätte, setzten sich die aus einem betrunkenen Affen gezupften Borsten in Bewegung. Atemlos sahen Shana und Belly zu, wie auf der Felswand eine Wiese entstand, dann ein sich anschließender Wald, und schließlich eine Blockhütte mit einer Veranda davor. Keine zwei Minuten später war das Bild fertig. Es besaß keinen Rahmen, aber das war egal. Wie ein Fenster in eine andere Welt wirkte das Bild in dieser Höhle, und es war in seiner Natürlichkeit unvergleichlich. Mit einem leisen fffftttt löste sich der Pinsel von der Wand und Rufus öffnete die Augen.

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9783738078831
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