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Читать книгу: «Täubchen alla Boscaiola», страница 6

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12. Kapitel

Signor Botello war so früh wie immer aufgestanden, weil er endlich wieder seinen gewohnten Gang zur Erzgrube machen wollte, zusammen mit seinem Hund, doch hielt ihn ein dichter Nebel zuhause fest.

Alle Viertelstunde lief er zum Fenster, doch der Nebel hing fest zwischen den Bergen, und man konnte nicht fünf Schritte weit sehen. Mißmutig las Signor Botello die Tageszeitung noch einmal durch, ärgerte sich - ebenfalls noch einmal - über die Unsinnigkeiten der Politik und die Instinktlosigkeit und das Ungeschick der Politiker, und beschloß, bei den nächsten Wahlen eine andere Partei zu wählen - doch welche? - Nach zwei Stunden hatte er sich müde geärgert, aber der Nebel war geblieben.

Schließlich brummte er einen Gruß in Richtung der Küche, wo seine Frau schon angefangen hatte zu kochen, verließ das Haus, pfiff seinen Hund herbei und machte sich mit ihm auf den Weg.

In der Nähe des Ortes, auf dem ehemaligen Militärweg neben dem Eichenwäldchen konnte Signor Botello die Umgebung wenigstens ungefähr erkennen, doch je näher er dem alten Schießplatz kam, desto undurchdringlicher wurde der weiße und graue Dunst, durch den er tappte. Schließlich konnte er nicht einmal den steinigen, mit kargen Grasbüscheln bewachsenen Weg vor sich sehen, sondern mußte sich jeden Schritt mit den Füßen ertasten.

Er gelangte auch endlich an das verfallene Häuschen mit der Schleuder-Maschine, das Palottolaio, an das Tor in seinem eigenen Drahtzaun, das er aufschloß und stieg Schritt für Schritt die steile Anhöhe empor, zur großen Lichtung des eigentlichen Schießplatzes, der Hund immer vorneweg. Dort oben angelangt, war das Licht ein wenig heller, als neben dem Eichenwäldchen, aber sehen konnte Signor Botello auch hier wenig.

Trotzdem tastete er sich weiter, langsam Fuß vor Fuß setzend, in den für die Augen undurchdringlichen Dunst hinein, immer Fuß vor Fuß, Schritt für Schritt, - das Bellen des Hundes, der im Nebel verschwunden war, hallte hohl und dumpf wie in einem riesigen Gewölbe, und während Signor Botello vorwärtstappte, direkt in den dichtesten Nebel hinein, sah er auf einmal soetwas wie einen Schatten, einige zwanzig Schritt vor ihm, der vor ihm zu gehen schien. Signor Botello ging etwas langsamer, der Schatten verdichtete sich zu einer Gestalt, der Hund begann freudig zu winseln, da wurde die Gestalt von einem Nebelschleier verschluckt und war verschwunden. -

Einen Moment später lichtete sich der Dunst ein wenig, - und Signor Botello erkannte, daß es die Gestalt einer Frau oder eines Mädchens war. - Ja, die da vor ihm her ging, war ein Mädchen, - so groß wie seine Tochter! - Sollte Agustina hier allein im Nebel herumschleichen? Sollte sie vielleicht einen heimlichen Freund haben? - Auch der Gang der Gestalt vor ihm erschien jetzt ganz sicher Agustinas Gang zu sein. - Der Zorn packte Signor Botello und das heiße Blut stieg ihm in den Kopf. Er ergriff seinen Stock fester. Er würde sie schon lehren, was sie tun durfte und was nicht!

Jetzt war das Mädchen nur noch einige Schritte entfernt. - Immer noch war nichts zu hören, denn der Nebel verschluckte jedes Geräusch, und so schwebte das Mädchen geisterhaft vor ihm her - einmal faßbarer werdend - dann wieder nur ein zerfließendes Schemen.

Da blieb die Gestalt stehen, drehte sich um, blickte suchend durch die dunstigen Schleier.

„Agustina!“, rief Signor Botello zornig, „Was hast du hier zu suchen!?“ Ein befreites weibliches Lachen erklang,

„Ach, Sie sind es, Signor Botello! - Wie erleichtert bin ich, Sie hier zu treffen. - Wie unheimlich ist dieser Nebel. Ganz plötzlich wurde er so dicht, man sieht ja nicht die Hand vor Augen. - Sie gehen zu Ihrer Grube, nicht wahr?“, und da stand die Frau, zu der die Stimme gehörte, auch schon vor ihm.

„Anna-Maria!“, rief Signor Botello erstaunt, „Was treiben Sie denn hier im Nebel?“ Der Hund kam jetzt angesprungen, umkreiste sie beide freudig und schon war er wieder fort.

„Oh,“, sagte Anna-Maria lächelnd, „Es ist ein Wunder, daß wir uns nicht schon öfter begegnet sind. Dieser Weg ist mein täglicher Spaziergang.“

„Und Sie gehen allein im Nebel spazieren? Wie mutig - und wie seltsam!“

„Hier bin ich immer allein,", erwiderte Anna-Maria, „ - ab und zu treffe ich ein paar Schweine, - sonst geht hier niemand entlang. Und das liebe ich!“

„Haben Sie keine Angst?“ Signor Botello hörte nicht auf, sich zu wundern.

„Nein! Wovor denn? Heute allerdings, bei diesem Nebel, da ist es mir schon etwas unheimlich, plötzlich achte ich auf jedes Geräusch, - andererseits ist es so still, daß man nicht einmal seine eigenen Schritte hört. - Plötzlich denke ich: 'Habe ich mich verlaufen?' - Sie kommen vom Ort, nicht wahr?“

„Allerdings!“, erwiderte Signor Botello.

„Erzählen Sie besser meiner Mutter nichts davon,“, sagte Anna-Maria verlegen, „Sie würde sehr besorgt sein!“

„Wie sollte ich denn? Ich sehe sie doch nie!“

„Ich gehe jetzt nachhause! Adieu!“, und schon wurde Anna-Maria wieder vom Nebel verschluckt.

„Na, - wenigstens gut, daß es nicht Agustina war! Der hätte ich . . . !“, murmelte Signor Botello vor sich hin und setzte ebenfalls seinen Weg fort, „Aber merkwürdig ist es doch! Eine so junge Frau ganz allein in diesem Nebel! Sie hat halt zulange in der Stadt gelebt. Da werden die Leute komisch!“, mit solchen Betrachtungen beschäftigt, tastete er sich weiter, Schritt für Schritt, bis er plötzlich nicht weiterkam, weil er gegen einen federnden Widerstand gestoßen war.

Erschrocken zog Signor Botello seine Hände zurück, untersuchte das Hindernis, tastete noch einmal. - Kein Zweifel, das, was ihn hinderte, weiterzugehen, war ein Zaun, ein fest gespannter, fast mannshoher Drahtzaun, - der am Vortage unzweifelhaft noch nicht dort gestanden hatte. „Unmöglich!“, sagte Signor Botello vor sich hin, „Ich muß mich verlaufen haben, und im Nebel im Kreis gegangen sein.“, und er war fest davon überzeugt, gegen seinen eigenen Zaun gestoßen zu sein. Er tastete nach rechts, tastete nach links, immer gewärtig, den Abhang hinabzustürzen, an dem sein eigener Zaun stand, - oder vielmehr stehen mußte.

Um in dieser mißlichen Lage nicht allein zu sein, rief er nach seinem Hund, doch vergeblich. Der hatte anscheinend irgendwo ein Kaninchen aufgestöbert und hörte auf kein Pfeifen und kein Rufen. Signor Botello tastete sich seitwärts, eine Strecke von zehn, dann zwanzig, dann dreißig Metern entlang. - Immer derselbe Zaun, fest und straff gespannt, federnd und beinahe mannshoch! Das Bellen der Hundes erklang dazu aus weiter Ferne, dumpf, wie ein Hohn.

Endlich begriff Signor Botello, daß er vor einem neuen Zaun stand. - Ein Zaun, den nur sein Nachbar Toccabelli hatte bauen lassen können. - Wer sonst? - Eine Serie von wilden Flüchen, die an Kraft denen von Signor Toccabellis Schweinehirten nicht nachstanden, entlud sich seinem Mund - und vor allem seinem verbitterten Gemüt.

Er schimpfte und fluchte solange, bis plötzlich unerwartet sein Hund schweifwedelnd vor ihm stand, im Maul tatsächlich ein junges Kaninchen, was Signor Botello einen Moment von seinem Ärger über den Zaun ablenkte. Er lobte ihn und klopfte ihm den Hals, und um diesen kurzen Zwischenfrieden in seinem Herzen dauerhafter zu machen, strengte sich auch der Himmel an. Der Nebel riß auf, so schnell wie er am Morgen aufgezogen war, und löste sich in Fetzen auf, die rasch in der Wärme vergingen. Eine strahlende Mittagssonne beleuchtete die Gegend, die wenige Minuten vorher noch so gespenstisch und unheimlich erschienen war.

Signor Botello stand vor einem funkelnagelneuen Drahtzaun mit festen Pfosten; die Erde noch frisch aufgeworfen, wo sie eingegraben waren. - Und wie zum Hohn, dort, wo der alte Militärweg verlief, sah Signor Botello ein Tor mit einem Schloß. Das zerschossene Blechschild, das vor den Gefahren des Waldbrandes warnte, hing an seinem Platz. - Doch das Plakat, das er selbst dort hatte anbringen lassen, war fort.

Der neue Zaun teilte den alten Schießplatz mitten durch. Die Hälfte des Geländes, die Toccabelli gehörte, war eingezäunt, und damit war auch der alte Militärweg versperrt, dort, wo er in Richtung der Erzgrube weiterführte, an der Ruine des alten Clubhauses vorbei. Das bedeutete für alle, die gewohnt waren, dort entlang zu gehen, einen beträchtlicher Umweg, denn der alte Maultierweg, der der Gemeinde gehörte, der Sintiero, führte in einem großen Bogen zur Landstraße und dann erst in Richtung der Erzgrube.

Der Hund war mit seinem Kaninchen beschäftigt. Die Vögel, die während des Nebels verängstigt geschwiegen hatte, fingen wieder an zu singen. Die Schwalben jagten in ihrem ersten Übermut hoch oben über den Himmel. Die Lichtung des alten Schießplatzes lag da in stillem Frieden, noch tauglänzend das hohe gelbe Vorjahresgras. Tief am Boden schon das neue, grüne, frisch gesprossene Gras. Mit feuchten Blättern die niedrigen, immergrünen Eichen, die die Lichtung umstanden, und von dort, wo Toccabellis Land lag, hörte Signor Botello jetzt auch ein freudiges Grunzen von Schweinen.

Doch all dieser Frieden und die Schönheit der Natur konnte Signor Botellos Gemüt nicht erreichen. Der neue Zaun regte ihn immer mehr auf; - wobei er keinen Moment an seiner eigenen Berechtigung zweifelte, einen Zaun ziehen zu lassen, den Vorgänger des Zaunes nämlich, der ihn jetzt so aufbrachte. - Er schimpfte und fluchte solange, daß ihm schwindlig wurde und er sich an dem verhaßten Zaun festhalten mußte, - bis er wieder zu sich kam und seinen Hund neben sich fühlte, der besorgt die Schnauze an seinem Hosenbein rieb und ihn fragend anblickte. Als Signor Botello begriff, daß er für einen Moment die Besinnung verloren hatte, bekam er es mit der Angst zu tun und ging bedächtig und ein wenig zitternd und schwankend nachhause.

Luisa erschrak, als sie ihm die Haustür aufmachte, denn Signor Botellos Gesicht war hochrot, er zitterte und sah krank aus.

„Um Gottes Willen! Wie siehst du aus!? Soll ich den Arzt rufen?“

„Laß mich mit dem zufrieden!“, knurrte Signor Botello, ließ sich von ihr ein Glas Wasser bringen und befahl ihn in Ruhe zu lassen.

In seinem Arbeitszimmer führte er einige Telefonate, mit dem Gemeindeamt, mit dem Bürgermeister, mit seinem Rechtsanwalt; Telefonate, die alle ergebnislos verliefen, und schließlich zog er sich in das Wohnzimmer zurück, scheuchte die Katze fort, die auf dem Kaminsims schlief, setzte sich in seinen Lieblingssessel und verfiel in dumpfes Brüten.

13. Kapitel

Zur gleichen Zeit saß neben der Landstraße, etwas außerhalb von Castellina, ein junger Mann auf einem steinernen Wegweiser direkt am Rande des Grabens. Hinter ihm ließ ein Pflaumenbaum seine schweren Zweige hängen, die voller Früchte waren. Ein paar Schritte entfernt hatte er sein schwarzes Auto abgestellt. Es war Angelo Toccabelli, der zweite Sohn Signor Toccabellis.

Angelo drehte sich eine Zigarette, da kam ein anderer junger Mann mit seinem Wagen vorbeigefahren. Es war Pietro, Angelos Freund. Pietro hielt an, als Angelo ihn erblickte, stieg aus, ging zu ihm. Sie begrüßten sich, Angelo bat ihn um Feuer, und sie redeten ein wenig miteinander. Wer die beiden jungen Männer nicht kannte, hätte sie für Brüder halten mögen, so ähnlich sahen sie sich. Auch ihre Kleidung, in der Schwarz vorherrschend war, ähnelte sich. Nur ein besonderer Zug im Gesicht Pietros war anders, - oder vielleicht nur stärker ausgeprägt als bei Angelo, - er wirkte entschlossener - und kaltblütiger.

Nach ein paar Sätzen stand Angelo auf und versuchte, von den Pflaumen zu pflücken, doch sie hingen zu hoch.

„Du, mach mir eine Räuber-Leiter!“, sagte er. Pietro wollte sich gerade selbst eine Zigarette anzünden, steckte sie weg, stellte sich mit dem Rücken an den Stamm und verschränkte die Hände ineinander, grinste und fragte:

„Wie alt bist du?“

„So alt wie du!“, sagte Angelo, „aber offenbar hungriger!“, stieg auf Pietros Schultern und erntete zwei Hände voller Pflaumen, die er ins Gras warf, dort, wo es nicht so hoch war.

„Teilen wir!“, sagte er.

Pietro schüttelte den Kopf und erzählte ihm, daß er am Abend an die Küste fahren wolle, in die Stranddiskothek, zum Tanzen. Jetzt schüttelte Angelo den Kopf. Pietro sagte ihm, daß es dort hübsche Mädchen gäbe, Touristinnen, und Angelo schüttelte wieder den Kopf.

„Ich muß noch etwas erledigen!“, sagte er.

„Was denn?“, fragte Pietro neugierig, doch Angelo wollte es ihm nicht verraten.

„Und was sagt Porcia dazu, wenn du tanzen gehst?“

„Sie darf nicht! Ihr Vater ist so altmodisch!“ Angelo grinste nur.

„Und wenn sie es aber erfährt?“, fragte er.

Pietro zuckte nur mit den Schultern, stieg wieder in sein Auto und fuhr weiter. Aus dem Wagen heraus winkte er Angelo noch einen Abschiedsgruß mit der Hand zu.

„Mädchen?“, murmelte Angelo, „Die Mädchen sollen alle zum Teufel gehen! - Außerdem habe ich schon eines!“

Und als er die Pflaumen aufgegessen hatte, stand er auf, setzte sich in seinen Wagen und fuhr die Landstraße zurück, zum Ort. Und er wußte nicht, ob die Bauchschmerzen, die er jetzt bekam, von den Pflaumen herrührten oder von seinem Vorhaben.

14. Kapitel

Zwei Stunden später - denn solange brauchte Angelo, um sich aufzuraffen, endlich das Vorhaben auszuführen, das er sich schon lange vorgenommen hatte, - ging in Signor Botellos Wohnzimmer die Tür auf. Luisa blickte besorgt in den inzwischen halbdunklen Raum, wo Signor Botello immer noch im Sessel saß, in derselben Haltung, wie zuvor. Sein vorher hochrotes Gesicht hatte inzwischen wieder die gewöhnliche Farbe angenommen, ja, er war eher blaß, er schien aus dem Fenster zu stieren und bewegte sich nicht. Sie rief leise und ängstlich: „Botello! Botello! Was ist mit dir?“ Er blieb unbewegt, antwortete nicht. Ein eisiger Schreck durchfuhr sie. Sollte ihm doch etwas zugestoßen sein? - Aller Groll, alle Bitterkeit, die sich in ihr in den schweren Jahren ihrer Ehe angesammelt hatten, waren mit einem Male verflogen und sie war nur noch erfüllt von heißer Sorge um diesen Mann.

Zögernd trat sie an ihn heran, flüsterte ihm ins Ohr:

„Botello!“, und berührte ihn vorsichtig an der Schulter, - da knurrte er unfreundlich,

„Du sollst mich in Ruhe lassen!“ Nie hatte sie sich über seine unwirsche rauhe Stimme so gefreut wie an diesem Abend und sie schickte unwillkürlich ein kurzes Dankgebet zum Himmel.

„Ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte sie.

„Was soll denn sonst sein?“, knurrte er. Sie zögerte einen Moment, ob sie ihn jetzt mit der Nachricht, die sie in das Zimmer geführt hatte, behelligen konnte, - gab sich schließlich einen Stoß und sagte schüchtern:

„Wir haben Besuch!“

„Na und? Ich will niemanden sehen!“ Wieder kostete es sie eine kleine Überwindung, bis sie fortfuhr:

„Es ist Angelo!“

„Welcher Angelo?“

„Angelo Toccabelli! Er will dich unbedingt sprechen!“ Bei der Nennung dieses Namens fuhr Signor Botello zusammen, als hätte ihn ein Messer getroffen, und er fing an, halblaut zu fluchen,

„Diese Teufel, diese Halunken, diese Halsabschneider . . . “ Ein Schimpfwort nach dem andern schleuderte er in den halbdunklen Raum, und das wirkte auf Luisa umso unheimlicher, als sie von der Ursache seiner Wut nichts wußte.

„Was hast du denn gegen ihn? Beruhige dich doch bitte!“, flüsterte sie und versuchte auf jede Art, ihn zu besänftigen, doch ohne Erfolg. Signor Botello wollte von seinem Zorn nicht ablassen.

Da ging die Tür einen Spalt weiter auf, und Angelo Toccabelli trat geräuschlos ein. Er blieb einen Moment stehen. Seine Augen mußten sich erst an das Dämmerlicht gewöhnen, und auch ihm kam es gespenstisch vor, den mürrischen Alten dort in seinem Sessel in die Dunkelheit hineinschimpfen zu hören, Luisa in ihrem schwarzen Kleid wie ein Nachtvogel über ihn gebeugt, wußte er doch nicht, daß die Angriffe Signor Botellos seiner eigenen Familie, den Toccabellis, galten.

„Mach Licht!“, befahl jetzt Signor Botello. Luisa ging zur Tür und schalte das Licht ein. Alles Gespenstische war nun verscheucht. Signor Botello saß in seinem Sessel, den Blick unverwandt auf das Fenster gerichtet.

Langsam und mißtrauisch drehte er sich zur Tür, wo Angelo stehengeblieben war.

„Was willst du!?“, herrschte er den jungen Mann an. Der war solchen Ton nicht gewöhnt, und wollte auffahrend antworten, doch er bezwang sich, ging auf Signor Botello zu und holte nun den Blumenstrauß hervor, den er hinter dem Rücken versteckt gehalten hatte. Er hielt ihn Signor Botello entgegen wie eine Friedensangebot, und so, in dieser Haltung blieb er dicht vor ihm stehen.

„Geh in die Küche!“, sagte der Alte im Befehlston zu Luisa, „Laß uns allein!“

„Es handelt sich um Agustina!“, sagte Angelo endlich, und, da niemand ihm den Blumenstrauß abnehmen wollte, legte er ihn vor Signor Botello auf den Tisch.

„Was geht dich meine Tochter an?“

„Oh, sehr viel!“, entgegnete Angelo, der sein gewohntes Selbstvertrauen wieder gewonnen zu haben schien.

„Sie ist zu schade zum Herumpoussieren!“, brummte Signor Botello, „Wann bist du mit dem Studium fertig?“ Angelo wurde durch diese Frage ein wenig aus der Fassung gebracht und er antwortete zögernd,

„Ich weiß noch nicht, ob das wirklich das richtige ist für mich, - vielleicht werde ich noch wechseln.“, doch er kam nicht dazu, seinen Satz zu vollenden, denn Signor Botello sagte,

„Scher dich zum Teufel!“

„Wie bitte?“, fragte Angelo, der nicht begreifen konnte, daß er damit hätte gemeint sein konnte.

„Zum Teufel sollst du gehen!“, wiederholte der Alte lauter, „Du und deine ganze Sippschaft!“

Angelo bekam heftiges Herzklopfen, und er wußte selbst nicht, warum er sich noch beherrschte.

„Warum sind Sie denn so wütend, - und worauf?“, fragte er. Aber vielleicht war es gerade die Beherrschtheit Angelos, die Signor Botello immer mehr aufbrachte.

„Du willst doch nur die Erz-Grube haben! - Aber die bekommst kriegst du nicht!“

„Die ist doch nichts mehr wert, sagen alle!“, erwiderte Angelo verblüfft.

„Mehr als du denkst! Und Agustina schlage ich tot, wenn sie sich weiter mit dir trifft. Meinst du etwa, ich weiß nichts davon? - Scher dich endlich zum Teufel!“

15. Kapitel

Am frühen Abend saß derselbe junge Mann, Angelo Toccabelli, wieder auf einem steinernen Wegweiser neben der Landstraße, etwas außerhalb von Castellina, direkt am Rande des Straßengrabens. Hinter ihm ließ der Pflaumenbaum immer noch seine Zweige hängen. Ein paar Schritte entfernt hatte Angelo wieder sein schwarzes Auto abgestellt.

Der Himmel im Westen begann bereits, sein abendliches Farbenspiel zu zeigen und leuchtete in einem feurigen Goldgelb. Darüber stand ein fahles Katzengrün, und die Äste der Bäume, die in den leuchtenden Himmel emporragten, waren schwarz und scharf, wie mit der Reißfeder gezeichnet, doch diese Schönheit kümmerte Angelo nicht.

Er drehte sich eine Zigarette, da kam Pietro, sein Freund, mit seinem Wagen vorbeigefahren, hielt an, als er ihn erblickte, stieg aus und ging zu ihm. Sie begrüßten sich. Angelo bat ihn um Feuer. Pietro gab ihm sein Feuerzeug, und sie redeten wieder ein wenig miteinander.

„Wollen wir tanzen gehen!?“, sagte Angelo schließlich.

„Wie?“, fragte Pietro.

„Komm, wir fahren an die Küste! Dort gehen wir in die Strand-Diskothek!“

„Mir ist nicht mehr nach Tanzen!“, sagte Pietro ablehnend.

„Komm!“, sagte Angelo, „Es ist noch nicht zu spät!“

„Was hast du nur heute? - Vorhin wolltest du nicht und jetzt muß es unbedingt sein!?“

„Komm mit! Wir fahren mit meinem Wagen, der ist schneller.“

Das Meer war grau, ein riesiger düsterer Pfuhl, in dem alles zu versacken drohte. Darüber hing bewegungslos und schwer eine Wolkendecke, und erdrückte die schmalen Lichtbänder des Sonnenuntergangs, die sich am Horziont durcharbeiten wollten. Die beiden jungen Männer, Angelo und Pietro waren an ihrem Ziel angelangt, einem Touristennest an der Küste. Dort fuhren sie den Strandboulevard entlang und hielten an, als sie die Reklame-Beleuchtung einer Stranddiskothek sahen.

Zwei sehr junge Mädchen, blond, in Miniröcken, mit hochhackigen Schuhen, nach Touristenart gekleidet, kamen gerade aus der Diskothek heraus und schlenderten jetzt Arm in Arm die Promenade entlang. Angelo bremste, beugte sich über seinen Freund hinweg auf die andere Seite des Wagens und rief ihnen durch das offene Wagenfenster auf englisch zu,

„Wollt ihr schon nachhause gehen, ihr beiden Hübschen?“ Die beiden Mädchen blieben stehen, lachten und sahen sich kurz an.

„Da drinnen ist nichts los!“, antwortete die eine, die etwas größer, schlanker und wohl auch älter war.

„Nach dem Akzent vermutlich Schwedinnen!“, zischte Angelo seinem Freund zu, „Hast du die kleine Rundliche gesehen?“ Er sprang heraus und hielt die hintere Tür des Wagens auf,

„Habt ihr nicht Lust auf einen kleinen Ausflug? - Kommt, steigt ein! - Wir wissen eine bessere Disko, da ist immer etwas los!“ Die beiden Mädchen tauschten einen schnellen Blick, - 'Sollen wir?' - und stiegen ein.

Schnell machten sie es sich auf der hinteren Sitzbank bequem, holten ihre Taschenspiegel heraus, überprüften ihr Make-up, zogen den Lippenstift nach und unterhielten sich dabei ununterbrochen in ihrer Sprache, während Angelo im Radio immer wieder andere Musik einstellte.

„Wie heißt ihr?“, fragte Pietro.

„Anni,“, sagte die ältere, ohne Pietro anzusehen, „und das ist Kati.“ Dann redete sie weiter mit ihrer Freundin. Pietro machte eine kleine Verbeugung,

„Ich bin Pietro - und der dort am Steuer ist Angelo. - Und wo seid ihr her?“

„Aus Finnland!“, sagte die ältere nach einer kleinen Weile, offfenkundig unwillig, daß er sie wieder in ihrem Gespräch gestört hatte.

„Ah! - Und aus welcher Stadt?“

„Aus Rovaniemi.“

„Nie gehört . . . “

„Das liegt am Polarkreis!“

„So weit im Norden?“, sagte Pietro, „Na, danke! - Scheint denn da überhaupt die Sonne?“ Die Mädchen lachten.

„Im Sommer länger als hier!“, sagte die ältere, „Fast den ganzen Tag. Und ein paar Tage lang geht sie überhaupt nicht unter.“ Und wieder redeten die beiden Mädchen auf Finnisch miteinander, ohne sich weiter um die jungen Männer zu kümmern.

An der nächsten Bar hielt Angelo den Wagen an, sprang heraus und öffnete die Tür.

„Was sollen wir hier?“, riefen die Mädchen. Sie unterbrachen ihr lautes Gespräch, steckten ihre hübschen Köpfe zusammen und tuschelten miteinander.

„Kommt, wir gehen etwas trinken!“, sagte Angelo.

„Wir haben keine Lust zu trinken!“, sagte die ältere.

„Nun kommt schon,“ rief Angelo, „wir haben Durst. Wir laden euch ein!“

„Ja, trinken wir einen!“, sagte Pietro. Endlich gaben die Mädchen nach und stiegen aus.

Die Bar war ziemlich voll, doch am Tresen war noch Platz. Angelo bestellte Cocktails für alle und zwinkerte dem Barmann zu, der sogleich begann zu mischen.

„Wo ist denn diese Diskothek, von der ihr gesprochen habt?“, fragten die Mädchen und blickten dabei in die Spiegelwand hinter dem Barmann, um ihre Frisuren und das Make-up zu kontrollieren.

„Nicht weit,“, entgegenete Angelo, „im nächsten Ort, Monsanti heißt er. - Es ist ein kleiner Ort, aber die Disko ist hier in der ganzen Gegend bekannt.“

„Laßt euch überraschen!“, sagte Pietro.

Schon waren die Cocktails fertig. Der Barmann verteilte die Gläser an alle.

„Kennt ihr den?“, fragte Angelo. Die Mädchen kosteten vorsichtig, dann schüttelten sie sich,

„Puh! Ist der stark!“, riefen sie fast gleichzeitig.

„Nein, überhaupt nicht,“, erwiderte Pietro, „das kommt euch nur so vor! Er ist gut! So müßt ihr ihn trinken!“ Er schlürfte das Getränk langsam in sich hinein und leerte so das Glas in einem Zug.

„Nachmachen!“ Die Mädchen protestierten, gickerten - und machten es ihm schließlich nach.

Bald kamen sie ein wenig in Stimmung. Die Mädchen erzählten von ihren Ferien. Beide waren sie das erste Mal in Sizilien, und daß sie noch zwei Wochen hier hätten, und daß sie jeden Tag baden gingen, und wie wundervoll es hier sei. Und allmählich schauten sie die beiden jungen Männer auch einmal kurz und neugierig an.

Angelo ließ sich noch eine Flasche Grappa geben und bezahlte für alle. Dann ging die Fahrt weiter. Der Wagen verließ nach wenigen Minuten die Küstenstraße und bog in eine kleinere Landstraße ein, die ins Landesinnere führte, in die Hügel. Die beiden Mädchen unterbrachen einen Moment ihr musikalisches Geplapper und riefen:

„Heh, wohin fahrt ihr? Wo wollt ihr mit uns hin?“

„Es ist nicht mehr weit!“, erwiderte Angelo, „Dort hinter dem Hügel liegt ein Dorf, - und da ist die Diskothek!“

Nach wenigen Kilometern verließ der Wagen auch die Landstraße und Angelo fuhr in einen kleinen steinigen Feldweg ein. Der Weg endete am Fuße eines Hügels, den ein paar Bäume umstanden. Davor erstreckte sich ein Stoppelfeld, und überall lagen Strohballen herum.

„Seid ihr verrückt?“, riefen die Mädchen ängstlich und ein wenig ärgerlich, „Wo ist denn die Diskothek?“

„Ach, die Diskothek!“, erwiderte Angelo, „Hier ist es viel schöner! Was sollen wir in dem Lärm? Außerdem kostet es eine Menge Eintritt.“

„Was soll das?!“, sagten die Mädchen, und die ältere holte schon ihr Handy hervor, und begann, eine Nummer zu wählen.

„Keine Chance!“, rief Pietro grinsend, „Hier in der Gegend gibt es keine Polizei!“

Die Mädchen weigerten sich auszusteigen, sie wollten in die Diskothek, doch die jungen Männer kümmerten sich nicht viel darum. Angelo stellte das Autoradio lauter, kurbelte die Fenster herunter, holte die Flasche Grappa und eine Handvoll Kerzen aus dem Kofferraum, rückte mit Pietro ein paar Strohballen zu einem Kreis und rief den Mädchen zu:

„Nun kommt!“ Anni und Kati saßen wie versteinert auf der hinteren Sitzbank und starrten durch die Windschutzscheibe in die dunkle Landschaft hinein. Doch Angelo und Pietro redeten so lange auf sie ein und baten mit so honigsüßen Stimmen und Mienen, daß die Mädchen schließlich gute Miene zu bösem Spiel machten, ausstiegen und sich auf einen der Strohballen setzten, beide dicht nebeneinander.

„Na, ihr seid mir ja zwei Banditen!“, sagte endlich Anni, die ältere. Kati, die jüngere, holte ihr kleines Kofferradio aus der Handtasche, stellte es an und suchte eine andere Musik.

„Oho!“, Angelo tat beleidigt, „Nein, wir sind Ehrenmänner!“

„Und jetzt?“, fragte Anni.

"Feiern wir ein Fest!“, erwiderte Angelo, zerrte einen Stroh-Ballen in die Mitte und zündete ihn an einer Ecke an.

Bald loderte das Feuer hoch, als ob es bis in den niedrig hängenden Himmel hinauf reichen wollte. Die Flasche mit dem Schnaps ging herum, und die Mädchen begannen langsam, ihre Zurückhaltung und Scheu abzulegen. Sie lachten über die Scherze der beiden jungen Männer, fingen an leise zu singen, und schließlich genügte eine Kleinigkeit, um ein allgemeines Gelächter hervorzurufen.

Die Mädchen waren bald betrunken. Ihre Wangen glühten, und als die jungen Männer näher rückten, wehrten sie sich nicht, und ließen sich schließlich sogar küssen.

Doch, als die jungen Männer mehr wollten, wehrten sich Anni und Kati. Sie sprangen auf und riefen: „Nicht so eilig!“, zogen ihre Kleidung zurecht, und brachten sich wieder einigermaßen in Ordnung.

Die jungen Männer flüsterten sich etwas zu, sprangen rasch in den Wagen und Angelo startete. Die Mädchen waren noch benommen von diesem Abend im Freien, vom Grappa und dem üerraschenden Durcheinander; doch als sie merkten, daß die beiden im Auto davonfahren wollten, waren sie mit einem Male hellwach.

„Heh! Wo fahrt ihr denn hin?“, riefen sie und winkten dem Auto hinterher, „Und uns laßt ihr hier stehen? Nehmt uns gefälligst mit!“

„Was glaubt ihr denn, ihr Puppen!“, rief Pietro aus dem Fenster, „Glaubt ihr, wir machen euch den Taxidienst?“ Angelo fuhr weiter, so langsam, daß die Mädchen glaubten, es einholen zu können.

„Wartet! Laßt uns einsteigen!“, riefen sie. Dieses Spiel gefiel den jungen Männern.

Angelo, der am Steuer saß, lachte:

„Lassen wir sie ein bißchen laufen, das tut ihnen gut!“ Nach ein paar hundert Metern hielt er an, wartete, bis die Mädchen keuchend herankamen, und ließ sie wieder einsteigen.

„Wir wollten nur sehen, ob ihr auch laufen könnt!“, sagte er immer noch lachend. Anni und Kati blickten sich verängstigt und empört an, doch endlich stiegen sie ein.

Als sie wenige Kilometer auf der Landstraße gefahren waren, kam ihnen ein halboffener Wagen entgegen, so wie er auf dem Land häufig benutzt wird. Angelo stieß seinem Freund mit dem Ellbogen in die Seite, „Sieh mal! Da kommt schon der Bauer!“

Der entgegenkommende Wagen hielt mitten auf der Straße an, der Fahrer winkte ihnen zu, daß sie auch anhalten sollten. Angelo tat es, kurbelte die Scheibe herunter und rief:

„Suchen Sie die Kerle, die das Stroh angezündet haben?“ Die beiden Männer in dem Wagen, vierschrötige Bauernburschen, musterten sie mißtrauisch,

„Wo kommt ihr gerade her?“, fragte der eine.

„Von der Küste. - Wir haben sie gesehen.“, fuhr Angelo fort, „Irgendwelche verrückten Touristen waren es; Schweden wahrscheinlich oder Finnen;", und als die Mädchen hinten protestierten, „vielleicht auch Deutsche.“

„Wißt ihr, wo sie hin sind?“, fragte einer der Bauern.

„In Richtung Girgenti. - Sie sind gerade erst fort!“, erwiderte Angelo.

„Wir haben das Feuer gesehen,“, sagte Pietro zur Bestätigung, „und haben mit ihnen geredet, sie sollen es sofort löschen. Die Kerle haben nur gelacht! Und dann sind sie abgehauen.“ Die beiden Bauernburschen schauten sich kurz und mißtrauisch an und fuhren mit ihrem Wagen weiter.

Angelo und Pietro lachten. Anni und Kati schwiegen. Bald waren sie wieder an der Küste. Ein paar Kilometer vor dem Strandort, dort, wo die Straße in die Berge nach Castellina abzweigt, hielt Angelo plötzlich an. Die Mädchen waren inzwischen eingeschlafen.

399
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9783742794741
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