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Читать книгу: «Winnetou 4», страница 30

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»Ja, wahrhaftig, er war größer, viel größer, als wir alle! Viel größer, als wir dachten!«

»Und ist darauf noch größer und größer geworden, ohne daß wir es bemerkten!« stimmte Apanatschka bei.

»Wie steht es da mit Eurem Bild?« fragte Athabaska.

»Es ist zu klein, viel zu klein für ihn, und bauten wir es noch so hoch!« rief Kolma Putschi aus.

Und Aschta, die Mutter, fügte hinzu:

»Wir wollen kein Bild von Stein! Wir wollen ihn selbst, ihn selbst in unsern Herzen! Die köstlichen Worte, die er soeben zu uns sprach, indem sie vorgelesen wurden, sollen in der Seele unserer Nation erklingen, fort und fort, für alle Zeit!«

Da sah man mich unter der geöffneten Tür.

»Du kommst zur rechten Zeit!« begrüßte mich Tatellah-Satah. »Wir machten eine Pause; wir konnten nicht weiter; wir waren zu tief ergriffen; wir lasen seine Beschreibung deines Sieges über ihn und dann seinen Sieg über die sämtlichen Häuptlinge der Apatschen. Seine große Umkehr vom Kriegsgedanken zum Friedensgedanken, vom Haß zur Liebe, von der Rache zur Verzeihung. Das hat uns alle emporgehoben. Das hat den Vorhang aufgerollt. Nun sehen wir, was hinter ihm und hinter unsern winzigen Taten liegt. Das hat sogar Old Surehand, Apanatschka und ihre Söhne aufgerüttelt – – —«

»Nicht aufgerüttelt«, fiel Young Apanatschka ein, »aber sehend gemacht, wenn auch noch nicht ganz. Ein Schleier ist gefallen. Ob der andere auch noch fällt, das wissen wir nicht. Man sagt uns, daß unsere Kunst eine äußere sei, eine Kunst ohne Seele und Gedanken, genauso wie unser Bild. Wir haben euch eingeladen, am morsenden Abend am Wasserfall unsere Gäste zu sein. Dort werden wir versuchen, den Stein durch Licht zu beleben. Gelingt es, dann gut; gelingt es nicht – —«

»Es gelingt!« fiel ihm Young Surehand siegesgewiß in die Rede.

Ich sah, daß ihm gleich einige widersprechen wollten, darum ergriff ich schnell das Wort:

»Er hat recht; warten wir es ab!«

»Ja, warten wir es ab!« stimmte Athabaska mir bei. »Aber selbst wenn es gelänge, würde es nur ein belebter Rowdy sein, den wir zu sehen bekommen. Ein Rowdy, zum Angriff vorgehend, mit dem Revolver in der Hand; hier aber hat man einen andern, einen wirklichen Winnetou, der Geist, Gemüt und Adel besitzt, und Geist, Gemüt und Adel von uns fordert. So wie er sollen auch wir nach oben streben, wir, seine ganze Rasse. Er nimmt uns mit; er zieht uns förmlich hinauf.«

Indem er dies sagte, zeigte er auf das Winnetou-Porträt, welches wir Tatellah-Satah gegeben hatten. Dieser hatte es hier an das weiße Passiflorenkreuz geheftet und zu beiden Seiten die Bilder von Marah Durimeh und Abu Kital, dem Gewaltmenschen, aufgestellt. Das hatte, als die Anwesenden kamen und es sahen, einen großen, tiefen Eindruck gemacht, und diesem Eindruck war es unbedingt mit zuzuschreiben, daß die heutige Vorlesung eine so ungewöhnliche Wirkung hervorgebracht hatte. Es hätte eigentlich weitergelesen werden sollen; aber man hatte nun einmal aufgehört und kam nicht recht wieder in die erforderliche innere Ruhe hinein. Darum beantragte Old Surehand, für heut‘ Schluß zu machen, zumal von seiner Seite für den morgenden wichtigen Tag noch sehr viel vorzubereiten sei. Man ging darauf ein. Hierauf entfernten sich alle, und nur ich blieb mit dem Herzle bei Tatellah-Satah zurück.

»Es war heut ein Sieg, ein großer Sieg«, sagte der letztere. »Als sie kamen und Euern nach dem Tod aufsteigenden Winnetou sahen, war das Schicksal des steinernen Bildes besiegelt. Selbst die beiden jungen Künstler nebst ihren Vätern und Kolma Putschi können sich dem nicht entziehen. Und sie sind ehrlich. Sie leugnen es nicht. Sie werden morgen am Schleierfall versuchen, ihre Idee zu retten; aber sie fühlen es schon heut und selbst nur zu gut, daß auch diese ihre größte Anstrengung vergeblich sein wird. Du rittest mit Pappermann nach den Steinbrüchen. Du kamst so spät zurück. Das läßt vermuten, daß ihr nicht umsonst geritten seid.«

»Allerdings«, antwortete ich. »Das Resultat ist mehr als befriedigend, wenn auch nicht erfreulich. Wir haben sehr viel erfahren; zum Beispiel, daß die beiden Medizinmänner der Kiowa und der Komantschen entflohen sind.«

»Uff, uff!« rief er erschrocken aus.

Das Herzle war nicht weniger überrascht. Ich fuhr fort:

»Das ist noch nicht das Schlimmste. Es kommt noch Schlimmeres. Setzen wir uns. Ich will erzählen.«

Ich berichtete, was ich zu berichten hatte. Als ich fertig war, sagte Tatella-Satah:

»Ich würde wohl in aufgeregter Besorgnis sein, wenn ich nicht sähe, daß du so ruhig bist! Warum hast du das nicht erzählt, als die Häuptlinge noch da waren?«

»Mußten sie es wissen? Brauchen wir sie dazu?« fragte ich. »Ich pflege das, was ich allein tun kann, keinem anderen zu übertragen.«

»Du glaubst, allein fertig werden zu können?«

»Ja.«

»Mit allen diesen viertausend Feinden?«

»Ja.«

Da sah er mich groß an, schüttelte den Kopf und fuhr fort:

»Jetzt begreife ich an Winnetou, was ich früher, als er noch lebte, nicht begreifen konnte, nämlich sein unbeschreibliches Vertrauen zu dir. Heut‘ fühle ich es selbst, dieses Vertrauen. Und so sag‘: Was gedenkst du, gegen das alles, was uns droht, zu tun?«

»Das einfachste, was es gibt: Ich verlege ihnen den Weg durch die Höhle! Ich sperre sie sodann im Tal der Höhle ein, bis sie vor Hunger um Erbarmen bitten müssen. Und ich nehme ihre Häuptlinge gefangen, um sie als Geiseln zu benutzen. Wieviel bewaffnete ,Winnetous‘ stehen dir zur Verfügung?«

»Heut über dreihundert; bis morgen abend können es fünfhundert sein und später noch weit mehr.«

»Das ist übergenügend. Für jetzt brauche ich ihrer nur vielleicht zwanzig und unsern treuen Intschu-inta dazu. Ich gehe jetzt zu mir, mich umzuziehen, weil ich das indianische Gewand noch trage. Dann komme ich wieder und steige mit ihnen durch die verborgene Treppe hier in die Höhle hinab, um die Stalaktiten wieder derart aufzustellen, daß die beiden Medizinmänner, wenn sie mit ihren Scharen kommen, sich nicht weiterfinden können.«

»Und wenn sie den Weg, den du ihnen verbergen willst, aber doch entdecken? Wenn sie die Steine ebenso wegräumen, wie du sie weggeräumt hast?«

»Das könnte höchstens am breiten Weg geschehen, dessen Ausgang ich ihnen aber hinter dem Schleierfall derart verlegen werde, daß sie nicht herauskönnen. Damit ist für heut und morgen alles vorbereitet. Zum Einschließen der Feinde im Tale ist übermorgen noch Zeit.«

Hierauf schickte ich mich an, zu gehen; aber das Herzle hatte vorher erst noch etwas anderes zu erledigen. Sie bat nämlich den alten »Bewahrer der großen Medizin« um die Erlaubnis, ihn morgen photographieren zu dürfen. Ich erschrak fast. Das war eine Kühnheit, die ich mir niemals gestattet hätte. Er aber lächelte gütig und fragte:

»Darf ich wissen, für wen oder wozu das Bild sein soll?«

»Das ist Geheimnis«, antwortete sie mit ungeminderter Verwegenheit. »Aber ein liebes, gutes und sehr nützliches Geheimnis, welches vielen, vielen große Freude machen wird.«

»So ist es mir unmöglich, der Squaw meines Bruders Shatterhand ihren lieben, guten und sehr nützlichen Wunsch abzuschlagen. Sie mag kommen, wann sie will; ich bin bereit.«

Als wir hierauf gingen, fragte ich sie unterwegs, wozu sie die Photographie wohl brauche. Sie antwortete:

»Sag‘, wer ist hier am Mount Winnetou die maßgebende Persönlichkeit: Du oder Tatellah-Satah?«

»Ganz selbstverständlich er!«

»Schön! Er hat sich begnügt, zu fragen, ohne eine Antwort zu erhalten. VerIangst du mehr als er?«

»Ja.«

»Mit welchem Recht?«

»Sag‘, wer ist in unserer Ehe die maßgebende Persönlichkeit, ich oder Tatellah-Satah?«

»Ganz selbstverständlich er!« lachte sie.

»Well! So muß ich mich bescheiden! Ich bin besiegt! Du kannst das Geheimnis behalten!«

»Und ich steige jetzt mit in die Höhle hinab.«

»Nein.«

»Warum nicht?«

»Erstens bist du da unten kein brauchbarer Gegenstand, und zweitens bin ich nun nicht mehr maßgebend genug, dir diesen Wunsch zu erfüllen. Ich kann nichts tun, als dir ,gute Nacht‘ sagen.«

»Das kränkt mich schwer! Weißt du, ich teile dir lieber mein photographisches Geheimnis mit und darf dich dann begleiten. Denn schlafen kann ich doch nicht, wenn ich dich da unten weiß.«

»Gut! Einverstanden! Also? Das Geheimnis?«

»Ich will das Bild unseres alten, berühmten Freundes für den Projektionsapparat.«

»In welcher Weise?«

»Heut abend sollen doch bekanntlich die Bilder der beiden Künstler zu beiden Seiten des Denkmales auf dem Wasserfall erscheinen. Ich habe dieselbe Idee für unsern aufstrebenden Winnetou mit den Bildern von Tatellah-Satah und Marah Durimeh zu beiden Seiten. Was sagst du dazu?«

»Die Idee ist gut, sehr gut. Du brauchst da verschiedene Apparate, verschiedene Linsen – – —«

»Ist da, ist alles da!« fiel sie schnell ein.

»Wo?«

»Bei dem Ingenieur, mit dem ich schon gesprochen habe.«

»Du denkst, daß er es tut?«

»Mit Vergnügen!«

»Und nichts vor der Zeit verrät?«

»Gewiß nicht! Ich garantiere!«

»So bin ich einverstanden.«

»Und nimmst mich jetzt mit nach der Höhle?«

»Ja. Ich bin verpflichtet, alles zu tun, was du befiehlst!«

»Daß du das tust, sind wir einander schuldig!«

Als wir nach einiger Zeit wieder zu Tatellah-Satah kamen, stand Intschu-inta schon mit seinen zwanzig Mann bereit. Sie hatten sich genugsam mit Fackeln und mit einigem Werkzeug versehen. Wir öffneten den Treppenstein und stiegen in den Gang, welcher uns nach unten führte. Dort angekommen, suchten wir zunächst die Stelle auf, an welcher der schmale Weg von dem breiten abzweigte. Dort hatten wir durch die Beseitigung der Stalaktiten Raum geschafft. Sie wurden wieder herbeigeholt und an ihre frühere Stelle gebracht. Wir trugen auch noch eine Menge anderer Stücke hinzu, die wir derart auf stellten, daß die Maserung des Weges unmöglich mehr entdeckt werden konnte. Der Gang war von unten bis oben vollständig zugefüllt, und zwar in so natürlicher Weise, daß der Gedanke an eine künstliche Nachhilfe ausgeschlossen erschien.

Während dieser Arbeit sah ich mich an der Stelle um, die mir schon vorher verdächtig vorgekommen war. Aus dem einen Riß in der Decke waren mehrere geworden. Am Boden lagen schon eine ganze Menge herabgestürzter Steintrümmer. Und ein Regen von zerriebenern Kalksinter siebte ununterbrochen aus den klaffenden Spalten hernieder. Zuweilen hörte man ein leises, aber scharfschneidiges Geräusch, wie wenn gleichzeitig zwei Glastafeln aneinander gerieben werden. Das klang unheimlich. Hier und da ertönte es irgendwo, wohin man nicht schauen konnte, als ob Felsen prasselten und Steine aus der Höhe in die Tiefe fielen. Das gab ein so ungewisses, beängstigendes Gefühl. Ich mußte mich sehr überwinden, um still an Ort und Stelle bleiben zu können. Ich hatte eine ununterbrochene Sorge, plötzlich zerschmettert zu werden, und war froh, daß unsere Arbeit endlich fertig war und wir uns entfernen konnten. Und das betraf nicht nur mich, sondern das Herzle sagte, indem wir gingen:

»Gott sei Dank, daß das vorüber ist! Mir war zuletzt ganz ängstlich zu Mute.«

»Warum?« fragte ich.

»Weil es scheint, als ob hier alles zusammenbrechen soll!«

»Hattest auch du dieses Gefühl?«

»Gleich sofort, als wir kamen. Ich habe nichts gesagt, um dich nicht zu beunruhigen. Was gibt es hier über uns, zu unsern Häuptern?«

»Höchstwahrscheinlich die schwere Winnetoufigur. Wenigstens denke ich es. Genau kann ich es nicht sagen.«

Da schrie sie auf:

»Du, die bricht zusammen!«

»Still, still! Laß das keinen Menschen hören!«

»Also darum, darum steht sie schief?«

»Und stellt sich immer schiefer und schiefer!«

»Hältst du diese Katastrophe für möglich?«

»Fast für unvermeidlich!«

»Wann?«

»Die Zeit läßt sich nicht bestimmen. Um dies zu können, müßte man die Felsenunterlage genau untersuchen. Ich hoffe aber, daß es erst später geschieht, nicht etwa schon dieser Tage.«

Hätte ich gewußt, wie nahe uns dieses gräßliche Ereignis stand, so hätte mich nichts abhalten können, die hier zu erwartenden viertausend Indianer zu warnen. Wir gingen nun auf dem schmalen Weg zurück, bis nach der Stelle, wo der steile Pfad nach der Teufelskanzel abzweigte. Auch diese Mündung maskierten und verbarrikadierten wir derart, daß niemand hier einen verborgenen Abweg suchen konnte. Von da ging es weiter aufwärts bis dahin, wo der Aufstieg nach dem Passiflorenraum begann. Wir versperrten ihn ebenso sorgsam, doch nicht von unten, sondern von oben her, weil wir uns ja hinter der Sperre befinden mußten, um nach dem Schloß zurückkehren zu können. Als wir dort anlangten, graute fast schon der Tag. Tatellah-Satah war nicht da. Wir verschlossen die geheimnisvolle Treppe und trennten uns dann von unsern indianischen Begleitern, um heimzugehen und noch einige Stündchen zu schlafen.

Als wir erwachten, wartete Intschu-inta schon auf uns, um uns zu melden, daß die Gebrüder Enters schon längere Zeit hier seien und uns zu sprechen wünschten. Wir ließen sie kommen und empfingen sie freundlich. Sie zeigten sich verlegen. Sie wußten nicht, wie sie beginnen sollten. Da zerhaute ich den Knoten, indem ich sagte:

»Ihr kommt, um uns zu sagen, daß wir heut abend sterben sollen?«

Nun erschraken sie gar; ich aber fuhr ruhig fort:

»Die beiden Medizinmänner sind entflohen. Sie wollen die viertausend Feinde heut abend durch die Höhle führen, um uns zu überfallen. Die Arbeiter stehen unter ihrem Anführer, dem »Nigger«, bereit, mit ihnen gemeinsame Sache zu machen. Die Roten geben, sobald sie hinter dem Wasserfall angekommen sind, das Zeichen durch einen Schuß. Sobald dieser Schuß fällt, haben die Brüder Enters mich und meine Frau zu ermorden, und die Arbeiter werfen sich auf die Häuptlinge und sonstigen Freunde von uns!«

Sie sahen mich starr und stumm an. Sie sagten zunächst kein Wort, so groß war ihr Erstaunen.

»Nun?« fragte das Herzle. »Wie gefällt euch das? Gebt ihr es zu? Oder wollt ihr es bestreiten?«

Da antwortete Sebulon:

»Bestreiten? Nein! Wir sind ja nur deshalb gekommen, um es euch zu sagen, um euch zu warnen. Wir sind nur so betroffen, weil ihr schon alles wißt. Und so genau! Es soll ja das tiefste Geheimnis sein!«

»Geheimnis? Pshaw!« fiel ich ein. »Wir haben stets alles gewußt, und zwar viel besser als ihr. Das habt ihr wohl nun endlich eingesehen! Und so wissen wir auch das. Wir wissen sogar, daß ihr gestern abend in der Kantine, als Tusahga Saritsch und To-kei-chun fort waren, beschlossen habt, heut früh hierher zu kommen und uns alles zu erzählen.«

»Wie ist das möglich? Ihr könnt doch nicht unter den Tischen oder Sitzen gesteckt haben!«

»O nein! So unbequem brauchen wir es uns gar nicht zu machen! Die Leute, die unsere Feinde zu sein scheinen, erzählen es uns selbst. Seid froh, daß ihr es ehrlich meint! Denn wäre dies nicht der Fall, so würdet ihr die ersten sein, die unter unseren Kugeln fallen.«

»Oh, was das betrifft, so würden wir wahrscheinlich gar nicht bös darüber sein, uns morgen tot zu wissen! Es gibt bei uns weder Glück noch Stern. Das ist der Fluch, der vom Vater auf die Söhne erbt.«

»Nicht der Fluch, sondern der Segen!« widersprach ich ihm.

»Wieso?« fragte er.

»Der Segen, welcher darin liegt, Geschehenes gutzumachen und dadurch den Vater erlösen zu können.«

»Und daran glaubt Ihr, Mr. Shatterhand?«

»Ja.«

»Wirklich? Wirklich? Ich bitte Euch, sagt es mir aufrichtig!«

»Gewiß und wirklich!«

»Gott sei Dank! So gibt es also doch noch einen Zweck für uns! Wir wollen es fernerhin tragen! Ihr wißt also nun, daß wir heute abend angewiesen sind, uns in eure Nähe zu machen?«

»Ja.«

»Wollt Ihr uns das erlauben?«

»Gern.«

»Und uns dennoch nicht mißtrauen?«

»Wir sind überzeugt, daß ihr es ehrlich meint.«

»Gott segne Euch für dieses Wort! Habt Ihr einen Befehl für uns?«

»Jetzt noch nicht. Vielleicht heute abend. Wahrscheinlich kommt es gar nicht zu einem Kampf. Der Überfall wird auf alle Fälle vermieden.«

»So nehmt Euch aber, mag es gehen wie es will, vor dem »Nigger« in acht. Er haßt Euch glühend. Er schreibt alles auf Eure Schuld. Wenn er die Wahl hat, Euch eine Kugel zu geben oder keine, so gibt er Euch sicherlich zwei! Jetzt müssen wir gehen. Wir haben schon so lange gewartet, und doch soll niemand wissen, daß wir hier verkehren.«

Sie entfernten sich.

»Sie tun mir leid, unendlich leid!« sagte das Herzle. »Sie sind ganz anders als früher. Ich wollte, sie hätten ein recht, recht glückliches Leben vor sich liegen!«

Als wir dann bei unserem verspäteten Kaffee saßen, stellten sich zwei andere Personen ein, die uns aufzusuchen kamen. Das waren die Squaw des Häuptlings Pida und »Dunkles Haar«, ihre Schwester. Sie wurden ganz selbstverständlich in der herzlichsten Weise aufgenommen. Das Herzle setzte gleich noch einmal Kaffee an, um sie an unserem Frühstück teilnehmen zu lassen. Wir erfuhren von ihnen, daß gestern abend die Frauen der Komantschen und der Kiowas hier angekommen waren. Sie hatten sich sofort mit den Frauen der Sioux unter deren Führerin Aschta vereinigt, um bei den Denkmalsberatungen auch ihre Stimmen zur Geltung zu bringen. Heute früh waren sie alle nach dem Gebäude gezogen, in dem die beiden jungen Künstler ihr Rundgemälde und das Modell zur Winnetoufigur sehen ließen. Sie hatten es ganz enttäuscht verlassen. Was ihnen da gezeigt worden war, hatte nichts mit dem herrlichen Winnetou zu tun gehabt, den man liebt und verehrt, so weit die Zungen der roten Völker erklingen. Nein! Den Winnetou, den sie da gesehen hatten, den lehnten sie ab. Den wollten sie nicht haben. Und mir das sofort zu sagen, waren sie gekommen.

Aber es galt, mir noch eine andere Mitteilung zu machen, die weit schwieriger war. Sie wußten nicht so recht, wie sie es anzufangen hatten, mich genügend zu warnen, ohne einen Verrat gegen ihre eigenen Krieger zu begehen. Ich machte ihnen Mut, indem ich ihnen erklärte, daß ich bereits alles wisse. Ich sagte ihnen, daß die viertausend Indianer heute durch die große Höhle ziehen würden, um den unsinnigen Plan der alten, gegen uns verschworenen Häuptlinge zur Ausführung zu bringen. Das machte es ihnen möglich, aufrichtig zu sein. Ich erfuhr von ihnen, daß Pida, ihr Mann und Schwager, heut frühzeitig nach dem »Tal der Höhle« geritten sei, weil man ihn ausersehen hatte, den unterirdischen Marsch zu kommandieren. Nun stand für sie die Sache folgendermaßen: Siegte er, so mußte ich zugrunde gehen, und siegte ich, so war es um ihn geschehen. In dieser Herzensangst hatten sie es für das Beste gehalten, mich aufzusuchen und sich mit anzuvertrauen. Ich versprach ihnen Verschwiegenheit und gab ihnen die Versicherung, daß weder mir noch Pida irgend etwas Böses geschehen werde. Als sie uns nach einiger Zeit verließen, waren sie vollständig beruhigt.

Hierauf ging das Herzle zu Tatellah-Satah, um ihn zu photographieren. Ich begleitete sie. Als die Aufnahme vorüber war, verließ sie uns. Es trieb sie zum photographierenden Ingenieur. Wir aber machten einen Spaziergang nach dem Wartturm, um den »jungen Adler« aufzusuchen. Dieser schien von dem Kommen unseres ehrwürdigen Freundes und Beschützers unterrichtet zu sein, denn er rief uns, als wir dort anlangten, von der Höhe seines Daches aus zu:

»Kommt herauf! Es ist alles bereit. Mein ,Adler‘ ist fertig!«

Wir traten in den Turm und stiegen die vielen Stufen bis zum platten Dach hinauf. Da stand auf vier Beinen ein großes, vogelähnliches Gebilde mit zwei Leibern, zwei ausgebreiteten, mächtigen Flügeln und zwei Schwänzen. Die beiden Leiber vereinigten sich vorn durch ihre Hälse zu einem einzigen Kopf, zu einem Adlerkopf. Sie waren aus federleichten, aber außerordentlich festen Binsen geflochten. Was sie enthielten, sah man nicht, höchstwahrscheinlich den Motor. Im übrigen bestand der Apparat aus fast gewichtslosen Stoffen, die aber unzerreißbar waren und große Tragfähigkeit besaßen. Die Schwänze waren höchst eigenartig gestaltet. Zwischen den Leibern war ein bequemer Sitz angebracht, welcher Platz für zwei Personen gewährte. Es gab verschiedene Drähte, deren Bestimmung nicht gleich beim ersten Blick zu erkennen war, doch konnte man sich denken, daß sie zur Beherrschung und Lenkung des großen Vogels dienten. Außer dem »jungen Adler« waren noch unser alter Pappermann und Aschta, die jüngere, da.

Es ist mir nicht erlaubt, eine Beschreibung des Apparates zu geben, doch darf ich versichern, daß, als der »junge Adler« uns alles erklärt hatte, wir beide, Tatellah-Satah und ich, von der Sicherheit und der Verläßlichkeit des Apparates derart überzeugt waren, daß in uns sofort der Wunsch aufstieg, uns seiner einmal bedienen zu dürfen.

»Und er fliegt, er fliegt!« versicherte Pappermann. »Ich habe es selbst gesehen!«

»Wann?« fragte ich.

»Heute früh«, antwortete er. »Als Jedermann noch schlief und nur die erste Spur des Morgengrauens vorhanden war. Denn niemand sollte es sehen. Ich kam herauf, um zu helfen. Da stieg der ,junge Adler‘ auf den Sitz und zog an einem Draht. Sofort wurde es in den beiden Leibern lebendig. Der Vogel begann, zu atmen. Noch ein Draht, und die Schwänze breiteten sich aus. Die Flügel bewegten sich. Zwei, drei Schläge, und der Vogel stieg auf, verließ das Dach des Turmes und flog ein Stück hinaus, hoch über die Ebene. Er stieg höher und höher, schlug einen Bogen, kehrte wieder zurück und ließ sich langsam, ohne daß es einen Stoß gab, wieder auf das Dach herab. Er steht noch genauso da, wie er angekommen ist!«

»Und das ist wahr? Wirklich wahr?« fragte ich den »jungen Adler«.

Er nickte mir lächelnd zu. Dieses Lächeln war kein stolzes, aber ein unendlich glückliches! Tatellah-Satah schaute vom Dach in die Weite hinaus. Fast war es, als ob sein Antlitz leuchten wolle.

»Kommt!« erklang es erst nach längerer Zeit aus seinem Munde.

Er sagte das zu mir und dem »jungen Adler« und ging zur Treppe, um wieder vom Turm hinabzusteigen. Unten angekommen, führte er uns in den Hochwald. Er schritt voran; wir folgten hintendrein. Keiner sprach ein Wort. Er führte uns nach der anderen Seite des Berges, bis zu einer Stelle, von welcher aus wir hinüber nach dem See und hinunter nach dem Schleierfall schauen konnten. Jenseits des Sees ragte der domartige Hauptberg des Mount Winnetou hoch empor, und hinter diesem waren die gewaltigen Kuppen der benachbarten Giganten zu sehen, unter ihnen einer, der seinen Gipfel so stolz und steil, so scharf und senkrecht erhob, als ob es nie einem menschlichen Wesen gestattet worden sei, seinen Scheitel zu betreten. Auf ihn deutend, sagte der Alte:

»Das ist der ,Berg der Königsgräber‘. Bevor die Rasse der Indianer sich in winzige Stämme auflöste, wurde sie nicht von kleinen Häuptlingen, sondern von gewaltigen Kaisern und Königen regiert, die alle auf der mächtigen, hoch über den Wolken liegenden Plattform dieses Berges begraben worden sind. Die Gräber sind von Stein gemauert. Sie bilden zusammen eine Totenstadt mit Straßen und Plätzen, auf denen es keine Spur von Leben und Bewegung gibt. Sie enthalten nicht nur die Leichen der verstorbenen Herrscher, sondern in jeder Gruft liegen, in goldenen Kästen unzerstört erhalten, die Bücher über jedes Jahr der Regierung dessen, der hier seine letzte irdische Wohnung fand. Hier sind also nicht nur alle die großen Herrscher der roten Rasse begraben, sondern ihre ganze Geschichte und sämtliche Berichte und Dokumente ihrer langen, vieltausendjährigen Vergangenheit. Aber man kann nicht zu ihnen gelangen. Man kann nicht hinauf. Als der letzte König begraben worden war, vernichtete man die Felsenstraße, die hinauf zu den Königsgräbern führte, so daß es keinem Sterblichen mehr möglich war, hinauf zu ihnen zu gelangen. Es soll zwar einen steilen Nebenpfad geben, der damals nicht mit vernichtet worden ist, aber niemand hat ihn bisher gefunden. In einem meiner ältesten Bücher steht geschrieben, daß der Schlüssel zu diesem Pfad vorhanden sei, aber er liege hoch oben auf dem ,Berg der Medizinen‘, genau am Fuß der letzten, höchsten Felsennadel, unter einem Stein, der die Gestalt einer halben Kugel habe. Der ,junge Adler‘, auf den die roten Männer schon seit langen, langen Jahren warten, wird, wie auf der Haut des großen Kriegsadlers zu lesen ist, dreimal um den Berg fliegen und bei diesem Stein anhalten, um ihn zu heben und den Schlüssel hervorzunehmen. Ist dies gelungen, so kann der Berg der Königsgräber bestiegen werden, und die Berichte und Dokumente der verschwundenen Urzeiten dürfen ihre Stimmen erheben, um die Geheimnisse unserer Vergangenheit zu enthüllen.«

Er schaute nach jener Felsennadel hinauf, an deren Fuß der Schlüssel liegen sollte. Und er schaute hinüber nach der Bergeskuppe, auf welcher die roten Kaiser und Könige begraben lagen. Dann fuhr er fort:

»Das alles wußte ich. In meiner Brust war die ganze, glühende Sehnsucht unserer Rasse vereint. Da saß ich vor meiner Tür, und vor meinen Füßen landete aus hohen Lüften der verwegene Knabe, der den mächtigsten der Vögel gezwungen hatte, ihn über die Abgründe des Todes zur sicheren Erde herabzutragen. Er wurde von nun an der ,junge Adler‘ genannt. War er der Verheißene, der Vorherverkündigte? Ich glaubte es. Ich nahm ihn zu mir. Ich erzog ihn. Er war ein Verwandter meines Winnetou. Ich legte ihm die Sehnsucht, fliegen zu lernen, in das Herz. Als ich hörte, daß drüben in Kalifornien die ersten Flugversuche gemacht worden seien, beschloß ich, ihn zu den Bleichgesichtern zu senden, damit er das Fliegen von ihnen lerne. Er ging und tat, was ich von ihm begehrte. Jetzt ist er zurückgekehrt. Er behauptet, ein Flieger geworden zu sein. Er sagt, daß er einen eigenen Adler erfunden habe, auf dessen Flügel er sich verlassen könne. Ich glaube es ihm, denn er ist mein erster und oberster Winnetou, und es kam noch nie ein unwahres Wort über seine Lippen. Dennoch frage ich ihn heut und jetzt, in diesem wichtigen Augenblick: Getraust du dich, da hinaufzufliegen und nachzusehen, ob wirklich ein Stein vorhanden ist, unter dem der Schlüssel zu den Gräbern der Könige verborgen liegt?«

Der »Junge Adler« antwortete sofort und in zuversichtlichem Ton:

»Ich getraue es mich nicht nur, sondern es ist sogar leicht, sehr leicht.«

»Und wann kannst du es tun?«

»Sobald du es wünschest. Jetzt oder später. Die Zeit, die du bestimmst, ist mir gleich!«

»Dann jetzt noch nicht. Der heutige Tag hat seine Aufmerksamkeit auf anderes zu richten. Aber ich danke dir für deine Zuversicht. Sie macht mich fest in meinem Zukunftsglauben! Wir werden die Grüfte der toten Kaiser und Könige öffnen. Wir werden die Bücher finden und die Seele unserer Rasse, die in ihnen schlummert, aus dem tausendjährigen Schlaf auferwecken. Sie wird wachsen und groß werden, wie die Seelen der anderen Rassen groß geworden sind, und niemand wird uns mehr hindern, die Höhen zu gewinnen, die uns von Manitou zur Wohnung angewiesen sind!«

Unser Blick reichte, wie bereits gesagt, von da aus, wo wir uns jetzt befanden, bis hinunter nach dem Schleierfall. Da sahen wir jetzt das Herzle mit dem Ingenieur und einigen Indianern, welche photographische Apparate trugen. Sie befand sich also in voller Tätigkeit und hatte, wie es schien, den Ingenieur für sich gewonnen. Wir aber kehrten nach dem Turm und von da nach dem Schloß zurück, wo ich dadurch überrascht wurde, daß ich Old Surehand und Apanatschka auf mich wartend fand.

»Wundert euch nicht, daß ihr uns bei euch seht«, redete mich der erstere an. »Es ist eine etwas unklare, aber, wie es scheint, höchst wichtige Sache, die uns zu euch führt. Kennt ihr den sogenannten ,Nigger‘, der die Arbeiterkantine bewirtschaftet?«

»Ich habe ihn einmal gesehen,« antwortete ich.

»Mit ihm gesprochen?«

»Nein.«

»Habt ihn also nicht beleidigt?«

»Nie.«

»Dennoch hat er einen fürchterlichen Haß auf euch. Weshalb, das könnt ihr euch wohl denken. Er steht auf unserer Seite. Wir können ihm also nicht zürnen. Aber er ist ein höchst unbedachtsamer, jähzorniger und gewalttätiger Mensch und meint jetzt mit seinem Haß gegen euch zu weit gehen zu wollen. Er war vorhin in einer geschäftlichen Angelegenheit bei uns und hat bei dieser Gelegenheit in einer Weise von euch gesprochen, welche uns in Besorgnis versetzt. Er sagte, heut sei euer letzter Lebenstag; es würden auch noch andere daran glauben müssen; heut habe es sich zu zeigen, wer Herr und Meister am Mount Winnetou sei. Er schien betrunken zu sein. Wir haben ihn bisher für treu gehalten; diese Redensarten aber erregen unser Bedenken. Wir sind gekommen, euch zu warnen. Es scheint etwas gegen euch unterwegs zu sein, doch konnten wir leider nicht erfahren, was.«

»Ich danke euch!« antwortete ich. »Ich bin bereits gewarnt.«

»Wirklich? Das soll uns freuen! Ihr seid noch immer der alte. Ihr wißt immer mehr als wir! Sagt also, ist unsere Vermutung richtig? Hat man etwas gegen euch vor?«

»Nicht nur gegen mich, sondern auch gegen euch.«

»In der Tat? – Was?«

»Man will mich und euch, überhaupt uns alle, beiseite schaffen. Ich bin von allem unterrichtet und wollte nicht eher davon sprechen, als bis alles vorüber ist. Aber da ihr so ehrlich seid, mich, euern Gegner, zu warnen, so will ich euch in das Vertrauen ziehen.«

Ich erzählte ihnen fast alles, was ich wußte. Die Wirkung läßt sich denken. Sie wollten sofort mit allen vorhandenen Kräften nach dem »Tale der Höhle« ziehen, um den Feinden in die Höhle zu folgen und sie da drin niederzumetzeln. Zum Glück aber hatte ich ihnen von der Beschaffenheit der Höhle und daß ich ihre Ausgänge kannte, nichts mitgeteilt. Es kostete mich große Mühe, sie zu beruhigen und ihnen das Versprechen abzuringen, die Leitung dieser Angelegenheit einzig und allein in meiner Hand zu lassen. Eines aber konnte ich nicht verhüten, nämlich, daß sie sofort hinaus nach der Kantine wollten, um den »Nigger« zur Rede zu stellen und sich seiner Person zu bemächtigen. Es konnte mir dadurch sehr leicht ein Strich durch alle meine Berechnungen entstehen, und so mußte ich wohl oder übel mit ihnen reiten, um wenigstens noch das zu verhüten, was noch zu verhüten war.

Als wir während dieses Rittes am Schleierfall vorüberkamen, gab es dort eine außerordentlich rege Tätigkeit. Die Vorbereitungen zur Brillantbeleuchtung heut abend nahmen alle Kräfte in Anspruch. Als ich einen forschenden Blick auf die neu eingegrabenen Masten warf, war es mir, als ob die Figur heut nicht unbedeutend schiefer stehe als vorher und als ob sich auch die Gerüste schon geneigt hätten. Ich sagte aber nichts.

Возрастное ограничение:
12+
Дата выхода на Литрес:
30 августа 2016
Объем:
610 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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