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2.1.2 Grammatikalischer Aspekt

Im Unterschied zum lexikalischen Aspekt handelt es sich bei Tempus und Aspekt1 um grammatikalische Kategorien des Verbs. Tempus wird als grammatikalisierte Zeitreferenz verstanden, die das Ereignis, über das gesprochen wird, zu einer anderen Zeit, meist dem Jetzt des Sprechens, in Bezug setzt (vgl. Comrie 1976: 1–2; Comrie 1985: 9). Im Unterschied zur Kategorie Tempus wird Aspekt oft metaphorisch als ein Scheinwerfer, der die entsprechende Situation fokussiert, dargestellt. Dies ist mit der auf Holt (1943: 6) basierenden und von Comrie (1976: 3; Hervorhebung durch den Verfasser) leicht überarbeiteten Definition gemeint, dass es sich bei Aspekt um die unterschiedlichen Möglichkeiten handelt, die interne temporale Beschaffenheit einer Situation zu betrachten: „[A]spects are different ways of viewing the internal temporal constituency of a situation“. Auch Klein (1994: 16; Hervorhebung durch den Verfasser) spricht von unterschiedlichen Perspektiven, die ein Sprecher einnehmen kann, um eine Situation zu beschreiben: „[Aspects are] different perspectives which a speaker can take and express with regard to the temporal course of some event, action, process“. Beide Definitionen betonen, dass Aspekt mit der Perspektivnahme des Sprechers zu tun hat und daher bis zu einem gewissen Grad subjektiv ist (vgl. Baudot 2004: 31; Comrie 1976: 4; Lindschouw 2017: 412; Salaberry 2008: 22–25).

Tempus und Aspekt bilden demnach den grammatischen Kern der funktional-semantischen Kategorien der Temporalität bzw. jener der Aspektualität. Eine funktional-semantische Kategorie wird nicht nur durch morphologische oder syntaktische, sondern auch mithilfe von „wortbildenden und lexikalischen Mitteln[,] […] durch die Kombination all dieser Mittel oder kontextuell ausgedrückt“ (Haßler 2016: 7). Es ist wichtig, diese Trennung zwischen einer grammatischen und einer funktional-semantischen Kategorie vorzunehmen. Beispielsweise haben Sprachen, die keinen Aspekt im Sinne einer grammatischen Kategorie besitzen, trotzdem die Möglichkeit, aspektuelle Unterscheidungen mithilfe von beispielsweise lexikalischen Mitteln auszudrücken.

Im Hinblick auf die grammatische Kategorie des Aspekts wird üblicherweise zwischen perfektivem und imperfektivem Aspekt unterschieden. Perfektive Verbformen stellen die Situation in ihrer Totalität dar

without reference to its internal temporal constituency: the whole of the situation is presented as a single unanalyzable whole, with beginning, middle, and end rolled into one (Comrie 1976: 3).

Demnach wird durch die Verwendung perfektiver Verbformen die Handlung als ein begrenztes Ganzes betrachtet, deren Anfang und Ende in die Perspektive des Sprechers mit eingeschlossen sind (vgl. Dahl 1985: 78; Smith 1997). Im Russischen beispielsweise wird der perfektive Aspekt mithilfe von Präfixen markiert (vgl. Klein 2009b: 55–56; De Swart 2012: 756–758):


(3) Ivan na-pisa-l pis’mo.
Ivan PERF.schreiben.PAST Brief.
‚Ivan schrieb einen Brief (fertig).‘

In Beispiel 3 wird durch das Anfügen des Präfixes {na-} das Schreiben des Briefes als in sich abgeschlossenes Ganzes betrachtet, was impliziert, dass der Brief fertig geschrieben wurde. Bei Sprachen, die einen perfektiven Aspekt besitzen, ist es nicht möglich, diese Abgeschlossenheit kontextuell zu negieren. Beispielsweise macht die kontextuelle Vorgabe, dass Lucas auch in der Gegenwart noch krank ist, den spanischen Beispielsatz ungrammatisch:


(4) *Lucas estuvo enfermo y todavía lo está.
(Beispielsatz aus Salaberry 2008: 48)

Mithilfe solcher Vorgaben, die einen Kontext etablieren, der bis zur Gegenwart andauert, kann überprüft werden, ob eine Sprache einen perfektiven Aspekt besitzt. Diese Herangehensweise, die mithilfe eines sogenannten conjunction test durchgeführt wird, findet in der Aspektforschung häufig Anwendung (vgl. Smith 1997: 194).

Imperfektiver Aspekt hingegen „make[s] explicit reference to the internal temporal structure of a situation, viewing a situation from within“ (Comrie 1976: 24). Er ist unbegrenzt und Anfang und Ende der Handlung werden nicht fokussiert (vgl. Bybee/Dahl 1989: 55; Smith 2012: 2588), wodurch der Eindruck entsteht, die Situation werde „von innen“ betrachtet. In Beispielsatz 5 wird die Handlung durch die Verwendung der imperfektiven Verbform pisal als nicht abgeschlossen dargestellt. Es bleibt somit unklar, ob Ivan den Brief fertig geschrieben hat oder nicht:


(5) Ivan pisa-l pis’mo.
Ivan schreiben(IMP).PAST Brief.
‚Ivan war dabei, einen Brief zu schreiben.‘

In Anlehnung an Comrie (1976: 25) kann der imperfektive Teil der Opposition weiter in eine habituelle, kontinuative und progressive Komponente unterteilt werden:

Abb. 1:

Taxonomie aspektueller Oppositionen (vgl. Comrie 1976: 25)

Die Semantik der Habitualität bezieht sich auf regelmäßige, sich wiederholende Situationen (vgl. Bertinetto/Lenci 2012: 852), die eine charakteristische Eigenschaft einer Zeitspanne wiederspiegeln (vgl. Comrie 1976: 27–28).2 Demnach beschreibt Habitualität eine Situation

which is characteristic of an extended period of time, so extended in fact that the situation referred to is viewed […] as a characteristic feature of a whole period (ebd.).

Die Frage, was eine charakteristische Eigenschaft ist, lässt Comrie offen und verweist darauf, dass es sich dabei um keine linguistische, sondern um eine konzeptuelle Frage handelt. Die Zeitspanne, in welcher die betrachtete Situation wiederholt wird, ist an sich unbegrenzt, weshalb die Einteilung der Habitualität als Subkategorie der Imperfektivität prinzipiell gerechtfertigt ist (vgl. Carlson 2012: 835).

Vom Begriff der Habitualität müssen diejenigen der Generizität und Iterativität abgegrenzt werden. Eine generische Lesart entsteht, wenn der Satz als Subjekt eine generische Nominalphrase besitzt, die sich nicht auf einzelne Individuen oder bestimmte Gruppen von Individuen bezieht, sondern auf die Klasse an sich. Carlson (2012: 830–831) veranschaulicht den Unterschied zwischen einer generischen und einer habituellen Lesart anhand von zwei Beispielsätzen, die ins Deutsche übersetzt wurden und im Folgenden in leicht veränderter Form dargestellt werden. Bezieht sich die Nominalphrase auf einen bestimmten Löwen (= ein einzelnes Individuum, beispielsweise im Tiergarten Schönbrunn), dann entsteht eine habituelle Interpretation (Beispielsatz 6); verweist sie auf die gesamte Spezies der Löwen, kommt dem Satz eine generische Lesart zu (Beispielsatz 7). Wie die beiden Beispielsätze veranschaulichen, wird die jeweilige Interpretation vom Kontext evoziert bzw. erst durch diesen deutlich:


(6) Der Löwe im Tiergarten Schönbrunn brüllt für gewöhnlich.
(7) Löwen brüllen.

Iterativität hingegen bezieht sich auf die Wiederholung spezifischer Sachverhalte, die als in sich abgeschlossenes Ganzes betrachtet werden (vgl. Bertinetto/Lenci 2012: 854–860). Man kann das Konzept der Iterativität anhand des folgenden Satzes veranschaulichen:


(8) El lector se levantó, tosió cinco veces y dijo…

Beim fünfmaligen Husten handelt es sich um einen räumlich und zeitlich spezifischen Sachverhalt, der als begrenzte und in sich abgeschlossene Situation interpretiert wird. Iterativität bezeichnet demnach eine bestimmte Iteration, die in einem begrenzten zeitlichen Rahmen stattfindet. In Sprachen, die über eine aspektuelle Opposition von perfektiv/imperfektiv verfügen, wird die iterative Semantik daher üblicherweise mithilfe von perfektiven Verbformen ausgedrückt (vgl. Salaberry 2008: 49).

In Comries Gliederung wird der habituellen Subkategorie die kontinuative3 gegenübergestellt, welche Comrie (1976: 26) als Imperfektivität, die keine Habitualität ist, definiert. Kontinuität wird überdies in eine progressive und eine nicht progressive Komponente untergliedert, wobei erstere als die Kombination von progressiver und nicht statischer Bedeutung definiert wird (vgl. ebd.: 35). Im Allgemeinen wird eine Situation als progressiv bezeichnet, wenn die entsprechende Handlung zu einem bestimmten (Referenz-)Zeitpunkt als im Verlauf befindlich dargestellt und ihr dynamischer Charakter betont wird (vgl. Bybee/Dahl 1989: 55; Mair 2012: 803–807; für weitere Informationen zum Begriff des Referenzzeitpunktes siehe Kapitel 2.2). Dieser Referenzzeitpunkt kann durativ oder punktuell sein. Wenn eine Sprache über eine entsprechende Progressivperiphrase verfügt, wird Ersteres auch als duratives, Letzteres als fokussierendes Progressiv bezeichnet (vgl. Bertinetto et al. 2000: 527). Im Unterschied zum durativen Progressiv, bei welchem die Handlung während eines länger andauernden Zeitintervalls als im Verlauf befindlich dargestellt wird (z. B. from 2 to 4), greift das fokussierende Progressiv einen bestimmten Zeitpunkt heraus (z. B. at 7 p.m.):


(9) At 7 p.m. I was still working. (fokussierend)
(10) From 2 to 4 I was reading a book. (durativ)
(Beispielsätze aus Declerck 2006: 33)

Die Comriesche Definition, dass Progressivität die Kombination von progressiver mit nicht statischer Bedeutung ist, ist insofern problematisch, als sich die Sprachen der Welt dahingehend unterscheiden, in welchen Kontexten bzw. mit welchen Verben eine progressive Form angewandt werden kann (vgl. Bertinetto et al. 2000: 537; Bertinetto 2000: 583–585; Comrie 1976: 35; Mair 2012: 812–813). Bestimmte Verben besitzen die Möglichkeit, sowohl als statisch als auch als dynamisch interpretiert zu werden. Als Beispiel nennt Comrie (1976: 35) die Verwendung der Progressivperiphrase mit Verben der (passiven) Sinneswahrnehmung (en. verbs of inert perception). Während im Englischen eine Kombination dieser Verben mit einer Progressivperiphrase in den meisten Fällen seltsam klingt, ist dies im Spanischen problemlos möglich:


(11) ?I am seeing you there under the table.
(12) Te estoy viendo debajo de la mesa.

Trotz solcher sprachspezifischen Unterschiede gilt diese Restriktion bezüglich statischer Prädikate als definitorisches Merkmal von Progressivität (vgl. ebd.: 12; Deo 2012: 165; Mair 2012: 806). Damit unterscheidet sie sich von der kontinuativen Semantik, welcher bezüglich der Kombination mit lexikalischem Aspekt keine Einschränkungen unterliegen (vgl. Comrie 1976: 25; Mair 2012: 806). Darüber hinaus ist bei der Kontinuität der (Referenz-)Zeitpunkt durativ (vgl. García Fernández 2004: 43; Pérez Saldanya 2004: 215–216; Real Academia Española 2009: 1689). Ein Überblick über die beiden gerade besprochenen Semantiken findet sich in Tabelle 3:


Progressivität Kontinuität
fokalisierend durativ
Kombination mit lexikalischem Aspekt nicht statisch nicht statisch frei
Referenzzeitintervall punktuell durativ durativ

Tab. 3:

Abgrenzung von Progressivität und Kontinuität

Auch wenn es aus typologischer Sicht sinnvoll erscheinen mag, die Semantiken des progressiven und kontinuativen Aspekts getrennt zu behandeln (vgl. Mair 2012: 806–807), ist eine solche Trennung bei Sprachen, die nicht über unterschiedliche Marker, sondern beispielsweise nur über ein Imperfekt verfügen, schwierig (vgl. Arche 2014: 811). Es sei deshalb an dieser Stelle schon vorweggenommen, dass im empirischen Teil der Arbeit die Restriktionen bezüglich der Kombinierbarkeit mit lexikalischem Aspekt herangezogen werden, um Progressivität und Kontinuität voneinander abzugrenzen. Eine Handlung, die als unbegrenzt betrachtet wird, nicht habituell ist und in Kombination mit nicht statischen Prädikaten auftritt, wird als progressiv bezeichnet; wird sie ausschließlich mit statischen Prädikaten kombiniert, wird von (nicht progressiver) Kontinuität gesprochen.4

2.1.3 Unterscheidung von grammatikalischem und lexikalischem Aspekt

Das Verhältnis von lexikalischem und grammatikalischem Aspekt ist Mittelpunkt zahlreicher Debatten. Vertreter des unidimensionalen Ansatzes nehmen an, dass grammatikalischer und lexikalischer Aspekt auf semantischer Ebene dasselbe ausdrücken (vgl. De Swart 1998; Verkuyl 1972, 1999). Befürworter des bidimensionalen Ansatzes hingegen sind der Meinung, dass lexikalischer und grammatikalischer Aspekt getrennt betrachtet werden müssen und unterschiedliche aspektuelle Informationen kodieren (vgl. Depraetere 1995; Smith 1997, 2012). Im Folgenden wird ein Überblick über die verschiedenen Positionen geliefert.

Depraetere (1995) nimmt das imperfective paradoxon (vgl. Dowty 1979: 133–138) als Ausgangspunkt, um die Wichtigkeit der Unterscheidung von (A-)Telizität und (Un-)Begrenztheit (en. (un)boundedness) zu betonen. Sie definiert beide Konzepte folgendermaßen:

(A)telicity has to do with whether or not a situation is described as having an inherent or intended endpoint; (un)boundedness relates to whether or not a situation is described as having reached a temporal boundary (Depraetere 1995: 2–3).

Demnach kann eine Situation als begrenzt oder unbegrenzt dargestellt werden, und zwar unabhängig davon, ob sie einen inhärenten Endpunkt besitzt. Das Prädikat write a nursery rhyme in Beispielsatz 13 ist zwar telisch, wird aber durch die Verwendung der progressive-Form als unbegrenzt dargestellt:


(13) She is writing a nursery rhyme. (telisch, unbegrenzt)
(Beispielsatz aus Depraetere 1995: 3)

Auch Smith (2012: 2581) unterscheidet zwei Arten aspektueller Information, die zwar miteinander interagieren, aber voneinander unabhängig sind. Die Situation selbst hat ihre inhärente Semantik, welche durch den grammatikalischen Aspekt semantisch sichtbar gemacht werden kann. Grammatikalischer Aspekt operiert gewissermaßen auf der inhärenten Semantik der Verbalphrase. Im Gegensatz zu Vendlers (1957) Zeitschemata verwendet Smith eine fünfteilige Gliederung und spricht von sogenannten Situationstypen,1 die vom Verb und dessen Argumenten bestimmt werden. Die aspektuelle Grundbedeutung dieser Situationstypen kann durch zusätzliche Information, wie beispielsweise Adverbien oder grammatikalische Morpheme, geändert werden (vgl. Smith 2012: 2585–2586).2 Dieses Phänomen, das in der Literatur als situation type shift oder coercion bezeichnet wird, wird nach einem kurzen Überblick über Vertreter des unidimensionalen Ansatzes näher beschrieben. Diese sind der Meinung, dass grammatikalischem und lexikalischem Aspekt dieselben aspektuellen Konzepte zugrunde liegen (vgl. De Swart 1998; Verkuyl 1972, 1999). Im Unterschied zu Depraetere (1995) unterscheiden sie also beispielsweise nicht zwischen (A-)Telizität und (Un-)Begrenztheit.

Verkuyl (1999) geht von zwei aspektuellen Grundbedeutungen aus, die er als durativ und terminativ bezeichnet.3 Für die aspektuelle Interpretation eines Satzes schlägt er eine kompositionelle Analyse vor. Ein Verb kann prinzipiell den Wert [+/- ADD TO] haben, je nachdem ob es statisch [- ADD TO] oder dynamisch [+ ADD TO] ist. Im ersten Schritt verbindet sich das Verb mit seinen Argumenten, die wiederum die Werte für eine spezifische oder unspezifische Quantität ausdrücken, das heißt, die Werte [+/- SQA] haben können. Ist das Verb statisch, so ist der [SQA]-Wert der Argumente belanglos und der aspektuelle Wert des Satzes bleibt durativ. Wenn das Verb hingegen dynamisch ist, hängt die Interpretation von den entsprechenden [SQA]-Werten ab. Damit ein Satz als terminativ interpretiert werden kann, müssen sowohl [ADD TO]- als auch [SQA]-Werte positiv sein. Dies wird von Verkuyl (1999: 131) als plus principle bezeichnet. Aus dieser kompositionellen Analyse ergeben sich drei grundlegende aspektuelle Kategorien, die in Tabelle 4 zusammengefasst sind:


Nominalphrase [+/- SQA] [- SQA] [+ SQA]
Zustand Prozess Ereignis
Verb [- ADD TO] [+ ADD TO] [+ ADD TO]

Tab. 4:

Dreiteilige Klassifikation der Aspektkategorien nach Verkuyl (1999: 131)

De Swart (1998: 351) übernimmt eine solche dreiteilige Taxonomie und unterscheidet ebenfalls zwischen den Aspektklassen der Zustände (statisch, atelisch), der Prozesse (dynamisch, atelisch) und der Ereignisse (dynamisch, telisch). Auf den Eventualitäten (= ein Überbegriff für unterschiedliche Situationen), aus denen sich durch eine entsprechende Klassifizierung die drei Aspektklassen ergeben, operieren Tempus- und Aspektoperatoren, und zwar in der Reihenfolge, die durch die nachstehende syntaktische Struktur wiedergegeben wird: [Tempus [Aspekt* [Eventualitätsbeschreibung]]] (vgl. De Swart 2012: 765).4

Prinzipiell reicht die Aspektklasse der Eventualitätsbeschreibung aus, um die Aspektualität eines Satzes adäquat zu interpretieren. Folglich sind in den Sätzen 14 und 15 keine Aspekt-Operatoren notwendig. Der Vergangenheits-Operator PAST und die Aspektklasse allein sind ausreichend, um die Situation adäquat zu deuten (vgl. De Swart 1998: 352–353):


(14) Anne was ill. (Zustand, unbegrenzt)
[PAST [Anne be ill]]
(15) Anne wrote a letter. (Ereignis, begrenzt)
[PAST [Anne write a letter]]

Aspekt-Operatoren kommen dann zum Einsatz, wenn die in der Aspektklasse kodierte aspektuelle Information neu interpretiert werden muss. Wenn der Sprecher die Information in Satz 15 beispielsweise in einer progressiven Lesart darstellen möchte, muss der inhärente Endpunkt der Situation aufgehoben werden. Die dafür notwendige Änderung der Aspektklasse wird durch den Aspekt-Operator PROG durchgeführt. Er erzeugt einen Wechsel von einem Ereignis zu einem Prozess:


(16) Anne was writing a letter.
[PAST [PROG [Anne write a letter]]]

Solche aspectual shifts können entweder durch explizite Aspekt-Operatoren oder durch einen kontextuell erzwungenen Re-Interpretationsprozess vonstattengehen. Letzteres nennt De Swart coercion:

The view of coercion as an eventuality description modifier implies that coercion is of the same semantic type as an aspectual operator […]. The main difference between grammatical operators and coercion is that coercion is syntactically and morphologically invisible: it is governed by implicit contextual reinterpretation mechanisms triggered by the need to resolve aspectual conflicts (De Swart 1998: 360; Hervorhebung durch den Verfasser).

Im Unterschied zu Aspekt-Operatoren ist dieser als coercion bezeichnete kontextuell erzwungene Re-Interpretationsprozess syntaktisch und morphologisch unsichtbar. Um ihn in der syntaktischen Struktur sichtbar zu machen, führt De Swart unterschiedliche coercion-Operatoren ein (z. B. Ceh), deren Funktionsweise anhand des folgenden Beispiels veranschaulicht wird:


(17) John played the sonata for eight hours.
[PAST [FOR eight hours [Ceh [John play the sonata]]]]

Die Beschreibung der Situation John play the sonata, bei der es sich um die Aspektklasse Ereignis handelt, führt durch die Verbindung mit der Adverbialphrase for eight hours zu einem Konflikt aspektueller Werte, da for-Adverbialphrasen nur mit den Aspektklassen der Zustände oder der Prozesse kombiniert werden können (vgl. ebd.: 356). Durch die Verwendung des coercion-Operators Ceh wird die Aspektklasse Ereignis zu einer homogenen Situation5 uminterpretiert, was die Verbindung mit der Adverbialphrase for eight hours möglich macht. Salaberry (2008: 63) kritisiert an De Swarts Argumentation, dass nicht ganz klar ist, warum es sich in Beispiel 17 um einen impliziten coercion-Prozess (Ceh) und nicht um die Anwendung eines expliziten Aspekt-Operators (for eight hours) handeln sollte. Trotz dieses durchaus berechtigten Einwandes stellt De Swarts Analyse insofern einen wichtigen Beitrag dar, als sie eine Lösung für die Interaktion von lexikalischen, grammatikalischen sowie pragmatischen Elementen vorschlägt und die Wichtigkeit des Kontextes für die aspektuelle Interpretation eines Satzes betont.

Die Kernaussage dieses Kapitels ist, dass grammatikalischer und lexikalischer Aspekt miteinander interagieren. Im Laufe der Arbeit wird diesbezüglich von prototypischen und nicht prototypischen Kombinationen gesprochen. Der semantische Prototyp von telischen Prädikaten wie auch von perfektivem Aspekt ist, dass sie Situationen gewissermaßen begrenzen. Bei statischen Prädikaten und imperfektivem Aspekt ist genau das Gegenteil der Fall. In diesen beiden Kombinationen von lexikalischem und grammatikalischem Aspekt wird demnach ein sehr ähnlicher semantischer Prototyp sowohl auf lexikalischer als auch auf grammatikalischer Ebene ausgedrückt. Man spricht daher auch von prototypischen Kombinationen. Im Falle der Kombination von statischen Prädikaten und perfektivem Aspekt bzw. von telischen Prädikaten und imperfektivem Aspekt trifft Gegenteiliges zu und man spricht von nicht prototypischen Kombinationen (vgl. McManus 2011: 17, 2013):


statisch telisch
perfektiv nicht prototypisch prototypisch
imperfektiv prototypisch nicht prototypisch

Tab. 5:

Prototypische und nicht prototypische Kontexte

Im nächsten Kapitel wird ein System vorgestellt, das es ermöglicht, Tempus- und Aspektsysteme durch die Analyse der internen temporalen Beschaffenheit von Situationen zu beschreiben. Solche Systeme werden üblicherweise als zeitrelational bezeichnet (en. time-relational approaches; vgl. Gvozdanovic 2012: 784–791).

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