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PERSÖNLICHE EINFÜHRUNG

Schon als Kind galt meine Liebe besonders den Tieren. Mein Vater musste Eintagsfliegen und Ameisen von der Straße retten. Ich fand es ungerecht, wenn Tiere allein waren, wenn sie unglücklich aussahen oder wenn jemand ihnen Gewalt antat und sie schlecht behandelte. Ich rettete alles, was ich retten konnte: Jede kleinste Spinne wurde brav nach draußen getragen. Ich fand es ungerecht, wenn Tiere sterben mussten. Auch dann, wenn sie einfach alt oder krank waren. Aber insbesondere dann, wenn es ein Sterbeprozess war, der von Angst, Schmerz und Leid begleitet wurde. Später dann wurde mir klar, dass ich selbst Frieden mit dem Sterben schließen musste. Das ging nur über eine intensive Auseinandersetzung mit dem Sterben und mit dem Tod, in der Praxis, in der Theorie und in der Ethik.

Ich beobachtete das Handeln der Bauern sehr genau. Ich sah, wie sie spätabends ihre Schweine vom Stall in den Transporter zur Schlachtung trieben. Später dann, als ich regelmäßig die Schubkarre vor dem Stall sah, in der die toten Schweine zur Abholung durch den Abdecker übereinanderlagen, entschied ich, Landwirtschaft zu studieren, um die Bauern, ihre Gedanken, Gefühle und ihr Handeln zu verstehen.

Wir sind Freunde geworden, die Bauern und ich. Sie haben mir geholfen zu akzeptieren, dass in der Landwirtschaft Tiere vom Menschen genutzt werden. Sie haben mich gelehrt zu erkennen, dass es nicht darum geht, dass Tiere gehalten und getötet werden, sondern darum, wie Tiere gehalten und getötet werden. Sie haben mir gezeigt, wie mutig es ist, die eigenen Tiere verantwortungsvoll im Prozess des Sterbens zu begleiten. Ich durfte miterleben, was im Prozess des Sterbens geschieht.

Ich habe begriffen, dass meine Liebe zu den Tieren sich nicht beschränkt auf Haustiere, die Pflege von Tieren, zufriedene Tiere auf der Weide, Tiere auf Gnadenhöfen usw., sondern weit darüber hinaus im landwirtschaftlichen Bezug wirksam ist. Das bedeutet: Verantwortung übernehmen bis zum Ende. Verantwortung bis zum Tod.

In meinem Studium der ökologischen Agrarwissenschaften setzte ich mich intensiv mit der Schlachtung auseinander. Ich besuchte Schlachtbetriebe, kleine und große, sprach mit Metzgern und Landwirten und schrieb meine Diplomarbeit über Rinderschlachtungen, auf der Suche nach einem Verfahren ohne prämortale Belastungen, ohne Stress und Angst.

Was ich fand, war die Weidetötung. Sie bedeutet: Die Tiere werden im vertrauten Herdenverband ohne prämortale Belastungen, ohne Anwendung von Zwangsmaßnahmen durch Kugelschuss (präzise Schussabgabe mit dem Gewehr) betäubt und durch Blutentzug getötet. Dieses Verfahren hat mich stark geprägt und meinen beruflichen Weg beeinflusst. Für mich stand fest: Meine Zeit und Energie fließen in die Entwicklung und Verbreitung des Verfahrens Weidetötung. Auch wenn es diffus klingt: zum Wohl der Tiere. Für den angst- und stressfreien Tod unserer Nutztiere.

Im landwirtschaftlichen Bezug bedeutet das: Die Tiere werden am Hof (Hoftötung; Betäubung durch Bolzenschuss) oder auf der Weide (Weidetötung; Betäubung durch Kugelschuss) betäubt und getötet. Das erfordert nachhaltiges Denken und verantwortungsvolles Handeln. Daraus entstand mein Leitspruch für eine art- und wesensgerechte Tierhaltung bis zum Tod. Das Töten von Tieren auf dem Hof, auf der Weide, im vertrauten Herdenverband, ohne Anwendung von Zwangsmaßnahmen ist die „konsequente Folge artgerechter Nutztierhaltung“.

HERKÖMMLICHE SCHLACHTUNG VON TIEREN

In der herkömmlichen Schlachtung werden einzelne Tiere einer Herde (Rinder, Schafe) oder eine Gruppe von Tieren (Schweine, Geflügel) vom Stall oder von der Weide auf einen Transporter verladen, zum Schlachthof transportiert und dort entweder bis zum nächsten Tag aufgestallt oder direkt der Betäubung zugeführt. Bei Geflügel ist das in der Regel die Betäubung im Elektrotauchbad, bei Schweinen die CO2-Betäubung (kleinere Schlachtbetriebe verwenden die Elektrozange). Bei Rindern erfolgt die Betäubung durch den Bolzenschuss, das anschließende Töten durch Blutentzug. Wichtig ist, dass alle Tiere vor der Tötung betäubt werden, um die Empfindungs- und Wahrnehmungslosigkeit sicherzustellen (Vorgaben der Tierschutzschlachtverordnung). Eine Ausnahme ist das Schächten, bei dem die Tiere ohne vorangegangene Betäubung durch Blutentzug getötet werden. Das Schächten ist in Deutschland verboten.

„Gewöhne dich an den Gedanken, dass der Tod uns nichts angehe; denn alles Gute und Schlimme beruht auf Empfindung; der Tod aber besteht eben in der Aufhebung der Empfindung […]. [Der] Tod geht uns somit nichts an, weil, solange wir sind, der Tod nicht da ist; ist er aber da, so sind wir nicht mehr. Der Tod geht demnach weder die Lebenden noch die Toten etwas an, da er für die Ersteren nicht vorhanden ist, die Letzteren aber nicht mehr sind. Die Menge aber sieht den Tod bald als das größte Übel, bald sucht sie ihn auf als Zuflucht vor den Übeln des Lebens. Der Weise dagegen […] wird weder des Lebens überdrüssig, noch erblickt er im Nichtleben ein Übel.“ – Aus einem Brief von Epikur (341–271 v. Chr.) an Menoikeus

In der herkömmlichen Schlachtung werden die Tiere vom Hof oder vom Stall zum Schlachtbetrieb verbracht. Das kann großen Stress verursachen und lässt sich zusammenfassen unter dem Begriff „prämortale Belastungen“.

Sowohl auf dem Transport als auch am Schlachthof können die Tiere mit unbekannten Artgenossen zusammentreffen, die familiäre Sicherheit der Herde ist nicht mehr vorhanden, und Rangordnungen müssen neu ausgefochten werden. Fremde Geräusche, Gerüche und die neue Umgebung können verunsichern – man denke an den Begriff „Gewohnheitstiere“. Um diese prämortalen Belastungen zu vermeiden, sollte zum Zweck der Schlachtung möglichst wenig verändernd eingegriffen werden.

Das lässt sich am einfachsten erreichen, indem die Tiere dort getötet werden, wo sie leben: am Hof oder auf der Weide, im vertrauten Herdenverband.

DIE HOF- UND WEIDETÖTUNG VON RINDERN

Es sind nicht nur die Verbraucher, die Fleisch aus artgerechter Haltung und stressfreier Schlachtung nachfragen – es gibt auch viele Landwirte, die genau das anbieten wollen. Sie haben genug davon, ihre Tiere auf einen Transporter zu geben und nicht zu wissen, was weiterhin geschieht, wohin sie fahren und wo sie geschlachtet werden. Sie wollen die Verantwortung bis zum Ende übernehmen und den Tieren zum Abschied mit einem festen Blick in die Augen schauen können. Häufig hatten Landwirte, die sich für die Hof- und Weidetötung entschieden haben, ein schlimmes Erlebnis mit ihren Tieren im Zusammenhang mit der Schlachtung, etwa weil sich ein Tier nur mit Gewalt verladen ließ. Weil es zitternd und schwitzend beim Schlachter ankam. Weil es nicht allein gehen wollte … Die persönlichen Verbindungen zwischen Menschen und Tieren, die Geschichten sind es, die uns berühren. Hoftötung heißt wie gesagt, dass zumeist Rinder im Stall oder stallnah per Bolzenschuss betäubt und durch Blutentzug getötet werden.

Für den Bolzenschuss muss das Rind fixiert werden, da das Bolzenschussgerät mit Druck aufgesetzt werden muss. Der Bolzen, der mit hoher Energie und Geschwindigkeit in den Kopf des Rinds eindringt und eine massive Zerstörung erzielt, versetzt das Tier in einen empfindungs- und wahrnehmungslosen Zustand – es ist betäubt. Die Bolzenschussbetäubung kann reversibel sein, deswegen gilt die Vorgabe einer Entblutung innerhalb von 60 Sekunden, um zu vermeiden, dass das Rind das Bewusstsein wiedererlangt.

Weidetötung bedeutet, dass Rinder, die ganzjährig im Freien leben (gesetzliche Vorgabe), per Gewehrschuss ohne Fixierung auf der Weide betäubt und durch Blutentzug getötet werden. Die Schussabgabe erfolgt aus geringer Distanz (ca. 1–10 Meter) in den Kopf des Rinds. Die morphologische Zerstörung durch das Geschoss ist in der Regel so stark, dass die Betäubung irreversibel ist. Die Tötung durch Blutentzug erfolgt ebenfalls direkt nach Schussabgabe. Bei der Weidetötung wird das Rind aus der Herde herausgeschossen. Die Herdenmitglieder verarbeiten das nach einem kurzen Schreck, verursacht durch den Knall des Schusses, sehr gut. Je nachdem, welche Rolle das getötete Rind in der Herdenstruktur einnahm, wird es angeschaut, angestupst oder beschnuppert. Viel mehr passiert in der Regel nicht. Das liegt daran, dass es ein ursprünglich natürlicher Vorgang ist, dass Tiere innerhalb der Herde sterben. Rinderherden bewegen sich im Tagesverlauf viele Kilometer grasend über die Flächen, und natürlicherweise bleiben alte, kranke und sterbende Tiere zurück. Der Vorgang ist mit wenig Unruhe verbunden (das Rind wird aus geringer Distanz geschossen und sackt dann zusammen, von stehend zu liegend), deswegen verhalten sich die Herdenmitglieder ruhig. Das getötete Tier sendet keine negativen Signale aus, und die Herde grast weiter, denn es fehlt das Abstraktionsvermögen, welches den Tod negativ besetzt. Wenn einmal ein ranghohes Tier (zum Beispiel ein Leitrind) geschossen wurde, kommt es vor, dass dieses beklagt wird und eine Neusortierung in der Herde stattfindet.

Nach der Schussabgabe und der Tötung durch Blutentzug kann das Rind in Ruhe für den Transport zum Schlachtbetrieb zur Weiterverarbeitung verladen werden; dem Landwirt bleibt die schlaflose Nacht und der Akt des Einfangens, Separierens und Verladens erspart. Auch muss der Schlachter kein lebendes Tier entladen und der Betäubung zuführen. Das Rind kann dort sterben, wo es gelebt hat: auf der Weide.

Wer sich fragt, warum nicht alle Landwirte so schlachten, sei auf die Rechtslage verwiesen und den bürokratischen Aufwand, der dahintersteht: Die Weidetötung ist nur zulässig für Rinder, die ganzjährig im Freien leben. Die Hoftötung kann seit 2021 für Rinder, die saisonal im Stall leben, aber auch für eine kleine Anzahl Pferde und Schweine pro Schlachtung angewendet werden. Beide Verfahren benötigen eine Genehmigung durch die zuständige Veterinärbehörde und die entsprechende Sachkunde zum Schießen, Betäuben und Töten von Tieren. Neben diesen Voraussetzungen ist der Mut zu Neuem, zum Umdenken und zu nachhaltigem, verantwortungsvollem Handeln ein wesentlicher Bestandteil bei der Hof- und Weidetötung.

DIE PROZESSQUALITÄT IM FOKUS

Nicht nur die Genetik und die Fütterung, sondern auch die Haltung, die Tötung und die Fleischreifung haben einen Einfluss auf die Schlachtkörperqualität und somit auf die Fleischqualität. Hierbei spricht man von prämortalen und postmortalen Einflussfaktoren.

Die Schlachtkörperqualität selbst beschreibt die Beschaffenheit und Ausformung des Schlachtkörpers in den Merkmalen Muskelanteil, Fettanteil, Gewebeanteil und chemische Zusammensetzung.

Die Fleischqualität umfasst die ernährungsphysiologischen (Nährwert), hygienisch-toxikologischen (Gesundheitswert), verarbeitungstechnologischen (Eignungswert) sowie die sensorischen (Genusswert) Merkmale. Diese werden nach definierten Parametern beurteilt. Der Genusswert setzt sich zusammen aus Fleischfarbe, Marmorierung, Safthaltevermögen, Geruch, Geschmack, Aroma und nicht zuletzt der Zartheit, die bis heute als ein wesentliches Beurteilungskriterium unter Fleischessern gilt. Werden alle Merkmale des gesamten Erzeugungsprozesses berücksichtigt, sprechen wir von Prozessqualität.

Die Prozessqualität beschreibt die Verfahrensweise innerhalb der Erzeugungskette. Dabei finden folgende Merkmale in ihren Ausprägungen auf die Schlachtkörper- wie Fleischqualität Berücksichtigung: Rasse, Alter, Geschlecht, außerdem Haltungssysteme (z. B. Stall, saisonale Weide, Ganzjahresweide), Schlachtverfahren (z. B. Schlachthof, kleine Metzgerei, Hofschlachtung, Weideschlachtung) und schließlich Reifeverfahren und Kriterien wie Hygiene, Temperatur, Zerlegung und Zuschnitte.

Mit dem Eintritt des Todes beginnt in der Muskulatur ein Ablauf chemischer, biochemischer, physikalischer und morphologischer Veränderungen. Das Glykogen wird zu Milchsäure abgebaut, und das Muskelgewebe verwandelt sich zu Fleisch.

Im Fall starker prämortaler Belastungen ist das Muskelglykogen bereits verbraucht und kann nicht zu Milchsäure abgebaut werden – damit bleibt die Säuerung des Fleisches aus, und der Reifeprozess ist in der optimalen Entwicklung gestört. Das kann bei Rindfleisch zu negativen Merkmalen führen wie fest, leimig und muffig, sogenanntes DFD-Fleisch.

Um also ein hervorragendes Stück Fleisch genießen zu können, bedarf es der Optimierung aller Prozesse der gesamten Erzeugungskette: Haltung, Schlachtung und Reifung. Wir nennen das dann Prozessqualität.


Lea Trampenau zu Besuch in unserem Stall.

Dipl.-Ing. Lea Trampenau

geboren 1974, absolvierte zunächst eine gärtnerische Ausbildung im Gemüsebau, bevor sie an der Uni Kassel/Witzenhausen ökologische Agrarwissenschaften studierte. In ihrer Diplomarbeit im Jahr 2007 setzte sie sich intensiv mit dem Thema Weidetötung auseinander. 2009 gründete sie die Firma ISS – Innovative Schlachtsysteme und etablierte 2013 in Lüneburg den Foodtruck Goldburger, spezialisiert auf den Verkauf von regionalem, hochwertigem Fleisch aus Weidetötung.

Lea Trampenau verfügt über den Sachkundenachweis (Distanzinjektion, Immobilisation und Töten von Gatterwild und Rindern) nach § 4 TierSchlV.

Zudem hält sie regelmäßig Vorträge und Fortbildungsveranstaltungen zur tierschutzgerechten Rinderschlachtung, ist beratend tätig und engagiert sich im Vertrieb von Schlachtanhängern (T-Trailer).


von Dr. Bruno Siegmund

Geschlecht, Kastration, Auswirkungen auf die Fleischqualität

Eine friedvoll grasende Rinderherde – satte Almwiesen von üppigen Blumen und saftigen Kräutern durchsetzt – strahlend blauer Himmel – schneebedeckte Berggipfel im Hintergrund. Eine Sennerin kommt ins Bild, die sich auf der Terrasse einer urigen Almhütte um ihre Käselaibe und den luftgetrockneten Speck kümmert. Kuhglocken und ein plätschernder Gebirgsbach untermalen ihr fröhliches Schaffen.

Wünschen wir uns nicht alle insgeheim, solche Lebensmittel zu konsumieren? Würde eine ganze Werbeindustrie ein derart nostalgisches Szenario mit ihren Produkten assoziieren, wenn dabei nicht unsere verborgenen Sehnsüchte ausgesprochen würden? Wie aber schaut die Wirklichkeit – in unserem spezifischen Fall – bei der Fleischproduktion in Deutschland aus?

Welche Rolle spielt dabei die Kastration?

Um Sinn, Notwendigkeit und tierschutzgerechtes Prozedere der Kastration männlicher Rinder verstehen und diskutieren zu können, ist es nötig, einen kurzen Überblick über die Entwicklung und Struktur der heutigen Rinderhaltung zu gewinnen.

Was bedeutet in diesem Zusammenhang „konventionelle“ oder „intensive“ Haltung von Rindern? Wie sieht demgegenüber eine „extensive“ Rinderhaltung aus?


KONVENTIONELLE HALTUNG

Deutschland ist in erster Linie ein Standort der Milchproduktion und damit führend in der EU. Erst mit der Geburt ihres ersten Kalbs, im zweiten bis dritten Lebensjahr, wird das weibliche Rind als Kuh bezeichnet und gibt auch jetzt erst Milch. Im besten Fall bringt sie nun jährlich bis an ihr Lebensende ein Kalb auf die Welt. Für dieses Kalb produziert sie Milch.

Kein Kalb … keine Milch – so viel Milch, dass es für den Landwirt und uns auch noch reicht.

Ein Kalb kommt nach einer Tragezeit von neun Monaten und zehn Tagen zur Welt. Weibliche Tiere dienen primär zur Ergänzung des Milchviehbetriebs; das männliche Kalb spielt außer in speziellen Ausnahmefällen als Deck- bzw. Zuchttier für die Milchproduktion keine Rolle. Es wird meist nach einigen Lebenswochen mit einem Gewicht von 80–100 kg auf spezialisierte Betriebe zur Mast- und Fleischgewinnung verkauft. Dort nehmen die Tiere bis zu 1,5 kg und mehr pro Tag an Körpermasse zu. Mit etwa 1,5–2 Jahren haben sie die Schlachtreife erreicht.

Diese zeitliche und fütterungsabhängige Intensivierung der Mast ist natürlich der Rentabilität der Rindfleischproduktion geschuldet, die sich auf dem globalen Markt mit einem immensen Konkurrenz- und Preisdruck konfrontiert sieht und sich dementsprechend behaupten muss.

Was einst in kleinbäuerlichen Strukturen die Ernährung der Bevölkerung gewährleistet hat, ist einem Prozess zunehmender Zentralisierung und Intensivierung gewichen, sowohl in der Produktion von Milch als auch von Fleisch. Der Begriff Massentierhaltung wird damit oft, aber unsachgemäß in Verbindung gebracht.

Stetige Urbanisierung der Bevölkerung und damit eine gewisse Entfremdung von Natur, Grund und Boden, aus denen letztlich alles Grundlegende hervorgeht, tragen bei zur Spaltung von landwirtschaftlichem Erzeuger einerseits und Verbraucher andererseits. Missverständnisse und Falschinformationen zwischen diesen gesellschaftlichen Gruppen treten heutzutage stärker in Erscheinung. Doch konventionelle Tierhaltung lässt sich nicht über einen Kamm scheren, wie es zum Teil getan wird. Landwirte klagen in den letzten Jahren vermehrt über ein ungerechtfertigt schlechtes Image in der Wahrnehmung in der medialen Öffentlichkeit.

EXTENSIVE HALTUNG

Die in neuerer Zeit unter Aspekten des Tierwohls geforderte „extensive“ Mast der Rinder macht derzeit noch einen sehr kleinen Anteil der Rindfleischproduktion aus. Sicher nehmen Liebhaberei, nebenberuflich gehaltene kleine Mutterkuhherden, aber auch ökologische Landwirtschaft mit oft extensiver Weidemast zu; dennoch müssen professionelle und profitabel organisierte Betriebe über große und billige Flächen und/oder gute Vermarktungsstrategien verfügen, um preislich überhaupt mit dem Weiderind aus der schier endlosen argentinischen Steppe mithalten zu können.

Ein regionaler Bezug zum Lebensmittel wird dem Verbraucher jedoch zunehmend wichtiger. Seit geraumer Zeit findet dahingehend ein Umdenken in der Gesellschaft statt.

Extensive Mastbetriebsformen, meist in Form von Mutterkuhhaltung, sind größtenteils durch Bio- und Ökoverbände zertifiziert und machen derzeit nach wie vor nur einen Bruchteil der Rindfleischvermarktung aus. Neben der konventionellen Bullenmast haben altgediente Milchkühe und weibliche Rinder, die nicht zur Milchproduktion eingesetzt werden, den größten Anteil an der Fleischproduktion.

Bei der Mutterkuh- bzw. Weidehaltung besteht eine durchwachsene, gesunde und stabile Rinderherde aus unterschiedlich alten weiblichen Tieren und deren Kälber sowie einer Leitkuh als „Chefin“. Es gibt nur einen männlichen „Big Boss“ (der es nicht ist). Nebenbuhler würden Unruhe in die Herde bringen. Eine klar definierte Rangordnung und Sozialstruktur schaffen Ruhe und Frieden.

Männliche Tiere in der Geschlechtsreife müssten sich in der Natur unterordnen bzw. alsbald ihren eigenen Weg gehen – so wird auf natürliche Weise Inzucht vermieden. Möchte man also verschiedengeschlechtliche Geschwister auf einer Weide halten, und das, solange man will, so ist es unumgänglich, die männliche Nachzucht zu kastrieren, also zum Ochsen zu machen.

DAMALS

Schon vor 4000 Jahren wurden als Arbeitstiere eher kastrierte Rinder als Pferde verwendet, denn ihre Haltung war vergleichsweise anspruchsloser: Zugochsen ließen sich leichter führen und waren weniger aggressiv. Noch vor 100 Jahren war es auch in Deutschland üblich, Ochsen bei der landwirtschaftlichen Arbeit einzusetzen. Dabei waren in erster Linie deren Umgänglichkeit und Nutzungsdauer von Bedeutung – kulinarische Aspekte standen im Hintergrund. Was damals primär zur Selbsterhaltung diente, findet heute wieder mehr Gefallen in Form von Selbstversorgung oder Kleinvermarktung.

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