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Читать книгу: «Deportiert auf Lebenszeit», страница 5

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»Still, – doch nicht. Fürchten Sie sich nicht. Sylvia wird nicht sterben und Sie auch nicht.« Er nahm ihre Hand. »Vielleicht gehen ein Dutzend Gefangene drauf, denn sie sind sehr enge da unten eingepackt, – aber —«

Sie entriß ihm heftig ihre Hand, dann aber sich fassend, gab sie sie ihm wieder.

»Was haben Sie ?«

»Nichts – einen plötzlichen Schmerz. Ich schlief vorige Nacht nicht.«

»Ja, ja, Sie sind übermüdet, das sehe ich. Gehen Sie und schlafen Sie.«

Sie starrte an ihm vorbei auf die See, wie in Gedanken verloren. So fest blickte sie hinaus, daß auch er unwillkürlich seinen Blick wandte. Dies brachte sie wieder zu sich selbst. Sie zog ihre schönen, geraden Brauen zusammen und dann in die Höhe wie ein Denker, der sich für irgend etwas entschieden hat.

»Ich habe Zahnweh,« sagte sie und hielt ihre Hand an ihre Wange.

»Nehmen Sie etwas Laudanum,« sagte er und dachte daran, wie seine Mutter solche Leiden kuriert hatte. »Der alte Pine kann Ihnen etwas geben.«

Zu seinem Erstaunen brach sie in Thränen aus.

»Was ist das? Weinen Sie nicht, meine Liebe. Verdammt, – ach weinen Sie nicht. Warum weinen Sie denn ?«

Sie wischte die glänzenden Tropfen fort und blickte ihn lächelnd mit Vertrauen an.

»Nichts. Ich bin so allein, so fern von Hause und – Dr. Pine that mir weh am Arme. Sehen Sie.«

Sie entblößte den schönen Arm, während sie sprach und wirklich waren drei kleine, rothe Flecke in dem weißen, festen Fleisch zu sehen.

»Der Bube,« rief Blunt. »Das ist zu arg.« Und nach einem schnellen Blick, ob Jemand ihn sähe, küßte der verliebte alte Bursche die Stelle auf dem Arm.

»Ich will Ihnen das Laudanum geben,« sagte er. »Sie sollen den alten Bären nicht darum bitten. kommen Sie in meine Kajüte.«

Blunts Kajüte war aus der Steuerbordseite des Schiffes, grade unter dein Zelt des Hinterdecks und hatte drei Fenster, eins an der Seite und zwei gingen auf Deck. Die Kajüte auf der andern Seite gehörte Frere. Er ging an die Thür und nahm einen Medizinkasten herunter, der grade über seinem Teleskop aufgehängt war.

»Hier,« sagte er und öffnete ihn. »Ich habe diesen kleinen Kasten schon seit Jahren mit herumgeschleppt, aber Gott sei Dank, benutze ich ihn nicht oft. Da, davon nehmen Sie in den Mund und halten es eine Weile darin.«

»Gott im Himmel, Kapitain Blunt, Sie wollen mich vergiften. Geben Sie mir die Flasche. Ich will mir selbst davon nehmen.«

»Nehmen Sie nicht zu viel,« sagte Blunt. »Es ist gefährliches Zeug, wissen Sie.«

»Ich weiß. Ich habe es schon früher gebraucht.«

Die Thür war zu und als sie die Flasche in die Tasche steckte, nahm sie der verliebte Kapitain in seine Arme.

»Nun, jetzt verdiene ich doch einen Kuß ?«

Ihre Thränen waren schon lange getrocknet und hatten ihr nur etwas Farbe gegeben. Dies liebenswürdige Frauenzimmer weinte niemals lange genug, um sich unangenehm zu machen. Sie hob ihre großen dunkeln Augen einen Augenblick zu ihm auf und blickte ihn mit schelmischem Lächeln an.

»Später,« sagte sie und entschlüpfte in ihre Kajüte. Dieselbe war dicht neben derjenigen ihrer Herrin und sie konnte das kranke Kind stöhnen hören. Ihre Augen füllten sich mit Thränen, – dies Mal mit wirklichen Thränen.

»Armes, kleines Ding,« sagte sie. »Ich hoffe, sie wird nicht sterben.«

Dann warf sie sich auf ihr Bett und verbarg ihr heißes Gesicht in ihre Kissen. Die Nachricht von dem Fieber schien sie furchtbar erschreckt zu haben, ja sie fast zum Entsetzen zu bringen. Es war, als ob diese Nachricht einen lange, sorgfältig bedachten Plan gestört hätte. Vielleicht hatte sie sich schon fast am Ziel geglaubt und nun vernichtete dies plötzliche Auftreten der Krankheit alle ihre sorgfältigen Berechnungen und legte ein fast unübersteigliches Hinderniß in ihren Weg.

»Wenn sie stürbe und durch mich! Wie konnte ich wissen, daß er das Fieber hat? Vielleicht bin ich selbst angesteckt. Ich fühle mich so krank.« Sie wälzte sich unruhig auf ihrem Lager, wie in Schmerzen, dann fuhr sie in die Höhe, wie von einem Schreckbild gepeinigt.

»Wenn er nun stürbe! Das Fieber verbreitet sich schnell und wenn das ist, so sind alle Pläne umsonst. Es muß sogleich geschehen. Jetzt darf ich nicht unterliegen.«

Sie nahm das Fläschchen aus ihrer Tasche, um zu sehen, wie viel darin war. Es war drei Viertel voll. »Genug für Beide,« murmelte sie zwischen den Zähnen. Das Fläschchen erinnerte sie an den verliebten Blunt und sie lächelte.

»Eine sonderbare Art, einem Mann seine Liebe zu zeigen,« flüsterte sie. »Aber er macht sich nichts daraus und mir ist jetzt Alles gleich. Ich will durch und wenn es zum Schlimmsten kommt, kann ich mich immer an Maurice halten.«

Sie löste den Korken des Fläschchens ein wenig, so daß sie ihn ganz ohne Geräusch herausnehmen konnte ; dann steckte sie es wieder in ihren Busen.

»Ich will ein wenig schlafen,« sagte sie. »Sie haben den Brief bekommen und es muß diese Nacht geschehen!«

Siebentes Capitel.
Der Typhus

Der Verbrecher Rufus Dawes hatte sich in seine Koje niedergelegt und versuchte zu schlafen. Aber obgleich er müde und erschöpft war und sein Kopf schwer wie Blei, so blieb er doch wach. Der lange Aufenthalt in der frischen Luft hatte ihm gut gethan und ihn gekräftigt, so daß er sich belebter fühlte, aber die schreckliche Krankheit hatte ihn einmal gefaßt, sein Puls ging schwer und sein Kopf glühte. In dem halb dunkeln engen Raum wälzte er sich umher und schloß seine Augen ; vergebens – es kam kein Schlaf. Mit der äußersten Anstrengung brachte er es nur dahin, daß er seine Gedanken ausruhen ließ von ihrem quälenden Umherschweifen, aber immer sah er vor seinen Augen das brennende Schiff glühen, – den Hydaspes, mit dessen Untergang nun auch jede Spur von dem unglücklichen Richard Devine verschwunden war.

Für ihn traf es sich glücklich, daß der Mann, welcher mit ihm draußen gewesen, etwas gesprächiger Natur war, denn derselbe mußte den Gefangenen die Geschichte ihrer Expedition wohl zwölf Mal wiederholen und Rufus selbst war aus seinem Halbschlummer aufgeweckt worden, um den Namen des Schiffes mit seinen eigenen Lippen zu nennen. Wenn die Leute nicht eine gewisse Achtung vor ihm gehabt hätten, so würde ihn wahrscheinlich nichts davon befreit haben, auch seinerseits die Sache zu schildern und sich an der lebhaft geführten Streitfrage zu betheiligen, ob und wie sich die Schiffsmannschaft des verbrannten Schiffes gerettet habe. So aber ließen sie ihn in Frieden ; er lag unbemerkt da und versuchte zu schlafen.

Eine Abtheilung von fünfzig Mann war auf Deck, um die Luft zu genießen und das Gefängnis war demzufolge nicht so heiß wie des Nachts. Viele der Gefangenen benutzten die leeren Kojen, um inzwischen auszuschlafen und die vier freiwilligen Ruderer durften, was sie versäumt, nachholen.

Noch hatte sich keine Unruhe wegen des Fiebers verbreitet. Die drei Fälle waren wohl besprochen worden, aber der Vorfall mit dem brennenden Schiffe hatte alles Interesse in Anspruch genommen, so das Pine’s Vorsichtsmaßregeln selbst vielleicht nicht genau beobachtet wurden. Die »Alten,« welche schon solche Reise mitgemacht hatten, waren aufmerksam geworden und hatten Verdacht, sagten aber nichts, denn wahrscheinlich würden doch die Schwächlichen und Kränklichen zuerst ergriffen und dann war ja für sie mehr Raum. So waren sie ganz zufrieden.

Drei von diesen Alten sprachen zusammen gerade hinter der Abtheilung der Koje, in der Dawes lag. Wie vorher gesagt wurde, waren die Kajüten fünf Fuß im Quadrat und enthielten jede sechs Mann. Nummer zehn, in welcher Dawes schlief, lag gerade in der Ecke, die von dem Steuerbord und den Mittelkojen gebildet wird und dahinter war ein kleiner Raum, in welchem sich das Fenster befand. Er hatte gerade jetzt nur drei Kameraden, denn John Rex und der Cockney-Schneider waren in das Hospital gebracht. Die drei Uebriggebliebenen waren die drei Männer, welche in diesem Augenblicke, in tiefe Unterhaltung versunken, in dem kleinen Fensterraum steckten. Der Riese, derselbe, der gestern die Ruhe wieder hergestellt hatte, schien das Haupt zu sein. Sein Name war Gabbett. Er war ein rückfälliger Sträfling, der jetzt auf dem Wege war, seine zweite Strafe wegen Straßenraubs anzutreten. Die andern Beiden waren ein Mann, Namens Sanders, der bekannt war als der Schnüffler und Jemmy Vetch, »die Krähe«. Sie flüsterten mit einander, doch konnte Rufus, der mit seinem Kopf dicht an der Holzwand lag, viel von dem verstehen, was sie sagten.

Zuerst war die Rede von dem brennenden Schiff und von der Möglichkeit der Rettung der Schiffsmannschaft. Dann erzählten sie Erlebnisse und Abenteuer von Schiffsbrüchen und endlich sagte Gabbett etwas, das den Horcher aus seinem halben Träumen und Schlafen zu klar bewußtem Wachen aufschreckte.

Sein eigener Name wurde genannt und zwar mit dem der Frau zusammen, welche er gestern auf dem Quarterdeck getroffen hatte.

»Ich sah sie mit Dawes gestern sprechen,« sagte der Riese mit einem Fluch. »Wir wollen Keinen mehr dabei haben. Ich will meinen Hals nicht wegen der Narrheiten von Rexens Weib wagen und das werd’ ich ihr sagen.«

»Es war nur etwas wegen des Kindes,« sagte die Krähe in ihrer eleganten Weise. »Ich glaube, sie hat ihn früher nie gesehen. Sie hält fest an Jack und läßt sich so leicht nicht mit einem Andern ein.«

»Wenn ich wüßte, daß sie uns verrathen wollte, ich würde ihr den Hals abschneiden, je eher, desto lieber,« brummte Gabbett ärgerlich.

»Da würde Jack auch ein Wort mitsprechen,« näselte der Schnüffler, »und der ist ein schlimmer Geselle, um mit ihm zu zanken.«

»Na, halte Deinen Rachen,« brummte Gabbett, »und schwatzt nicht weiter. Wenn wir von Geschäften sprechen wollen, so laßt es auch Geschäfte sein.«

»Was sollen wir thun,« fragte der Schnüffler jetzt, »Jack ist krank und das Mädchen wird ohne ihn sich nicht rühren.«

»Ja,« sagte Gabbett, »das ist schlimm.«

»Lieben, Leuten Freunde,« sagte die Krähe, – »meine verehrten und christlichen Freunde; es ist sehr zu beklagen, daß die Natur, als sie Euch solche dicken Schädel ab, nicht mehr hinein that. Ich sage Euch, – jetzt ist es Zeit. Jack ist im Hospital, – was schadet das. Es macht die Sache für ihn nicht besser. – Ganz und gar nicht, und wenn er Messer und Gabel niederlegt, so wird das Mädchen, glaube ich, sich nicht mehr rühren. Sie thut es doch nur um seinetwillen he?«

»Ja,« sagte Gabbett, wie Jemand, der nur halb überzeugt ist, »das glaube ich wohl.«

»Um so mehr Grund es schnell abzumachen. Noch eins, wenn die Burschen erst wissen, daß das Fieber ausgebrochen ist, dann sollt Ihr sehen, was es für einen Lärm gibt. Dann werden Alle bereit sein, zu uns zu stoßen. Wenn wir nur erst das Ding, den Schießprügel haben, dann sind wir zehn Mal so viel werth.«

Diese Unterhaltung die von Flüchen unterbrochen und mit Ausdrücken der Diebssprache gemischt war, hatte ein brennendes Interesse für Rufus. Bisher hatte er sich zurückgehalten von den Schurken, die ihn umgaben und hatte ihre ihm gräuliche Zuvorkommenheit zurückgewiesen, weil seine Verzweiflung und seine finstere Stimmung über sein unglückliches Schicksal, und die schnelle Verurtheilung, die ihn in’s Gefängnis gebracht, ihn schwer niederdrückten. Bon dem Tode seines Vaters und seinen dadurch veränderten Glücksumständen wußte er ja nichts.

Jetzt sah er seinen Irrthum ein. Er wußte, daß welchen Namen er auch früher getragen, derselbe jetzt gänzlich ausgelöscht war, daß von dem alten Leben jede Spur durch das Feuer des Hydaspes verzehrt worden war. Das Geheimniß, um dessentwillen Richard Devine seinen Namen aufgegeben und sich einem fürchterlichen und schmählichen Tode ausgesetzt hatte, war nun für immer gesichert. Richard Devine war todt; verloren gegangen auf der See mit der Mannschaft des unglücklichen Schiffes, in welchem seine Mutter ihn in Folge eines von ihm geschickt verfaßten Briefes auf der Reise nach Indien glaubte. Richard Devine war todt und das Geheimniß seiner Geburt war mit ihm begraben. Rufus Dawes, der Deportierte Verbrecher, der im Verdacht des Mordes stand, lebte, um sich seine Freiheit wieder zu verschaffen, um seine Rache zu üben. Mächtig durch die schrecklichen Erfahrungen in dem Gefängnis, mochte es ihm vielleicht gelingen Beides zu erreichen, trotz Kerker und Kerkermeister.

Mit glühendem Hirn und schwerem Kopfe horchte er eifrig auf das fernere Gespräch. Es schien, als ob das Fieber, das in ihm raste, seine gröberen Sinne gefangen hielt und ihm dafür das feinste Gehör gegeben.

Er war sich bewußt, krank zu sein. Seine Knochen schmerzten, seine Hände brannten, sein Kopf hämmerte, aber er konnte deutlich hören und er konnte über das, was er hörte, nachdenken.

»Aber wir können ohne das Mädchen nichts machen,« sagte Gabbett. »Sie muß die Wache besorgen und uns das Wort geben.«

Die bleichen Züge der Krähe belebten sich etwas und er grinste schlau. »Alter Handelsmann! Hört wie der Kaperer spricht,« sagte er. »Als ob er die Weisheit Salomons geschluckt hätte. Seht hier.« Damit zeigte er ein schmutziges Stückchen Papier, über das seine Gefährten eifrig die Köpfe beugten.

»Wo hast Du es her?«

»Gestern Nachmittag stand Sara aus dem Hinterdeck und warf den Möwen Brotkrumen hin. Da sah ich, daß sie scharf nach mir blickte. Endlich kam sie ganz nahe an die Barrikade und warf Krumen nach unserer Seite in die Höhe. Nach einer Weile kam ein ziemlich dickes Stück herüber, rund gedrückt und fiel gerade vor meine Füße. Das steckte ich ein. Inwendig war dieser Zettel.«

»Ach,« sagte Gabbett, – »das ist vernünftig. Lies es Jemmy.«

Die Handschrift war, wenn auch weiblich, so doch fest und deutlich. Sara hatte augenscheinlich an den Bildungsgrad ihrer Freunde gedacht und so geschrieben, um ihnen nicht zu viel Mühe beim Lesen zu verursachen.

»Alles ist in Ordnung. Paßt auf, wenn ich morgen Abend beim dritten Glas heraufkomme. Wenn ich mein Taschentuch fallen lasse, so geht an’s Werk zu der Stunde, die bestimmt ist. Die Wache wird in Sicherheit sein.«

Rufus Dawes, dessen Augenlider zufielen und dessen Glieder von fürchterlicher Müdigkeit fast gelähmt waren, horchte begierig auf jedes Wort. Sara Purfoy war im Bündniß mit den Gefangenen, war selbst die Frau oder die Geliebte Eines derselben. Sie war mit dem Plan an Bord gekommen ihn zu befreien, und dieser Plan sollte jetzt in’s Werk gesetzt werden. Er hatte von den Gräueln gehört, welche Meuterer begangen, die vom Erfolg begünstigt waren.

Eine Geschichte dieser Art nach der andern hatte oft die entsetzlichste Lustigkeit in dem Gefängnisse hervorgerufen. Er kannte den Charakter der drei Schurken, die, nur durch eine zweizöllige Planke von ihm getrennt, über ihre Aussicht auf Befreiung und Rache scherzten. Obgleich er sich wenig mit seinen Gefährten zu schaffen machte, so wußte er doch, was diese, seine Kajütskameraden, ausrichten würden, wenn sie ihre Rache an den Kerkermeistern ausließen.

Zwar war das Haupt dieses schrecklichen Bundes, John Rex, der Fälscher, nicht dabei, aber seine beiden Gehilfen, der Straßenräuber und der Ausbrecher, waren da und der schmächtige Mann, Krähe genannt, der freilich nicht den Kopf seines Meisters hatte, ersetzte seinen Mangel an starken Muskeln und an Kraft durch eine katzenartige Schlauheit und durch eine teuflische Behendigkeit und Geschicklichkeit, der nichts gleich kam. Und mit einem so mächtigen Verbündeten draußen, wie dies falsche Kammermädchen, war die Aussicht aus Erfolg sehr bedeutend. Es waren ihrer hundertundachtzig Deportierte und nur fünfzig Soldaten. Wenn der erste Schlag Erfolg hatte – und Sara’s Vorsichtsmaßregeln ließen das erwarten, so war das Schiff in ihrer Gewalt.

Rufus Dawes dachte an das kleine, blonde Mädchen, das ihm so voller Vertrauen entgegen gelaufen war und schauderte.

»Nun,« sagte die Krähe, spöttisch lachend, »sieht das nun danach aus, als ob das Mädchen uns eine Nase dreht?«

»Nein,« sagte der Riese und streckte seine Arme aus, wie man sich wohl in der Sonne zu dehnen pflegt. »Das ist recht, das ist gut. Das ist eine Sache!«

»England! – Heimath! – Schönheit,« rief Vetch mit pathetischer Geberde, die so lächerlich wenig zu der Sache paßte, von der die Rede war.

»Du möchtest wohl wieder nach Hause, – nicht so, alter Herr, wie?«

Gabbett wandte sich ärgerlich zu ihm. Seine niedrige Stirn gerunzelt, wie in wüsten Erinnerungen.

»Du,« sagte er.

»Du denkst wohl die Kette ist ein Vergnügen? Aber ich bin da gewesen; ich kenne die Geschichte und weiß, was es heißt.«

Sie waren einige Minuten still. Der Riese schien in düstere Gedanken versunken zu sein und die beiden Andern tauschten bezeichnende Blicke. Gabbett war zehn Jahre in der Strafkolonie von Macquarie Harbour gewesen und er theilte Keinem seiner Gefährten seine Erfahrungen mit. Wenn er sich in solche Erinnerungen vertiefte, so überließen ihn seine Freunde gewöhnlich sich selbst. Rufus Dawes verstand das plötzliche Schweigen nicht. Er horchte angestrengt, alle seine Sinne waren auf’s Aeußerste angespannt, so ergriff ihn diese plötzliche Unterbrechung der Unterhaltung. Alte Artilleristen sagen, daß wenn sie Tage lang in den Schanzgräben an das fortwährende Donnern der Kanonen sich gewöhnt haben, sie bei einer plötzlichen Pause im Feuern fast einen Schmerz empfinden. Etwas Aehnliches empfand Rufus jetzt. Seine Fähigkeit zu hören und zu denken, auf’s Höchste gespannt, versagte jetzt den Dienst. Es war, als ob ihm jede Stütze plötzlich genommen wäre. Die Anregung von außen fehlte plötzlich und so versagten ihm seine Sinne. Er fühlte, wie das Blut ihm in die Augen und in die Ohren schoß. Er machte irgend eine übernatürliche Anstrengung, um sein Bewußtsein zu bewahren, aber mit einem schwachen Schrei, den er nicht unterdrücken konnte, fiel er zurück und schlug mit dem Kopf gegen die Ecke der Koje.

Das Geräusch war von dem Straßenräuber vernommen worden. Es war Jemand in der Koje. Die Drei sahen einander in die Augen mit der Angst der Schuldigen, dann stürzte Gabbett um die Bohlenwand herum.

»Es ist Dawes,« sagte der Schnüffler. »Wir hatten ihn vergessen.« »Er wird zu uns gehören, Kamerad, – gewiß,« rief Vetch, der Blutvergießen fürchtete. Gabbett stieß einen fürchterlichen Fluch aus, stürzte sich auf den Unglücklichen und zog ihn mit dem Kopf voran auf den Boden. Der plötzliche Schwindel, der Rufus erfaßt hatte, rettete sein Leben. Der Räuber faßte mit einer sehnigen Hand in sein Hemde und die Knöchel ihm in den Puls drückend, wollte er eben einen Schlag führen, der ihn für immer still gemacht hätte, als Vetch ihm in den Arm fiel. »Er hat geschlafen. Schlage ihn nicht. Er ist noch nicht aufgewacht!« Andre sammelten sich im Kreise. Der Riese ließ los, eher der Deportierte stöhnte nur ein wenig und dann fiel sein Kopf wie leblos auf die Schulter.

»Du hast ihn todt gemacht,« schrie Einer.

Gabbett blickte noch ein Mal in das dunkelrothe Gesicht und auf die Stirn voller Schweißtropfen, dann sprang er plötzlich auf und rieb seine rechte Hand, als wenn etwas daran klebte.

»Er hat das Fieber!« brüllte er mit entsetztem Gesicht.

»Was?« schrieen zwanzig Stimmen.

»Das Fieber ihr, grinsenden Narren,« rief Gabbett. »Ich habe das schon früher gesehen. Der Typhus ist an Bord und er ist der vierte Mann, der ihn hat.«

Der Kreis der wilden Gesichter, die eifrig auf die zu erwartende Schlägerei geblickt hatten , wurde größer und größer, als dies Allen etwas unverständliche, aber entsetzliche Wort gesprochen wurde. Es war, als ob eine Bombe zwischen sie gefallen wäre. Rufus Dawes lag schwer athmend, aber ganz bewegungslos auf dem Boden. Die wüsten Gesellen starrten den Körper an. Das Gerücht verbreitete sich schnell durch das Gefängnis und Jeder beugte sich zu ihm nieder, um ihn prüfend zu betrachten. Plötzlich stieß Rufus einen tiefen Seufzer aus, drehte sich um, richtete sich etwas auf, indem er sich auf seine Arme stützte und versuchte zu sprechen. Aber kein Laut kam aus seinen krampfhaft verzogenen Lippen hervor.

»Es ist vorbei mit ihm,« sagte der Schnüffler roh. »Er hat nichts gehört, darauf will ich wetten. Das Geräusch der schweren Riegel, welche zurückgeschoben wurden, unterbrach die Leute. Die erste Abtheilung kam vom Deck herunter. Die Thüre wurde ausgerissen und die in der Sonne blitzende Waffe der Schildwache warf einen Schein bis in das Gefängnis. Dieser Sonnenstrahl, der bis in stinkende, stickige Gefängnis drang, erschien wie ein Spott auf das Elend derer, die dort sich aufhielten. Es war alt ob der Himmel sie angelacht hätte.

Die Menge, plötzlich erregt durch einen Gedanken, wie oft Massen belebt und zu Handlungen antreibt, stürzten sich wie ein Mann nach der Thür. Das Innere des Gefängnisses hatte in diesem Augenblick mit allen den nach der Thür gewandten Gesichtern ein ganz andres Ansehen. Die Dunkelheit wurde so zu sagen plötzlich erhellt durch alle die hochgehobenen Hände.

»Luft! Luft! Gebt uns Luft!«

»Seht Ihr,« sagte Sanders zu seinen Gefährten. »Ich dachte wohl, daß diese Nachricht sie aufregen würde.«

Gabbett, dessen Blut beim Anblick der wilden Gesichter und der blitzenden Augen hoch aufwallte, wollte sich schon mit den Leuten nach vorn stürzen, als Vetch ihn zurückhielt.

»Es wird sogleich vorüber sein,« sagte er. »Das ist nur ein Anfall!« Er sprach wahr. Durch den Lärm hindurch hörte man das Klirren der Waffen ; die Wachen fällten das Gewehr. Da drückten sich die Graujacken bei Seite, denn sie sahen die Flintenläufe. Es entstand eine augenblickliche Pause, dann schritt der alte Pine das Gefängnis hinab zu Rufus und kniete neben ihm nieder. Der Anblick des ihnen Allen so bekannten Mannes, der ruhig seine gewohnte Pflicht that, stellte schnell die Unterwürfigkeit wieder her, welche das Resultat enger Disziplin ist. Die Deportierten krochen zurück in ihre Kojen, oder liefen, um dem ,Doktor zu helfen, wobei sie sich ganz ungewöhnlich gehorsam anstellten. Das Gefängnis war wie ein Schulzimmer in das plötzlich der Schullehrer eingetreten.

»Zurück, Ihr Jungen! Hebt ihn auf, zwei von Euch, und tragt ihn an die Thür. Der arme Kerl thut Euch keinen Schaden!«

Seine Befehle wurden erfüllt und der alte Mann wartete, bis sein Patient draußen in Empfang genommen war, dann hob er die Hand, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und sagte: »Ich sehe, daß Ihr schon wißt, was ich Euch sagen wollte. Das Fieber ist ausgebrochen. Der Mann hat es bekommen. Es wäre dumm, wenn man dächte, daß es sonst Niemand bekommen würde. Ich kann es vielleicht selbst bekommen. Ihr liegt hier sehr eng, das weiß ich, – aber Kinder, ich kann es nicht ändern. Ich habe das Schiff nicht gemacht, das wißt Ihr.«

»Hört, hört!«

»Es ist sehr schlimm, aber Ihr müßt Euch ordentlich und ruhig verhalten und es wie Männer tragen. Ihr wißt, was Disziplin bedeutet, und daß es nicht in meiner Macht steht, sie zu ändern. Ich werde zu Eurem Besten thun was ich kann, und ich hoffe nur, Ihr werdet mir beistehen.«

Und sein graues Haupt stolz erhebend, ging der brave, alte Mann durch die Reihen entlang aus der Thür hinaus, ohne nach rechts oder links zu blicken.

Er hatte grade genug gesagt und erreichte die Thüre, während die Leute ihm zuriefen: »Hört, hört! Bravo! Hoch dem Doktor!« u.s.w. Als er hinaus war, athmete er tief auf. Er hatte eine heiklige Aufgabe gelöst, das wußte er.

»Hör’ nur,« brummte der Schnüffler aus seinem Winkel, »sie geben dem Blutsauger ein Hurrah!«

»Warte nur,« erwiderte der klügere Jemmy. »Gib ihnen nur Zeit. Ehe die Nacht vorüber ist, haben’s noch drei oder vier in den Knochen und dann wollen wir sehen!«

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Дата выхода на Литрес:
10 декабря 2019
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