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Читать книгу: «Undercover Boss», страница 4

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Lars

Mit einem Lächeln im Gesicht bin ich auf dem Weg zum Parkhaus. Es ist immer wieder wohltuend, mich mit meinem kleinen Bruder zu treffen. Er genießt es auch sichtlich. Wenn wir zusammen sind, lässt er seinen Gedanken freien Lauf; kann dann auch mal er selbst sein. Er blödelt gern herum, was bei mir auf fruchtbaren Boden fällt. Wenigstens das haben wir gemeinsam, wenn wir schon als Brüder nicht unterschiedlicher sein könnten. Während ich groß, dunkelblond mit blauen Augen und muskulös bin, ist er mit seinen 1,70 m eher klein, dunkelhaarig und von einer drahtigen Statur. Mit seinem asiatischen Aussehen und den dunklen, mandelförmigen Augen wickelt er jede Frau um den Finger. Im Verlag ist er eher zurückhaltend, denn jeder kennt ihn als Sohn des Chefs, der irgendwann sein Nachfolger sein wird. Jetzt ist er der Assistent der Geschäftsleitung und vor allem für die Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich.

Mein Handy klingelt. Umständlich fingere ich es aus der Hosentasche. „Marek! Was gibt’s?“

„Hi, Lars. Ich hatte vergessen, dich an die Party am Wochenende zu erinnern. Hab’ es meiner Mom versprochen.“

„Party?“

„Ja, meine Mutter ist schon ganz aus dem Häuschen wegen den Vorbereitungen.“

„Ist das schon dieses Wochenende?“

„Ja klar! Du hast es doch nicht vergessen, oder?“

„Nein. Aber ich …“

„Du hast es vergessen. Gib’s zu!“

„Habe ich nicht, ich mag nur nicht die Art von Partys, die Meylin ausrichtet. Die aufgeblasenen Geldsäcke sind so oberflächlich wie sonst was. Und dazu noch langweilig und anstrengend. Außerdem habe ich schon einen Termin, den ich ungern verschieben möchte.“

„Aber sie und Vater freuen sich so, ihren verlorenen Sohn aus der Ferne in der Heimat, im Schoß der Familie, willkommen zu heißen.“

„Höre ich da versteckte Ironie? Papa hat nur ein schlechtes Gewissen, und Meylin organisiert für ihr Leben gern Cocktailpartys für die High Society.“

„Da könnte was dran sein.“

„Mist! Könnte die Feier eventuell auf einen anderen Tag verschoben werden? Es ist nur so, dass …“

„Wohl kaum. Die Einladungen sind längst raus. Sämtliche Freunde aus dem Golf- und Tennis-klub kommen, und Vater hat wichtige Geschäftsfreunde aus der Branche eingeladen. Er will dich mit allen bekanntmachen.“

Mir dreht sich bei diesem Gedanken der Magen um. „Marek, das geht nicht! Die merken doch gleich, dass ich von der Materie keine Ahnung habe.“

„Vielleicht solltest du unserem alten Herrn reinen Wein einschenken.“

„Nein, das geht nicht. Nicht jetzt!“

„Ehrlichkeit währt am längsten!“

„Na, dann fass’ dir mal lieber an die eigene Nase.“

„Schon gut! Aber Kneifen geht nicht.“

Ich hole tief Luft. Habe das Gefühl, ich drehe mich im Kreis. Weiß nicht, was ich tun soll. Gerade war ich froh, dass Hannah die Einladung zum Essen angenommen hat. Schwebe noch immer auf Wolke sieben und kann gar nicht fassen, dass wir ein Date haben. Es hat wirklich einiges an Mühe und Überredungskunst gebraucht, dass sie überhaupt zugestimmt hat. Ich möchte sie nicht enttäuschen und meine Chancen bei ihr zunichtemachen. Seit unserer Aussprache läuft es einwandfrei zwischen uns. Sie ist nicht nur eine wunderbare Kollegin, die mir viel und mit unendlicher Geduld alles zeigt und beibringt und so meine Wissenslücken schließt, sondern auch ein überaus warmherziger Mensch. Dazu ausgesprochen hübsch, auf ihre Art und Weise. Ich möchte ihr ungern absagen, aber darum werde ich wohl nicht herumkommen.

„Keine Sorge, tue ich nicht. Trotzdem würde ich lieber einen großen Bogen um das Tamtam machen, wenn ich könnte. Es passt mir nun mal nicht, wenn ich wie ein preisgekröntes Rennpferd allen vorgeführt werde.“

„Gönne es unserm alten Herrn, wenn er etwas mit seinem Erstgeborenen angeben möchte.“

„Ein bisschen spät! Findest du nicht?“

„Besser spät als nie. Ich bin immer nur der Zweitplatzierte und komme an die Nummer eins nicht ran.“

„Außerdem bist du viel kleiner!“, necke ich ihn. Ich weiß, wie sehr ihn das ärgert.

„Dafür aber wesentlich gutaussehender als du!“, kontert er.

„Punkt für dich! Dann sag Meylin, dass ich mich wahnsinnig auf die Party freue, auch wenn das gelogen ist.“

„Hey, so schlimm wird es schon nicht werden. Es gibt gut zu essen und reichlich zu trinken. Ein bisschen Blabla hier, ein bisschen Bussi-Bussi dort. Außerdem bin ich auch noch dort und werde dich, wenn es sein muss, vor Beverly retten.“

„Ach, du Schreck! Die kommt auch? Dann muss ich vorher schon was trinken. Die wird wie eine Klette die ganze Zeit an mir kleben.“

„Ja, genau. Besonders wenn Papa eure Verlobung verkündet! Immerhin bist du als zukünftiger Verlagschef eine gute Partie.“

Das saß. Automatisch verziehe ich mein Gesicht zu einer Grimasse, als würde ich in einen Apfel beißen, der von innen gammelig ist.

In meiner Erinnerung ist Beverly ein verzogenes, dickes Mädchen, das uns aufs Auge gedrückt wurde, wenn sich unsere Eltern besuchten. Mit Leidenschaft spielte sie gern Mutter, Vater, Kind. Marek sollte immer das Kind sein. Wenn wir uns wehrten, was eigentlich ständig war, fing sie an, zu plärren, und beschwerte sich bei ihren Eltern. Das Ende vom Lied war, dass die Erwachsenen auf der Seite von Beverly waren, sodass wir uns, unter Androhung von Strafe, zu fügen hatten und uns mit ihr beschäftigen mussten.

Einmal haben Marek und ich uns vor ihrem Besuch aus Verzweiflung absichtlich mit Schaumküssen überfressen, damit wir uns übergeben mussten. Wir haben furchtbar gelitten, aber das war es wert gewesen, denn wir durften zu Hause bleiben.

„Nee, lass mal lieber! Eher gehe ich ins Kloster und schwöre ewige Enthaltsamkeit.“

„Was für ein Verlust für die Frauenwelt! Du kannst doch deine Freundin mitbringen. Wo liegt das Problem?“

„Äh, Freundin? Ich habe keine Freundin, jedenfalls zurzeit nicht.“

„Und was ist mit der Frau, mit der du verabredet bist? Wer ist sie eigentlich? Kenn’ ich sie?“

„Nee, kennst du nicht!“, versuche ich, einzulenken. „Und ich habe nie behauptet, dass ich mit einer Frau verabredet bin.“

„Was denn sonst? Komm, Bruderherz, mir kannst du nichts vormachen. Du benimmst dich seit ein paar Tagen wie ein verliebter Schuljunge. Es ist die Kleine aus dem Büro, stimmt’s?“

„Bin ich bei der Inquisition, oder was?“, sage ich verärgert. Ich mag nicht, welche Richtung dieses Gespräch nimmt. „Sie ist mir wichtig. Okay? Sie hilft mir in meinem Job. Das ist alles. Mehr ist da nicht!“

„So, so. Du weißt schon, was Papa von einem Techtelmechtel unter Kollegen hält.“

„Ja!“ Ich seufze, dann zitiere ich: „Keine Liebelei am Arbeitsplatz! So was gibt nur Probleme. Einer muss dann gehen.“ Dass Hannah ihren Job verliert, ist das absolut Letzte, was ich ihr wünsche.

„Keine Angst, ich sag’ ihm nichts. Ich werde schweigen wie ein Grab, das weißt du. Sei du bloß vorsichtig, dass er keinen Wind davon bekommt. Sag’ ihr ab, sie wird das schon verstehen.“

„Ja klar. Vermutlich wird sie dann überhaupt nicht mehr mit mir reden.“

„So schätze ich sie nicht ein.“

„Na, du musst es wissen. Du bist ja der Frauenversteher unter uns.“

„Durchaus! Ich weiß, was Frauenherzen begehren. Darum bin ich die ideale Shopping-Begleitung. Da kannst du alle meine Freundinnen fragen.“

„Wie dem auch sei. Auf jeden Fall kannst du Meylin berichten, dass ich am Wochenende da sein werde.“

„Okay, Bruderherz. Wir sehen uns morgen, und überleg dir was Einfallsreiches für deinen Gang nach Canossa, damit es nicht so schlimm wird.“

„Für sie oder mich? Fraglich ist nur, welcher der steinigere Weg ist, der nach Canossa führt. Party oder Büro?“

Damit beende ich das Gespräch. Mir schwirrt der Kopf, und wieder ärgere ich mich darüber, dass ich mich auf diesen Schlamassel eingelassen habe. Daher beschließe ich, am Wochenende mit meinem Vater zu reden. Ich weiß zwar nicht, wie oder was ich ihm sagen will, aber eins habe ich erkannt: Dies ist der falsche Weg. So wie es jetzt ist, fühle ich mich nicht wohl in meiner Haut. Darüber, wie es nach dem Gespräch weitergehen wird, werde ich mir anschließend Gedanken machen. Im schlimmsten Fall habe ich nächsten Montag keinen Job mehr und kann am Monatsende meine Miete nicht bezahlen. Dafür hätte ich aber immerhin ein reines Gewissen. Ich sehe mich schon unter einer Brücke kampieren.

Jetzt habe ich aber erst einmal einen Mordshunger. Bei psychischem Stress muss ich immer etwas Gutes essen. Ich steige in das Auto, das mir mein Vater zur Verfügung gestellt hat, und steuere den nächsten Supermarkt an.

Hannah

Bepackt wie ein Maulesel bugsiere ich die neuen Errungenschaften vom Einkaufsbummel auf dem Fahrrad. Wie jeden Mittwoch besuche ich meine Mutter. Ich bleibe vor der Haustür stehen und kann das Abendessen schon riechen. Erst jetzt merke ich, wie hungrig ich bin. Zur Bestätigung macht sich mein Magen lautstark bemerkbar.

Der Schlüssel ist natürlich bis nach unten in den hintersten Winkel meiner Handtasche gerutscht. Mir bleibt nichts übrig, als sie auszuräumen. Trotz intensivem Suchen bleibt der Schlüssel jedoch unauffindbar. Mir wird heiß und kalt. Tausend Gedanken jagen mir durch den Kopf. Tränen schießen mir in die Augen. Wie soll ich nachher in meine Wohnung kommen? Paul und Gisbert brauchen ihr Futter. Verzweiflung macht sich in mir breit. Der schöne Nachmittag ist wie weggeblasen, und ich kann nur hoffen, dass nachher der Fahrradkeller nicht abgeschlossen ist, damit ich zumindest an meinen Zweitschlüssel komme. Ich greife in die Hosentasche, um mein Taschentuch raus zu holen und fördere stattdessen meinen Schlüsselbund zutage. Ich brauche einen Moment und schaue den Gegenstand in meiner Hand verdutzt an, dann erinnere ich mich wieder. Um diesem Tohuwabohu vorzubeugen, habe ich den Schlüssel vorsorglich in die vordere Tasche meiner Jeans verfrachtet. Ein bisschen muss ich über mich selbst lachen. Mit der flachen Hand klatsche ich mir auf die Stirn. Wo habe ich nur meine Gedanken? Leider weiß ich das nur zu genau. Auf dem Weg hierher habe ich über Lars nachgedacht. Die Frage, ob die Sache mit dem Kerl das ist, wonach es ausgesehen hat, lässt mich nicht mehr los.

Ich betrete das Treppenhaus, husche zur Wohnung von meiner Mutter und öffnete die Tür. Der Duft nach gutem Essen schlägt mir intensiv entgegen.

„Hannah? Bist du das?“

„Ja! Erwartest du noch jemanden?“

Sie lacht und kommt zu mir. „Nein, eigentlich nicht. Oh, du warst in der Stadt?“

„Ja, ich brauchte mal dringend was Neues.“

„Hmm, gibt es dafür einen besonderen Anlass?“ Sie nimmt mich zur Begrüßung in den Arm.

„Nein, wieso? Ich kann mir doch mal was zum Anziehen kaufen!“

„Ja, ja, schon. Diese Boutique führt nur im Allgemeinen sehr ausgefallene, modische Kleidung.“

„Ach, meinen alten Kram konnte ich nicht mehr sehen. Außerdem habe ich demnächst eine Art Meeting. Zu dem Anlass habe ich etwas Passendes gebraucht.“

„Oh, ist es das, was ich denke?“

„Nein, das ist es nicht“, nehme ich ihr gleich den Wind aus den Segeln. Ich weiß, wie sehnlich sie sich wünscht, dass mein Volontariat bald vorbei ist. Vermutlich genauso wie ich. „Ich treffe mich mit Kollegen aus der Abteilung. So eine Art Teambuilding-Maßnahme. Weißt du?“

„Aha! Wir haben das früher Date genannt.“

„Was gibt es denn Leckeres zum Abendessen? Hmmm, das riecht einfach köstlich. Pflaster treten macht echt hungrig!“, versuche ich, meine Mutter abzulenken, denn es duftet unverkennbar nach Rouladen.

„Du kannst ihn jederzeit zum Essen mitbringen, das weißt du!“

„Ja, Mama!“

„Du brauchst mir nicht zu verheimlichen, dass du einen Freund hast.“

„Ich weiß, Mama!“

„Und warum machst du dann so ein Geheimnis daraus?“

„Mache ich gar nicht.“

„Und warum bringst du ihn nicht einfach mit?“

„Weil ich keinen Freund habe. Es ist nur ein Firmen … Dingsbums. Mehr nicht.“

„So, so. Ich glaube dir kein Wort.“

„Ist es aber. Können wir jetzt von was anderem reden?“

„Ich dachte, du würdest dich mir anvertrauen!“

„Mama! Nun sei doch nicht gleich eingeschnappt.“

„Bin ich gar nicht.“

„Wohl!“

„Hmm!“

Ich setze mich an den Küchentisch, und meine Mutter serviert das Essen, das sie stundenlang zubereitet hat. Sie ist wirklich eine gute Köchin.

„Ich finde es gut, wenn du unter Leute gehst. Mal was anderes siehst. Dir muss ja langsam die Decke auf den Kopf fallen.“

„Was hast du denn? Ich gehe zur Arbeit, habe einen Nebenjob …“

„Apropos Nebenjob. Am Samstag haben wir einen großen Auftrag. Da könnte ich dich gut gebrauchen. Könntest du mal wieder kurzfristig einspringen?“

„Samstag?“

„Es ist auch nicht lange. Nur der Empfang und die Essensausgabe. Danach kommen wir allein klar. Wir haben so viele Kranke im Moment. Es wäre wirklich eine große Hilfe, wenn du einspringen könntest.“

„Ich kann leider nicht! Sorry.“

„So? Warum denn nicht?“

„Weil ich schon eine Verabredung habe.“ Das zusätzliche Geld könnte ich, gerade nach meinem Shoppingtrip, zwar gut gebrauchen, aber wenn ich jetzt Lars absage, sieht das aus, als ob ich feige wäre und mich um das Treffen mit ihm drücken würde. Diese Genugtuung gönne ich ihm einfach nicht.

„Oh, da hast du dein Date?“

„Es ist kein Date! Nur eine harmlose Verabredung. Mehr nicht. Ehrlich!“

„Und wenn du später zu deinem Treffen gehst? Es wird auch gut bezahlt.“

„Nein, wirklich nicht. Wir essen zusammen. Würde gern ein paar Scheinchen dazuverdienen, aber diesmal passt es nicht.“

„Na gut!“ Sie schaut mit einem wissenden Lächeln auf ihren Teller und isst weiter, als ob nichts gewesen wäre. Meine Mutter ist sehr hartnäckig und gibt ansonsten nicht so schnell auf. An ihrem Blick kann ich sehen, dass sie sich ihren Teil denkt. Die entstandene Stille, wo nur das Geklapper von Messer und Gabel auf dem Porzellan zu hören ist, wird immer lauter. Die Spannung steigert sich wie ein Luftballon, der kurz vom Zerplatzen ist.

Schließlich kann ich es nicht mehr ertragen. „Was?“

„Hmm?“ Sie schaut mich fragend an, als hätte ich sie aus ihren Gedanken gerissen. „Nichts, alles ist gut!“

Es macht mich wahnsinnig, wenn sie so rumdruckst. „Nun mach doch kein Drama daraus, wenn ich mal nicht bei euch aushelfen kann.“

„Mach ich gar nicht!“

„Sondern?“

„Ach, ich schwelge ein wenig in Erinnerungen. Ich habe gerade an deinen Papa denken müssen. Wie wir uns kennengelernt haben. Ich war auf den ersten Blick in ihn verliebt. Ihn musste ich aber erst noch von mir überzeugen.“

„Bitte keine Details!“

„Ich habe Gerd zu uns nach Hause eingeladen. Meine Eltern waren an diesem Abend zum Kartenspielen bei den Wischnefkys.“

„Mama, ich weiß nicht, ob ich das jetzt hören möchte.“

„Ich habe für ihn gekocht!“

„Und?“ Ich bin mir nicht sicher, worauf meine Mutter hinauswill. „Was hat das mit mir zu tun?“

„Hannah, liebe geht durch den Magen!“

Jetzt fällt bei mir der Groschen. „Oh! Die Sachlage mit meinem Kollegen und mir ist völlig anders als du denkst. Wir sind am ersten Tag furchtbar aneinandergeraten. Er ist ein Machomann wie er im Buche steht. Wir müssen aber nun mal miteinander arbeiten und sitzen zudem noch in einem Büro. Dieses Treffen ist mehr ein Friedenstreffen. Abgesehen davon hat er ganz andere Ambitionen, glaub mir. Mehr als eine aufgewärmte Pizza aus dem Supermarkt erwartet mich nicht. Er, ein Schönling, macht sich garantiert nicht die Finger schmutzig.“

„Tja, wenn das so ist.“

„Es ist so!“

Der weitere Abend verläuft harmonisch. Wir unterhalten uns noch über einige mehr oder weniger belanglose Dinge und lachen über den neusten Klatsch im Treppenhaus, bis ich aufbrechen muss.

Paul und Gisbert quieken munter in ihrem Käfig, als ich nach Hause komme. Bevor ich zu Bett gehe, bekommen die beiden frisches Wasser und Futter.

Bei den leisen Schmatzgeräuschen, die sie zufrieden von sich geben, schlafe ich ein.

***

Der Donnerstagvormittag plätschert so dahin. Von Nils bekomme nach der Redaktionssitzung jede Menge Notizen für die Kolumne und einen Bericht auf den Tisch geklatscht.

„Hier, Konfetti, damit du dich nicht langweilst in deinem Traumpalast.“ Dabei macht er eine ausladende Geste. Er ist offensichtlich neidisch auf unser schönes Büro. Ich denke, er kann nachts nicht mehr richtig schlafen, weil er darüber nachdenkt, wie er uns das vorher verschmähte Büro abluchsen kann. Mit seiner unverwechselbaren, schnodderigen Art und Weise baut er sich vor uns auf. „Heute Abend habe ich alles fertig auf dem Tisch, klar? Und du, College-Pfeife, siehst zu, dass du in der Kaffeeküche klar Schiff machst. Kaffee ist schon wieder alle. Habe zum wiederholten Male nur den letzten, abgestandenen Rest abbekommen. Irgendjemand hat mir alles weggesoffen!“ Dabei schaut er grimmig auf Lars’ dampfenden Becher Kaffee.

„Den habe ich mir in einer Thermoskanne selber mitgebracht!“, verteidigt sich Lars.

„Nun fühl dich mal nicht auf die Füße getreten, Prinzesschen. Außerdem haben wir keinen Zucker mehr, und jeder weiß, dass man bei Stress einen höheren Energiebedarf hat. Sonst droht das diabetische Koma …“

„Ich habe Süßstoff anzubieten“, wagt Lars, Nils ins Wort zu fallen.

„Du hältst dich wohl für sehr witzig, was? Beweg’ deinen Arsch in den nächsten Supermarkt und hol’ Zucker! Aber dalli. Du bist sicherlich nicht an einer schlechten Beurteilung interessiert, oder?“

„Ähhh …“ Lars ist sprachlos.

„Dachte ich mir doch, dass wir uns verstehen. Das faule Studentenleben ist vorbei. Zeit, in der Realität anzukommen.“ Er wirft mir einen letzten Blick zu und sagt: „Deadline läuft.“ Dann verlässt er das Büro und knallt dabei so hart die Tür hinter sich zu, dass eins von den neuen Bildern an den Wänden bedrohlich ins Wanken gerät.

„Was war denn das?“

„Darf ich vorstellen: Nils, der Sklaventreiber.“

„Darf der das? So mit uns reden und uns so behandeln?“

„Wo kein Kläger ist, ist auch kein Angeklagter.“

„Aber so was muss doch der Chef erfahren!“

„Herr Gröne?“

„Ja!“

„Der interessiert sich vor allem für die Zahlen. Glaub’ mir, das führt zu nichts. Aus irgendwelchen Gründen hat Nils einen Stein bei ihm im Brett. Das liegt wohl daran, dass er das abliefert, was der Kunde lesen will, und die Auflage steigert. Er sorgt dafür, dass wir uns auf dem Markt gut behaupten können.“

Darauf erwidert Lars nichts mehr. Er steht auf und marschiert in den nächsten Supermarkt.

Die Recherchearbeiten sind umfangreich. Lars habe ich, zu meiner Entlastung, die Leserbriefe und das Horoskop übergeben. Damit ist er mehr als nur beschäftigt. Ich weiß beim besten Willen nicht, wie er sein Studium geschafft hat. So hilflos habe ich noch keinen Kollegen gesehen, wenn er vor einem leeren Blatt Papier sitzt – und ich spreche nicht von einer Schreibblockade. Wir alle lieben das Schreiben. Darum haben wir uns schließlich für diesen Beruf entschieden.

„Das ist doch Schwachsinn!“, ruft Lars über den Tisch.

Seit heute Morgen dudelt ein kleines Radio auf der Fensterbank, dass Lars mit einem Tada! aus seinem Rucksack hervorgezaubert hat, als käme ein weißes Kaninchen daraus hervor. Hätte nicht gedacht, dass Musik so entspannend sein kann. Es ist richtig gemütlich in unserem Büro.

„Da schreibt tatsächlich jemand, ich zitiere: ‚Ich möchte jetzt auch Schüßler-Salze wie die heißen Sieben ausprobieren. Ich weiß aber nicht, ob ich dabei was Bestimmtes beachten muss.‘ Haben die kein Internet?“

„Im Heft zweiunddreißig hatten wir einen Bericht über Schüßler-Salze. Die Informationen kannst du dir im Archiv aufrufen. Schreib’ so sachlich und allgemein wie möglich.“

„Okay, aber das ist doch Schwachsinn!“

„Für dich vielleicht, aber für den Leser ist es wichtig und für uns ist es ein Zeichen, dass die Berichte gelesen werden. Somit wissen wir, was unsere Kunden interessiert.“

„Ich dachte immer, die Geschichten der Kummerkasten-Tante wären längst überholt. Das liest doch keiner mehr!“

Es entlockt mir ein Schmunzeln. „Irgendwie müssen doch die leeren Seiten gefüllt werden. Daher auch die Rätselecke, das Horoskop, die Rezeptideen mit Bildern, Reisetipps, Witze und Cartoons. Aber auch Informationen über Gesundheit, die Kolumne und Berichte über andere spannende Themen, um das Fernsehprogramm abzurunden. Je bunter das Drumherum, umso besser. Hast du dich schon mal damit befasst, was für ein Produkt wir herstellen?“

„Produkt? Eine Zeitschrift!“

„Korrekt! Um es ganz präzise zu sagen, eine Fernsehzeitschrift. Was unterscheidet unsere Zeitschrift, Schau-Genau-TV, von anderen Programmzeitschriften, die es auf dem Markt gibt?“

Lars zuckt mit den Achseln.

„Wir bedienen die breite Masse. Leichte Kost, von jedem etwas. Nicht zu politisch, nicht zu viele Boulevard-Geschichten.“

„Zuckerwatte fürs Hirn?“

„Ein wenig vielleicht! Wenn du mehr über die Marktanalysen wissen möchtest, ist Marek Gröne dein Ansprechpartner.“

Still arbeiten wir vor uns hin. Leise ist das Geklapper der Tastatur zu hören. Im Hintergrund dudelt eine fröhliche Melodie aus dem Radio, die die stumpfsinnige Tätigkeit erträglicher macht und locker von der Hand gehen lässt.

„Du, Hannah?“, unterbricht Lars das Schweigen.

„Ja?“

„Also, wegen Samstag …“ Er räuspert sich. Macht eine Pause.

Ich schaue von meinem Bericht auf und blicke ihn über unsere Bildschirme hinweg erwartungsvoll an.

Lars sieht auf seine Schreibtischunterlage. Mit den Händen traktiert er nervös einen Kugelschreiber. Er dreht das Griffrohr auf, friemelt die Mine raus und bastelt alles wieder zusammen.

„Ich … ich muss absagen“, platzt er schließlich hervor.

„Oh!“ Ich schlucke und versuche, die plötzlich aufkommende Enttäuschung, die mich selber überrascht, zu verdrängen.

Eigentlich habe ich es von Anfang an gewusst, ja, praktisch erwartet, dass er es nicht ernst gemeint hat und einen Rückzieher machen würde. Trotzdem tut es verdammt weh, in meiner Herzgegend, und mein Magen zieht sich zusammen.

Und ich blöde Kuh habe mich verrückt gemacht, was ich am Samstag anziehen soll! Gott sei Dank habe ich die Quittungen aufgehoben und die Etikette von meinen neuen Sachen noch nicht abgeschnitten. Somit wird es wenigstens kein finanzieller Reinfall.

Ich versuche, nicht zu enttäuscht zu klingen. „Nicht so schlimm! Ich habe auch noch eine andere Verabredung am Samstag. Das wollte ich dir schon den ganzen Tag sagen. Bin nur noch nicht dazu gekommen. Also, mach dir keinen Kopf. Außerdem war das mit unserem Treffen doch eh nicht so eine gute Idee.“

Mit einem lautem Klack, bricht der Klipp von der Druckhülse ab.

„Ach so!“ Jetzt klingt er enttäuscht. Eventuell interpretiere ich da auch zu viel hinein. So gefühlsduselig habe ich ihn nicht eingeschätzt. Das ist eigentlich etwas für, na ja … Jedenfalls nichts für gestandene Männer. „Warum denn nicht?“

„Weil … Zum einen: Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps. Zum anderen wird es nicht gern in diesem Unternehmen gesehen, wenn sich männliche und weibliche Kollegen privat treffen. Liebelei am Arbeitsplatz, und so. Nicht, dass wir je … Versteh mich nicht falsch, aber die Gerüchteküche und die Stille Post sind hier nicht zu unterschätzen. Im Nu müssen wir in der Chefetage zum Report antreten, und ich habe echt keinen Bock, deswegen meinen Job zu verlieren.“

Mittlerweile hat er den Kugelschreiber in seine Einzelteile zerlegt. Ohne großen Erfolg versucht Lars, die Druckfeder wieder auf die Miene zu schieben.

Ich greife in die Handtasche, die in der untersten Schreibtischschublade liegt, um mein Handy herauszuholen. Jetzt kann ich meiner Mutter doch noch für Samstag zuzusagen. Die zusätzlichen Scheinchen kann ich gut gebrauchen.

„Eigentlich wollte ich dich fragen, ob wir den Termin auf morgen Abend vorverlegen könnten.“

„Oh! Damit habe ich jetzt nicht gerechnet“, gebe ich ehrlich zu. Ärgere mich jedoch gleich im Nachhinein, dass ich mehr von mir preisgebe als mir lieb ist.

„Wieso?“

„Na ja, keine Ahnung“, druckse ich herum. „Du hast sicherlich Besseres zu tun als dich mit mir zu treffen!“

„Nö, eigentlich nicht. Wie kommst du darauf?“, fragt er verblüfft.

„Wir sind doch völlig verschieden. Schau dich doch an. Du siehst aus, als wärst du aus einem Modekatalog gestiegen, und ich … ich bin eben nur ich.“

„Ja, und? Gegensätze ziehen sich doch an, habe ich mal gehört.“

„Aber kein Schönling einen Struwwelpeter!“

„Du hast ja eine seltsame Wahrnehmungskraft! Dein Aussehen scheint dich sehr zu beschäftigen, wenn du schon wieder davon anfängst. Hast du kein Körperbewusstsein?“

„Doch!“

„Und? Ist irgendetwas nicht okay mit deiner Verpackung?“

„Was soll das denn jetzt heißen? Natürlich weiß ich, wie ich aussehe. Ich bin nur zu klein.“ Da ist es schon wieder! Sobald er den Mund aufmacht, bin ich auf Krawall gebürstet. Er hat meinen empfindlichsten Punkt getroffen. Pikiert recke ich mich, um ein paar Zentimeter größer zu wirken, und zupfe das Shirt zurecht.

„Dann weißt du ja, dass du eine hübsche Frau bist, mit scharfen Kurven.“

Ich nehme alles zurück. Er ist hinreißend!

Mit Mühe unterdrücke ich den Impuls, mich umzudrehen, obwohl ich genau weiß, dass wir allein im Büro sind. Er kann also mit seinen Worten nur mich gemeint haben.

Mir wird etwas mulmig zumute. In meinem Bauch kribbelt es, als wären dort dreißig Schmetterlinge gefangen, die verzweifelt einen Weg ins Freie suchen.

„Quatsch!“ Mit der Hand mache ich eine wegwerfende Bewegung. „Du nimmst mich auf den Arm.“

Verlegenheit schwingt mit, als er mit sanfter Stimme sagt: „Nein, gar nicht, ich meine das total ernst. Ich mag Frauen mit Kurven.“

Sprachlos schaue ich ihn an. Weiß nicht, was ich davon halten soll, als plötzlich die Druckfeder von dem in Einzelteile zerlegten Kugelschreiber vor ihm mit einem Geräusch, das mich an den hüpfenden Flip aus Biene Maja erinnert, in hohem Bogen quer über den Schreibtisch saust und in den Fransen des hochflorigen Teppichs verschwindet.

Lars blickt dem Geschoss bedeppert hinterher. Die Situation ist so komisch, dass ich lauthals anfange, zu lachen. Als Lars endlich aus seiner Schockstarre erwacht, fällt er in mein Gelächter ein. Es ist ein schönes Lachen, voll und ganz von Herzen kommend. Inzwischen rollen mir die Tränen über die Wangen. Meine Mascara ist sicherlich total verschmiert. Vermutlich sehe ich aus wie ein Pandabär, aber das ist mir im Augenblick völlig egal. Mein Bauch schmerzt, und ich bekomme kaum Luft, dafür aber Seitenstiche. Er sieht, wenn er so lacht, bezaubernd aus. Etwas Spitzbübisches strahlt aus seinen rauchblauen Augen. Der arrogante Zug in seinem Gesicht ist verschwunden und hat Platz gemacht für einen charmanten, aparten Bick, der echt sexy ist.

Wir brauchen etlichen Minuten, um uns mehr oder weniger zu beruhigen, denn jeder Blick zu dem anderen löst einen neuen Lachflash aus.

Großzügig verteile ich Taschentücher, schnäuze meine Nase und versuche, mein Make-up einigermaßen zu retten.

„Ich sollte den Kugelschreiber wieder zusammenbauen. Weißt du, wo diese Feder hingeflogen ist?“

„Ja, in den Teppich vor dem Schreibtisch. Aber schmeiß’ das alte Ding doch einfach weg. Er ist sowieso kaputt, nachdem du ihn so malträtiert hast.“

„Keine schlechte Idee, wenn der Kuli nicht Nils gehören würde. Ich hab ihn versehentlich vorhin mitgenommen und …“

Laut ziehe ich die Luft durch die Zähne ein. „Das ist Nils Kugelschreiber? Du hast seinen heiligen Stift mitgehen lassen?“

„Ja, ist eine blöde Angewohnheit von mir. Aber es ist doch nur ein Kugelschreiber!“

„Nicht für ihn!“

Auf allen vieren krabbeln wir auf dem Teppich und suchen die Druckfeder zwischen den langen Fransen, als die Tür aufgerissen wird. Dem ungebetenen Störenfried strecke ich unfreiwillig den Hintern entgegen. Auf die Idee, dass ich Lars in dieser Haltung einen tiefen Einblick auf meine weiblichen Rundungen gewähre, komme ich nicht.

„Hat jemand von euch meinen Kugelschreiber geklaut? Ihr wisst genau, dass dieser Stift mir gehört. Also, her damit!“

Ertappt fahre ich herum und setze mich auf. Peinliche Röte schießt mir in die Wangen, als mir meine Körperhaltung bewusst wird.

„Sorry, Herr Förster, hier ist er nicht. Vorhin hatte ich ihn auf Ihrem Schreibtisch gesehen“, flunkert Lars Nils an.

„Da ist er aber nicht, verfluchte Scheiße!“

„Vielleicht ist er runtergefallen und liegt jetzt irgendwo auf dem Boden.“

„Da habe ich auch schon gesucht.“

„Dann komme ich gleich und helfe Ihnen beim Suchen. Vier Augen sehen je bekanntlich mehr als zwei.“

„Na, da bin ich aber gespannt!“ Nils donnert die Tür zu, und die Bilder an der Wand wackeln bedrohlich.

„Schleimer!“, zische ich.

Lars zuckt nur mit den Schultern. „Außergewöhnliche Situationen erfordern außergewöhnliche Maßnahmen.“

„Na gut, du Sprüche-Kasper. Du solltest ihm schleunigst seinen Kuli zurückbringen. Damit versteht er keinen Spaß.“

„Warum eigentlich?“

„Man munkelt, er war ein Geschenk einer Verflossenen.“

„Ähhh …“ Lars verzieht angewidert das Gesicht. „Lass uns bloß die verflixte Feder finden.“

„Wie willst du ihm das kaputte Ding unterjubeln? Der wird ausrasten.“

„Lass mich nur machen!“, sagt er mit einem umwerfenden Grinsen und einem schelmischen Blick, der mich dahinschmelzen lässt.

Die Druckfeder sehen wir gleichzeitig. Als wir beide danach greifen, bin ich etwas schneller. Lars fasst meine Hand. Wir schauen uns an. Sein Gesicht ist meinem ganz nah. Unter seinem gepflegten Dreitagebart ist ein Grübchen versteckt. Um seine rauchblauen Iris ist ein leicht grüner Kranz. Wir verharren in unserer Bewegung. Dann ist dieser magische Moment leider vorbei, und ich reiche ihm die kleine Feder.

„Danke“, haucht er. Schnell hat er den Kuli wieder zusammengebaut und geht zu Nils.

Unter einem Vorwand, etwas ganz Wichtiges kopieren zu müssen, folge ich Lars. In Wirklichkeit bin ich viel zu neugierig darauf, wie er den kaputten Kugelschreiber Nils unterjubeln will.

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