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Читать книгу: «Der Schut», страница 34

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»Weißt du nicht mehr, daß ich damals sein Bruder geworden bin? Er hat mir nichts getan, also habe ich ihn freigegeben.«

»Aber mich hat er töten wollen! Siehst du hier das Blut an meinem Gewande? Es schreit nach Rache!«

»Daran bist nur du allein schuld. Er wollte nichts gegen uns unternehmen; aber als er sah, daß du das Messer gegen mich, der ich sein Freund bin, erhobst, schoß er auf dich.«

»So hattest du ihn mir zu übergeben!«

»Er befand sich in meinen Händen, nicht in den deinigen. Ich konnte tun, was mir beliebte. Wenn du ihn haben willst, so hole dir ihn!«

»Wagst du wirklich, in dieser Weise mit mir zu reden! Ich frage zum dritten Male, ob ich dich niederschlagen soll?«

»Und ich antworte zum dritten Male nicht auf diese Frage. Du selbst hast gesagt, daß wir nichts mehr miteinander zu schaffen haben, also laß mich in Ruh!«

Meine Gelassenheit imponierte ihm; aber es kostete ihm dennoch gewaltige Anstrengung, seinen Grimm zu bemeistern. Die Haddedihn waren auch herbei gekommen; sie standen hinter ihm. Hätte er sie aufgefordert, mich zu packen, so weiß ich wirklich nicht, ob sie ihm gehorsam oder nicht gewesen wären. Ihr Sinn war eben auch auf Kampf und Rache gerichtet. Ich ging vorwärts, an Amad el Ghandur vorbei und mitten zwischen ihnen hindurch. Sie wagten doch nicht, mich zu hindern. Da drehte ich mich noch einmal zum Scheik zurück und sagte:

»Übrigens sprach dieser Kurde davon, daß wir verloren sind, weil wir hier einen schlechten Platz haben. Seine Truppe besteht nicht mehr aus zwölf, sondern aus hundertzwanzig Kriegern. Sieh zu, wie du mit ihnen auskommst!«

»Hundertzwanzig? Das ist Lüge!«

Ich tat, als hätte ich diese Beleidigung nicht gehört, und ging zu meinem Pferde, wo ich mich niederlegte. Später löste ich Halef und seinen Sohn ab und blieb bis zum Morgen wachend in der Felsenenge liegen.

Es war das keine gute Nacht. Es schien geradezu ein Teufel in die Haddedihn gefahren zu sein. Wie hatten sie sich über mein Kommen gefreut! Welche Achtung und Zuneigung hatten sie mir erwiesen! Und nun waren sie mir so plötzlich beinahe feindlich gesinnt. Das war der Rausch der Rache. Wer es nicht selbst erfahren hat, der kann es gar nicht glauben, welchen Einfluß sie auf einen halbwilden Menschen besitzt. Kommt es doch auch in unsern zivilisierten Ländern gar nicht selten vor, daß ein Mensch seine Ehre, sein ganzes Lebensglück von sich wirft um einer Rache willen, die nicht nur unchristlich, sondern zuweilen gerade lächerlich ist. Wenn das Christen tun, wie soll man da über einen Beduinen, Indianer, Hottentotten oder Australneger richten!

Dies waren die Gedanken, welche mich während der Nacht beschäftigten. Als es Tag geworden war, ging ich zu meinem Rih, um ihn zu füttern. Er leckte mir die Wangen und die Hände und war außerordentlich zärtlich, weil ich während der Nacht nicht bei ihm gewesen war. Er hatte sich nach mir gesehnt. Ich hatte ein Säckchen mit Datteln für ihn mitgenommen, ihm bisher aber nur wenige davon gegeben, weil wir stets Gras gefunden hatten. Hier oben gab es aber nur ein sehr spärliches Grün, und da mir ahnte, daß es heut zum Kampfe kommen und vielleicht für mich einen Grund geben werde, mich auf die Schnelligkeit und Ausdauer meines Pferdes zu verlassen, gab ich ihm alle diese Datteln zu fressen. Er war noch nie so zärtlich mit mir gewesen, rieb seinen schönen Kopf immerfort an mir und suchte mich auch von hinten mit dem Schwanze zu erreichen. Das kluge Tier wußte, daß es nicht laut werden durfte, es wollte gern vor Liebe wiehern; das merkte ich ihm an; da es sich dies aber nicht getraute, so gab es wiederholt einen Ton von sich, welcher zwischen Wiehern und Schnauben innestand. Er war mit dem Drucksen und Glucksen einer Henne zu vergleichen, welche ihre Küchlein unter ihre Flügel lockt. Wenn es nicht für lächerlich gehalten werden könnte, möchte ich fast sagen, Rih ahnte, was ihm bevorstand, wollte mir zum letzten Male seine Liebe zeigen und Abschied von mir nehmen. Ich schäme mich nicht, zu gestehen, daß mir, indem ich heut dieses schreibe, einige sehr unmännliche Tropfen aus den Augen rinnen.

Auch Amad el Ghandur hatte nicht geschlafen. Er lehnte mit dem Rücken am Grabmale seines Vaters und verfolgte meine Bewegungen mit düstern Blicken. Seine Verwundung war jedenfalls nicht leicht, und in seinen Augen flackerte es, als ob das Fieber bereits im Anzuge sei. Ich ging trotz allem, was gestern zwischen uns vorgekommen war, zu ihm hin, um mich zu erkundigen und ihm meine Hilfe anzubieten; er aber wendete sich hastig ab und sagte:

»Packe dich fort! Es soll mich nie wieder ein Christ berühren!«

Nun beorderte ich Halef wieder als Wache in die Felsenenge, hing den Stutzen über und stieg den Berg hinab, um zu den Kurden zu gehen. Halef wollte unbedingt mit; ich gab dies aber nicht zu. Das Wagnis war zu groß, als daß ich einen Andern hätte daran teilnehmen lassen mögen.

Ich huschte von Strauch zu Strauch, um nicht gesehen zu werden, denn ich wollte ganz plötzlich unter die Bebbeh treten. Da sah ich einen von ihnen an einem Baume lehnen; er blickte bergaufwärts, als ob er von dorther jemand erwarte. Es war Gasahl Gaboyas Bruder. Er wußte, daß ich kommen wollte. Harrte er auf mich? Hatte er mir etwas mitzuteilen? Ich trat hinter den Büschen hervor. Als er mich erblickte, kam er rasch auf mich zu und sagte:

»Emir, du bist mein Bruder; darum muß ich dich retten. Trenne dich schnell von den Haddedihn, sonst bist du mit ihnen verloren.«

»Warum?«

»Ihr werdet in spätestens einer Viertelstunde angegriffen werden.«

»Ihr könnt ja nicht durch die Felsenenge, welche wir verteidigen werden.«

»O, wir kommen nicht von dieser Seite.«

»Ah, so wollt ihr jenseits emporsteigen?«

»Ja. Wir haben gleich nach Tagesanbruch gesucht und eine Stelle entdeckt, an welcher wir hinauf können. Kein Beduine, welcher Bewohner der Ebene ist, könnte da empor; wir Kurden aber hausen in den Bergen und sind gute Kletterer.«

»Wir werden euch auch da empfangen!«

»Das weiß ich, nachdem ich es dir gesagt habe. Du siehst, wie dankbar ich dir bin, denn ich verrate meine eigenen Genossen. Aber es wird euch doch nichts helfen, denn ihr werdet von zwei Seiten angegriffen, auch von der Felsenenge aus.«

»Hm! Wo lagert ihr? Noch immer grad unter uns im Grunde?«

»Nein; wir sind rückwärts gegangen, halb um den Felsenberg herum. Mehr darf ich dir nicht sagen. Ich habe meine Pflicht gegen dich getan. Nun handle, wie du willst. Chodeh te bahveze . – Gott erhalte dich!«

Er wendete sich um und eilte fort. Ich stieg rasch den Berg hinan und rief, oben angekommen, den gestrigen Streit und auch das heutige Verhalten Amad el Ghandurs vergessend:

»Auf, zu den Waffen, ihr Männer! Die Bebbeh werden uns angreifen, da an dem Felsendurchgang und auch von dort her, wo sie heraufgestiegen kommen.«

Da sprang Amad el Ghandur auf und fragte: »Wo sind sie jetzt?«

»Sie haben sich nördlich halb um den Berg gezogen. Der Bruder von Gasahl Gaboya hat es mir gesagt; darum will ich, daß ihm nichts geschehe. Schießt nicht auf ihn. Schont überhaupt den Feind so viel wie möglich. Schießt sie in die Beine! Ich werde mit meinem Stutzen mich an – — «

»Schweig!« fuhr mich Amad el Ghandur an. »Was hast du uns zu befehlen! Jetzt bin ich der Gebieter, und was ich sage, das geschieht. Wir werden uns hüten, zu warten, bis sie von beiden Seiten auf uns kommen. Wir überrumpeln sie. Wir greifen sie an. Nehmt die Waffen und die Pferde, ihr tapferen Krieger der Haddedihn! Wir führen die Pferde hinab bis dahin, wo wir aufsteigen können; dann reiten wir mitten unter die Hunde hinein und – — «

»Um Gottes willen, nur das nicht!« fiel ich ihm in die Rede. »Ihr müßt – — «

»Schweig!« schrie er mich abermals an. »Meinst du, daß ich nichts vom Krieg verstehe? Wir brauchen deinen Rat und deine Hilfe nicht. Bleibe hier zurück, und erstick an deiner Klugheit und an deiner berühmten Feindesliebe. Und wenn dein Halef vergißt, daß er ein Haddedihn geworden ist und nicht zu dir, sondern zu uns gehört, so mag er mit seinem Knaben auch zurückbleiben und uns niemals wieder vor die Augen kommen. Wir brauchen keine Feiglinge bei uns!«

»Feigling? Ich?« rief Halef. »Das hat mir noch niemand gesagt! Ich werde dir zeigen, ob ich feig bin; ich reite mit!«

Er warf sein Gewehr über und ging zu seinem Pferde; sein Sohn tat dasselbe. Es war ein Augenblick größter Aufregung; ich sah, daß alle meine Vorstellungen vergeblich sein würden, und schwieg. Der Lord fragte mich nach dem Grunde des Tumultes, und ich gab ihm Auskunft.

»Machen wir mit?« erkundigte er sich.

»Hier bleiben können wir nicht.«

»Well, so sollen diese Bebbeh einen gewissen David Lindsay kennen lernen!«

»Nicht so, Mylord! Es fällt mir nicht ein, mit diesen toll gewordenen Menschen geradezu ins Verderben zu rennen. Ich möchte sie gern zurückhalten, doch Ihr seht, daß sie nicht auf mich hören. Wir reiten hinter ihnen her und werden dann ja sehen, was zu tun ist. Gott gebe einen bessern Ausgang, als ich ahne!«

Die Haddedihn drängten sich durch die Enge. Halef und sein Sohn waren die letzten.

»Sihdi,« rief er mir zu, »bist du mir bös? Soll Hanneh, die beste unter den Frauen, hören, daß ich ein Feigling bin?«

»Nein. Du mußt leider mit; deine Ehre gebietet es dir. Aber laß Kara Ben Halef bei mir zurück!«

»Nein, Effendi. Er soll ebensowenig wie ich feig genannt werden. Hadschi Halef Omar läßt seinen Namen nicht schänden. Wenn wir sterben sollten, so grüße meine Hanneh, die Rose unter den Blumen, und sage ihr, daß wir nicht vor dem Tode gezittert haben. Tröste die Gute, und lebe auch du wohl, mein lieber, lieber Herr!«

Er eilte fort. Omar Ben Sadek war bei uns geblieben.

»Nun, und du?« fragte ich ihn.

»Ich halte zu dir, denn ich bin nicht verrückt,« antwortete er. »Mögen sie mich für feig halten; mein Stolz hört nicht auf solche Leute!«

»Du hast recht. Übrigens wirst du wohl Gelegenheit finden, auch zu zeigen, daß du Mut besitzest. Kommt, wir wollen fort!«

Wir nahmen unsere Pferde bei den Zügeln und gingen. Als wir die Enge hinter uns hatten, war von den Haddedihn schon nichts mehr zu sehen; sie konnten nicht schnell genug ins Unglück gelangen. Unten im Tale angekommen, stiegen wir auf und ritten ihren Spuren nach. Wir sahen, wo die Bebbeh gelagert hatten. Die Hufstapfen ihrer Pferde führten von da aus nach Norden um den Berg herum, dessen westlicher Fuß in eine Ebene überging, deren Breite wohl über eine englische Meile betrug.

Eben bogen wir, dem Tale folgend, nach Westen ein, da hörten wir Schüsse und ein wildes Geschrei. Der Kampf hatte begonnen. Wir ritten rascher. Das Schießen dauerte fort.

»All devils!« rief der Lord, dessen sich das Kampffieber zu bemächtigen schien. »Die Kurden schlachten unsere Haddedihn bis auf den letzten Mann ab, wenn wir nicht schneller machen. Vorwärts, vorwärts!«

Er gab seinem Pferde die Sporen und flog im Galoppe davon. Omar und ich folgten ebenso rasch hinterher. Jetzt hatte das Schießen aufgehört, aber das Schreien war stärker geworden. Da öffnete sich das Tal nach der genannten Ebene, und wir sahen den Kampfplatz vor uns liegen. Hier hatten die Bebbeh gelagert; der Überfall war, wie ich vorausgesehen hatte, vollständig mißlungen. Wir sahen Tote und Verwundete liegen; diejenigen Haddedihn, welche davongekommen waren, flohen draußen über die Ebene; sie wurden von den Bebbeh verfolgt; natürlich waren diese ebenso zu Pferde. Links sah ich Amad el Ghandur auf seinem Schimmel dahinstürmen; fünf Kurden waren hinter ihm her. Der Vorderste von diesen ritt eine prächtige persische Rappstute. Das war der Scheik Ahmed Azad. Grad vor uns floh der kleine Kara Ben Halef, verfolgt von einem Kurden, der auf einem persischen Fuchse saß; auch dieses Pferd war hochedel, wie ich auf den ersten Blick sah. Hart hinter diesem ritt Halef, um seinen Sohn zu schützen, doch war sein Pferd nicht schnell genug, den Fuchs einzuholen. Auf die übrigen Reiter achtete ich nicht, denn ich sah, daß Kara Ben Halef verloren war, wenn der kräftigere Kurde ihn einholte; ich mußte ihm zu Hilfe kommen.

»Dem Knaben nach!« rief ich den Gefährten zu. »Rih, Rih, kawahm, kawahm – schnell, schnell!«

Wir flogen an dem Kampfplatze vorüber. Die wenigen Kurden, welche dort mit den Verwundeten beschäftigt waren, wollten auf uns schießen, hatten aber keine Kugeln in den Läufen. Ich sauste, ohne nach Omar und Lindsay zurückzublicken, an schreienden Kurden vorbei, die sich auf der Verfolgung befanden, achtete aber gar nicht auf sie, denn ich hatte nur den Knaben im Auge, dem der Perserfuchs immer näher kam.

Grad vor uns wurde die Ebene von einem bewaldeten Berge begrenzt, an dessen Fuß sich links ein breites Tal öffnete. In diesem verschwand jetzt Amad el Ghandur; Ahmed Azad war hart hinter ihm. Dorthin lenkte Kara Ben Halef auch, gefolgt von dem Kurden und dann von seinem Vater. Ich kam dem letzteren schnell näher. Er hörte mich kommen, drehte sich im Sattel um und rief, als er mich sah, mir zu:

»Sihdi, rette meinen Sohn! Mein Pferd ist nicht schnell genug.«

»Hat er das Geheimnis schon angewendet?«

»Nein.«

»Dann ist ja alles gut. Folge mir, und bekümmere dich um weiter nichts!«

Bei diesen Worten schoß ich an ihm vorüber. Es war, wie wenn ein Eilzug an einem Güterzug vorbeisauste. Jetzt war das Tal erreicht. Jede Sekunde brachte mich dem Fuchse näher: bald war ich nur noch wenig Pferdelängen hinter ihm. Der Reiter drehte sich um, sah mich und schrie mir hohnlachend zu:

»Bist du es, Giaur! Hole mich ein, wenn du kannst! Ich bin Nizar Hared, Gasahl Gaboyas zweiter Sohn!«

Er zog ein Pistol aus seinem Gürtel und schoß es auf mich ab, traf aber nicht. Da griff er hinter sich nach dem Schwanz seines Pferdes und rief diesem zu:

»Chadu bend, Chadu bend, ez andscha, ez andscha!«

Das war persisch und heißt zu deutsch: »Sieger, Sieger, von dannen, von dannen!« Er wendete also das Geheimnis seines Pferdes an. Als der verfolgte Knabe dies hörte, lachte er jubelnd zurück. Ich sah, daß er seinem jungen Rappen die Hand zwischen die Ohren legte; was er dazu sagte, hörte ich nicht, aber ich sah den Erfolg. Der Rappe war ein ebenbürtiger Sohn meines Rih: das Geheimnis vernehmend, schoß er mit doppelter Schnelligkeit davon, der Fuchs aber fast ebenso schnell hinter ihm her. Als der Kurde sah, daß er wahrscheinlich nach und nach zurückbleiben werde, nahm er sein Gewehr vom Rücken, um es im Reiten zu laden. Er wollte auf Kara Ben Halef schießen. Da rief ich »Rih, Rih« und legte meinem Pferde die Hand auch zwischen die Ohren. Der Rappe schnaubte tief auf und schoß dann so reißend schnell vorwärts, daß ich binnen einer Minute mich an der Seite des Kurden befand. Ein Kolbenhieb mit dem Bärentöter warf ihn von dem Pferde; er blieb wie leblos liegen. Ich rief den Knaben, und er hielt an. Hinter mir sah ich Omar Ben Sadek auf seinem Schecken; dann kamen Halef und der Engländer.

»Kommt mir schnell nach,« gebot ich Kara Ben Halef, »und bringt diesen Kurden und sein Pferd mit! Ich muß noch hinter Amad el Ghandur her.«

Nach diesen Worten sprengte ich weiter, natürlich wieder mit Anwendung des Geheimnisses. Es war mir, offen gestanden, unerklärlich, daß der sonst so tapfere Amad el Ghandur vor Ahmed Azad floh, ohne ihm standzuhalten, sah aber dann später, daß ihm sein Gewehr aus der Hand geschlagen worden war; dazu war ihm der Gürtel zersprungen und mit dem Messer und den Pistolen herabgefallen; er hatte also keine einzige Waffe in der Hand, um sich zu verteidigen, und konnte sich nur durch die Schnelligkeit seines Pferdes retten.

Leider sollte ihm diese Absicht mißlingen. Der gestrige Blutverlust hatte ihn geschwächt; dazu kam die gegenwärtige Aufregung, und wahrscheinlich war auch das Wundfieber im Anzuge. Vor seinem Verfolger herschießend, mußte er um eine scharfe Krümmung des Tales biegen. Da sah er ein langes, hohes Felsenstück quer in seinem Wege liegen; er hatte keine Zeit mehr, auszuweichen; er mußte darüber hinweg. Es fehlte ihm die Kraft, dem Pferde die notwendige Hilfe zu geben; es blieb mit den Hinterbeinen hängen und stürzte jenseits des Felsens mit ihm nieder, glücklicherweise so, daß er nicht in dem Bügel blieb, sondern abgeworfen wurde.

Ahmed Azad kam zwei Sekunden hinter ihm um die Ecke nach; er beherrschte sein Pferd so gut, daß es ihm gelang, dem Felsen auszuweichen und hinter demselben anzuhalten. Er sprang aus dem Sattel, um sich auf den am Boden liegenden, halb betäubten Haddedihn zu werfen. In diesem Augenblick hatte auch ich die Krümmung erreicht. Um dieselbe lenkend, sah ich die Beiden. Der Bebbeh zückte soeben sein Messer nach der Brust Amad el Ghandurs.

»Halt, stich nicht; es ist dein Tod!« rief ich ihm zu und nahm meinen Rih vorn fest, um über das Felsenstück zu setzen und den Bebbeh niederzureiten. Er warf das Messer weg, riß sein Gewehr, welches noch geladen war, vom Rücken und schrie mir entgegen:

»Komm heran, Hund! Du bist mein!«

Es war mir unmöglich, anzuhalten, denn eben setzte Rih zum Sprunge an. Ich sah die Mündung des Gewehres auf mich gerichtet: der Schuß krachte, grad als mein Rappe hoch empor und über den Felsen flog. Da der Bebbeh im vorhergehenden Augenblicke tiefer gezielt hatte, als ich mich infolge des Sprunges im jetzigen Momente befand, traf die Kugel nicht mich, sondern mein Pferd. Ich hatte das Gefühl, als säße ich auf einem Stuhle, gegen dessen Beine ein Schlag geführt wird, zog schnell beide Füße aus den Bügeln und wurde in einem zweiten Bogen aus dem Sattel geschleudert, während Rih sich überschlug und jenseits des Felsens liegen blieb.

Ich war außer mir, raffte mich auf und sprang, ohne auf den Kurden zu achten, zu meinem Pferde hin. Die Kugel war ihm in die Brust gedrungen; es war unrettbar verloren. Da bemächtigte sich meiner ein Grimm, wie ich ihn noch nie gefühlt hatte; er riß mich förmlich vom Pferde weg und nach dem Bebbeh hin, doch schon zu spät, denn er sprang soeben wieder auf sein Pferd. Er hatte gesehen, daß ich unverletzt geblieben war, und die Angst vor mir und meinen überlegenen Waffen trieb ihn weiter.

»Der Teufel hat dich abermals beschützt; wohne bei ihm in der Hölle!« schrie er mir noch zu; dann sauste er fort.

Die Wut, welche in mir kochte, wollte mich verführen, ihn vom Pferde zu schießen, doch hörte ich glücklicherweise selbst in diesem Augenblicke auf die Stimme der Überlegung. Tötete ich den Scheik der Kurden, so forderte ich die Blutrache noch mehr heraus; bekam ich ihn aber lebendig in die Hand, so konnte er mir als Geisel von größtem Vorteile sein. Ich mußte ihn also fangen. Aber wie? Rih konnte wohl keinen Schritt mehr tun; doch da stand ja Amad el Ghandurs Schimmelstute. Er lag noch am Boden, versuchte sich aufzurichten und stöhnte schmerzvoll:

»O Emir, ich muß etwas gebrochen haben, und dein herrlicher Rih ist tot. Räche uns an diesem Ahmed Azad!«

»Leihe mir dazu deinen Schimmel,« antwortete ich, indem ich diesen aber auch schon bestieg. »Und verrate mir sein Geheimnis; ich sage es keinem Menschen wieder; schnell, schnell!«

Was Amad el Ghandur sonst nie getan hätte, jetzt tat er es; er antwortete:

»Streiche ihm mit einem Finger dreimal quer über den Rücken des Halses und sag dazu jedesmal das Wort Adschal (* Eile.).«

Er sprach noch weiter; ich hörte es aber nicht, denn ich flog schon fort, hinter Ahmed Azad her, welcher nun aus einem Verfolger ein Flüchtling geworden war. Ich war noch nicht weit gekommen, so sah ich ihn vor mir. Weil Amad el Ghandur gestürzt und mein Pferd erschossen worden war, glaubte der Kurde, er könne nicht verfolgt werden, und ritt in langsamem Trabe, während ich galoppierte. Er sah sich nicht um und hörte mich auch nicht, weil der Boden hier weich war. Um ihn vollständig zu überrumpeln, wendete ich das Geheimnis an. Der Schimmel gehorchte und griff auf wahrhaft wunderbare Weise aus, so daß ich, als der Bebbeh endlich den Hufschlag hinter sich hörte, kaum zwanzig Pferdesprünge von ihm entfernt war. Er sah sich um und stieß einen Ruf des Entsetzens aus. Sein Schreck war so groß, daß er für einige Sekunden gar nicht daran dachte, seinen Perserrappen anzuspornen, und das war für mich genug. Ich ergriff den Bärentöter und schlug ihn im Vorübersausen mit dem Kolben desselben vom Pferde herunter.

Als es mir gelungen war, den Schimmel zu zügeln, wendete ich um und kehrte zu Ahmed Azad zurück. Sein Pferd war bei ihm stehen geblieben. Er lag an der Erde und versuchte eben, sich aufzurichten; aus seinem Munde strömte mir eine wahre Flut von Flüchen und Verwünschungen entgegen.

»Schweig, wenn dir dein Leben lieb ist!« gebot ich ihm. »Du hast mir mein Pferd erschossen. Weißt du, was das für dich bedeutet? Ein solches Pferd ist das Leben von hundert Kurden wert. Du bist mein Gefangener. Weigerst du dich etwa, mir zu gehorchen, so trifft dich mein Messer augenblicklich. Her mit den Händen, damit ich sie dir auf den Rücken binde!«

Trotz meiner Drohung widersetzte er sich, und ich hatte, da ich sein Leben schonen und ihn auch nicht verwunden wollte, Mühe, ihn zu bezwingen. Als er endlich mit gebundenen Händen und Füßen am Boden lag, sah ich Halef, seinen Sohn und Omar Ben Sadek in Karriere dahergestürmt kommen. Der erstere ritt Nizar Hareds Perserfuchs. Sie hielten bei uns an und stiegen von den Pferden. Halef ergriff meine beiden Hände und sagte:

»O Sihdi, Allah hat eine große Traurigkeit auf unsere Herzen geworfen. Rih ist tot, in seine herrliche Brust geschossen! Meine Seele will in einem Meere von Herzeleid ertrinken, aber mein Auge kann keinen einzigen Tropfen des Schmerzes finden, denn der Verlust, der uns betroffen hat, ist allzugroß. Wer ist der Hund, dessen Kugel diesen Jammer verschuldet hat? Etwa Ahmed Azad, der hier am Boden liegt, von deiner Hand gefällt? Sage es mir, damit ich ihn zwischen meinen Händen hier zermalmen und zerreißen kann!«

»Laß mich jetzt, Halef,« bat ich ihn. »Die Kugel sollte mich treffen; Rih ist für mich gestorben. Als er stürzte, mußte ich schnell weiter, und erst jetzt finde ich Zeit, daran zu denken, daß wir ihn verloren haben.«

Es war so, wie ich sagte; die volle Erkenntnis des Verlustes trat erst in diesem Augenblicke an mich heran. Ich ging seitwärts, setzte mich nieder und legte das Gesicht in beide Hände. Halefs Knabe weinte laut: sein Vater setzte sich zu mir und legte den Arm um mich; Omar entfernte sich einige Schritte, um die Strecke, welche wir durchritten hatten, übersehen zu können, und drohte in grimmigem Tone:

»Bleib ruhig sitzen, Effendi! Ich werde darüber wachen, daß ihr sicher seid. Wehe dem Kurden, welcher etwa kommt, sich an euch zu wagen! Meine Kugel sendet ihn in die tiefste Tiefe der Dschehenna hinab!«

Nach einiger Zeit kamen Amad el Ghandur und der Lord; sie brachten den gefangenen Nizar Hared geführt. Der erstere wagte es nicht, zu sprechen, denn er fühlte, daß er an allem schuld war; Lindsay aber erging sich in den sonderbarsten Ausrufungen über den Tod des Rappen. Er weinte dabei; er wollte das nicht sehen lassen, und infolgedessen gab es in seinem Gesichte ein geradezu unbeschreibliches Mienenspiel.

Eben wollte ich von meinem Platze aufstehen und sagen, daß wir zu Rih zurückkehren müßten, dessen Leiche ich den Kurden auf keinen Fall überlassen wollte, da schrie Omar laut auf:

»Maschallah, schuf, schuf, Effendi, bjidschi, bjidschi – Wunder Gottes, sieh, sieh, Effendi, er kommt, er kommt!«

»Wer, wer?« fragte ich.

»Dein Rih!«

Rih? War er nicht tot? War die Wunde nicht lebensgefährlich? Hatte ich mich getäuscht? Mit zwei, drei Sprüngen stand ich bei Omar, wo ich nach rückwärts blicken konnte. Ja, er kam, der Rappe, in langsamem Trabe, wankend und strauchelnd; die Liebe zu mir hatte ihn noch einmal auf – und mir nachgetrieben. Es war ein Anblick zum Herzbrechen. Wir sprangen ihm entgegen; aus seiner Brust floß ein fingerstarker Blutstrahl. Ich war der erste bei ihm und schlang ihm beide Arme um den Hals. Er schnaubte mich freudig an und leckte mir die Wange und den Hals; dann brach er langsam erst hinten und dann vorn zusammen. Nach einer vergeblichen Anstrengung, sich wieder aufzuraffen, hob er den schönen, kleinen Kopf, sah mit brechenden Augen zu mir auf und wieherte leise, leise und ersterbend, wie ich noch nie ein Pferd habe wiehern hören. Ich warf mich neben ihn nieder und bettete seinen Kopf an meine Brust, während Halef das rinnende Blut zu stillen suchte. Wir alle weinten, weinten so, als ob ein lieber, lieber Mensch im Sterben liege. Des Rappen Maul lag in meiner Hand; er leckte sie fort und fort, immer leiser und langsamer, bis er die Zunge nicht mehr bewegen konnte; dann noch ein letztes, sich verhauchendes Schnauben, ein krampfhaftes Zucken . – Rih war tot!

Ich nahm das Keffije (* Kopftuch.), welches ich unter dem Turban trug, hielt es an die Wunde und fing das letzte aus derselben fließende Blut auf. Dann reichte ich Halef meinen Stutzen hin und sagte:

»Hier, Hadschi, hast du dieses Gewehr. Du allein weißt außer mir, wie es gehandhabt wird. Ich will noch eine Weile bei dem Pferde bleiben. Wenn die Kurden kommen, laß keinen heran; gib jedem eine Kugel! Du weißt, ich strebe nicht nach Blut; aber dasjenige unsers Rih ist geflossen; nun ist es mir gleich, wer noch das seinige hergeben muß.«

»Ja, Effendi, bleib ruhig sitzen!« antwortete er. »Es soll dir keiner dieser Hunde zu nahe kommen. Meine Augen fließen über von den Tränen des Schmerzes; aber sie werden dennoch so scharf sein, daß jede Kugel trifft, die ich versende!«

Ich bitte, nicht allzu streng mit meiner damaligen Stimmung ins Gericht zu gehen. Ein Tier lieb zu haben, ja innig lieb zu haben, ist wohl keine Schwäche, zumal wenn es ein so edles ist, wie mein Rih gewesen war. Er hatte mit mir gehungert und gedürstet, mich durch so viele Gefahren getragen und mir so oft das Leben gerettet, auch jetzt wieder, da er an der Kugel, welche mir gegolten hatte, gestorben war. Mit Menschen, mit Freunden kann man sich entzweien, sich über sie ärgern oder betrüben; Rih hatte mir nicht ein einziges Mal Veranlassung zur Unzufriedenheit, zu einer Strafe, einem Schlage gegeben; er hatte jedes meiner Worte, jeden Wink verstanden und fast möchte ich sagen, mit freudigem Gehorsam ausgeführt; er war geradezu ein Teil von mir selbst geworden, den ich nun für immer verloren hatte. Ist es da ein Wunder, daß mir sein Tod so zu Herzen ging, daß ich wie ein Kind weinte und eine lange Zeit bei ihm saß, ohne mich um das, was um mich her vorging, zu bekümmern?

Inzwischen hatten sich diejenigen Haddedihn, welche den Bebbeh entkommen waren, bei uns eingestellt: es fehlten zwölf Mann. Wie wir dann erfuhren, waren sechs davon tot und die andern gefangen; die Bebbeh aber hatten viel schwerere Verluste gehabt.

Dann kamen die Verfolger angeritten. Als Halef ihnen einige Kugeln entgegenschickte, blieben sie halten. Diese Schüsse weckten mich aus meinem Trübsinn auf. Ich erhob mich, nahm Halef den Stutzen aus der Hand und ging den Kurden entgegen. Ich kam bis auf hundert Schritte an sie heran, ohne daß sie wagten, auf mich zu schießen.

»Steigt ab, und bleibt da, wo ihr seid!« rief ich ihnen zu. »Wir haben Ahmed Azad und Nizar Hared gefangen und werden sie augenblicklich töten, wenn ihr euch nicht friedlich verhaltet. Wir werden mit ihnen verhandeln und sie freigeben, wenn sie bereit sind, Frieden mit uns zu schließen.«

Ohne mich weiter um sie zu kümmern, kehrte ich wieder zu den Gefährten zurück und sagte zu Halef, so daß die beiden Gefangenen es hörten:

»Ich habe keine Lust, viel zu sprechen, denn Rih ist tot. Das erfordert das Leben dessen, der ihn erschossen hat. Verhandle du mit den beiden Kurden. Ich fordere die gefangenen Haddedihn zurück und auch die Toten, damit wir sie begraben können. Ich verlange ferner, daß die Bebbeh sofort diese Gegend verlassen und erst einen halben Tagesritt von hier anhalten. Und endlich müssen mir für meinen getöteten Rappen die beiden Perserpferde übergeben werden. Ich gebe den Söhnen Gasahl Gaboyas eine volle Viertelstunde Zeit; sind sie da noch nicht auf meine Bedingungen eingegangen, so werden sie hier an dieser Steineiche aufgehängt. Diesmal ist es mein voller Ernst, Halef!«

»Ja, Sihdi, Rih muß entweder ersetzt oder gerochen werden,« antwortete er. »Ich schwöre dir zu, daß ich keine Minute über eine Viertelstunde warten werde.«

Ich setzte mich wieder bei dem Rappen nieder, ohne auf das, was die Gefangenen sagten, zu achten. Dann sah ich, daß trotz meines Verbotes einer der Kurden sich von den andern trennte, um zu uns zu kommen; es war der Bruder Gasahl Gaboyas, mein Freund. Ich ließ ihn herbei. Er nahm an den Verhandlungen teil, und seinen Vorstellungen war es zu danken, daß meine Bedingungen angenommen wurden, obgleich der Verzicht auf Rache und der Verlust ihrer edlen Pferde den beiden Brüdern außerordentlich schwer ankam. Gasahl Gaboyas Bruder versprach, die Kurden als ihr einstweiliger Anführer fortzuführen. Ahmed Azad und Nizar Hared sollten bis zu unserm Aufbruche als Geiseln bei uns bleiben.

Nach kurzer Zeit zogen die Bebbeh ab, und nach abermals einer Weile kamen die von ihnen freigelassenen Haddedihn zu uns. Die Toten mußten einstweilen auf dem Kampfplatze liegen bleiben.

Wir hatten während unsers Flucht – und Verfolgungsrittes einen Kreis beschrieben, so daß wir uns jetzt an der Südseite der Felsenhöhe befanden. Ich verlangte, daß Rih hinaufgeschafft und neben Mohammed Emin begraben werde. Keiner widersprach mir, vielmehr legten alle Hand an, den schwierigen Transport auszuführen. Dann wurden auch die sechs gefallenen Haddedihn geholt, um ebenfalls da oben der Erde übergeben zu werden.

Rih wurde mit Hilfe von Holzstützen aufrecht gestellt und, gesattelt und gezäumt, wie er war, mit Steinen umgeben, wie wir einst mit Mohammed Emin getan hatten. Seine starren, einst so feurigen und verständigen, treuen Augen taten mir bitter wehe; ich drückte ihm die Lider zu. Als sich das Felsengrab über ihn geschlossen hatte, mochte ich nichts mehr von der Umgebung sehen; ich bestieg die schwarze Perserstute Ahmed Azads und ritt hinter den Kurden her, um zu erforschen, ob sie Wort halten würden.

Soll ich extra erwähnen, daß der Tod Rihs auch Halef zu Herzen ging? Der Hadschi befand sich in einem Zustande größter Aufregung. Bald schluchzte er zum Erbarmen, und bald fuhr er über Amad el Ghandur und die Haddedihn mit Vorwürfen her, gegen welche sie sich nicht zu verteidigen vermochten; er ist, grad so wie ich, noch lange Zeit innerlich krank gewesen.

Возрастное ограничение:
12+
Дата выхода на Литрес:
30 августа 2016
Объем:
650 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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