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Читать книгу: «Täubchen alla Boscaiola», страница 7

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„Heda! . . . “, rief Pietro, „Wacht auf! Steigt aus! Wir sind da!“ Folgsam stiegen die Mädchen aus, ohne recht zu verstehen warum.

„So, jetzt könnt ihr laufen!“, sagte Angelo. Da erst sahen sich die Mädchen um und begriffen, was die beiden jungen Männner mit ihnen vorhatten.

„Hier?“, protestierten sie, „Es ist noch so weit! - Bringt uns zurück!“

„Wir sind müde,“, sagte Angelo mürrisch, „wir wollen nachhause!“ Und ohne weiteres fuhr er davon und ließ die Mädchen stehen.

Ernüchtert und verloren schauen Anni und Kati sich um und versuchen, sich zu orientieren. Offenbar befanden sie sich noch ziemlich weit entfernt von dem Touristenort, in dem die Stranddiskothek lag. Sie machten sich verwirrt und wütend auf den Weg. „Noch bestimmt mehrere Kilometer!“, stöhnte Anni. „Und das mit diesen Schuhen!“, brummte Kati vor sich hin.

Angelo und Pietro jedoch schwiegen auf dem ganzen Weg zurück nach Castellina. Angelo dachte an Agustina, Pietro an seine Porcia, und auch daran, was sie ihren Mädchen wohl erzählen sollten, - wenn diese herausbekämen, wo sie gewesen waren.

16. Kapitel

Raphael war mit seinem Wagen auf dem Wege nach Castellina al Monte Largo, zum dritten Mal in den letzten Tagen. Von Cefalú aus fuhr er wieder die Küstenstraße entlang und dann die Landstraße in die Berge. Dort verpaßte er einen schlecht ausgeschilderten Abzweig, irrte endlos in verschlafenen Tälern und Hügeln herum, hielt immer wieder an, befragte die Karte. - Die Karte war ungenau. - Mehrmals mußte er wieder zurück, und es dauerte über eine Stunde, bis er endlich die richtige Straße fand.

In der Gegend von Castellina angelangt, nahm er den Schotterweg zu der verlassenen Bleigrube am Berghang. Er hatte vor, noch ein wenig mit dem Wächter zu reden, vielleicht konnte er doch mehr erfahren, bevor er sich an die Besitzer der Erzgrube wandte.

Das Haus am Hang, vielleicht fünfzig Meter vom Eingang der Grube entfernt, war verschlossen, nur der Hund an der Kette bellte drohend. Der Wächter oder ein anderer Mensch, mit dem Raphael hätte reden können, zeigte sich jedoch nicht. Mit seiner Kamera machte Raphael noch einige wenige Fotos, die den Hang, die Lage der Grube, ihren Eingang zeigten, und einige Gesteinsbrocken mit Erzadern, wie sie hier herumlagen.

Danach stieg er wieder in den Wagen, fuhr über die Landstraße einen langen Umweg bis zum Ortsrand von Castellina, ließ dort den Wagen stehen, und ging zu Fuß in den Ort. Es war gerade die Zeit der Mittagsruhe.

In einer kleinen Gasse kam Raphael an einem Laden vorbei, der dennoch jetzt sinnlos offen war. Der Besitzer sah Raphael stumpf an, ohne zu grüßen. Er trug eine winzige gestrickte Wollmütze oben auf seinem Knochenschädel, über dem straffgespannt die Haut saß. Er handelte mit allem, was die Leute auf dem Land brauchen. - In großen offenen Säcken lag Mais, in den Regalen waren Farbbüchsen hochgestapelt, Knoblauch-Zöpfe hingen von den Wänden herab und hingen neben der Eingangstür, und in den Winkeln lag modern verpacktes Gerümpel, Spielzeug möglicherweise. Und er selbst, so schien es Raphael, dämmerte und verstaubte in seinem Kramladen zusammen mit all diesem Gerümpel.

Die ganze Zeit, während Raphael durch die Gassen schlenderte, brannte die Sonne sengend und schonungslos steil vom Himmel herab. Unter seinem Hemd fühlte Raphael jetzt Schweißperlen sickern und in Fäden die Achseln herablaufen, dann über die Brust. Die Füße in den eng gewordenen Schuhen schmerzten. Schließlich kam Raphael zu Bewußtsein, daß er noch nicht zu Mittag gegessen hatte, und den ganzen Tag über wohl zu wenig getrunken hatte.

Ihm war auf einmal schwindlig und beim Anblick der leeren Straße, der Häuser mit den dazwischenliegenden Läden, die im Mittags-Frieden versunken lagen, - und die ihm alle versperrt waren, - packte ihn eine heftige Sehnsucht nach einem kühlen, dunklen Ort - einem Keller vielleicht, - einer Weinhandlung, oder etwas anderem, wo es feucht und kühl war.

War das nicht eben das Geräusch von Wasser, das auf Steinfliesen tropfte? Diese Sinnestäuschung, wenn es eine war, ließ seine durch die Sonne überreizten Nerven noch mehr in Anspannung geraten.

Erschöpft und betäubt, fast dem Weinen nahe, betrat er einen kleinen Gang zwischen zwei Geschäften, von dem wenige Stufen zu den noch tiefer gelegenen Eingängen herabführten. Kein Sonnenstrahl drang dorthin. Hier blieb er einen Moment ermattet stehen, die Hand gegen die kühle, bröcklige Mauer gestützt, direkt neben zwei geschlossenen Fensterläden.

Plötzlich wurde einer dieser Fensterläden zu seiner Überraschung geöffnet, und aus einem dahinterliegenden, dunklen Zimmer schaute ihn das Gesicht einer jungen Frau an. „Es tut mir leid . . . !“, sagte Raphael unwillkürlich. Es war ihm peinlich, hier wie ein Eindringling ertappt zu werden; wie jemand, der die Heimlichkeiten einer fremden Wohnung neugierig beäugte.

Das am Fenster erscheinende Gesicht war so eigenartig, von solcher Milde, daß es einer auf Glas gemalten Heiligen in einer Kathedrale zu gehören schien. Es war ein blasses Gesicht, von einer Wolke schwarzgelockter Haare umrahmt. Die Frau, der dieses Gesicht gehörte, war nicht schön. Die Nase war recht groß und gerade. Der Mund etwas zu scharf gemeißelt. Neben dem Mund schienen schon winzige Fältchen eingegraben zu sein. Die Augen waren nicht einmal besonders groß, aber eigenartig milde und sanft.

„Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“, fragte die Frau. Diese freundliche Frage überraschte ihn jedoch weniger als ihre Stimme, die so gar nicht zu jemandem paßte, der in einer so ärmlich wirkenden Behausung wohnte; eine Stimme, die weder roh noch barsch klang, sondern kultiviert und klar war, - eine Stimme, die der Sanftheit der Augen entsprach.

„Draußen auf der Straße ist es so schrecklich heiß!“, sagte er, „Die Läden sind alle geschlossen, und ich wollte nur irgendwo sein, wo es kühl ist. - Es tut mir sehr leid, wenn ich gestört habe.“

„Wollen Sie nicht einen Moment hereinkommen?“, erwiderte sie.

Das Gesicht am Fenster verschwand. Irgendwo in der Wand neben dem Fenster öffnete sich eine Tür, die Raphael vorher nicht gesehen hatte, und einen Moment später, nach zwei, drei Schritten, fand er sich in einem Gewölbe wieder. Der Raum war angenehm kühl und dunkel. Die junge Frau bot ihm einen Stuhl an und reichte ihm ein Glas Wasser.

„Danke, vielen Dank!“, sagte er und trank. Als er aufblickte, bemerkte er, daß die junge Frau ihn genau betrachtete. Mit ihrer sanften, schmeichelnden Stimme fragte sie:

„Darf ich Ihnen noch etwas anbieten?“ Er schüttelte den Kopf. Fast unmerklich lächelnd zog sie, mit einer vielleicht wohlberechneten Geste, den gehäkelten schwarzen Schal fester um ihre Schultern. Sie hatte wohl bemerkt, daß er die Rose an ihrem Ausschnitt betrachtete.

„Was tun Sie da immer am Hang?“, fragte sie.

„Woher kennen Sie mich?“, erwidert er überrascht.

„Ich habe Sie gestern oder vorgestern in der Nähe der Blei-Grube gesehen, dort wo . . . ”, hier unterbrach sie sich. Raphael schaute sie nachdenklich an. Gewiß, er erinnerte sich, daß er in der Ferne von einer jungen Frau beobachtet worden war. Sie hatte sich nicht in seine Nähe getraut, ihn aber lange Zeit nicht aus den Augen gelassen. Er hatte sie sogar mehrmals entdeckt, während er fotografierte und maß; immer an einer anderen Stelle, hinter einer Pinie, an einen Felsen gelehnt, auf einem Felsblock am Feldrand sitzend, aber immer war sie so weit entfernt, daß er ihr Gesicht nicht erkennen konnte.

„Warum sind Sie nicht näher gekommen?“, fragte er. Sie errötete und machte sich an einem Schrank zu schaffen. Er betrachtete sie von hinten. Jetzt war er es, der die Augen nicht abwenden konnte: Das taillierte Kleid, die bloßen Arme, ein wunderschön geformter Nacken und dazu dieser Kopf mit den gelockten Haaren! - Vielleicht spürte sie seine Blicke, denn sie blieb eine Zeitlang so stehen, mit dem Rücken zu ihm, ging dann die wenigen Schritte zu einer Anrichte.

Erstaunt bemerkte Raphael auf einmal, daß eine ganz eigentümliche Ruhe und Wärme von dieser jungen Frau ausging und ihn zu überfluten begann. Nie hatte er etwas ähnliches bei einer vollkommen fremden Frau erlebt! - Er schloß einen Moment beinahe überwältigt die Augen, um sich ganz diesem Gefühl der Geborgenheit und Wärme und Nähe zu überlassen.

Als er die Augen wieder öffnete und aufblickte, hatte sie sich zu ihm umgedreht, und er glaubte etwas wie Bewunderung in ihren Augen zu lesen, und er bemerkte auch, daß ihre Hände zitterten. Erschrocken nahm er einen Schluck aus dem Glas.

Der Zauber, der von ihr ausgeging, schien auf einmal geschwunden, genauso plötzlich, wie er gekommen war. - 'Wie wenig schön sie ist, ja, - fast häßlich!', dachte er - und empfand mit einem Male sogar Mitleid mit ihr.

Um dieses Gefühl abzuschütteln, griff er in seine Hemdentasche und zog eine Filmpatrone hervor,

„Ich habe einen Film zum Entwickeln mitgebracht. Könnten Sie diese Patrone nachher in der Drogerie nebenan abgeben? Im Fenster habe ich einen Hinweis gelesen, daß man dort Filme entwickelt. - Würden Sie das für mich tun?“ Vorsichtig, wie etwas Wertvolles, nahm sie die Patrone entgegen, und wieder zitterten ihre Hände.

„Selbstverständlich, gern.“, sagte sie sanft. Eine Röte flog über ihr Gesicht, sie wandte verwirrt die Augen ab. Dann, beinahe schuldbewußt, sah sie ihn wieder an. Diese scheue, aber unverhohlene Bewunderung war ungewohnt für Raphael. Es war, als könne sie ihre Augen nicht von ihm losreißen. Herausfordernd schaute er ihr so lange ins Gesicht, bis sie aufs neue errötete. Etwas Verschwiegenes glomm in ihren Augen auf und verschwand wieder.

Sie lächelte, als hätte sie seine Gedanken gelesen und sagte begütigend,

„Sie müssen mir Ihren Namen sagen,“ Raphael sah sie so überrascht an, daß sie erklärend hinzufügte: „Damit der Film nicht verwechselt wird, . . . damit er gefunden werden kann, meine ich . . . wenn Sie die Abzüge abholen!“

„Wolters heiße ich.”, sagte er schnell, „Raphael Wolters. - Können Sie das nicht auch für mich erledigen? Ich muß leider gleich fort; aber morgen oder übermorgen komme ich wieder hier in den Ort. - Darf ich Ihnen dafür etwas Geld dalassen?“ Er zog sein Portemonnaie hervor und entnahm ihm einen Schein, „Das dürfte reichen!“, sagte er. Zögernd nahm sie den Schein entgegen und besah ihn,

„Es ist viel zu viel! - Dann müssen Sie aber bestimmt wieder hierher kommen, - zu mir!“, sagte sie, und fügte leise und fast zerstreut hinzu, als wäre sie mit ganz anderen Gedanken beschäftigt: „Wenn Sie die Bilder haben wollen!“ Und wieder sah sie ihn mit ihren dunklen Augen beinahe ergeben an.

„Natürlich!“, sagte er und lächelte sie auch an; - und wieder überflutete ihn für einen langen Moment eine unglaubliche Ruhe und Wärme und Vertrautheit, die von dieser unbekannten Frau ausging und die er sich nicht erklären konnte. -

Er wollte sich schon zum Abschied wenden, da fiel ihm noch eine Frage ein, „Wem gehört eigentlich die Blei-Grube da draußen? - Mit wem könnte ich darüber reden? - Mir hat der Wächter gestern gesagt, sie gehörte der Familie Botello. - Kennen Sie diese Leute?“

„Oh!“, sagte sie bedauernd, „Da kann ich Ihnen nicht weiterhelfen, ich kenne die Familie natürlich, aber fragen Sie vielleicht eher jemand anderen!“

„Etwas können Sie aber dennoch für mich tun!“, sagte er.

„Was ist das?“

„Verraten Sie mir bitte Ihren Namen!“

„Anna-Maria,“, sagte sie verschämt und errötete, „Anna-Maria Costalo.“ Raphael bedankte und verabschiedete sich, verließ den Raum und stieg nachdenklich und verwirrt die Stufen zur Gasse und dann zur Straße empor.

17. Kapitel

Am anderen Ende des Ortes machte sich Gioacchino, der Sohn Signor Botellos und Stiefsohn Signora Luisas - und Halbbruder Agustinas, auf den Weg, seinen Freund Ernesto zu besuchen, um ein wenig mit ihm zu plaudern. Ernesto war sein einziger Freund; er arbeitete als Tankwart auf der Tankstelle an der Landstraße. Doch Gioacchino machte den Weg vergeblich, das Häuschen des Freundes war verschlossen. Sein Freund Ernesto hatte Dienst, und auf der Tankstelle, wenn dauernd Kunden kamen mit ihren Wünschen, wollte Gioacchino nicht mit ihm reden, dort hatte er nicht die nötige Ruhe.

Langsam und nachdenklich ging Gioacchino durch den Ort zurück nachhause, - ohne die Kinder zu bemerken, die auf den Gassen Verstecken spielten, - ohne das späte Licht zu sehen, das über die Hügel im Südosten von Castellina schräg auf die niedrigen, geduckten Häuser fiel, und die Schatten noch dunkler erscheinen ließ. Es war ein armseliger und halb verlassener Teil des Ortes, durch den Gioacchino ging. Schimmliges Schwarz stieg überall an den Mauern der Häuser empor und nur wenige der Fenster waren geputzt.

Gioacchino hing düsteren Gedanken nach, das heißt, es waren nicht einmal klare Gedanken, sondern vielmehr Bilder, die in ihm aufstiegen und wieder verschwanden, doch alles war eingehüllt in Düsternis. Die ganze Welt erschien ihm wie dieser düstere Ort, den er gerade durchquerte. - Es gab nur einen einzigen Engel darin, der aber war für ihn nicht erreichbar, und so ging Gioacchino zögernd, mit umwölkter Stirn, wie ein Schlafwandler, nur manchmal machte er unwillkürlich einen Schritt zur Seite, um einem Kind oder einem Hund auszuweichen.

Gar nicht passend zu seiner inneren Verfassung war die Kleidung Gioacchinos, er trug ein munteres, rotweiß gestreiftes Trikothemd, das seine hünenhafte Gestalt noch betonte, und seine ganze Erscheinung glich mehr einem sizilianischen Fischer oder Landarbeiter, - hätte er nicht die Hosen eines Tarnanzuges getragen, eine Erinnerung an den erst kürzlich beendeten Militärdienst.

Gioacchino war so in sich selbst und seiner Düsternis gefangen, daß er auch die Frau nicht richtig bemerkte, die wie jeden Tag vom Einkaufen kommend, im Schatten der Häuser auf der anderen Seite der Gasse ihm entgegen ging. Luisa Botello, seine Stiefmutter, denn dieses war die Frau, sah, daß Gioacchino auf nichts achtete, und ging weiter. Beinahe war sie aus Gioacchinos Blickfeld entschwunden, da erwachte er aus seinen trüben Träumen, erschrak, besann sich, kehrte um, eilte ihr nach, und holte sie im Nu ein.

„Luisa!“ rief er. Sie blieb stehen.

„Ach, du bist es, Gioacchino!“, sagte sie scheu, aber voller Freude.

Gioacchino war durch die überraschende Begegnung verwirrt und starrte sie mit großen Augen an.

„Was hast du , Gioacchino?“, fragte Luisa.

„Da . . . darf . . . - Jesus!“, stotterte er, „Darf ich dir die Taschen nachhause tragen?“

„Laß nur!“, sagte Luisa und ergriff ihre Taschen wieder, „Du weißt, ich bin es gewöhnt zu tragen. Es ist doch nicht weit!“ Doch der junge Mann ließ es nicht zu, daß sie die schweren Taschen wieder aufnahm, sondern wandt sie ihr aus den Händen. Gioacchino stand nun da mit den Taschen in den Händen, Luisa sah ihn lächelnd an,

„Willst du ewig hier stehenbleiben?“ Gioacchino schluckte nur, seufzte ein „Ach!“ und ein „Jesus!“ und setzte zögernd seinen Gang fort. Im Gehen fragte er leise,

„Warum läßt du dir das eigentlich gefallen?“

„Was meinst du?“, und nach einer Pause sagte sie leise: „Was soll ich tun?“

„Verlaß ihn!“, sagte er.

„Du vergißt, wo wir sind!“, Luisa lachte leise und schmerzlich auf, „Ich würde alles verlieren, wenn ich ginge . . . “

„Was hast du denn? - Nichts!“

„Ich habe meine Tochter,“, sagte Luisa und lächelte, „und ich habe . . . dich!“ Gioacchino blieb ungläubig stehen,

„Mich?“

„Ja, ganz gewiß.“ Gioacchino überlegte eine Zeitlang, dann stieß er zwischen seinen Zähnen hervor:

„Ich hasse ihn!“

„Er ist dein Vater!“

„Vater!“, wiederholte er verächtlich, „Du brauchst nur ein Wort zu sagen . . . !“

„Gioacchino, versündige dich nicht!“, sagte sie.

„Er hat mich mein ganzes Leben lang geduckt!“

„Du kennst ihn doch, er kann nicht anders.“

Die beiden waren nun in einer etwas helleren Gasse angelangt, und Luisa blickte sich immer wieder ängstlich um, ob sie niemand beobachtete.

„Ich kann es nicht ertragen, wie er dich behandelt!“, sagte Gioacchino und nahm unwillkürlich ihren Arm. Sie machte sich sanft von ihm los und sagte:

„Er meint es nicht so!“

Schweigend gingen sie ein wenig weiter. An einem Torbogen blieb Gioacchino stehen, sah Luisa scheu an und flüsterte:

„Luisa!“ Sie schüttelte unwillig den Kopf und wollte vorwärts eilen, doch er wiederholte: „Luisa!“

„Du darfst nicht so reden, schließlich bin ich deine Mutter!“

„Stiefmutter!“, sagte er, „Was meinst du dazu, daß ich heirate? Vielleicht ist Annunciata doch ein bißchen alt . . . Meinst du . . . “ Doch die Worte gingen ihm aus.

Gioacchino wollte Luisa ins Dunkel des Torbogens drängen. Luisa wurde es unbehaglich, sie griff nach einer der Taschen,

„Gib mir die Taschen! Es ist nicht gut, wenn die Leute uns hier so stehen sehen!“ Doch Gioacchino hielt die Taschen fest und sagte schroff,

„Nein! - Warum begreift er nicht endlich, daß es nicht wahr ist?“

„Ich habe es nicht nötig, mich jahrelang zu rechtfertigen!“, sagte Luisa.

„Du bist doch unschuldig!“

„Unschuldig ist ein großes Wort! - Ich bin keine Heilige!“

„Und was die Leute erzählen?“

„Wovon erzählen?“

„Von . . . von . . . von diesem Tomaso Brandoni!“

„Ach, Gott!“, sagte Luisa ruhig, „Das ist wieder so eine Geschichte, wie sie nur Männer erfinden können.“ Sie machte sich von ihm frei und ging weiter.

Im Schatten des nächsten Hauses blieb Gioacchino wieder stehen, setzte die Taschen ab, und griff nach ihren Schultern.

„Laß mich los! Bist du verrückt geworden!“, flüsterte Luisa.

„Ich hab' jetzt eine Stellung, ich will . . . wir haben beiden nichts, aber . . . Es würde gerade so langen.“

„In zehn Tagen ist deine Hochzeit!“, sagte Luisa.

„Ja, ja!“, sagte Gioacchino und hielt sie immer noch an den Schultern fest, „Hochzeit! - Ich will vor allem von zuhause fort. - Aber jetzt weiß ich auf einmal nichts mehr! . . . Du . . . “, stammelte er, „Ich . . . “ Luisa lächelte mitleidig und schüttelte den Kopf,

„Schau, ich bin doch viel zu alt für dich! - Ich habe mir wirklich nichts gedacht, als ich gesagt habe, ich hätte dich. - Und du denkst dir hoffentlich auch nichts dabei, - oder?“

„Nein!“, sagte Gioacchino, „Nein! - Diese Frau, die ich heiraten soll . . . “

„Nun!“, fragte Luisa, „Sie ist eine gute Frau, ich bin sicher. Sieh einmal, was sollen wir? Du mußt durchkommen und ich auch.“

„Es würde gerade so langen . . . “

„Jetzt sind wir gleich da . . . “

Luisa drängte fort, doch Gioacchino blieb stehen, und obwohl sie sich wehrte, preßte er sein Gesicht auf ihres.

„Gioacchino!“, flüsterte sie erregt, „Du bist verrückt! Die Leute! Gib mir die Taschen!“ Endlich konnte sie sich losmachen, ergriff die Einkaufstaschen und verschwand im Seiteneingang des nächsten Hauses. Es war stattlicher und größer als die anderen, mit großen, schön eingefaßten Fenstern zur Straße hin.

Gioacchino blickte Luisa einen Moment nach, und setzte seinen einsamen Spaziergang fort. Die Hände in den Hosentaschen, trottete er mißmutig die Gassen entlang. Jeden Stein, der ihm im Wege lag, stieß er wütend beiseite, und als eine streunende Hündin demütig ihm zu nahe kam, trat er so heftig und wild nach ihr, daß sie laut aufjaulend davonjagte.

Es war inzwischen dunkel geworden. Der Mond stand bleich und verloren am östlichen Himmel, nur ab und zu warf eine der elektrischen Laternen, die an den Strommasten befestigt waren, ihren trüben Lichtschein auf die verlassen Gassen. Gioacchino fühlte sich ebenso einsam und verloren wie der Mond. - Er wußte nicht, wohin er sollte oder wollte. - Er wußte nur, daß er nicht in dasselbe Haus gehen wollte, in dem Luisa gerade verschwunden war, - seinem Zuhause seit zwanzig Jahren.

Eine Zeitlang schlenderte er so ohne Ziel und Zweck. Sein Kopf war leer, doch ab und zu verengten sich seine Gedanken immer mehr auf einen Punkt. - Ein einziger Gedanke drängte sich ihm in den Sinn. - Immer wieder versuchte er, ihn wegzuschieben. - Schäbig kam er sich vor, nichtswürdig, - Doch dann erschien wieder dieser Gedanke - und das lockende Ziel vor seinen Augen! - So tobte der Kampf in ihm lange unentschieden hin und her. - Plötzlich blieb Gioacchino stehen, drehte sich um und lief zielstrebig zurück, zu eben jenem Haus, vor dem sein altes, von seinem ersten selbstverdienten Geld gekauftes Auto stand, setzte sich hinein und fuhr los. Noch beim Anfahren konnte er sich vormachen, daß er nur eine kleine Tour durch die nächtliche Hügellandschaft vorhatte.

Er kurbelte die Scheibe herunter, die kühle Abendluft erfrischte ihn, die Scheinwerfer tasteten die kurvige Straße ab, das Radio spielte, die laute Musik feuerte ihn noch weiter an. - Und Gioacchino vergaß schon nach wenigen Minuten die nächtliche Fahrt durch die Hügel, seinen Engel und alles, was ihm sonst wichtig war. So fuhr er, immer schneller werdend, ins Nachbardorf, nach Fessona, wo er eine Viertelstunde später anlangte, ausgekühlt, aber innerlich erhitzt.

In einer dunklen Seitengasse, nicht weit von einem kleinen einstöckigen Haus, stellte Gioacchino seinen Wagen ab und vergaß vor Eile beinahe den Schlüssel abzuziehen. Es war das einzige einstöckige Gebäude hier, umgeben von lauter zweistöckigen Häusern. Über und über mit einem matten Ockergelb angestrichen, leuchtete es selbst im Dunkel aus dem Grau der Umgebung hervor. - Gioacchino klopfte an den Fenster-Laden ein verabredetes Klopfzeichen. Bald darauf wurde eine Tür geöffnet, und eine Frau ließ ihn ein, eine junge Frau mit schon offenen Haaren, und schon im Hemd, das sie abends immer trug, und das gleichzeitig Hauskleid und Nachthemd war. Sie lachte als sie Gioacchino sah, begrüßte ihn mit einem Kuß, zog ihn ins Haus und schloß die Tür.

„Ich brauche einen Grappa, Mariapena!“, sagte Gioacchino, „Mir ist kalt! Etwas Starkes brauche ich, etwas, was mir wie Feuer durch die Glieder fährt!“ Mariapena brachte ihm eine Flasche und goß ihm ein Glas ein.

„Und du selbst?“, fragte er. Sie schüttelte den Kopf,

„Ich will nicht!“

„Schon recht!“, sagte Gioacchino und trank den scharfen Schnaps wie ein Süchtiger, „Ich weiß auch nicht, was heute mit mir los ist. Vielleicht bin ich ein bißchen erkältet! Der Wind draußen ist so schneidend, daß er mir durch alle Glieder fuhr!“

Wieder lachte Mariapena, und er nahm sie in den Arm, und während er sie umarmte, verwandelte sich das hübsche, doch recht gewöhnliche Gesicht der jungen Frau in das zarte, leidende seiner Stiefmutter Luisa, und ein wenig später, als sie beide nackt waren, und er die junge Frau in seinen starken Armen hielt, wußte er sogar, daß Luisa das gebilligt hätte. Ja, er glaubte in diesem Moment, daß Luisa ihn - mit ihrer Ablehnung - zu diesem Mädchen geschickt hatte, - vielleicht, um ihn von sich selbst abzulenken, - und im Rausche und Feuer der Lust und der Liebe wurde Mariapena zu einem strahlenden Liebesengel mit Luisas Zügen. -

Doch noch später, als alles vorbei war, und Mariapena wirklich wie eine Königin lächelte, mußte Gioacchino seinen Kopf abwenden, damit sie nicht sah, wie sich seine Augen mit Tränen füllten, - er konnte es nicht verhindern, - und während er sich dazu zwang, aus Dankbarkeit der jungen Frau zärtliche Worte ins Ohr zu flüstern, da seufzte sein Herz :'Ach, Luisa!'.

Gioacchino schlief in Mariapenas Armen ein. Nach einer Viertelstunde etwa wachte er wieder auf, doch der verzweifelte Traum, den er geträumt hatte, war zerstoben und verflogen. Mariapena lag neben ihm, ihr weichlicher Körper, dessen Gier ihn jedesmal neu überraschte, war wieder verwandelt in ihren eigenen.

„Mariapena!“, flüsterte er. Sie öffnete schläfrig die Augen,

„Was ist? Mein Starker?“

„Ich muß dir etwas gestehen!“ Die junge Frau gähnte und schaute ihn neugierig von der Seite an,

„Nun? Was wird es schon schlimmes sein? Hast du im Supermarkt eine Banane mitgehen lassen?“

„Etwas ziemlich schlimmes!“

„Dann behalte es lieber für dich!“

„Das geht nicht!“

„Wieso?“

„Ich . . . ich . . . “

„Nun? Heraus damit! - Mußt du schon fort?“

„Heute, . . . heute war es das letzte Mal, daß ich zu dir kommen konnte!“

„Warum?“, fragte sie müde.

„Weil ich heirate!“

Mit einem Ruck richtete sich Mariapena auf und richtete ihre großen Augen auf ihn,

„Oh, das ist wirklich schlimm! Sehr schlimm!“ Eine Zeitlang schien sie wirklich betroffen zu sein, dann faßte sie sich, „Wen denn?“, sie ließ sich auf das Bett zurückfallen und begann zu kichern, „Doch nicht etwa mich!?“

„Annunciata Meirelas.“

„Ist das nicht die Tochter des Apothekers von Castellina?“

„Ja, die!“

„Ist sie nicht ein bißchen alt für dich? - Und, warum kannst du mich dann nicht mehr besuchen?“ Gioacchino sah sie überrascht und hilflos an,

„Weil ich . . . “

„Was meinst du?“, fragte Mariapena.

„Nichts! Ich weiß nicht!“

„Nein, mein Guter!“, sagte sie, „So leicht kommst du mir nicht davon! Ich werde dir etwas sagen!“, und dabei blinzelte sie listig, „Du sollst aber weiter zu mir kommen, jedenfalls, solange ich es will! . . . “, wieder überlegte sie, und kicherte in sich hinein, „Und vor allem mußt du in deiner Hochzeitsnacht zu mir kommen!“ Sie hängte sich an seinem Hals und schmiegte sich an ihn, „Versprichst du mir das?“

„Das kann ich nicht!“, sagte Gioacchino und blickte über ihre Schulter hinweg zur Tür.

„Du mußt! Denn sonst verspreche ich dir, auf deine Hochzeitsfeier zu kommen und der lieben Apothekerstochter alles zu erzählen, - ihr und allen die es hören wollen.“

„Um Gottes Willen!“, sagte er entsetzt.

„Also? - Versprichst du mir, daß du kommst?“ Da Gioacchino weiter zögerte, wiederholte sie, „Versprichst du es mir? Sonst lasse ich deine Hochzeit platzen. - Nein! Noch besser, ich komme schon am Morgen in die Kirche, und wenn ihr 'Ja' sagen wollt, dann stehe ich auf und schreie: 'Nein!'"

Gioacchino staunte über den Erfindungsreichtum dieser kleinen Aushilfskellnerin, staunte auch über Mariapenas Boshaftigkeit. Endlich überwandt er sich,

„Ja, ich versprech es dir, daß ich komme!“

„In der Hochzeitsnacht?“

„Ja, in der Hochzeitsnacht.“, fügte er leise hinzu.

„Gut! Ich werde auf dich warten!“ Nach kurzer Zeit stand Gioacchino auf und begann, sich anzuziehen.

Als Mariapena, nun wieder in ihrem Hemd, beim Abschied an seinem Hals hing und seinen Duft einsog, da flüsterte sie, - auf einmal hatte sie sogar Tränen in den Augen, -

„Ich werde dich vermissen, mein Starker, mein Großer. - Und du mußt immer zu mir kommen - wenn du an mich denkst - immer! Versprichst du mir auch das?“ Wieder zögerte Gioacchino, aber da sie ihn festhielt, und nicht loslassen wollte, - er aber fort wollte - gab er nach und sagte,

„Ja, Mariapena . . . das verspreche ich dir!“

„Und, du mußt kommen - wenn ich dich rufe!“

„Wie willst du mich denn rufen?“

„Das wirst du schon spüren! - Nun geh! Mir ist kalt! Ich will ins Bett, - und dort will ich in Ruhe weinen!“ Und sie tat, als ob sie ihn zur Tür schieben wollte.

Gioacchino hatte sich den Abschied nicht so schwer vorgestellt, ihn marterten doppelte Gewissensbisse, und er sagte endlich,

„Ja, ich werde kommen.“ Mariapena sah ihm tief in die Augen,

„Sag meinen Namen!“

„Ja, Mariapena!“ Da juchzte sie hell auf vor Freude,

„Du mußt wissen,“, flüsterte sie geheimnisvoll, „ich bin eine Hexe, und wenn du fort bist, stoße ich die Spitze einer Schere durch ein Blatt Papier, auf das ich deinen Namen schreibe, genau mittendurch, und hefte das Papierblättchen ans Bett fest - und so kommst du nie mehr los von mir!“ Der arme Gioacchino wußte nicht, wie ihm geschah. Hatte sie im Ernst gesprochen - oder trieb sie nur ihren Scherz mit ihm?

Um ihm zu zeigen, daß es ihr wirklich ernst war, suchte sie in seinen Hosen nach seinem Portemonnaie, zog es ihm aus der Tasche, stöberte darin, nahm einen Geldschein heraus, hielt ihn hoch gegen das Licht, während Gioacchino Höllenquallen durchstand,

„Ist er auch echt? - Du mußt mich doch bezahlen! - “, endlich sagte sie, „Nein, keine Angst, ich nehme dir dein bißchen Geld nicht weg!“ Sie legte den Geldschein wieder hinein, doch sie ergriff und entfaltete ein anderes Papier, „Das da!“ triumphierte sie.

„Nein, nicht das!“ rief Gioacchino, er wollte es ihr entreißen, doch sie war schneller als er und begann zu lesen: „Lieber Gioacchino!,- seit du vorgestern . . . - Ach! Ein Liebesbrief! Ein Briefchen von deiner Braut! Das kommt mir gerade recht!“

Im Nu hatte sie das Papier in Herzform gerissen, ergriff eine Schere und heftete das Herzchen mit der Spitze der Schere am Bettrahmen fest,

„Hier am Kopfende! Nun kommst du nie mehr los von mir!“, und während sie sich nach vorn beugte, rutschte ihr der eine Träger des Hemdchens von der Schulter und entblößte ihren Busen. Sie sah Gioacchino listig an und schob die Ecke des Hemdes langsam und kokett zurück,

„Du solltest mich nicht so ansehen, Herr Ehemann! Wenn das deine Braut wüßte!“, dabei legte sie ihren Kopf ein wenig schief und lächelte verheißungsvoll, „Gefall' ich dir denn noch?“, und mit einer kleinen Bewegung ihrer Schulter schob sie auch den anderen Träger beiseite, ließ ihr Hemd fallen, sodaß sie wieder völlig nackt vor ihm stand. - Ihm rauschte das Blut in den Ohren und sein ganzer Körper geriet in Wallung und Erregung,

„Oh, ja!“, seufzte er.

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