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Читать книгу: «Der Schut», страница 33

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»Ich werde dir gehorchen; aber wehe ihnen, wenn sie dich erwischen! Ich steche und schieße sie alle nieder, alle!«

Ich hatte mir die Art und Weise, in welcher ich mein Vorhaben ausführen wollte, schon zurecht gelegt. Das Frühlingswasser hatte nämlich vom Berge herab und durch den Wald einen Rinnsal, einen ziemlich tiefen, natürlichen Graben gerissen, in welchem es dem Flusse zugeführt wurde. Dieser Graben war jetzt trocken und ging quer über den Platz, auf welchem die Bebbeh angehalten hatten. Ich kroch aus dem Gebüsch hervor in diese Rinne hinab und schob mich langsam in derselben weiter. Die Kurden sprachen nicht laut, da ja die Haddedihn zufälligerweise in der Nähe sein konnten; aber als ich eine genügende Strecke vorwärts gekommen war, hörte ich eine Stimme fragen:

»Brennen wir ein Feuer an?«

»Nein,« antwortete eine andere. »Erst muß ein Lauscher weiter abwärts gehen, um nachzuforschen, ob wir hier sicher sind.«

»Wir sind es, denn die Haddedihn lagern oben am Grabe und werden sich in dieser Dunkelheit nicht so weit von demselben entfernen.«

»Ja, die Haddedihn, das sind dumme Molche, die sich nicht aus ihren Höhlen wagen. Aber dieser fremde Teufel ist überall da, wo er nicht hingehört, und mit ihm der kleine Hund mit dem dünnen Barte, der Gasahl Gaboya, meinen Vater, erschossen hat. Dieser Zwerg soll gemartert werden, daß sein Schmerzgeheul weit über die Berge und durch die Täler erklingt!«

Er nannte einen seiner Leute beim Namen und schickte ihn fort, die Gegend abwärts zu erkunden. Es war mir natürlich sehr lieb, daß es jetzt noch dunkel bleiben sollte; das konnte mir nur nützlich sein. Ich kroch also weiter und immer weiter, bis ich die Waldbäume hinter mir hatte und mich im Graben am Rande des Grasplatzes befand. Die Pferde waren nach dem Wasser gelaufen; links vom Graben hatten sich die Kurden niedergesetzt, um auf die Rückkehr des Kundschafters zu warten. Sie konnten jetzt lauter sprechen, denn falls Haddedihn in der Nähe gewesen wären, hätte er sie wahrscheinlich entdeckt und es gemeldet.

Aus dem, was ich bis jetzt gehört hatte, war zu schließen, daß diese Kurden von dem Sohne Gasahl Gaboyas, den Halef damals erschossen hatte, angeführt wurden. Wehe uns, wenn wir in die Hände dieses Bluträchers fielen! Im Verlaufe des jetzt folgenden Gespräches hörte ich, daß er Ahmed Azad hieß; er wurde von den Anderen so genannt. Mein an die Dunkelheit gewöhntes Auge zählte jetzt elf Personen. Wenn ihrer nicht mehr waren, brauchten wir uns allerdings nicht zu fürchten.

»Ein Glück,« sagte Ahmed Azad, »daß ich auf den Gedanken kam, zwei Späher vorauszusenden! Hätte ich das nicht getan, so wären wir den Haddedihn wahrscheinlich in die Hände geritten.«

»Wann greifen wir sie an?« fragte einer.

»Das kommt darauf an, ob unser Bote schnell genug gewesen ist. Am liebsten noch in der Nacht, weil sie uns da nicht sehen können und wir sie da so überraschen, daß sie lebendig in unsere Hände fallen. Also köstliche Pferde haben sie?«

»Ja. Zunächst der Rapphengst des Fremden, welcher sich Kara Ben Nemsi nennt und zwei Zaubergewehre besitzt, mit denen man unendliche Male schießen kann, ohne laden zu müssen. Sodann ist noch ein junger Rapphengst da, den der Knabe des kleinen Kerls mit den wenigen Barthaaren reitet. Und endlich ist noch eine kostbare Schimmelstute vorhanden, welche dem Scheik Amad el Ghandur gehört. Auch eine Schecke soll es geben, welche ausgezeichnet ist.«

»Hast du diese Pferde alle gesehen, als du oben warst?«

»Alle, nur die Schecke nicht.«

»Glaubst du, daß sie besser sind als meine schwarze Perserstute?«

»Nein. Deine Stute sucht ihresgleichen. Ihr Stammbaum reicht ja hinauf bis in den Stall von Nadir-Schah.«

»Dennoch müssen wir diese Pferde bekommen. Niemand darf auf sie schießen, außer er befindet sich in Todesgefahr. Das wird aber bei keinem der Fall sein, denn wir werden so schnell über diese räudigen Hunde her sein, daß sie gar keine Zeit finden, um sich zu beißen.«

Leider kehrte jetzt der Kundschafter zurück und meldete, daß er nichts Verdächtiges bemerkt habe. Darauf erklärte Ahmed Azad:

»So brennt ein Feuer an, damit ihr essen könnt! Dann, wenn der Mond gekommen ist, reiten wir weiter und lagern uns in der Nähe des Felsenberges, auf welchem die Haddedihn sich befinden.«

Der Kundschafter fragte:

»Dann muß ich wohl vor dem Angriffe hinauf, um zu sehen, ob sie schlafen und ein Feuer brennen?«

»Natürlich müssen wir das vorher wissen. Du gehst voran, um es mir zu berichten.«

Jetzt suchten die Kurden die umstehenden Bäume und Sträucher nach dürren Ästen ab; das Feuer mußte mich verraten; darum hielt ich es für geboten, mich schnell zurückzuziehen. Ich hatte das Glück, die Gefährten zu erreichen, ohne von den Bebbeh bemerkt worden zu sein, und schlich mit ihnen fort. Erst gingen wir leise und langsam, um kein Geräusch hören zu lassen; als wir aber die Hörweite hinter uns hatten, brauchten wir uns nicht mehr so in acht zu nehmen.

Halef war neugierig auf das, was ich erfahren hatte. Ich sagte es ihm. Er fragte dann:

»Denkst du, daß sie schon während der Nacht angreifen werden?«

»Ich denke es. Nur machen mich die Worte des Anführers irre, daß es darauf ankomme, ob der Bote schnell genug gewesen ist. Was für ein Bote mag gemeint sein?«

»Wer weiß es!«

»Es wäre aber wohl sehr nötig, es zu wissen. In einer Lage, wie die unsrige ist, kann man nicht umsichtig genug sein. Ich zählte elf Personen, mit dem Kundschafter zwölf. Ob der Anführer einen Boten fortgeschickt hat, noch mehr Leute zu holen?«

»Da müßten doch noch mehr Bebbeh in der Nähe sein!«

»Warum nicht? Wenn dies der Fall wäre, bekämen wir gewiß einen sehr harten Stand.«

»Ich fürchte mich nicht, Sihdi!«

»Das weiß ich, lieber Halef; aber mir liegt das Vorgefühl in den Gliedern, daß es auch dieses Mal hier kein gutes Ende nehmen werde.«

»Mach dir doch keine solche Sorgen! Wie oft sind wir in noch viel größerer Gefahr gewesen und stets gut daraus hervorgegangen. So wird es auch heut und morgen werden. Was gedenkst du zu tun? Werden wir den Überfall abwarten oder die Bebbeh lieber selbst angreifen?«

»Darüber kann ich nicht bestimmen. Du weißt ja, daß Amad el Ghandur jetzt das Kommando führt.«

»Allah sei es geklagt! Hoffentlich aber ist er inzwischen zur Einsicht gekommen!«

»Das bezweifle ich. Ich kenne das Fieber der Blutrache. Wer ihm einmal verfällt, dem ist nicht zu helfen, bis es seinen natürlichen Lauf genommen und entweder den Einen oder den Andern in den Tod gebracht hat. Du wirst sehen, daß er jetzt noch grad so denkt wie vorhin, als wir ihn verließen.«

Wir hatten inzwischen das untere Tal erreicht und stiegen nun zum Grabmale empor. Schon bereits von weitem, als wir durch die schon erwähnte Felsenenge gelangt waren, leuchtete uns der Schein eines riesigen Feuers entgegen.

»Welch ein Fehler, solche Flammen lodern zu lassen!« entfuhr es mir, obgleich ich mir vorgenommen hatte, jetzt nichts zu tun, als ruhig zuzuwarten.

»Werde ihnen gleich meine Meinung sagen,« meinte Halef.

Das stets flinke Kerlchen sprang die Höhe vollends empor und rief den um das Feuer sitzenden und schmausenden Haddedihn zu:

»Allah akbar, Gott ist groß, aber eure Unvorsichtigkeit ist doch noch größer! Was fällt euch ein, ein solches Feuer zu brennen!«

»Was geht es dich an!« antwortete Amad el Ghandur.

»Sehr viel. Mein Leben kann davon abhängen.«

»An deinem Leben ist nicht viel gelegen!«

»So! Wenn du nicht im Rächerwahne sprächest, würde ich dir anders antworten, als ich jetzt tue. Die Bebbeh sind da, um uns zu überfallen, und ihr brennt für sie ein Feuer an, damit ihre Kugeln uns ja recht sicher treffen mögen!«

»Die Bebbeh? Das lügst du!«

»Wahre deine Zunge! Ich bin Hadschi Halef Omar und habe noch nie gelogen. Die zwei Kundschafter der Bebbeh haben euch weisgemacht, daß sie Sorankurden seien, und von euch alles erfahren, was sie wissen wollten. Nun sind sie zurückgekehrt, um den Bluträcher Ahmed Azad, den Sohn Gasahl Gaboyas, herbei zu holen. Er hält gar nicht weit von hier und will uns überfallen.«

Das brachte die Haddedihn denn doch aus ihrer Fassung. Sie forderten Halef auf, alles zu erzählen; er antwortete:

»Eigentlich seid ihr keines Wortes wert. Ihr habt euch von meinem Effendi losgesagt, und so sollten wir eigentlich fortreiten und uns nicht weiter um euch bekümmern; aber ich weiß, was ich meiner Bekehrung zur wahren Liebe schuldig bin, und werde euch also eure Bitte erfüllen. Der Emir Kara Ben Nemsi, ich, der Hadschi Halef Omar und mein Sohn Kara Ben Halef, wir sind am Lager der Bebbeh gewesen und haben ihre Gespräche belauscht. Hätten wir das nicht getan, so würdet ihr heute nacht abgeschlachtet wie Schafe, welche keinen Hirten und Beschützer haben.«

Er erzählte nun das, was wir getan, gesehen und gehört hatten, in seiner farbenreichen Weise und schloß die besten Ermahnungen daran. Schon glaubte ich, daß diese seine Vorstellungen nicht ohne Erfolg sein würden, da fuhr ihn Amad el Ghandur an:

»Schweig! Wir brauchen deine Ermahnungen nicht; wir wissen selbst, was wir zu tun haben. Also zwölf Bebbeh habt ihr gezählt?«

»Ja. Wenn du uns nachzählen willst, so gehe hin zu ihnen!«

»Und da machst du solchen Lärm! Zwölf gegen zwanzig!«

»Aber es können leicht noch mehr kommen, denn Ahmed Azad hat von einem Boten gesprochen.«

»Sie mögen kommen; wir fürchten sie nicht. Was schreist du da über unser großes Feuer! Grad dieses ist für einen solchen Überfall gut. Wir setzen uns in den Schatten; da können die Bebbeh uns nicht sehen; wir aber erblicken sie, sobald sie kommen, und geben ihnen unsere Kugeln.«

»Aber unser Ritt sollte doch ein friedlicher sein!«

»Schweig! Die Kurden kommen, sich an uns zu rächen: wir müssen uns wehren. Aber selbst wenn wir dies nicht müßten, würden wir es doch tun. Diese Hunde sind nicht wert, daß sie unter Allahs Himmel wandeln; sie müssen von der Erde vertilgt werden!«

»Gut, ich werde schweigen; ihr aber werdet weinen und heulen über das, was daraus erfolgen wird!«

Er wendete sich ab und ging dahin, wo Omar Ben Sadek und der Lord saßen. Ich hatte mir vorgenommen, nichts zu sagen, konnte es aber doch nicht über das Herz bringen. Es war ja doch möglich, Blutvergießen zu verhüten. Die Haddedihn konnten hier oben und die Bebbeh unten an ihren Gräbern beten und die gegenseitige Rache für später aufheben. Darum machte ich noch einen Versuch, zum Frieden zu reden:

»Amad el Ghandur, ich war dein Freund, dein Bruder und Gefährte und will es auch jetzt noch sein. Hast du nicht heut diesen Stein in dieses offene Grabmal geworfen und dabei behauptet, daß dein Vater gerächt sei? Warum trachtest du von neuem nach Blut?«

»Die Rache war nicht tot,« murrte er; »Sie hat nur geschlafen und ist wieder aufgewacht.«

»Nein, so ist es nicht; sie schläft noch jetzt; sie will nicht erwachen; aber du willst sie aufwecken. Wer einen Brand entfacht, soll vorsichtig sein und es sich vorher bedenken, denn er kann sich leicht selbst verbrennen.«

»Meinst du, daß ich deine guten Lehren brauche?«

»Ja, das meine ich. Grad jetzt solltest du ein offenes Ohr für sie haben. Ich mag mich nicht rühmen und will mir auch das, was ich getan habe, nicht bezahlen lassen; aber heut, wo so Vieler Leben, auch das deinige, von dir abhängt, muß ich dich an den Kerker von Amadijah erinnern, in welchem du verschmachtet wärest, wenn ich dich nicht herausgeholt hätte. Wäre Mohammed, dein Vater, noch am Leben, der damals mit uns war, er würde dir raten, auf meine Worte zu hören.«

»Nein,« fuhr er da auf, »das würde er nicht, denn dein Rat und deine Worte haben ihn damals in das Verderben geführt. Du bist nicht unsers Glaubens; du gehörst nicht zu uns. Wenn ein gläubiger Moslem einem Christen folgt, ist es stets zu seinem Schaden. Ich will Rache; ich will Blut, und ich werde meinen Willen haben.«

»Und ich will Liebe und Versöhnung. Wir werden sehen, wessen Wille bessere Früchte bringt!«

Ich sah ein, daß all mein Bemühen hier vergeblich war, und ging zu den Gefährten, bei denen ich mich niedersetzte. Wir befanden uns im tiefen Schatten, und auch die Haddedihn suchten jetzt dunkle Stellen auf, um mit ihren Kugeln die angreifenden Kurden zu empfangen.

Der Lord hatte nur wenig von dem, was gesprochen worden war, verstanden; ich mußte ihn aufklären. Als dies geschehen war, meinte er:

»Harte Köpfe, diese Kerls! Meint Ihr, daß die Bebbeh auch solche Köpfe haben?«

»Ja.«

»Dann kommt es zum Zusammenstoße?«

»Sehr wahrscheinlich; aber ich werde doch versuchen, ihn zu verhindern.«

»Wie wollt Ihr das anfangen?«

»Zunächst kann ich nichts anderes tun, als Ahmed Azad wissen lassen, daß wir von dem geplanten Überfalle unterrichtet sind. Dann wird er ihn wahrscheinlich, wenigstens für die Nacht, unterlassen.«

»Und ihn dann aber am Tage ausführen!«

»Darauf muß ich es ankommen lassen. Vielleicht kommt mir bis dahin ein rettender Gedanke.«

»Wie aber soll dieser Kurde erfahren, daß sein Anschlag uns verraten worden ist?«

»Durch den Späher, den er heraufschicken will, um zu erfahren, ob wir schlafen und ein Feuer brennen.«

»Dem wollt Ihr es sagen?«

»Ja.«

»Wie wollt Ihr das anfangen, Master, Sihdi und Effendi?«

»Ich nehme ihn fest.«

»Ach, oh, festnehmen!«

Ich sah trotz der Dunkelheit, daß der Mund des Lords vor Entzücken sich in ein offenes Trapezoid verwandelte und daß seine Nase in selige Bewegung geriet. Er ergriff meine Hand und fuhr fort:

»Hört einmal, Ihr großer, vortrefflicher und berühmter Kara Ben Nemsi, wollt Ihr dieses Festnehmen des Kurden nicht mir überlassen? Habe während dieses ganzen, langen Rittes nichts tun können, gar nichts, und hätte doch so gern mit einem Regenwurm gekämpft, oder wenigstens einen Lindwurm totgetreten. Jetzt gibt es die schönste Gelegenheit, meine acht Finger, die mir übrig geblieben sind, um den Hals eines Bebbehkurden zu legen. Erlaubt mir das, Sir! Ich zahle Euch gern hundert oder auch noch mehr Pfund Sterling dafür!«

»Könnt es ohne Zahlung haben, Mylord. Ich will es Euch erlauben, doch unter der Bedingung, daß ich dabei bin und daß Ihr Euch nach meinen Vorschriften richtet!«

»Well, zugestanden, yes! Bebbehkurde, Finger, Hals, Vorschriften, vortrefflich, unvergleichlich! Nun geht doch endlich einmal das ordentliche, solide Leben wieder an!«

Er rief das so laut aus, daß ich ihn ersuchen mußte, ruhig zu sein. Nach einiger Zeit ging der Mond auf, und ich nahm an, daß die Kurden nun ihr Lager auf dem Wiesenplatze verlassen würden. Ich stieg also, natürlich ohne den Haddedihn von meinem Vorhaben Mitteilung zu machen, mit dem Engländer die kurze Strecke nach der Felsenenge hinab, wo wir uns verbergen wollten.

Da sie an ihrer oberen Seite von dem Feuer der Haddedihn beleuchtet wurde, so durchschritten wir sie und legten uns an ihrer untern, unbeleuchteten Seite hinter einem Gebüsche nebeneinander auf den Boden nieder. Wir konnten annehmen, daß uns der Späher hier, wo es dunkel war, nicht sehen werde.

»Ob er aber auch kommen wird?« fragte der Lord, welcher ganz erpicht darauf war, den Bebbeh in seine Hände zu bekommen.

»Jedenfalls,« antwortete ich. »Ahmed Azad, sein Scheik, hat es gesagt. Doch seid jetzt still, damit wir ihn nicht nur sehen, sondern schon vorher sein Kommen hören.«

Nun lagen wir wohl eine Viertelstunde lang. Von unten herauf erklang jenes monotone und doch so vielsagende Rauschen des Waldes, jene ergreifende Predigt von der Allmacht des Unendlichen, des Ewigen. Da hörte ich ein dumpfes Geräusch in der Tiefe.

»Horcht!« flüsterte ich dem Lord zu.

»Höre nichts,« antwortete er.

»Aber ich höre es deutlich. Es sind die Schritte der Pferde auf dem Wiesengrunde unten. Sie kommen.«

»Well! Müßt Ihr lange Ohren haben, Sir! Ich glaube, die Lappen davon hängen bis dort hinunter, wo die Kerle sich befinden. Ihr seid ein Unikum und gehört in ein Panoptikum!«

»Danke, Mylord! Nun aber aufpassen, denn es wird gar nicht lange dauern, so kommt der Späher heraufgestiegen.«

Es vergingen vielleicht fünf Minuten, so vernahm ich das Geräusch eines rollenden Steines, welcher aus seiner Lage gestoßen worden war.

»Er naht,« raunte ich dem Lord zu. »Nehmt ihn beim Halse, aber gleich so fest, daß er keinen Laut von sich geben kann!«

»Und dann?«

»Ist meine Sache.«

Jetzt hörten wir leise Schritte, und einige Augenblicke später sahen wir ihn auch. Der Mond beleuchtete ihn hell, während wir im Schatten der Felsenenge lagen. Er war wohl der beste Späher der Kurden und dennoch ein schlechter Kundschafter; ich an seiner Stelle hätte die dunklen Stellen hinter den Büschen gesucht und wäre gekrochen, während er aufrecht gegangen kam.

Seine Schritte waren langsam und bedächtig; ganz in der Nähe blieb er stehen, um zu horchen. Da er nichts Verdächtiges sah und hörte, so ging er weiter, um in die Enge einzudringen; er mußte an uns vorüber. Da gab ich dem Lord einen Stoß; er richtete seine lange Gestalt auf; der Kurde sah dieselbe so plötzlich neben sich in die Höhe ragen und wich erschrocken einen Schritt zurück; ehe er sich fassen und einen Schrei ausstoßen konnte, lagen ihm die Hände des Engländers am Halse.

»Habe ihn!« meinte Lindsay. »Was nun?«

»Herlegen.«

Ich hob dem Bebbeh die beiden Füße aus, und der Lord ließ ihn nieder; er machte keine einzige Bewegung der Gegenwehr. Ich zog mein Messer, setzte ihm die Spitze desselben recht fühlbar auf die Brust, bat Lindsay, ihm den Hals freizugeben, und bedrohte ihn:

»Sprichst du ein lautes Wort, so ersteche ich dich; hingegen wird dir gar nichts geschehen, wenn du gehorchest!«

Er röchelte eine kurze Weile und holte dann tief Atem; zu reden aber oder gar zu schreien wagte er nicht.

»Du siehst, daß du nicht immer Glück beim Spähen hast,« fuhr ich fort. »Einmal ist es dir gelungen, als du heut mit einem Gefährten zum ersten Male hier warst; jetzt aber ist's um dich geschehen, wenn du dich nicht so verhältst, wie ich es dir befehle. Beantworte meine Fragen, doch so leise, daß nur wir es hören können! Ahmed Azad lagert mit euch da unten im Tale?«

Er sagte nichts, sondern er besann sich wohl, wie er sich in seiner Lage am besten zu verhalten habe. Ich wiederholte meine Frage und ließ ihn das Messer stärker fühlen.

»Chodih (* "Herr" auf kurdisch.), stich nicht!« bat er da schnell. »Ja, wir sind da unten.«

»Wie viele Männer?«

»Zwölf.«

»Nicht mehr?«

»Nein.«

»Aber es werden noch mehr kommen?«

»Nein.«

»Ihr habt ja einen Boten fort geschickt? Wozu ist das geschehen?«

»Katera Chodeh – um Gottes willen!« stieß er hervor. »Das weißt du?«

»Ja.«

»Wer bist du, o Herr?«

»Ich denke, du kennst mich; sieh mich an!« antwortete ich, indem ich aus dem Schatten in den hellen Mondschein trat.

»Der fremde Emir mit den Zauberflinten!« sagte er im Tone des Schreckens.

»Ja, der bin ich. Beantworte meine Frage!«

Er folgte dieser Aufforderung erst nach einer Weile des Überlegens:

»Wie du es wissen kannst, das ist mir unerklärlich; aber es ist wahr; wir haben einen Boten fortgesandt; er ist zu Gibrail Mamrahsch gegangen.«

»Ah, nach dem Hause des Scheiks der Dschiafkurden? Das liegt fast anderthalb Tagereisen von hier. Was soll er dort?«

»Ja, es ist freilich weit bis dahin, aber doch der nächste Ort, an welchem wir Fleisch und Mehl bekommen können. Wir sind hierher gekommen, um unsere Andacht zu verrichten; da können wir nicht fort, um Wild zu schießen. Darum wollen wir uns bei Gibrail Mamrahsch Proviant kaufen.«

»Bei diesem? Hm! Er gehört zu den Dschiafkurden, deren Feinde ihr seid.«

»Jetzt nicht mehr, Chodih.«

»Mag sein! Ich glaube dir nicht. Nimm dich in acht! Ihr wollt uns überfallen; ich weiß es genau. Du siehst aber, daß wir diesen Zugang zur Höhe besetzt halten. Wer sich nähert, der wird erschossen.«

»Chodih, wir wollten euch nichts tun!«

»Schweig! Ich weiß es besser; ich weiß überhaupt alles. Aber auch wir sind nur der Andacht und nicht des Kampfes wegen gekommen; darum will ich gegen dich und überhaupt gegen euch anders handeln, als ich eigentlich sollte. Warum wollen wir uns gegenseitig bekämpfen, da der Rache Genüge getan worden ist? Warum soll aus dem gottgefälligen Gebete ein gottloses Schlachten und Morden werden? Stehe auf; ich gebe dich frei! Steig hinab zu Ahmed Azad, euerm Anführer, und bring ihm meine Botschaft! Ich biete ihm Frieden. Beide Teile mögen an den Gräbern für ihre Toten beten und dann diese Stätte verlassen, wann und wie es ihnen beliebt.«

»Nein, das darf nicht geschehen!« rief es da neben mir. Amad el Ghandur trat aus der Felsenenge hervor, in welcher er gesteckt hatte, und fuhr in drohendem Tone fort: »Wie kannst du, ohne mich zu fragen, über uns bestimmen! Ich sah euch beide fortgehen; ihr kehrtet nicht zurück; da dachte ich mir gleich, daß ihr etwas beabsichtiget, was gegen meinen Willen ist, und bin euch nach. Ich kam in diese Enge, hörte eure Stimmen und blieb stehen. Ich habe alles vernommen, sage dir aber, daß du kein Recht hast, den Frieden zu bieten. Ich würde mich überhaupt schämen, diese Kurdenhunde um Frieden zu bitten! Weißt du das?«

»Ich habe den Frieden angeboten, ich ihnen, sie aber nicht um denselben angebettelt. Weißt du das? Du hast dich von mir getrennt und magst es halten, wie es dir beliebt; ich werde auch tun, was ich will.«

»Gut, tue das! Aber dieser Kurde hier ist unser Gefangener; den wirst du mir übergeben!«

»Nein, das werde ich nicht. Ich habe noch nie mein Wort gebrochen, und so wird es auch jetzt bei dem bleiben, was ich gesagt habe. Er ist frei.«

»Er ist nicht frei!« rief Amad el Ghandur, indem er den Bebbeh beim Arme ergriff. »Er gehört mir, und ich schwöre dir bei Allah, daß ich – — «

»Halt, schwöre nicht!« unterbrach ich ihn. »Du würdest deinen Schwur nicht halten können.«

»Ich halte ihn und sage dir, daß ich meinem Willen selbst mit der Waffe Nachdruck geben werde!«

»Auch mir gegenüber?«

»Gegen jeden, der mir widerstrebt!«

»Gut! Ganz so, wie du willst! Wenn Freundschaft, Dankbarkeit, Vorsicht und Überlegung nichts mehr gelten, so mag das Messer zwischen uns entscheiden. Es wird heut grad so sein wie damals mit Gasahl Gaboya, und du wirst deinen Starrsinn zu bezahlen haben. Ich habe gesagt, daß dieser Kurde frei sein soll, und mein Wort darf nicht zu schanden werden. Tu die Hand von ihm!«

»Nein!« knirschte er.

»Tu sie weg, sonst schlag ich dich nieder mit dieser meiner Faust! Du kennst den Hieb!«

»Schlag her! Wage es!« drohte er mir, indem er, ohne den Kurden loszulassen, sein Messer gegen mich zückte.

Ich holte zu dem mir so geläufigen Fausthiebe aus, ließ aber den Arm rasch wieder sinken, denn da krachte ganz in unserer Nähe hinter einem Busche hervor ein Schuß und noch einer, Amad el Ghandur drehte sich, den Kurden loslassend, halb um seine eigene Achse und taumelte dann gegen den Felsen. Der Kurde entfloh; hinter dem Busche aber kamen zwei Gestalten hervorgesprungen, welche mit umgekehrten Gewehren auf mich und den Engländer eindrangen, um uns mit den Kolben niederzuschlagen.

Was man in solchen Augenblicken tut, geschieht viel, viel schneller, als man es zu erzählen vermag. Ich wartete den Hieb, der mir gelten sollte, gar nicht erst ab, sondern sprang dem ersten Angreifer entgegen, warf mich einen Schritt weit auf die Seite und stieß ihm mit aller mir zu Gebote stehenden Kraft die Faust in die Achselhöhle des hoch erhobenen linken Armes. Er ließ das Gewehr fallen, stieß einen Schrei aus und flog fünf, sechs Schritte weit fort, um dort wie ein Sack niederzustürzen.

Indessen war der zweite an den Lord gekommen und hatte zugeschlagen, aber nicht getroffen, weil der Engländer dem Hiebe ausgewichen war. Ich tat einen raschen Sprung hinzu und riß den Kurden nieder und hielt ihn fest, bis ihm der Lord das Messer und die Pistole aus dem Gürtel genommen hatte. Der Mond beschien sein Gesicht, und ich erkannte den mir damals wohlgesinnten Bruder des Scheikes Gasahl Gaboya. Er war mir, wie man sich erinnern wird, zur Dankbarkeit verpflichtet gewesen, weil ich ihn den Haddedihn gegenüber beschützt und aus der Gefangenschaft entlassen hatte; ohne mich wäre er erschossen worden.

Der andere Angreifer, den ich fortgeschleudert hatte, raffte sich auf und eilte davon. Ich hielt ihn nicht zurück, obgleich der Engländer mir zu rief:

»Dort läuft der Halunke hin. Haltet ihn fest, Sir Kara!«

»Laßt ihn laufen!« antwortete ich, »wir haben hier einen bessern und wertvolleren Mann.«

»Wen denn? Ah by god, das ist ja jener famose Scheiksbruder, den wir damals partout ermorden sollten!«

»Ja. Schnell hinein in die Enge mit ihm! Es könnten noch mehrere Kurden heraufgekommen sein! Ich nehme ihn. Nehmt Ihr Amad el Ghandur!«

»Ich brauche niemand; ich kann allein gehen,« antwortete dieser. »Du bist schuld daran, Effendi; das werde ich dir nie vergessen. Du hast mich schlagen wollen; nun bin ich verwundet. Es ist aus zwischen uns Beiden, aus für immer!«

Er taumelte in die Enge hinein. Wir Beide folgten ihm. Als wir sie passiert hatten, stießen wir auf Halef und seinen Sohn, welche herbeigeeilt waren.

»Sihdi, wir hörten Schüsse. Was ist geschehen?« rief der Hadschi.

»Ein Angriff von zwei Kurden,« antwortete ich. »Vielleicht kommen noch mehr. Steck dich mit Kara Ben Halef in die Enge, und paßt auf. Ihr schießt auf jeden Feind, der sich ihr nähert!«

Die Beiden verschwanden zwischen den Felsen. Auch die Haddedihn hatten die Schüsse gehört. Sie scharten sich am Feuer um ihren verwundeten Scheik und ließen laute Drohungen hören. Ich achtete nicht auf sie, denn ich hatte mit dem Bebbeh zu reden. Wir hielten ihn jetzt nicht mehr fest. Er lehnte am Felsen, blickte finster vor sich nieder und sagte:

»Jetzt bin ich zum zweiten Male in deine Hand geraten, o Emir.«

»Ja, und das ist mir nicht lieb. Du hast mir damals selbst gesagt, daß ich dir das Leben und die Ehre gerettet habe; ich bin dein Freund und Bruder geworden (* Siehe Bd. III, pag. 102.), und dennoch hast du vorhin auf mich geschossen!«

»Auf dich? Du irrst. Wir hatten einen Späher heraufgesandt; er blieb uns zu lange aus. Da schlich ich mich mit noch einem herauf. Ich sah euch und hörte deine friedliche Rede; ich sah ferner, daß dein eigener Freund das Messer gegen dich zückte; da schossen wir auf ihn.«

»So weißt du also, daß ich euch nicht bekämpfen will?«

»Ja.«

»Gut! Du bist noch heut wie damals mein Bruder. Ich gebe dich frei. Du kannst gehen.«

»Wirklich, Emir, wirklich?« fragte er, indem er mich ungläubig anstarrte.

»Ja.«

»Aber ¨¨¨ aber ¨¨¨ aber das tut ¨¨¨ das tut doch kein Mensch!«

»Ein Moslem allerdings nicht: aber du wirst doch wissen, daß ich ein Christ bin. Geh in Gottes Namen zu den Deinen. Draußen liegen eure Waffen; hebe sie auf, und nimm sie mit! Sag Ahmed Azad, daß ich den Frieden will! Ich werde morgen am Vormittage hinunter in euer Lager kommen und mit ihm verhandeln.«

»Das – das willst du wagen?!«

»Es ist kein Wagnis; ich weiß genau, was ich tue. Ich fürchte mich nicht vor euch, obgleich ihr uns an Zahl weit überlegen seid.«

»Das weißt du auch?«

»Ja. Euer Späher hat mich belogen. Er sagte, der Bote sei zu Gibrail Mamrahsch gegangen, um Proviant zu kaufen; das konnte er einem Andern weismachen, aber nicht mir! Der Bote hat noch mehr Krieger von euch herbeigeholt.«

»Ja, so ist es, Emir. Wir befinden uns auf einem Kriegszuge gegen die Kurden von Rummok und Piran. Ahmed Azad wich vom Wege ab, um die Gräber hier zu besuchen, und sandte uns den Boten, rasch nachzukommen, da die Haddedihn sich auch hier befänden. Unsere Krieger wollen sich rächen.«

»Wie stark sind sie?«

»Hundertzwanzig. Ihr werdet verloren sein, denn ihr habt einen schlechten Platz hier oben.«

»Ja, der Platz ist schlecht, aber desto besser sind unsere Waffen, wie du weißt. Und auch darauf kommt es nicht allein an, sondern ebenso auf den Mann, der sie trägt, auf seinen Kopf und auf die Gedanken, die sich in demselben befinden. Ich wiederhole dir, daß ich mich vor euch gar nicht fürchte. Geh hinab, und sage das den Deinen! Es ist auch für sie besser, wenn sie so tun, als ob wir uns gar nicht hier befänden. Es könnte sonst aus ihrem Kriegszuge sehr leicht eine Niederlage werden.«

Da ergriff er meine Hand und versicherte mir:

»Herr, ich habe noch keinen Menschen gekannt, der so denkt, redet und handelt wie du. Wäre ich nicht ein Bebbehkurde, so wollte ich, ich wäre ein Christ und wohnte in deinem Lande. Sind dort alle Leute so wie du?«

»Nicht alle. Es gibt überall Gute und Böse; ein Christ aber wird nie nach dem Blute seines Nächsten dürsten, auch nach demjenigen seines ärgsten Feindes nicht. Ein wahrer Christ weiß, daß die Liebe allmächtig ist und endlich allen Haß überwindet. Also geh; ich komme morgen vormittag hinab. Aber sag den Bebbeh, daß wir uns während der Nacht hier verteidigen und jeden niederschießen werden, der es wagen sollte, sich bis morgen uns zu nähern!«

»Ich werde es sagen, Emir, und es mag kommen, wie es will, so wirst du sehen, daß ich mich als Freund zu dir verhalte.«

»Auch gegen meine Gefährten?«

»Nein, denn sie sind die Feinde meines Stammes. Ihnen gegenüber bin ich zu nichts verpflichtet. Lebe wohl! Und wenn wir uns morgen wiedersehen, so wünsche ich, daß ich dir so dienen kann, wie du mild und freundlich gegen mich gewesen bist!«

Er ging, und ich gab Halef und seinem Sohne die Weisung, ihn ungehindert durchzulassen. Der Lord hatte natürlich kein Wort von unserer kurdischen Unterhaltung verstanden. Darum fragte er jetzt:

»Ihr laßt ihn fort, Sir? War es nicht besser, ihn fest zuhalten? Wir hätten in ihm einen Geisel gehabt.«

»Das durfte ich nicht, weil ich damals Freund – und Bruderschaft mit ihm geschlossen habe. Ihr könnt Euch darauf verlassen, daß er jetzt weit mehr für uns wirken wird, als er uns als Geisel hätte nützen können.«

»Well, ganz wie Ihr wollt. Aber ich hatte den andern Kerl so schön bei der Gurgel, und nun ist auch der auf und davon! Ihr seid ein ganz eigentümliches Menschenkind.«

Er hätte wohl gern weiter gesprochen, wurde aber unterbrochen, denn eben jetzt kam Amad el Ghandur rasch und in drohender Haltung auf mich zugeschritten. Sein Burnus war voller Blut; der Schuß hatte ihn in der Schulter verletzt.

»Ich sehe den Kurden nicht!« rief er mich zornig an, indem seine Augen grimmig funkelten.

»Ich auch nicht,« antwortete ich gelassen.

»Wo ist er?«

»Fort.«

»Wohin?«

»Hinunter in sein Lager.«

»Wer hat ihn fortgelassen?«

»Ich.«

»Effendi, soll ich dich niederschlagen? Dieser Hund hat auf mich geschossen, und du lässest ihn fort! Ich frage abermals, ob ich dich niederschlagen soll?«

Возрастное ограничение:
12+
Дата выхода на Литрес:
30 августа 2016
Объем:
650 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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