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Читать книгу: «Winnetou 4», страница 31

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Bei der Kantine angekommen, fanden wir das Herzle mit dem Ingenieur. Sie photographierten. Die beiden Enters waren dabei. Sie hatten, wie ich später erfuhr, in der Kantine gesessen und waren herausgekommen, um zuzusehen. Grad als wir bei ihnen von den Pferden stiegen, kam der »Nigger« aus dem Haus. Old Surehand und Apanatschka nahmen ihn sofort in Beschlag. Sie machten weder Einleitungen noch lange Umstände. Old Surehand fiel gleich mit der Tür in das Haus:

»Wir sind gekommen, dich zu arretieren!« sagte er. »Du kommst uns grad so recht!«

»Arretieren? Mich?« fragte der »Nigger«. »Möchte den sehen, der das fertig brächte! Darf ich fragen, warum?«

»Wegen des Theaters, welches heut abend gespielt werden soll.«

Der Mensch erschrak, faßte sich aber schnell. Er machte nicht den geringsten Versuch, zu leugnen. Er lachte laut auf und rief:

»Dafür, daß ich euch eure Gegner vom Hals schaffen will, wollt ihr mich arretieren? Well! Ist das Dankbarkeit?«

»Glaubst du, uns zu täuschen?« fragte Apanatschka. »Wir wissen sehr genau, daß es sich nicht nur um unsere Gegner handelt, sondern auch um uns selbst! Nicht nur sie, sondern auch wir sollen abgeschlachtet werden! Wir wissen es!«

»Von wem?«

Die Augen des »Niggers« funkelten, indem er diese Frage tat. Apanatschka antwortete:

»Waren To-kei-chun und Tusahga Saritsch etwa gestern abend nicht bei dir? Ist da nicht deutlich genug davon gesprochen worden, was geschehen soll? Saßen nicht die beiden Enters auch dabei?«

Das war ein unverzeihlicher Fehler, den Apanatschka da beging. Die Folgen stellten sich augenblicklich ein. Der »Nigger« griff mit der Hand in seine Tasche, jedenfalls nach seinem Revolver. Er richtete seine Gestalt hoch auf, sah einen nach dem andern von uns an und sagte, indem er die Worte wie pfeifend zwischen den Zähnen hervorstieß:

»Also verraten! Alles verraten! Doch schadet das nichts! Was werden soll, wird doch!«

Das Herzle war an meine Seite geeilt. Sie glaubte mich in Gefahr. Auch die beiden Enters hatten sich uns genähert. Sie standen jetzt grad neben dem »Nigger«. Dieser betrachtete sie mit einem tiefverächtlichen Blick und fuhr fort:

»Und wißt ihr, wer es verraten hat? Ihr, ihr, ihr! Denn die beiden Häuptlinge werden sich doch nicht selbst verraten! Eigentlich sollte ich euch sofort niederschießen! Aber ihr kommt erst an zweiter Stelle! An erster Stelle steht dieser fremde, deutsche Hund mit seiner Squaw, die ich sofort durchlöchern werde, um – —«

Er riß den Revolver aus der Tasche, spannte ihn und richtete ihn auf mich und meine Frau. Da aber wurde er von den beiden Enters gepackt, so daß er nicht schießen konnte. Old Surehand und Apanatschka zogen ihre Revolver rasch auch. Das Herzle stellte sich vor mich, um mir als Schild zu dienen; ich aber schob sie hinter mich und warnte sie:

»Keine Torheit! Es geschieht uns nichts!«

Der »Nigger« versuchte, die Brüder von sich abzuschütteln. Sie ließen nicht los.

»Du sollst Old Shatterhand nicht schießen; schieß lieber mich!« rief Hariman Enters.

»Nicht diese Frau sollst du treffen; nicht sie, nicht sie, sondern mich!« stimmte Sebulon bei.

Da gelang es dem »Nigger«, seine Rechte frei zu machen.

»Wohlan, wohlan!« brüllte er. »Also zunächst ihr beide, damit ich euch los werde! Dann aber um so sicherer die beiden andern!«

Er richtete den Lauf seiner Waffe blitzschnell auf Sebulon und dann auf Hariman. Die Schüsse krachten.

Zugleich aber fielen noch zwei andere Schüsse, nämlich aus den Revolvern Apanatschkas und Old Surehands. Diese Kugeln drangen dem Riesen mitten in die Stirn. Er drehte sich halb um sich selbst, begann zu wanken und stürzte dann mit den beiden Enters, die in die Brust geschossen waren, zu Boden. Apanatschka und Old Surehand warfen sich schnell auf ihn, um seine Todeszuckungen unschädlich zu machen. Das Herzle kniete bei Sebulon und ich bei Hariman nieder. Beide waren nur zu gut getroffen. Hariman öffnete noch einmal die Augen.

»Ich war euer ,Winnetou‘, seit jenem Abend am Nugget-tsil«, flüsterte er. »Ist mir vergeben?«

»Alles, alles!« antwortete ich.

»Auch meinem Vater?«

»Auch ihm!«

»So – sterbe – ich froh – !«

Diese Worte hauchte er nur noch. Dann war er tot. Sebulon lag still; aber seine geschlossenen Augenlider zitterten. Auch er war dem Tod verfallen. Das Herzle weinte. Sie strich ihm leise die Wangen. Da öffnete er ganz plötzlich die Augen, richtete sich auf dem einen Ellbogen halb auf, sah sie an und fragte mit scheinbar ganz gesunder Stimme:

»Ihr weint, Mrs. Burton? Und ich bin so glücklich!«

Er lächelte und zog mit letzte Kraft ihre Hand an seine Lippen.

»Lest den Namen unter meinem Winnetoustern!« bat er.

Sie nickte.

Nach kurzer Pause fuhr er mit leiser werdender Stimme fort:

»Glaubt Ihr – – daß mein Vater – – nun erlöst ist – – – erlöst?«

»Ich glaube es«, antwortete sie.

»Dann – – Gott sei Dank – – ist es doch nicht umsonst – – umsonst!«

Er sank zurück und streckte sich. Dann war auch er erlöst. Wir standen auf. Der riesige »Nigger« lag mit toten, aber starr geöffneten Augen zwischen seinen Opfern.

»Mußte das sein?« fragte das Herzle.

»Nein!« antwortete ich fast zornig.

»Ja, es mußte nicht sein«, stimmte Old Surehand bei. »Wir konnten es umgehen. Wir waren zu schnell; wir waren unbesonnen!«

»Wie so oft, wie so oft in früherer Zeit,« stimmte ich bei, denn es war mir unmöglich, mit meinem Tadel ganz zurückzuhalten.

Sie nahmen ihn ruhig hin.

»Was soll nun werden?« fragte ich. »Glaubt ihr, die Verschwörung der Arbeiter durch den Tod ihres Anführers beseitigt zu haben? Oder wird nicht grad dieser Tod das, was wir verhüten wollen, zum schnelleren Ausbruch bringen?«

»Hm«, brummte Old Surehand verlegen. »Richtig, richtig! Was ist zu tun?«

Sie sahen einander an, fanden aber keine Antwort auf diese Frage.

»Wie lange dauert es, bis ein Dutzend eurer Kanean-Komantschen hier an dieser Stelle sein können?« erkundigte ich mich.

»Wenn ich sie hole, höchstens eine Viertelstunde«, antwortete Apanatschka.

»Noch weiß niemand, was hier geschehen ist. Die Arbeiter sind jetzt nicht hier, sondern bei den Steinbrüchen und am Wasserfall. Holt treue Leute, die den ,Nigger‘ fortschaffen und einstweilen verstecken. Dann wird man hören, er habe im Streit die Gebrüder Enters erschossen und sich der Strafe durch die Flucht entzogen. So wissen die Arbeiter nicht, woran sie sind, und es steht zu erwarten, daß sie sich ruhig verhalten.«

»Das ist ein Gedanke!« stimmte Old Surehand bei. »Schnell fort, und hole die Leute!«

Diese Aufforderung galt Apanatschka, welcher sofort davongaloppierte und nach wenig über zehn Minuten die Komantschen brachte, welche den toten »Nigger« auf ein Pferd banden und sich mit ihm entfernten. Zwei von ihnen blieben als Totenwache bei dem erschossenen Brüderpaar zurück.

Das Herzle war tief erschüttert. Sie verlangte heim. Darum ritt ich mit ihr nach dem Schlosse, welches sie erst am Nachmittag, als sie sich beruhigt hatte, wieder verließ, um mit dem bereitwilligen Ingenieur ihre photographischen Studien fortzusetzen. Sie kam erst gegen Abend wieder heim, um zu melden, daß man unten schon beginnt, sich auf dem Festplatz am Schleierfalle einzustellen. Nach dem Essen stiegen wir mit dem »Bewahrer der großen Medizin« und dem »jungen Adler« hinab. Pappermann, Intschu-inta und andere waren schon vorausgegangen.

Tatellah-Satah hatte alles, was nötig war, mit mir besprochen und daraufhin seine Anweisungen erteilt. Die Arbeiter hatten am Denkmal zu bleiben. Die gewöhnlichen Zuschauer waren nach dem großen Platze vor der Figur gewiesen, welcher Tausende von Menschen faßte. Dieser Platz zog sich bis nach den beiden »Teufelskanzeln« zurück, welche nur von den Häuptlingen und Unterhäuptlingen besetzt werden durften. Zwischen den Arbeitern und den Zuschauern gab es eine dreifache Reihe von »Winnetous«, welche alle mit Revolvern bewaffnet waren und dafür zu sorgen hatten, daß die ersteren, also die Arbeiter, sofort überwältigt werden konnten, wenn es ihnen etwa einfallen sollte, nach dem Plan des »Niggers« und der verbündeten vier Häuptlinge zu verfahren.

Zu erwähnen ist, daß im Verlauf des heutigen Tages die ersten Wagenzüge angekommen waren, mit deren Hilfe die hier zu erwartende Menschenmenge von der Bahn aus verproviantiert werden sollte. Mit diesen Wagen hatten sich zugleich auch mehrere Scharen neuer Mount-Winnetou-Pilger eingestellt, die mit Wonne vernahmen, daß sie schon am heutigen Abende das Glück haben würden, die herrlich erleuchtete Gestalt ihres geliebten Winnetou zu sehen. Sie waren nun auch schon da, und so kam es, daß der Zuschauerraum als »vollbesetzt« bezeichnet werden konnte. Die Häuptlinge waren, wie bereits erwähnt, um und auf die »Teufelskanzeln« verteilt, und zwar in folgender Weise: Links vom Fahrwege lagen die Kanzeln 1 und 2, rechts von ihm die Kanzeln 3 und 4. Die Kanzel 1 korrespondierte mit der Kanzel 3, die Kanzel 2 mit der Kanzel 4. Wer auf Kanzel 1war, der hörte, was auf Kanzel 3 gesprochen wurde. Wer sich auf Kanzel 2 befand, der vernahm alles, was auf der Kanzel 4 zur Rede kam. Und so auch umgekehrt: der Schall von 1 kam nach 3, der Schall von 2 ging nach 4. Da ich nun alles zu hören wünschte, was von den uns feindlichen vier Häuptlingen und ihrem Anhang gesprochen wurde, so hatte ich sie auf die Kanzel 3 plazieren lassen, während wir die Kanzel 1in Anspruch nahmen. Sie hörten freilich auch alles, was wir redeten, doch wußten wir das, und so brauchten wir nur das, was sie hören sollten, laut zu sprechen, alles andere aber leise zu flüstern. Von den Kanzeln 2 und 4 war nur die 4 besetzt; die 2 behielten wir für uns leer.

Als wir auf dem Festplatze anlangten, war er nur erst notdürftig erleuchtet, und zwar nicht mit Öl, sondern ausschließlich elektrisch, auch die Laternen. Das war bei der gewaltigen Menge der hier erzeugten Elektrizität ungemein bequem und billig. Man machte uns Platz, nach unserer Kanzel 1 zu kommen. Das war dieselbe, von deren Fuß aus der geheime Gang in die Höhle führte. Dort wurden wir von den uns befreundeten Häuptlingen empfangen. Sie waren alle da, sogar auch Avaht-Niah, der Hundertundzwanzigjährige. Ich hatte ihnen sagen lassen, daß sie die Kanzel ja nicht betreten, sondern sich einstweilen am Fuß derselben lagern sollten. Sie hatten das getan, ohne den Grund zu kennen. jetzt beeilte ich mich, ihnen diesen mitzuteilen. Wie erstaunten sie, als sie hörten, daß es sich hier um die Lösung dieses alten, sagenhaften Geheimnisses handelte! Ich sagte ihnen, daß sie nun auf die Kanzel steigen, dort aber ganz leise und mit vor den Mund gehaltenen Händen sprechen sollten; ich aber würde jetzt zu unsern Gegnern gehen, um mit diesen zu reden. Es werde jedes Wort hier zu verstehen sein.

Ich ging. Der alte Kiktahan Schonka saß mit seinem Anhang schon oben auf Kanzel 3. Diese Kanzel war rundum von einer Schar bewaffneter »Winnetous« besetzt; das hatte ich so angeordnet. Ich sagte ihnen, daß sie alle Obensitzenden als Gefangene zu betrachten und keinen von ihnen ohne meine besondere Erlaubnis fortzulassen hätten. Darauf stieg ich hinauf.

»Old Shatterhand!« rief der alte Tangua, der mich zuerst sah und erkannte.

»Ja, ich bin es«, antwortete ich laut. »Ich komme, um euch Wichtiges mitzuteilen, damit ihr nicht vergeblich wartet. Wißt ihr, das der ,Nigger‘, euer Verbündeter, geflohen ist?«

»Wir wissen es«, antwortete To-kei-chun. »Aber er ist nicht unser Verbündeter.«

»Er ist es!« behauptete ich. »Ich stand gestern am offenen Fenster der Kantine, als ihr mit ihm und den beiden Enters den Plan für den heutigen Abend bespracht!«

»Uff, uff!« rief er erschrocken aus.

Ich fuhr fort:

»Nun sind die Enters tot, und er ist auch tot. Old Surehand und Apanatschka haben ihn erschossen!«

»Uff, uff! Uff, uff!« ertönte es rundum.

»Und Pida, der nach dem ,Tale der Höhle‘ geritten ist, um die viertausend Sioux, Utahs, Kiowa und Komantschen durch die Höhle nach dem Wasserfall zu führen, wird nicht kommen, um uns zu überfallen. Wir haben ihm die Wege verlegt und nehmen ihn mit allen seinen Kriegern gefangen.«

»Uff, uff!«

»Und euer Komitee ist aufgelöst! Die Brüder Enters haben mir die Schrift gebracht, die von euch unterzeichnet worden ist. Eure ganze Betrügerei und euer Trachten nach meinem Leben ist bekannt! Die Strafe folgt! Ihr seid hier gefangen! Dieser Ort hier ist von unsern ,Winnetous‘ umstellt. Sie haben euch festzuhalten. jeder von euch, der es wagt, zu entfliehen, wird augenblicklich erschossen!«

Jetzt rief niemand uff, uff. Sie waren zu Tode erschrocken. Die vier »Herren vom Komitee« befanden sich auch mit hier. Auch sie waren still. Keiner von ihnen sagte ein Wort. Da war es, als ob die Erde unter uns wanken wollte. Ich fühlte und hörte ein kurzes, aber scharfes Zittern und Knirschen unter mir. Ich hatte mich zu beeilen, von hier fortzukommen.

»Hört ihr es?« fragte ich. »Das war die Stimme der Höhle, in der sich eure unglücklichen Krieger befinden! Sie sind verloren!«

Nach diesen Worten stieg ich schnell von der Kanzel hinab und beeilte mich, dorthin zu kommen, wohin ich gehörte. Es herrschte rundum tiefe Stille. Jedermann war darüber, daß der Boden gewankt hatte, erschrocken. Da ertönte die laute Stimme Old Surehands. Er befahl, daß die Illumination beginne. Der Ingenieur gehorchte; er öffnete den Projektionsapparat. Die Winnetoufigur wurde tageshell erleuchtet, und ihr zu beiden Seiten erschienen auf dem Spiegel des Schleierfalles die vielvergrößerten Gesichtszüge Young Surehands und Young Apanatschkas. Hatte Old Surehand etwa Beifall erwartet? Es erfolgte keiner. Jedermann blieb still. Die kopflose Steinfigur machte nicht den geringsten Eindruck, und die Porträts der beiden jungen Künstler hatten so wenig Charakteristisches an sich und so wenig tieferen Sinn, daß sie jedermann vollständig gleichgültig ließen. Jetzt war es, wo ich meine Kanzel erreichte. Ich gab den Anwesenden das Zeichen, ja nicht laut zu sprechen, und fragte leise:

»Habt ihr alles gehört?«

Sie nickten.

»Auch das Beben der Erde?«

»Auch das«, antwortete das Herzle flüsternd und die Hand an den Mund haltend, um die Luftwelle abzuhalten, den Weg der Ellipse zu gehen.

»Die Katastrophe scheint nicht warten zu wollen«, fuhr ich fort. »Ich vermute, sie ist da!«

Wieder grollte es in der Erde. Dann war es, als ob irgendwo etwas zusammenbreche. Da erscholl Old Surehands Stimme zum zweiten Male. Der Ingenieur schloß den Apparat und drehte die Leitungskurbel. Die Bilder verschwanden – dafür aber begannen alle vorhandenen Lichter, große und kleine, zu leuchten, von der kleinsten Laternenbirne bis, hinauf zu den Riesenkugeln auf hoch emporstrebenden Masten. Aber auch das machte keinen Eindruck. Das Licht war kalt, und das Steinbild blieb dasselbe. Man hatte es am Tage gesehen und sah es jetzt nicht anders.

Und doch! Ich sah es anders, ich! Ich sah, daß es sich noch mehr zur Seite geneigt hatte, und zwar ganz beträchtlich, so beträchtlich, daß das Herzle erschrocken meine Hand ergriff und mir zuraunte:

»Um Gotteswillen! Sie stürzt, sie stürzt, die Figur!«

Und kaum war das gesagt, so rollte es unter uns; es stob und knallte und puffte. Die Figur neigte sich nach links, wankte nach vorn und bog sich nach rechts; ein Donner rollte unter uns hin – – ein Krach, als ob die ganze Welt untergehen wolle – – —

»Flieht, flieht! Rettet euch!« brüllten die Arbeiter, indem sie von der Figur fortstürzten.

Kaum war das geschehen, so gab es ein unbeschreibliches Getöse, ein Poltern, Prasseln, Knattern, Platzen, Bersten, Schmettern, Brausen und Dröhnen. Der Boden öffnete sich. Ein Abgrund gähnte. Die Figur drehte sich mit ihrer ganzen, gewaltigen Unterlage langsam um sich selbst und verschwand dann mit einem Schlag, als ob uns die Ohren platzen sollten, in der Tiefe. Und nicht nur die Figur, sondern auch alles, was sich in der Nähe befand, die Gerüste, die Stangen, die Balken, die Masten mit den Beleuchtungskörpern, alles, alles wurde mit hinabgerissen. Im nächsten Augenblick herrschte tiefste Dunkelheit. Tausende von Stimmen vereinten sich zu einem einzigen, großen Schrei des Entsetzens. Dann gab es für einige Sekunden eine lautlose Stille, aus welcher sich nur die verzweifelte Stimme des alten Tangua erhob:

»Pida, Pida! Mein Sohn, mein Sohn! Er ist verloren!«

Dann aber wurden alle die tausend Stimmen wieder laut. Sie vereinigten sich zu einem Lärmen, Brüllen und Zetern, welches klang, als ob diese ganze große Menge plötzlich wahnsinnig geworden sei. Niemand wollte auf seinem Sitze bleiben. Alles drängte fort, zum Tal hinaus. Die Katastrophe konnte sich ja wiederholen und weitergreifen. Auch unsere Häuptlinge waren schnell von der Kanzel gestiegen und berieten sich eiligst, was zu tun oder zu lassen sei. Nur drei waren oben geblieben, nämlich Tatellah-Satah, das Herzle und ich. Der erstere bat mich:

»Laß keinen wieder herauf! Nur wir drei wollen hören, was da drüben auf der andern Kanzel gesprochen wird.«

»Nicht wir drei, sondern nur ihr zwei«, antwortete ich. »Ich habe jetzt keine Zeit, zu lauschen. Hier gilt es, zu retten, was vielleicht noch zu retten ist!«

Ich schickte Intschu-inta und Pappermann nach dem Schlosse, um Fackeln zu holen. Und ich suchte Old Surehand und den Ingenieur auf, um zu fragen, ob es nicht möglich sei, schnell wieder elektrisches Licht zu machen. Sie versprachen, dies zu tun; Leitungsdrähte und Glühkörper seien genug vorhanden. Sodann beauftragte ich sechs von den zwölf Apatschenhäuptlingen, mit ihren Leuten sofort, trotz des nächtlichen Dunkels, nach dem »Tal der Höhle« zu reiten und möglichst schnell Bericht zu erstatten, wie es dort stehe. Und kaum hatte ich das getan, so nahte die Gefahr in neuer Gestalt. Der Wasserfall verschwand nicht mehr vollständig in die Tiefe.

Die hinabgestürzten Erd- und Steinmassen hatten sich in den Abfluß gelegt, und so stieg das Wasser in dem entstandenen Riesenloche immer höher und höher. Nicht lange, so mußte es das Tal überschwemmen, und dann war es nicht mehr möglich, den in der Höhle wahrscheinlich Verschütteten von hier aus Rettung zu bringen. Glücklicherweise aber kam es nicht so weit. Die Gewalt des Wasser war größer als das Gewicht der Erdmassen. Die aufsteigenden Fluten, von denen es schien, als ob sie einen See bilden wollten, begannen zu mahlen, zu drehen und zu gurgeln. Sie hatten neuen Weg gefunden. Es bildete sich ein wirbelnder Trichter, der mit den Wasser in der Tiefe verschwand und dann nicht wieder erschien.

Nun kamen Intschu-inta und Pappermann vom Schloß. Sie brachten die gewünschten Fackeln. Ich nahm zu den beiden Genannten noch einige zuverlässige Winnetous und stieg mit ihnen, von andern unbemerkt, in den Gang, der unter der Kanzel mündete. Die Fackeln brannten wir nicht schon außen, sondern erst drinnen an; dann folgten wir den abwärts führenden Stufen. Dabei sahen wir, daß die Erschütterung bis hierher gereicht hatte. Es waren Steine von den Wänden und der Decke des Ganges gefallen, und zwar um so mehr, je weiter wir kamen. Oft waren es ihrer so viele, daß wir sie wegzuräumen hatten, um weitergehen zu können. Darum kamen wir nur langsam vorwärts. Da, wo unser Gang in den andern, nach den Passiflorenraum führenden, mündete, sah es ziemlich arg aus. Zu den Stalaktiten, die wir da aufgehäuft hatten, war eine Menge anderes Geröll gekommen, so daß wir fast eine Stunde brauchten, uns den freien Weg zu bahnen. Von da ging es dann nach der Stelle, an welcher der schmale Weg mit dem breiten zusammenstieß, der hinter dem Schleierfall mündete, also nach dem Punkte, an dem ich den ersten Riß in der Decke und das Abbröckeln des Gesteins bemerkt hatte. Sie war verschüttet, vollständig verschüttet; wir konnten nicht bis ganz hin. Aber wir trafen auf zwei Personen, die nebeneinander tief an der Erde saßen und sich nicht rührten, als wir uns ihnen näherten. Eine ausgelöschte, halbe Fackel lag neben ihnen. Es waren die beiden entflohenen Medizinmänner, die an der Spitze unserer viertausend Gegner durch die Höhle marschiert waren. Sie bewegten sich nicht und kannten uns kaum. Der Schreck und die überstandene Todesangst hatten ihnen die Sinne verwirrt. Sie starrten angstvoll vor sich hin und waren nur schwer zum Sprechen zu bringen. Es kostete uns viele Zeit und große Mühe, aus ihren verworrenen Antworten uns zusammenzusetzen, was geschehen war. Sie hatten die Pferde unter Aufsicht im Tal gelassen und waren zu Fuß in die Höhle eingedrungen. Da sie Zeit hatten, rückten sie nur langsam vorwärts. Als die Katastrophe hereinbrach, befanden sie sich grad am Ende des breiten Reitweges, glücklicherweise nicht im Mittelpunkt, sondern an der Peripherie des Zerstörungsbereiches. Es gab einen Luftstoß, der sämtliche Fackeln auslöschte. Die Wände zitterten, der Boden bebte, die Decke krachte. Viele, viele wurden von dem herabstürzenden Gestein verletzt. Es brach eine ungeheure Panik aus. Man ergriff die Flucht. Aber wohin? Die einen drängten vorwärts, die andern rückwärts. Alles schrie und brüllte. Einer riß den andern nieder. Einer trat und stampfte auf dem andern herum. Da versiegte plötzlich der Fluß. Bald aber kam er um so stärker wieder. Das war, als droben ein See entstehen wollte, der aber schnell wieder zusammenwirbelte und verschwand. Das ergab unten in der Höhle eine gewaltige Hochwelle, die alles überflutete und einen jeden, der keinen festen Halt fand, mit sich fortzureißen drohte. Diese Flutwelle hatte eine solche Gewalt, daß sie große, schwere Felsenstücke mit sich fortschleppte und unten an der Mündung in solcher Menge absetzte, daß eine undurchdringliche Barriere entstand, welche den Roten die Flucht aus der Höhle in das freie Tal zurück unmöglich machte. Die Höhle war also nach unten vollständig verstopft, so daß kaum noch das Wasser abfließen konnte. Den Indianern blieb also nur noch der Weg, sich nach oben hinaus zu retten. Diejenigen von ihnen, welche zurückgeflohen waren, kehrten also wieder um und drängten nach oben. Aber dort war der Weg ja auch verschüttet. Die gewaltigen Massen, welche da niedergestürzt waren, ließen nur eine kleine, schmale Lücke frei, welche vorsichtig zu untersuchen war, wie weit und wohin sie führte. Das zu tun, unternahmen die beiden Medizinmänner, denen es infolge der durchnäßten Feuerzeuge nur schwer gelang, eine Fackel anzuzünden. Die Lücke erwies sich als gangbar; aber kaum war sie passiert, und die beiden Führer wollten zurückkehren, um die ihrigen zu benachrichtigen, so tat es einen neuen, donnerähnlichen Krach; die Erde bebte und die ganze Umgebung schien in Bewegung zu sein und zusammenbrechen zu wollen. Die beiden stürzten, um sich zu retten, in wahnsinnigem Entsetzen vorwärts, bis sie übereinander niederfielen und, ihrer Gedanken nicht mehr mächtig, ganz einfach sitzen blieben, bis wir kamen und sie fanden.

Hieraus wurde mir klar, daß die Rettung der Verschütteten nur nach oben möglich war, nicht aber nach dorthin, wo die Höhle unten in das Tal mündete. Es galt, Arbeiter mit Hacken, Schaufeln, Lichtern und allen andern Dingen zu holen, die sich als nötig erwiesen. Wir zwangen also die Medizinmänner, die partout sitzen bleiben wollten, aufzustehen und mit uns zu gehen, und kehrten durch den Gang ins Freie zurück, zur Teufelskanzel, wo es dem Ingenieur und seinen Leuten inzwischen gelungen war, eine neue, wenn auch keine brillante, aber doch genügende Beleuchtung herbeizuschaffen. Die Medizinmänner faßte ich, hüben und drüben einen, an den Armen und führte sie nach der Kanzel, auf der Tangua mit seinen Genossen gefangen saß.

»Gerettet!« rief er aus, als er die Beiden erkannte. »Gerettet! Diese sind die Führer! Wenn sie mit dem Leben davongekommen sind, so ist auch Pida, mein Sohn, nicht tot!«

Ich antwortete nicht, schob sie zu ihm hin und entfernte mich, um mit Old Surehand das Rettungswerk zu besprechen, denn er war es, dem die Arbeiter, die wir brauchten, zur Verfügung standen. Diese Leute dachten gar nicht mehr an Empörung. Sie waren schnell bereit, in die Höhle niederzusteigen und einen Weg durch die niedergestürzten Massen zu bahnen. Da zeigte sich nun das elektrische Licht von hohem Wert. Es konnte mit Hilfe der vorhandenen Drähte ganz bequem in den Gang geleitet werden, so daß die düster brennenden und rauchenden Fackeln vollständig überflüssig wurden. Die Arbeit begann. Sie war eine sehr schwere und nicht ungefährliche. Es galt, ganz gewaltige Gesteinsmassen zu beseitigen. In welcher Zeit dies zu ermöglichen war, das konnte man nicht sagen, es mußte abgewartet werden. Tatellah-Satah stieg auch einmal mit in die Höhle nieder, um diese Arbeit in Augenschein zu nehmen. Sonst aber blieb er am liebsten still auf seiner Kanzel, von welcher aus er alles übersehen und beobachten konnte. Am interessantesten war es ihm, auf seinem Sitz jedes Wort, welches von den feindlichen Häuptlingen gesprochen wurde, ganz deutlich zu vernehmen. Er hatte schon die ganze Zeit lang zugehört und wollte auch noch länger hören. Er kam da nicht nur hinter alles, was verschwiegen worden war, sondern er gewann auch einen klaren Einblick in die Wirkung, welche die Katastrophe auf jeden einzelnen dieser Leute hervorgebracht hatte. Hiernach konnte er dann sein Verhalten richten.

Das Herzle bekam viel Arbeit. Sie hatte sich mit Aschta, Kolma Putschi und ihren anderen roten Freundinnen auf den Empfang der Geretteten vorzubereiten. Von diesen waren wohl viele verletzt. Man konnte sogar auf Tote rechnen. Auch Hunger war zu stillen. Da gab es viel zu überlegen und viel zu tun. Es dauerte gar nicht lange, so waren alle am Mount Winnetou vorhandenen Frauen in regster Tätigkeit. Auch wir Männer durften nicht feiern. Wir konnten zwar die Rettung der Gefährdeten nicht beschleunigen, denn die ging ihren sicheren, ruhigen Weg; aber es galt, über das innere und äußere Geschick von viertausend Menschen Beschluß zu fassen, für ihre Unterbringung und Ernährung zu sorgen und sie womöglich aus Feinden in Freunde zu verwandeln. Diese Verwandlung der Feinde in Freunde war übrigens schon recht gut im Gang, nicht nur unten, bei den Untergebenen, sondern noch viel mehr auch oben, bei den Vorgesetzten. Das bemerkte ich zu meiner Freude, als ich während dieser Nacht einmal zu Old Surehand und Apanatschka trat, die mit ihren Söhnen im Gespräch beieinander standen. Mein Kommen schien sie zunächst etwas verlegen zu machen; Old Surehand aber überwand dieses Gefühl sehr schnell und sagte:

»Gut, daß Ihr kommt, Mr. Shatterhand, grad jetzt, wo wir einen Augenblick ungestört unter uns sind. Wir berieten uns gerade darüber, ob wir Euch ein offenes Geständnis schuldig sind oder nicht. Ich meine, wir sind es Euch schuldig, Euch und dem alten, prächtigen Tatellah-Satah, dem wir so viel Kummer und Ärger bereitet haben. Wir bereuen es sehr. Bitte, sagt ihm das!«

»Ja, bitte, sagt es ihm!« fiel Apanatschka ein. »Wir sind gern bereit, es wieder gut zu machen. Das mit dem Riesendenkmal war kein sehr geistreicher Gedanke von uns! Eure Vorlesungen haben da viel und tief gewirkt. Und was von dieser Dummheit trotzdem in uns sitzen blieb, das wurde augenblicklich weggefegt, als wir unser sogenanntes Kunstwerk plötzlich in die Erde verschwinden sahen. Das war eine ganz gewaltige Ohrfeige für uns! Und wir geben zu, wir haben sie verdient! Freilich ist der Spaß, den wir uns gestattet haben, kein sehr billiger. Unsere Söhne bezahlen ihn mit einem guten Teil ihres künstlerischen Selbstbewußtseins, und was uns, die beiden Väter betrifft, so haben wir Summen an die Sache gewendet, die nicht unbedeutend sind und die wir leider nun als verloren betrachten müssen – – – !«

»Verloren?« fragte ich. »Keineswegs!«

»O doch!«

»Nein! Und auch das verletzte künstlerische Selbstbewußtsein ist schnell zu heilen. Hätten die beiden jungen Herren damals, als dieser Plan in euch entstand, mehr Vertrauen zu mir, ihrem alten, aufrichtigen Freund gehabt, so wären eure Gedanken in ganz andere Bahnen gelenkt worden, und ihr hättet jetzt nicht mit Verlusten zu rechnen, die eigentlich keine Verluste sind, weil sie einen großen inneren Gewinn für euch bedeuten. Und der ist nicht zu teuer bezahlt!«

»Wirklich nicht?« fragte Old Surehand.

»Nein! Laßt das Denkmal, wie wir es meinen, immerhin über das, wie Ihr es meintet, den Sieg davongetragen haben; der andere Teil Eures Planes bleibt doch. Und er ist der pekuniär einträglichere!«

»Welcher Teil!«

»Die Gründung der Stadt Winnetou.«

»Ihr meint nicht, daß sie rückgängig wird, nun, nachdem wir mit unserer Riesenfigur so abgefallen sind?«

»Gewiß nicht! Ich bin ganz im Gegenteil der allererste, der mit größtem Nachdruck auf diese Gründung dringt.«

»Wenn das wäre!« rief er erfreut aus, und: »Wenn das wäre!« stimmten auch die drei anderen ein.

»Es wird!« versicherte ich. »Wenn wir wünschen, daß die Seele der roten Rasse erwache, genügt es nicht, nur allein für ihre geistige Zukunft zu sorgen, sondern wir müssen ihr auch eine äußere Stätte bereiten, aus welcher sie die nötige Erdenkraft zu ziehen vermag. Das soll und wird die Stadt Winnetou sein, die Ihr geplant habt, ohne an die Volksseele, der sie als Residenz zu dienen hat, zu denken. Fragt euch, was für Straßen, für Plätze, für Hauser, für Gebäude wir da brauchen! Ein Stammeshaus für jeden einzelnen roten Stamm! Einen Heimpalast für jeden einzelnen Clan, den größten und schönsten für den neugegründeten ,Clan Winnetou‘! Wieviel Monumentalbauten ergibt schon das allein! Denkt euch hierzu das Schloß hoch über der Stadt in würdiger Weise ausgebaut! Denkt euch ferner, daß der ,Berg der Königsgräber‘ sich öffnen wird und ihr die Schätze, die er euch sendet, in der Weise unterzubringen habt, wie man es solchen unvergleichlichen Reichtümern schuldig ist! Das ist nur einiges, was ich euch für jetzt und einstweilen sagen kann. Verlangt ihr mehr?«

»Nein, nein!« antwortete Old Surehand. »Ihr öffnet uns da Perspektiven, von denen wir bisher keine Ahnung hatten! Und das alles, alles soll beraten werden?«

»Ja.«

»Und wir dürfen dabei sein?«

»Ganz selbstverständlich!«

»Dann danken wir Euch! Wir danken!« rief er ganz begeistert aus. »Das ist ja mehr, als wir jemals hoffen konnten! Hätten wir doch früher mehr an Euch gedacht!«

»Holt das Versäumte nach; noch ist es Zeit!« riet ich ihm. »An den Projekten, die ich euch jetzt andeutete, können eure Söhne sich noch ganz anders künstlerisch betätigen als an der unglückseligen Figur, an welcher ihr alle eure Kräfte umsonst verschwendet habt! Jetzt gibt es keine Zeit mehr; wir sprechen weiter hierüber!«

Возрастное ограничение:
12+
Дата выхода на Литрес:
30 августа 2016
Объем:
610 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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