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HEUTIGE RINDERRASSEN

Wenn man früher also von einem vielfach genutzten Rind hätte sprechen können, so differenziert man heutzutage eindeutig zwischen fleisch- und milchbetonten Rassen. Die im südlichen Raum weitverbreitete Rinderrasse „Fleckvieh“ versucht als sogenannte Zweinutzungsrasse, beide Eigenschaften zu vereinen. Schwarzbunte Kühe sind auf Milch getrimmt, Wagyu und Angus auf Fleisch – um nur ein paar Beispiele zu nennen. Männlichen Kälbern milchbetonter Rinderrassen aber wird aufgrund von geringerem Fleischzuwachs leider „weniger“ bzw. fast kein Wert zugemessen. Dadurch hat sich mehr und mehr der Trend etabliert, das Geschlecht der Kälber durch genetische Selektion zu beeinflussen.

KASTRATION (ALLGEMEIN)

Durch den Verlust der Fortpflanzungsfähigkeit und der Testosteron produzierenden Hoden kommt es zu geringeren Gewichtszunahmen als bei herkömmlichen Mastbullen. Durch die mehr als doppelte Lebensdauer kann man nach vier Jahren von einem ausgewachsenen Rindvieh/-fleisch sprechen.

Ein weiterer Grund für die Kastration ist eine zusätzliche „Veredelung“ der von Natur her schon extrem hohen Fleischqualität: Sie bewirkt ein langsameres Wachstum und mehr Fetteinlagerungen zwischen und in den Muskelfasern. Inter- und intramuskuläres Fett fungieren als Geschmacksträger, bekannt als sogenannte Marmorierung des Fleisches. Besonders ausgeprägt findet man diese Eigenschaften bei der Rinderrasse Wagyu.

Über den Kastrationszeitpunkt und die Methode lässt sich mit Sicherheit diskutieren, philosophieren oder streiten – oft wohl auch basierend auf den empirischen Erfahrungen des jeweiligen Züchters.

Eine gewisse Dynamik des Muskelwachstums sollte nicht nur genetisch angelegt, sondern auch vom Entwicklungsstand des Rinds her schon umgesetzt sein. Sicherlich muss der Zeitpunkt der Kastration auch ins Betriebsschema passen. Die Eigenschaft des Rinds, rohfaserreiches Futter in Fleisch umzuwandeln, sollte voll entwickelt sein. Was im Umkehrschluss heißen soll: Die Kastration des Milchkalbs ist sicherlich möglich und leicht durchzuführen, findet aber für meine Begriffe zu früh in der Entwicklung statt.

Ein tierschutzgerechtes, ruhiges und strukturiertes Vorgehen mit sachgemäßer Betäubung und Schmerzausschaltung ist oberstes Gebot.


KASTRATION (BLUTIG)

Die sicherste Methode ist die blutige Kastration mit operativer Entfernung beider Hoden. Nach Narkose und Schmerzausschaltung wird die Polkappe des Hodensacks mittig entfernt. Jeder Hoden wird einzeln vorverlagert und aus dem Hodensack präpariert. Nicht der Hoden selbst, sondern die Samenstränge samt Versorgungsleitungen werden mehrfach abgebunden und danach körpernah abgetrennt. Eine Unfruchtbarkeit ist somit garantiert. Die Tiere haben schon bald nach der Operation wieder eine normale Futteraufnahme und zeigen keine Schmerzreaktionen. Der geöffnete Hodensack wird nicht vernäht und verschlossen – dadurch kann entstehendes Wundsekret ablaufen. Diese Wunde verschließt sich binnen Tagen selbst und trocknet ab. Jedoch besteht bis dahin ein Restrisiko einer Infektion, auch Tetanus (Wundstarrkrampf). Im Gegensatz zu Pferden sind Rinder weniger anfällig und werden auch nicht geimpft. Eine antibiotische Begleittherapie kann deshalb von Vorteil sein.

KASTRATION (UNBLUTIG)

Eine weitverbreitete unblutige Methode wird umgangssprachlich als „Zwicken“ bezeichnet. Betäubung und Schmerzausschaltung erfolgen gleichermaßen. Der Hodensack bleibt geschlossen. Die beiden Samenstränge werden lediglich ertastet und durch eine spezielle Quetschzange nach „Burdizzo“ einige Minuten einzeln komprimiert. Die verbleibenden Hoden werden nicht mehr ausreichend durchblutet und verkümmern binnen vier bis sechs Wochen. Die Samenproduktion wird eingestellt. Aufgrund des wachsenden Durchmessers der Samenstränge, die sich dadurch immer weniger gut quetschen lassen, ist das „Zwicken“ schwererer Tiere, ab ca. 250 kg

Lebendgewicht, nur mehr schlecht möglich; eine Unfruchtbarkeit kann immer weniger garantiert werden, und auch Schmerzreaktionen sind wahrscheinlicher, doch das Infektionsrisiko ist deutlich geringer bis gar nicht vorhanden.

Wichtig ist, dass beide Methoden in trockener, sauberer, ruhiger und gewohnter Umgebung bei adäquater Fixierung der Tiere erfolgen.

Es gibt auch noch weitere Möglichkeiten, etwa das Setzen von Gummiringen, die aber weder tierschutzgerecht noch zeitgemäß sind und als obsolet betrachtet werden müssen.

FAZIT

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Kastration einen positiven Einfluss auf die Fleischqualität hat. Extensiv gehaltene Tiere können länger gemeinsam auf einer Weide stehen.

Der Verbraucher hat steigende Ansprüche an ökologisch, hygienisch und ethisch einwandfrei produzierte Lebensmittel. Der daraus resultierende Widerspruch, einerseits erschwinglich und reichlich konsumieren zu können, andererseits aber diese erhöhten Vorstellungen an ein rückstandfreies, sicheres und tiergerecht erzeugtes Produkt zu stellen, ist derzeit die größte Hürde in der Landwirtschaft generell. Je mehr das Lebensmittel wertgeschätzt wird und der Verbraucher es auch zahlt, desto mehr Fläche und Zeit muss dem Tier zugesprochen werden.

Meine Gedanken schweifen wieder in die Ferne, hoch hinauf auf den Berg, wo die Welt noch in Ordnung zu sein scheint. Es ist Mittag, und die Sennerin serviert einen Ochsenbraten – gut zu wissen, was man da isst.


Tierarzt aus Leidenschaft: Dr. Bruno Siegmund.

Dr. Bruno Siegmund

Ich wurde 1978 in München geboren. Nach der Studentenzeit meiner Eltern zurück in der väterlichen Heimat, Bayerischer Wald an der tschechischen Grenze, durfte ich eine glückliche und zeitlose Kindheit ohne Handy erleben. Der Bezug zur Natur, angeln und jagen wurden mir in die Wiege gelegt. Nicht nur aufgrund meiner französischen Mutter stand Essen schon immer im Vordergrund. Die Dorfglocke um 12.00 Uhr Mittag läutete zum zentralen Ereignis des Tages. Noch heute setzt mit Ertönung dieser Glocke der Speichelfluss bei mir ein …

Mit einem Hang zu extremen Sportarten und Lust auf Reisen, Studium der Tiermedizin in Budapest und München verbrachte ich meine Jugend. Nach der Doktorabeit in der Klinik für Wiederkäuer ging ich zurück nach Hause und arbeite seitdem als Tierarzt in der Rinderpraxis und in der Fleischbeschau.

Bin glücklich verheirateter Familienvater zweier Kinder und freue mich jeden Morgen über den tollen Ausblick „übern Woid“ vor meiner Holzhütte.



BBQ von Florian Knecht



Gegrillt wird auf der ganzen Welt! Allerdings auf komplett unterschiedliche Arten: vom argentinischen Asado hin zum amerikanischen Barbecue, philippinischen Lechón, mexikanischen Barbacoa oder japanischen Yakitori.

Jedoch gibt es überall einen gemeinsamen Nenner, nämlich FLEISCH. Und mal ganz ehrlich: Was gibt es denn Schöneres, als gemeinsam mit der Familie und Freunden rund um das Feuer (im übertragenen Sinn) zu sitzen und Fleisch zu grillen? Es heißt ja auch nicht umsonst „sich der Fleischeslust hingeben“.

Aber ist das wirklich eine Sünde? Meiner Meinung nach nicht!

Nur wenn es sich dabei um qualitativ minderwertiges Fleisch handelt. Bei manchen Dingen im Leben ist weniger absolut mehr. Und ganz ehrlich, lieber ein richtig gutes Stück Fleisch pro Woche als fünf mittelmäßige Mahlzeiten.

Zu beschreiben, was ein richtig gutes Fleisch ausmacht, überlasse ich aber lieber den Kollegen vor mir in diesem Buch und kümmere mich als Barbecue- und Grill-Experte besser um dessen Zubereitung. Fleisch kann gegrillt, geräuchert und auch mithilfe von Infrarotwärme gegart werden – aber worin liegen die Unterschiede?

GRILLEN
DIREKTES GRILLEN

Beim Grillen werden Fleisch, aber auch andere Lebensmittel direkt über dem Feuer, glühender Holzkohle bzw. einer Hitzequelle gegart. Das sogenannte direkte Grillen kann grundsätzlich mit jedem Grill gemacht werden, solange die Möglichkeit besteht, den Rost direkt über das „Feuer“ zu geben. Gegrillt wird ab einer Temperatur von 180 °C bis 260 °C, daher eignet sich diese Zubereitungsart besonders für dünnere, kurzfasrige Fleischstücke, die sich zum Kurzbraten eignen (außer sie wurden vorher sous-vide gegart), und auch für verarbeitetes Fleisch wie Würste oder Hamburger.

INDIREKTES GRILLEN

Im Gegenzug zum direkten Grillen ermöglicht das indirekte Grillen das Zubereiten von größeren Fleischstücken, die eine längere Garzeit haben. Dabei wird das Fleisch nicht direkt über die Hitzequelle gelegt, sondern versetzt. Für diese Zubereitungsart benötigt man allerdings einen Grill mit Deckel, damit das Fleisch wie in einem Backofen indirekt garen kann. Man spricht hier auch von „hot & fast“ im Gegenzug zu „low & slow“. Kugelgrills eignen sich besonders für diese Technik, und bei modernen Grills wie dem Big Green Egg kann auch auf der gesamten Grillfläche indirekt gegart werden. Das indirekte Garen ist im Wesentlichen auch das Prinzip beim Barbecue, dazu aber später mehr.

VORWÄRTS- UND RÜCKWÄRTS-GRILLEN

Die beiden oben beschriebenen Techniken können auch miteinander kombiniert werden. Dann spricht man vom Vorwärts- oder Rückwärts-Grillen. Beim Vorwärts-Grillen wird das Fleisch zuerst bei hoher Hitze direkt über den Kohlen angegrillt – das sogenannte Searen (260–290 °C). Anschließend legt man das Fleisch in einen indirekten Bereich des Grills, also einen ohne direkte Hitzeeinwirkung, schließt den Deckel und lässt es bis zur gewünschten Kerntemperatur garen. Wichtig: Bei dieser Zubereitungsart muss das Fleisch, wenn es vom Rost genommen wird, noch mindestens 5 Minuten ruhen, bevor es angeschnitten wird.

Das Rückwärts-Grillen funktioniert genau umgekehrt, sprich: das Fleisch zuerst bei indirekter Hitze bis zur gewünschten Kerntemperatur garen und anschließend vor dem Servieren nochmals von beiden Seiten searen. Ähnlich wie beim Sous-Vide muss das Fleisch vor dem Anschneiden hier nicht mehr ruhen.


Florian, Grill-Experte von Big Green Egg.

BARBECUE

Oder auch low & slow! Der große Unterschied zum Grillen ist beim BBQ, dass große Fleischstücke oder ganze Tiere über eine sehr lange Zeit („long job“ – oft bis zu 24 Stunden) bei niedriger Temperatur zwischen 95 und 130 °C im Smoker oder sogenannten Pit (Grill-Grube) gegart werden.

Beim originalen amerikanischen Barbecue werden ganze Tiere auf den Pit, direkt über glühende Kohlen gelegt – allerdings ist die Entfernung zwischen Fleisch und Glut so hoch, dass es bei niedrigen Temperaturen gart. Das Asado-Kreuz aus Argentinien, auf dem ganze Tiere aufgehängt und über Holzfeuer gegrillt werden, funktioniert nach der gleichen Methode, nur vertikal und mithilfe von Wind, der die heiße Luft auf das Fleisch „weht“.

Im Smoker hingegen wird das Fleisch indirekt mit der heißen Abluft von brennendem Holz gegart, in Amerika meist Hickory-, Maple- oder Mesquite-Holz. „Look pro & Go slow“ ist hier die Devise.

BBQs bzw. „long jobs“ eignen sich besonders gut für große, langfasrige Fleischstücke, denn die niedrige Hitze über lange Zeit löst im Fleisch eine wichtige Reaktion aus: Im Inneren wandelt sich das zähe und schwer essbare Kollagen in weiche Gelatine um, die das Fleisch besonders zart und saftig macht. Deshalb eignen sich zarte Fleischstücke, sprich: Fleisch ohne Fett, auch nicht besonders gut für low & slow BBQ – es würde schlichtweg zu trocken werden. Charakteristisch für die Zubereitung mit Rauch ist der „Smoke Ring“, welcher sich direkt unter der Oberfläche bildet und das Fleisch ca. 0,5 cm rosa färbt.

Oft hört man den Ausdruck „typisches amerikanisches BBQ“ – jedoch gibt es kein einheitliches Barbecue. Während in Texas nur mit Salz und Pfeffer gewürzt wird, werden in Kansas Zucker, Paprikapulver und weitere Gewürze vor dem Garen auf das Fleisch aufgetragen. Aussagen wie „The sauce makes the BBQ“ oder „Fat side up or down“ führen zumindest zu genauso großen Diskussionen wie Gespräche über die Lieblings-Sportmannschaft. Und so haben alle Meinungen ihr Für und Wider, sodass es am Ende von den persönlichen Präferenzen abhängt. Mein Tipp: Learning by Burning, also ausprobieren und dabei ruhig herausfinden, was einem gefällt … und natürlich auch, was nicht. Hierzu empfehle ich, folgende Zubereitungsschritte bei long jobs wie der „Holy Trinity“ (Pulled Pork, Brisket & Ribs) zu variieren und zu probieren:

DRY RUB

Trockenmarinade, bestehend aus Salz, Pfeffer, manchmal Zucker und verschiedenen Gewürzen, mit der das Fleisch für mindestens 8 Stunden vor dem Grillen gewürzt werden sollte. Von süß bis bitter – einfach mal ausprobieren.

INJECTION

Das Fleisch kann mit verschiedenen Flüssigkeiten wie Apfelsaft, Bier oder Cola (oder Mischungen mit BBQ Rub) injiziert werden, um es mürber und saftiger zu machen.

BBQ/MOP SAUCE

Die BBQ Sauce ist eine meist auf Tomatensauce basierende rauchige Sauce, die, entweder süß oder sauer abgeschmeckt, zum fertigen Fleisch serviert wird. Ausnahmen wie die Alabama White Sauce basieren auf Mayonnaise; es gibt auch Varianten mit Senf. Einfach mal probieren, was einem persönlich am besten schmeckt.

Die Mop Sauce hingegen ist eine dünnflüssige Würzsauce (oft ähnlich abgeschmeckt wie die BBQ Sauce), die ausschließlich während des Garvorgangs (oft mehrmals) auf das Fleisch aufgetragen wird – meist bei eher mageren Fleischstücken, um diese saftig zu halten.

BUTCHER PAPER (TEXAS CRUTCH)

Die Umwandlung der schwer essbaren Kollagens in Gelatine benötigt Zeit und Energie. Die Kerntemperatur des Fleisches bleibt bei diesem Prozess über mehrere Stunden gleich, hier spricht man von der Plateau-Phase. Mithilfe der sogenannten Texas-Krücke (engl. Texas Crutch) kann der Garprozess etwa von Brisket beschleunigt werden. Man wickelt das Fleisch bei einer Kerntemperatur von 65 °C in Butcher Paper (Metzgerpapier) ein und beschleunigt den Garprozess. Viele sagen, dass das Ergebnis ein saftigeres Stück Fleisch ist; allerdings weicht es auch die charakteristische Kruste, die Bark des Fleisches, auf. Hier gilt wieder: probieren, was einem besser gefällt.


von David Pietralla

Woraus besteht ein Steak?

Um zu verstehen, warum ein Steak bestimmte gustatorische Merkmale aufweist, die man im Mund als zart, saftig und aromatisch wahrnimmt, müssen wir uns die einzelnen Bestandteile eines Steaks im Detail ansehen.

Ein Steak besteht zu einem großen Teil aus Fleischfasern, die – zusammengehalten als Bündel – die zentrale Aufgabe eines Muskels erfüllen: Ein Muskel kann sich zusammenziehen (Kontraktion) und wieder entspannen (Relaxation). Diese Faserbündel wiederum werden vom Bindegewebe/Kollagen zusammengehalten. Kollagen kann man sich wie einen Kleber vorstellen, der die Faserbündel stabil in Form hält und die einzelnen Fasern vernetzt. Zwischen den Muskelbündeln sind Fettreserven eingelagert – die sogenannte Marmorierung. Man bezeichnet diese feinen Fettadern auch als intramuskuläres Fett, nicht zu verwechseln mit dem Fett, das sich zwischen einzelnen Muskelpartien ablagert – dem intermuskulären Fett.

Die Beschaffenheit der Fleischfaser innerhalb eines Tieres hängt primär von der Funktion des Muskels ab. Wenn der Muskel viel leisten muss und stark durchblutet ist, äußert sich das in einer groben und festen Struktur der Fleischfaser. Eine zarte Faser könnte einer starken Beanspruchung nicht standhalten und würde im schlimmsten Fall sogar reißen. Wo keine Kräfte wirken, sind hingegen auch keine stabilen, groben Fasern nötig. Daher unterscheidet sich die Struktur der Fasern von Muskel zu Muskel.

Diese Faserstruktur hat einen maßgeblichen Einfluss auf die Textur des Fleisches. Je gröber die Muskelfaserpakete und je länger die Fasern an sich sind, desto zäher ist das Fleisch – so lautet die Faustregel. Die Fleischfasern und ihre Eigenschaften sind jedoch nicht das einzige Kriterium, das Einfluss auf die sensorische Wahrnehmung nimmt. Das wird spätestens dann klar, wenn man ein Stück Fleisch genießt, das ganz offensichtlich grobe Fasern aufweist und dennoch nicht zäh ist. In solchen Fällen richten wir das Augenmerk auf das Bindegewebe.

Eine sehr wichtige Größe gerade im Kontext der Zartheit ist der Kollagengehalt. Wir meinen damit nicht die Sehnen und Silberhäute, sondern vorrangig das Bindegewebe, das die Fasern zusammenhält. Je höher der Gehalt an Kollagen, umso fester empfinden wir den Biss.

Schauen wir uns das Thema Kollagen an dieser Stelle einmal im Detail an. Kollagene sind Strukturproteine und ein Teil des Bindegewebes. In unserem Fall sprechen wir nicht von den Sehnen und Bändern, sondern nur von dem Bindegewebe, das sich im Muskel befindet. Diese speziellen Kollagene halten die Bündel von Muskelfasern zusammen und sind mit bloßem Auge nur schwer zu erkennen. Die Menge und Zusammensetzung dieser Kollagene im Muskel haben einen großen Einfluss auf die Zartheit. Grundsätzlich ist der Gesamtgehalt an Kollagenen im Muskel eine Größe, die Aufschluss über die zu erwartende Zartheit gibt. Allerdings müssen wir etwas genauer hinschauen, wenn wir die Effekte während des Garprozesses vollständig verstehen möchten.

Um Zartheit wissenschaftlich messbar zu machen, lassen sich die sogenannten Scherkräfte* durch einen Versuchsaufbau nach Warner-Bratzler bestimmen. Dabei fällt auf, dass die Scherkräfte im rohen Steak nicht immer mit den Scherkräften im gebratenen Zustand korrelieren. Um diese Diskrepanz zu erklären, müssen wir uns zunächst den Kollagen-Gesamtgehalt ansehen. Dieser beinhaltet bei jedem Steak zwei verschiedene Arten von Kollagenfasern: Zum einen gibt es lange, geradlinige Kollagenfasern, zum anderen werden diese langen Fasern durch Querverbindungen vernetzt. Um ein Stück Fleisch kurz gebraten zu genießen, ist es zuerst wichtig, dass der Gehalt der langen Kollagenfasern relativ niedrig ist. Ein stark beanspruchter Muskel aus der Keule hat im Vergleich zu einem Stück aus dem Rücken einen deutlich höheren Gehalt an langen Kollagenen. Diese langen Kollagene lösen sich erst durch lange Garzeiten bei hohen Kerntemperaturen auf. Das erklärt die Tatsache, dass ein Stück Beinscheibe in rohem und auch kurz gebratenem Zustand kaum bis gar nicht zu zerbeißen ist.

Wenn nun also Hitze notwendig ist, um Fleisch zarter zu machen, stellt sich die Frage: Warum ist ein rosa gebratenes Steak aus dem Rücken fester im Biss als ein rohes? Hierzu müssen wir uns die zweite Art der Kollagene anschauen, die Verästelungen. Diese Verästelungen lösen sich, nachdem sie einmal kontrahiert haben, je nach Temperatur auf – jedoch hängt die grundsätzliche Löslichkeit vom Alter des Tieres ab. Je jünger das Tier ist, desto mehr dieser Verästelungen lösen sich beim Garen auf, und je älter das Tier ist, desto mehr dieser Verästelungen bleiben kontrahiert und verhärtet, auch beim Garen.

Beim Garen von Fleisch existieren also zwei Phasen des Kollagenverhaltens: In der ersten Phase des Temperaturanstiegs ziehen sich die Verästelungen zusammen und entwickeln eine gummiartige Struktur – die Zartheit nimmt ab. In der zweiten Phase löst sich ein bestimmter Anteil des Kollagens wieder – das Fleisch wird durch diesen Auflösungsprozess wieder zarter.

Wie zart das Fleisch beim Garvorgang wird, hängt folglich davon ab, wie viele der Querverbindungen sich beim Überschreiten einer bestimmten Temperatur auflösen. Bei einem jungen Tier geschieht das bei einer größeren Zahl als bei einer alten Kuh. Das bedeutet also bei einem jungen Rinderrücken, dass ein medium well gegartes Steak zarter ist als ein medium gegartes, da sich ein großer Anteil des Kollagens in der zweiten Phase wieder gelöst hat. Durch den hohen Verlust an Wasser leidet allerdings der Gesamteindruck, und die gewonnene Zartheit kann die fehlende Saftigkeit nicht ausgleichen.

Wenn wir uns im Gegensatz nun eine alte Kuh ansehen, stellen wir fest, dass diese vorzugsweise rare genossen werden sollte. Der Grund: Zunächst kontrahieren auch hier alle Querverbindungen bei Hitzeeinwirkung, doch der hohe Anteil an unlöslichen Querverbindungen führt bei alten Tieren dazu, dass sie bei fortschreitendem Garprozess nicht zarter werden, da ein großer Anteil der Kollagen-Querverbindungen in der zweiten Phase nicht wieder gelockert wird. Außen befindet sich dann ein Rand von Kollagenen, die bei über 95 °C aufgebrochen wurden; im Kern hingegen hat noch keine Kontraktion der Kollagene stattgefunden, sodass das Fleisch noch roh und damit zart ist.

Für edle Steaks zeigt sich also, dass nicht der Gesamtgehalt der Kollagene entscheidend ist, sondern vielmehr der Anteil jener Kollagene, die sich bei Wärme lösen.

* In Bezug auf Fleischbeschaffenheit ist Scherkraft die Größe, die angibt, wie viel Kraft aufgewendet werden muss, um das Steak zu zerbeißen.


David in seinem Element.

David Pietralla

geboren in Hannover und aufgewachsen in Niedersachsen. Nach einigen Semestern des Chemiestudiums wandte er sich als Veranstaltungskaufmann der Gastronomie zu. Heute nutzt der selbstständige Gastronom seine Kenntnisse der Biochemie, um Fleisch unter Einbezug wissenschaftlicher Aspekte für den Endkunden zu beleuchten. Dabei stützt er sich auf die zahlreichen empirisch gewonnenen Schlussfolgerungen aus dem gastromischen Alltag. Sein Wissen teilt er in Tastings, Kochkursen und als Dozent an der Fleischerfachschule in Augsburg.

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