Читать книгу: «Der Gesang des Sturms», страница 3

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»Ich weiß. Deswegen möchte ich dir auch zeigen, wie du dich zukünftig selbst schützen kannst.«

»Warum? Wir kennen uns doch kaum. Warum willst du einer dir völlig fremden Frau helfen?«

Jetzt verdunkelte sich Elendars Gesicht vor Schmerz.

»Weil ich es an einer anderen Stelle versäumt habe.«


Kapitel 3

Siranys und Elendars Wege trennten sich am nächsten Morgen. Er brachte sie mit seinem struppigen Pony bis zum Waldrand, setzte sie dort vorsichtig ab und verabschiedete sich von ihr.

Sein Herz fühlte sich seltsam schwer an, als er sie langsam die Brücke überqueren sah. Sie humpelte stark, denn ihre halb erfrorenen Zehen schienen ihr nun Schmerzen zu bereiten. Er würde so lange warten, bis sie sicher die Grenzen des Dorfes erreicht hatte. Eher rührte er sich nicht vom Fleck.

Sie hatte zunächst nicht eingewilligt, sein Angebot anzunehmen. Es war ihr unheimlich, etwas zu erlernen, was sie für reine Männer­sache hielt. Außerdem zögerte sie, sich öfter als nötig mit ihm zu treffen.

Er gehörte zu den Assaren, einem Volk, das geholfen hatte, ihr Volk zu unterdrücken.

Elendar verstand sie gut, war auch froh, ihr dennoch das Angebot gemacht zu haben. Alles Weitere lag jetzt in ihrer Hand.

Seine alte Stute bewegte sich unruhig unter ihm. Sie wollte zurück zu den anderen Ponys und verspürte keine Lust, hier länger zu warten.

Elendar ermahnte sie sanft, ohne den Blick von Sirany abzuwenden. Bald würde sie die Grenze ihres Dorfes erreicht haben. Ihre schmale Gestalt wurde kleiner und unschärfer. Er lächelte, als er sah, wie sie sich kurz vor Erreichen der ersten Hausfront umdrehte, um ihm mit strahlendem Gesicht zuzuwinken.

Grüßend hob er die Hand, dann erst wendete er sein Pony, um im Dunkel der Wälder zu verschwinden.

Sirany erreichte keine fünf Minuten später das Haus ihrer Eltern, schleppte sich die Veranda hinauf und klopfte kraftlos an die Tür. Nur Sekunden vergingen, schon wurde die Tür aufgerissen und ihre Mutter stand vor ihr. Ehe Sirany es sich versah, versank sie in Aileens starken Armen.

»Sirany, wo bist du nur gewesen? Wir sind ganz krank vor Sorge um dich.«

Von hinten hörte sie ihren Vater herantreten. Ihre Mutter gab sie frei, um ihre Tochter an ihren Mann weiterzureichen. Sarns Umarmung war voller Erleichterung.

»Es ist alles in Ordnung mit mir. Ich bin nur müde.«

Ihre Eltern glaubten ihr kein Wort. Sie wurde sofort ins Bett gesteckt und ihre Mutter bereitete einen Sud vor. Vorsichtig strich Aileen die dicke Paste auf die halb erfrorenen Zehen. »Das sollte die Schmerzen etwas lindern«, erklärte sie. Danach starrte sie ihre Tochter eindringlich an.

Natürlich verlangten die beiden eine Erklärung, also begann Sirany zu erzählen. Sie berichtete von dem Soldaten. Von Elendars Rettung. Und von seinem Angebot, sie auszubilden. Als sie geendet hatte, schwiegen sie alle. Dann deckte Aileen ihre Tochter bis zum Kinn zu und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. »Wir sprechen morgen darüber«, sagte sie. »Jetzt schlaf erst einmal.«

Sie verließen das Zimmer und ließen Sirany allein in ihrem Bett zurück. Die starrte die Decke nachdenklich und mit klopfendem Herzen an. Er hat mich gerettet, dachte sie. In letzter Sekunde. Was wäre geschehen, wenn er nicht da gewesen wäre?

Sie schauderte bei dem Gedanken. Nein. Das wollte sie sich lieber nicht ausmalen. Aber wäre es nicht besser, sich auf zukünftige Angriffe vorzubereiten? Sich selbst wehren zu können, anstatt auf Rettung zu hoffen?

Morgen, dachte Sirany. Das entscheidest du morgen.


Am nächsten Tag lag Sirany mit hohem Fieber im Bett. Eine Erkältung hatte sich in ihren Körper eingeschlichen. Sirany war erneut, als würde der Tod sie holen kommen. Sie verlor jedes Zeitgefühl und bekam nur mit, dass erneut ein Sturm aufzog und das Dorf erschütterte. Wieder fielen mehrere Fuß Neuschnee aus den schwarzen Wolken und fesselte die gesamte Familie ans Haus. Sirany fieberte und fieberte. Ständig verlor sie das Bewusstsein und bekam die Sorge ihrer Eltern mit. Sie hatten nichts Nahrhaftes, um es Sirany anbieten zu können. Beeren und Wurzeln waren nicht das Richtige, um einem fieberndem Körper neue Kraft zu schenken.

Nach drei Tagen, in denen es Sirany mit jeder verstreichenden Stunde schlechter ging, war ihr Vater aus lauter Verzweiflung bereit, sich trotz des Sturmes in den Wald zu begeben und zu jagen. Ihm war nicht wohl dabei. Seine letzte Jagd war mehr als zehn Jahre her. Seit der Besatzung war es verboten, den Wald zu betreten, geschweige denn Tiere zu erlegen. Die gehörten jetzt dem König der Shari. Sarn atmete tief durch, sprach sich selbst Mut zu und ging los. Er kam nicht weit. Kaum hatte er das Haus verlassen, blieb er wie angewurzelt stehen.

Über dem Geländer der Veranda hing ein mächtiger Hirsch, daneben zwei Hasen. Der Körper des Hirsches dampfte von der Wärme des Lebens, das er vor kaum einer halben Stunde ausgehaucht hatte. Genau in seinem Herz steckte ein einsamer Pfeil.

Es war ein Zwillingsbruder des Pfeils, der Sirany vor den Händen des Soldaten gerettet hatte.

Schweigend nahm der Vater das Geschenk an, zog den Hirsch in die Hütte und rief nach seiner Frau. Aileen schlug vor Freude die Hände zusammen. »Das wird eine gute Suppe«, rief sie, schnappte sich die Hasen und machte sich an die Arbeit.

Als sie wieder in den Wohnraum trat, sah sie ihren Mann immer noch vor dem nun gehäuteten Hirsch sitzen, den Pfeil in den Händen haltend.

»Mir scheint, dass jemand Fremdes eine schützende Hand über unsere Tochter hält«, murmelte er.

»Ja«, sagte seine Frau ebenso leise. So wie es aussieht, kann sie das auch gebrauchen, dachte sie bei sich, sprach diese Worte aber nicht laut aus.

Dank des Fleisches kam Sirany rasch wieder zu Kräften. Als sie so weit genesen war, dass sie klar bei Verstand war, überreichte ihre Mutter ihr den Pfeil. »Dein Vater hat diesen Hirsch nicht geschossen. Jemand anderes war es«, erklärte sie sanft.

Sirany starrte den Pfeil lange an und drehte ihn nachdenklich in den Händen. Dann stahl sich ein Lächeln auf ihr Gesicht.

Ihre Mutter beobachtete sie dabei und seufzte tief. »Nimm sein Angebot an, Sirany. Lern von ihm, was er bereit ist, dich zu lehren.«

Ohne aufzublicken, nickte das Mädchen. Sirany war längst klar geworden, dass sie jede Hilfe annehmen musste. Um in dieser feindlichen Welt zu überleben, durfte sie nicht noch einmal derart hilflos sein. Sie musste kämpfen lernen. Stärker werden. Sich wehren können. Ihr Retter würde bestimmt nicht jedes Mal zur Stelle sein, um ihr zu helfen. Das wollte sie auch gar nicht. Sie wollte auf sich selbst vertrauen können. Doch dazu brauchte sie erst mal Hilfe.


Zwei Wochen später wagte sich Sirany endlich wieder aus dem Haus. Sie war wackelig auf den Beinen und hatte Schwierigkeiten beim Gehen, aber das Wetter war freundlich und lockte sie in die freie Natur.

Diesmal wählte sie einen anderen Weg, um zum Waldrand zu gelangen.

Er war viel länger, beschwerlicher, dafür sicherer. Die Sonne lachte ihr entgegen, als sie ihren Rucksack überstreifte und hinaus aus dem Dorf trat.

Endlich begann auch der Schnee zu schmelzen, vernichtet durch die tanzenden Sonnenstrahlen, die auf die Erde fluteten. Einige wenige Vögel begleiteten Siranys Schritte mit einem sanften Lied, während der ruhige Wind pfeifend mit einstimmte.

Die Wälder lagen weiterhin still unter einer Schneeschicht. Im Sonnenlicht wirkten sie nun nicht mehr so bedrohlich. Vielmehr glitzerten die Wassertropfen an den Ästen, tauender Schnee fiel sanft von den mächtigen Stämmen hinab.

Sirany fand ohne Schwierigkeiten den Weg zum Lager der Assaren. Sie war ihn schon Hunderte Male gegangen, aber nur bis zu einem bestimmten Punkt. Es war seltsam, diese Grenze, die sie sich selbst gesetzt hatte, zu überschreiten.

Sie hatte sich bis auf wenige Schritte an das Lager herangewagt, als eine mächtige Gestalt ihr den Weg versperrte. Vor Schreck blieb sie wie angewurzelt stehen und starrte den finster dreinblickenden Assaren an, der mit gezogenem Schwert vor ihr stand.

»Wen haben wir denn da?«, knurrte er übellaunig und baute sich drohend vor ihr auf.

Augenblicklich wich Sirany zurück, bis sie über eine Wurzel stolperte und fast der Länge nach hinfiel.

»Lass den Mist, Sheyn.« Ein weiterer Mensch trat aus dem Schatten der Bäume hervor. Sirany erkannte den mit Fellen behangenen Mann sofort wieder. Efnor. Der Mann, der sie zusammen mit Elendar vorm Erfrieren gerettet hatte. Jetzt hatte er einige seiner Schätze abgelegt. Kein Wunder. Die Luft hatte sich durch die Sonnenstrahlen bereits erwärmt. »Sie ist ein Gast«, machte Efnor klar.

Sheyn knurrte etwas Unfreundliches in seiner Sprache und steckte sein Schwert zurück in die Scheide. Ohne sie weiter zu beachten, drehte er sich um und ließ Efnor und Sirany allein zurück.

Der fellbehangene Mann seufzte tief und wandte sich Sirany zu. »Bitte entschuldige sein unflätiges Benehmen. Er ist die Gegenwart einer Dame nicht gewohnt.«

Sirany hätte sich selbst niemals als Dame bezeichnet und schmunzelte daher über diesen Ausdruck. Efnor schien das nicht zu bemerken.

»Elendar wird sich freuen, dich wohlauf zu sehen. Komm, ich bring dich zu ihm.«

Das Mädchen folgte dem Assaren hinein ins Lager. Das bestand aus rund zwanzig einfach aussehenden, etwa mannshohen Zelten, allesamt vielfach geflickt und rein zweckmäßig befestigt. Sie trugen die Farben des Waldes, eine perfekte Tarnung, um nicht weiter aufzufallen.

Die Zelte waren in einem Kreis angeordnet und gruppierten sich um eine Feuerstelle. Ein gelangweilt wirkender Mann rührte ab und zu in einem riesigen, über dem Feuer brutzelnden Kochtopf und flickte hauptsächlich seine Schuhe.

Die Erde rund um die Feuerstelle war durch viele Stiefeltritte zu einem festen Platz zusammengedrückt worden. Der Schnee war dadurch geschmolzen und triste braune Erde präsentierte sich. Es roch nach Matsch, ungewaschenen Männern und Leder.

Hinter den Zelten standen einige Ponys dösend im kargen Sonnen­licht. Sie waren so struppig wie am ersten Tag, nur jetzt erheblich magerer. Der Winter hatte auch bei ihnen seinen Tribut gefordert.

Sirany folgte Efnor durch die Zeltreihen hinüber zu den Ponys. Die reckten bei ihrer Ankunft neugierig die Hälse. Sie waren nur durch großzügige Fesseln an ihren Vorderbeinen an das Lager gebunden und kamen nun langsam näher, um etwas Essbares bei ihnen zu erbetteln.

Efnor scheuchte sie so gut es ging wieder fort und deutete auf eine triste braun-weiß gescheckte Stute, die an einen Baum gebunden war.

»Elendar«, sagte er nur.

Sirany brauchte einen Moment, um den Gesuchten neben der Stute zu entdecken. Er striegelte gerade den Hals des Tieres und sprach dabei mit ihm.

Dankend verabschiedete sich das Mädchen von Efnor und trat zu der Stute und ihrem Besitzer. Der bemerkte sie erst im letzten Moment und hob erstaunt den Kopf. Dann erhellte sich sein Gesicht vor Freude. »Sirany.« Er ließ Striegel und Bürste fallen und wischte sich hastig die Hände an der Hose ab.

Sirany erwiderte sein Lächeln und war unsicher, wie sie ein Gespräch mit ihm anfangen konnte. Um sich Zeit zu verschaffen, wandte sie sich der Stute zu und zupfte Dreck aus ihrem Fell.

»Ich habe mir die Pferde der Assaren etwas edler vorgestellt«, sagte sie. Die Stute war für ein Pony recht groß, aber abgemagert und erschöpft. »Als edles Ross kann man dieses Tier nicht gerade bezeichnen. Ich habe mir dein Pferd als wilden, riesigen schwarzen Hengst vorgestellt.«

»Du denkst zu viel.«

Die Stute bewegte sich plötzlich, hob den Kopf und stupste ihren Herrn fordernd an, sie weiter zu kraulen.

»All unsere Pferde sind trittsichere Tiere, die im Gebirge groß geworden sind. Da ist es besser, klein und wendig zu sein, als groß und erhaben. Diese Stute gehörte früher meiner Schwester. Als mein Wallach mir gestohlen wurde, habe ich ihn durch sie ersetzt. Das Gute an ihr ist, dass man sie mir bestimmt nicht klaut. Ich müsste höchstens draufzahlen, um sie loszuwerden.« Plötzlich wurde er ernst. »Sie ist schnell und hat mir schon oft das Leben dadurch gerettet. Willst du sie mal reiten?«

»Ich kann nicht reiten.«

»Dann musst du viel lernen.«

»Ja, das muss ich wohl. Ich würde mich sehr freuen, wenn du mir dabei helfen würdest.«

Der Assar traute zuerst seinen Ohren nicht und neigte schließlich lächelnd den Kopf. »Es wäre mir eine Ehre.«

Ihm war bewusst, dass sein Angebot für Sirany gefährlich war. Es konnte sie vor zukünftigen Übergriffen retten oder in noch größere Schwierigkeiten bringen. Das lag zum einen daran, dass er ein Assar war. Zum anderen hatte er Feinde, die ihn sehr genau beobachteten.

Mächtige Feinde.

Sein bester Freund Efnor war entsprechend entsetzt, als er von der Vereinbarung erfuhr. »Das kann sie umbringen«, warnte er Elendar eindringlich.

»Wenn ich ihr nicht helfe, ist sie so gut wie tot. Sie ist viel zu hübsch, um länger von Kumas Soldaten unbemerkt zu bleiben. Früher oder später wird sie um ihr Leben kämpfen müssen. Dann ist es besser, wenn sie vorbereitet ist.«

»Oder du sprichst das Todesurteil über sie, weil sie sich mit dir eingelassen hat. Findest du nicht, du solltest sie warnen?«

»Vor mir selbst? Wenn ich das tue, wird sie mich meiden. Ich bin aber ihre einzige Chance, sich selbst zu retten. Nein. Wir müssen das Risiko eingehen. Das sind wir ihr schuldig.«

Efnor wirkte wenig überzeugt, doch Elendars Entschluss stand fest. Er verschwieg ihr sein größtes Geheimnis, um sie zu schützen. Gleichzeitig konnte er nur hoffen, dass ihn seine Vergangenheit niemals einholte.

Denn dann war sie in größerer Gefahr als ohnehin schon.


Sirany ahnte von all diesen Überlegungen nichts. Für sie begann in den nächsten Monaten eine schöne Zeit. Es war ausgesprochen kompliziert, unbemerkt den Wald zu erreichen, aber das war ihr die Zeit mit Elendar wert.

Zuerst war es schwierig für beide, sich aneinander zu gewöhnen. Elendar war ein strenger Lehrer, der während der Arbeit nicht viel Spaß verstand. Sirany hingegen betrachtete das Ganze eher als ein Spiel und brachte ihn mit ihrer fröhlichen Art häufig aus der Fassung.

Sie begannen mit dem Reitunterricht und bald stellte sich heraus, dass das Aufsteigen das größte Problem für Sirany war. Sobald sie sich auf dem Rücken des Tieres befand, fühlte sie sich so wohl wie ein Fisch im Wasser. Beim Nahkampf stellte sich Sirany recht geschickt an, während sie den Schwertunterricht sehr schnell aufgaben. Die Waffe war zu schwer, Sirany zu ungeschickt und Elendar hatte Angst, dass sie sich dabei versehentlich umbrachte. Außerdem nahm er nicht an, dass sie jemals ein Schwert besitzen würde. Zu teuer und außerdem streng verboten.

Nicht lange nach Beginn ihres Unterrichts begriff Elendar, dass sich das Mädchen nur äußerst ungern von ihm anfassen ließ. Erst hatte er gedacht, er würde sich das einbilden, doch ihre Körper­haltung war oft eindeutig. Schließlich akzeptierte er diese Eigenart.

Anscheinend war und blieb Elendar ein Fremder für sie. Ein netter Fremder, und dennoch …

Vielleicht war das auch besser so. Je weiter sie auf Abstand blieben, desto sicherer war Sirany. Die Situation war auch so schon kompliziert genug, zumal Elendar mit jedem verstreichenden Monat unruhiger wurde.

Es war nie gut, so lange nichts von seinem Erzfeind zu hören. Plante er etwas? Wollte er ihn in Sicherheit wiegen? Elendar war ratlos, beschloss dann aber, die Atempause zu nutzen.

Sirany lenkte ihn auch hinreichend ab. Die wahre Gefahr erschien ihm seltsam weit fort. Als sei er in einem anderen Leben gefangen, das es möglicherweise etwas besser mit ihm meinte.

Ein schöner Traum. Elendar hatte nur Angst, daraus zu erwachen.

Er behielt zunächst unrecht, was den Abzug der Besatzungs­truppen betraf. Sie blieben länger als gewöhnlich, was zum einen an dem schlechten Wetter lag, das nun seit fast zwei Jahren das Land in seinen Fängen hielt, zum anderen am Reichtum der Farreyn.

Ihre Schätze erstreckten sich von fruchtbarem Ackerland über reiches Viehaufkommen bis zu den hübschen Frauen mit dunklen, ausdrucksstarken Augen. Das alles fesselte die Shari an dieses Land und beschäftigte sie so sehr, dass zunächst an einen Abzug nicht zu denken war.

Siranys Leute hatten sich weitestgehend an das Leben als versklavtes Volk angepasst und fanden sich mit ihrem Los ab. Viele Farreyn träumten weiterhin heimlich von Freiheit, doch niemand dachte mehr an einen Aufstand.

Was Sirany betraf, war auch sie zufrieden mit ihrem Leben. Das Essen war weiterhin knapp. Zumindest blieb ihre Familie gesund und das war das Wichtigste. Nach dem Tod des Soldaten war es sehr unruhig im Dorf gewesen. Seine Vorgesetzten wollten den Vorfall untersuchen, wurden aber glücklicherweise wieder abgerufen und nahmen die meisten ihrer Leute gleich mit. Die strenge Bewachung lockerte sich also, was Sirany mehr Freiraum verschaffte. Außerdem hielt sie die Übungsstunden mit Elendar aufrecht. Auf die freute sie sich wie ein kleines Kind.

Nach fast einem Jahr kannte sie jede Menge Tricks, um einen Mann von sich fernzuhalten. Von allen Lehrstunden mochte sie das Reiten am liebsten. Elendars Stute hatte sich als gutes Lehrpferd erwiesen, meistens lieb und freundlich, manchmal auch stur und übellaunig.

Wie sich herausstellte, hatte das Tier keinen Namen. Elendar nannte es seit Jahren nur Zicke, was Sirany ausgesprochen gemein fand.

Sie fragte, was Zicke in Elendars Sprache hieß und fortan hieß die Stute für Sirany Chuaya. Elendar blieb der Sinn dahinter verborgen, einem Pony den gleichen Namen in einer anderen Sprache zu geben. Er beließ es einfach dabei, ohne nachzufragen.

Elendar fing an, sich in Siranys Nähe wohlzufühlen. Sie war munter wie ein Fisch im Wasser und strahlte eine Lebensenergie aus, die auch auf ihn übersprang. Wenn er mit ihr zusammen war, lachte er mehr als in den zwei Wochen, in denen sie getrennt gewesen waren.

Irgendwann stellte er sogar fest, dass er sie vermisste, wenn sie mehrere Tage oder sogar Wochen nicht zu ihm gekommen war.

Anfangs hatten seine Männer den Treffen ähnlich wie Efnor ausgesprochen misstrauisch gegenübergestanden, doch allmählich gewöhnten sie sich an Siranys heitere Art. Auch sie entspannten sich ein klein wenig und verdrängten die Bedrohung, die über ihren Köpfen schwebte.

Als Ausgleich zu Elendars freundlichen Lektionen zeigte Sirany seinen Männern, wie man schmackhafter kochen konnte. Hier und da ein paar gesammelte Beeren ergänzten von nun an den Speiseplan der Assaren. Zuerst sehr ungern gegessen, fingen die Männer sogar an, die von Sirany angebotenen Speisen zu mögen. Irgendwann ertappten sie einander dabei, wie sie, anstatt mit einem Speer bewaffnet auf Hirschjagd zu gehen, lieber einen Korb ergriffen, um Beeren zu sammeln.

Elendar enthielt sich diesbezüglich jeden Kommentars. Solange Sirany ihnen nicht zeigte, wie man aus Schwertern Essbesteck herstellte, hatte er nichts dagegen.

Immer öfter blieb Sirany bis spät in die Nacht, hörte den derben Geschichten der Männer zu und lachte mit ihnen. Erst wenn die Letzten müde in ihre Zelte krochen, brachen auch Elendar und Sirany auf. Er brachte sie auf Chuaya an den Waldrand, ließ dort das Pony zurück und begleitete sie bis zum Rand des Dorfes. Eingehüllt in seinen schwarzen Umhang verschmolz er mit der Nacht und fiel nicht weiter neben der jungen Frau auf.

Natürlich blieb Siranys Fortbleiben nicht unbemerkt. Das Dorf war klein und jeder war froh über Klatsch und Tratsch. Siranys Eltern verloren niemals ein Wort über die nächtlichen Aktivitäten ihrer Tochter, sosehr man sie auch bedrängte. Sie selbst fragten selten von sich aus nach, was Sirany erlebt hatte.

Manchmal erzählte sie von den Männern, mit denen sie ihre Zeit verbrachte. Am meisten berichtete sie jedoch von Elendar, was ihre Eltern bald zu der Annahme verleitete, die beiden könnten ein Liebes­paar sein. Sowohl Vater als auch Mutter beließen es dabei, ohne näher in Siranys Privatsphäre einzudringen – obwohl sich große Sorge in ihre Herzen schlich.

Die Gerüchte um die Assaren waren beunruhigend. Vor allem die um ihren Anführer. Angeblich bekam er seine Befehle von ganz oben. Vom König der Shari persönlich. Alexej Karamu. Dem größten und schrecklichsten Feldherrn der Welt. Selbst ernannter Gottkönig und grausamer Völkermörder.

Und wenn man den Gerüchten glaubte, waren er und der Anführer der Assaren auf eine Weise miteinander verbunden, die nichts Gutes erahnen ließ.

399
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652 стр. 5 иллюстраций
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9783959913478
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