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Читать книгу: «Der Schut», страница 32

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Ich warf dem Kleinen einen anerkennenden Blick zu und fuhr fort:

»Der Auf – und Abstieg kann nur auf der Ostseite des Berges geschehen, und da treten an einer Stelle, die ihr ja kennt, weil wir sie vorhin passiert haben, die Felsen so eng zusammen, daß nur zwei Reiter nebeneinander Platz haben. Das ist eine Pforte, welche uns gefährlich werden kann.«

»Wie so?« fragte der Scheik.

»Wenn die Kurden sie besetzen, können wir nicht von hier fort.«

»Und wenn wir sie besetzen, können sie nicht herauf!« meinte er in überlegenem Tone.

»Das klingt sehr schön, ist es aber nicht. Ob wir oder sie diese Enge besetzen und ob wir sie nicht herauf oder sie uns nicht hinunter lassen, das bleibt sich sehr gleich: wir können eben nicht fort.«

»So verjagen wir sie!«

»Das würde ja eben den Kampf geben, den wir vermeiden wollen.«

»Nun, dann bleiben wir hier oben, bis ihnen die Zeit so lang wird, daß sie sich fortmachen!«

»Wird ihnen gar nicht einfallen, dies zu tun. Erstens werden sie bleiben, weil sie sich rächen wollen, und zweitens treibt sie die Not nicht fort, wie sie uns forttreiben würde.«

»Uns? – Welche Not?«

»Der Hunger. Wasser gibt es freilich; aber was sollen wir essen? Gibt es ein Wild hier oben auf der kahlen Felsenplatte? Nein. Und unser Proviant ist dermaßen zusammengeschwunden, daß ich nachher noch fortgehen muß, um irgend ein Fleisch zu schießen.«

»Du malst das so schlimm aus, weil es deine Gewohnheit ist, an alles mögliche Üble, was kommen kann, vorher zu denken. Ich sehe nicht so schwarz wie du, denn ich habe zwanzig tapfere Krieger bei mir, welche, falls wir angegriffen werden, diese Höhe wie eine Festung verteidigen werden. Und was den Proviant betrifft, so werde ich diese Männer jetzt alle auf die Jagd senden. Wir haben damals sehr reichlich Wild gefunden, und es wird wohl jetzt auch nicht weniger davon vorhanden sein.«

»Ich bitte dich, dies nicht zu tun.«

»Warum?«

»Weil es eine große Unvorsichtigkeit sein würde. Wir dürfen hier so wenig Spuren wie möglich machen; wenn aber zwanzig Männer nach allen Richtungen hier herum – und auseinanderlaufen, so müssen die Kurden, wenn sie kommen, sofort auf uns aufmerksam werden.«

»Sie werden uns auch ohnedies bemerken. Du bist, wie ich schon wiederholt gesagt habe, viel zu ängstlich.«

»Hier ist es besser, ängstlich als vertrauensselig zu sein. Ich bitte dich wirklich dringend, heute nicht hier zu bleiben! Wir müssen uns einen Lagerplatz suchen, wo wir verborgen sind und den Zugang zu dieser Höhe beobachten können.«

»Bestürme mich nicht mit dieser Bitte; ich kann sie dir nicht erfüllen. Ich gehöre hier zu meinem Vater. Wenn ihr nicht hier oben bleiben wollt, so geht, wohin ihr wollt!«

»Wir bleiben, wir bleiben!« riefen die Haddedihn einmütig.

»Hörst du es?« fragte Amad el Ghandur. »Sie bleiben bei mir; du aber hast deinen Willen und kannst dir einen anderen Lagerplatz suchen. Halef und sein Sohn werden sich wahrscheinlich zu dir halten.«

»Davon bin ich überzeugt, denn der Hadschi weiß, daß meine Ansicht eine wohlbegründete ist. Aber was könnte es nützen, wenn wir uns von euch trennten? Wir brächten uns in Sicherheit, während ihr euch in Gefahr befändet; das würde uns als Feigheit ausgelegt werden können, und um dies zu vermeiden, werden wir bleiben. Aber wenn dann eintrifft, was ich dir vorausgesagt habe, so wirf die Schuld ja nicht auf uns.«

Ich nahm meinen Henrystutzen, um mich zum Jagen zu entfernen. Als der Lord dies sah, fragte er:

»Wohin, Sir?«

»Fleisch schießen.«

»Well, gehe auch mit.«

»Es wäre mir lieber, wenn Ihr hier bliebt.«

»Aus welch einem Grunde?«

»Weil so wenig wie möglich Spuren verursacht werden dürfen.«

»Auf eine mehr kommt es doch wohl nicht an. Was macht Ihr übrigens für ein Gesicht? Ihr ärgert Euch wohl über die Haddedihn?«

»Ja.«

»Warum? Habe bemerkt, daß Ihr Euch mit dem Scheik strittet, konnte das Gerede aber nicht verstehen.«

»Ich bin darüber unwillig, daß sie hier oben bleiben wollen, während ich es unten im dichten Walde für sicherer für uns halte.«

»Wohl wegen der Bebbehkurden?«

»Ja.«

»Laßt Euch das nicht anfechten! Ob wir hier oben oder dort unten mit ihren Köpfen zusammenrennen, das ist ja ganz egal.«

»Nicht ganz, Mylord. Übrigens ist es ausgemacht worden, daß wir uns vor Feindseligkeiten möglichst hüten wollen.«

»Well, habe nichts dagegen gehabt. Aber wenn diese Kurden einmal kommen und mit uns anbinden wollen, so habe ich auch noch eine Rechnung mit ihnen auszugleichen. Diese Gentlemen haben mich um zwei Finger gebracht und außerdem um eine Ecke von meinem Kopfe. Ich will keineswegs ein Bluträcher sein, aber es klingt doch auch nicht übel, wenn man sagen kann: Auge um Auge, Zahn um Zahn, Finger um Finger, Ecke um Ecke. Wenn sie uns in Ruhe lassen, werde ich ihnen nichts tun, halten sie es aber für gut, sich mit mir zu boxen, so sollen sie Hiebe bekommen, daß die Schwarten fliegen! Also, ich darf jetzt mit Euch gehen?«

»Meinetwegen. Da Ihr Euch mit den Beduinen doch nicht recht unterhalten könnt, würde Euch hier die Zeit zu lang werden.«

»Und wer geht noch mit?«

»Halef natürlich.«

»Und sein Boy?«

»Wahrscheinlich, denn den läßt sein Vater doch nicht zurück.«

»Well, hat sehr recht. Der Junge ist ein ganz tüchtiger Kerl und will von Euch lernen. Nehmt ihn also immer mit!«

Der kleine Kara Ben Halef freute sich allerdings sehr, als er hörte, daß er mit seinem Vater uns begleiten dürfe. Wir vier stiegen den Berg hinab, nachdem ich Amad el Ghandur gebeten hatte, ja seine Leute nicht auf die Jagd gehen zu lassen. Ich traute ihm aber nicht so recht, denn seit er sich am Grabe seines Vaters befand, schien er nicht nur abermals an Rache zu denken, sondern auch gegen mich steifsinnig geworden zu sein.

Als wir unten im Tale angekommen waren, drangen wir in den Wald ein, welcher den erwähnten Höhenzug bedeckte. Dort hatte ich damals auch gejagt. Ich hatte mich für diese Richtung entschieden, weil die Kurden, wenn sie ja nahten, aus einer andern kommen mußten.

Wir hatten Glück. Halef war ein guter Jäger geworden; der Lord verstand sich auch auf das edle Waidwerk, und der kleine Kara Ben Halef machte seine Sache so gut, daß ich ihn öfters beloben konnte. Nach Verlauf von vier Stunden stiegen wir, mit reicher Beute beladen, wieder zur Felsenhöhe empor. Oben angekommen, sah ich, daß ein Feuer brannte, über welchem ein frischer Braten schmorte.

»Also ist doch jemand von euch fort gewesen?« fragte ich Amad el Ghandur. »Ich hatte doch gebeten, dies zu unterlassen!«

»Sollen wir hier sitzen und faulenzen, während ihr euch plagt?« antwortete er. »Du erlaubst diesem Knaben, Wild zu holen, und den erwachsenen Kriegern soll es nicht gestattet sein!«

»Der Knabe befand sich bei mir; da war ich sicher, daß er keinen Fehler beging.«

»Die vier Männer, welche ich fortschickte, haben auch keinen begangen.«

»Das ist fraglich. Es wäre jedenfalls besser gewesen, wenn sie den Gang unterlassen hätten.«

»Nein! Es ist im Gegenteile grad sehr vorteilhaft für uns, daß sie ihn unternommen haben, denn sie haben eine sehr wichtige Botschaft mit zurückgebracht.«

»Ah? Welche?«

»Daß die Bebbehkurden heuer nicht hierher kommen. Du siehst also, daß deine große Ängstlichkeit gar keinen Grund hatte!«

Er lächelte mich dabei ein wenig von oben herab an. Mir schien die Sache nicht ganz geheuer zu sein; darum antwortete ich:

»Von Ängstlichkeit kann keine Rede sein. Ich bin vorsichtig, aber Angst habe ich nicht. Du gebrauchst den Ausdruck »Botschaft«. Zu einer Botschaft gehören aber zwei, einer, der sie gibt, und einer, der sie weiterträgt. Von wem haben deine Leute diese Botschaft erhalten?«

»Von zwei Sorankurden.«

»Ah! Wo haben sie diese getroffen?«

»Unten am Wasser, wo der Kampfplatz war.«

»Kull Schejatin – alle Teufel!« brauste ich da auf, ganz gegen meine Gewohnheit, da ich mich sonst in jeder Lage bestrebe, gelassen zu sein. »Wer hat ihnen denn erlaubt, grad diesen Platz wieder aufzusuchen?«

»Ich!« antwortete er, indem er einen festen, beinahe herausfordernden Blick in mein Gesicht bohrte.

»So, du! Ich war aber doch schon einmal und überhaupt dagegen, diesen Ort zu besuchen. Ihr habt es doch getan, und so sollte dieser zweite Besuch wenigstens aus Achtung gegen mich vermieden werden!«

»Ich streite mich nicht mit dir. Wenn du etwas erfahren willst, so frage hier Battar; er wird dir Auskunft geben.«

Er wendete sich von mir ab. Ich antwortete ihm:

»Es ist keineswegs meine Absicht, mich mit dir zu streiten. Aber blicke dieses Grab an, in welchem dein Vater ruht; es sollte dir und euch allen eine Warnung sein. Mohammed Emin ist nur darum hier begraben, weil ihr euch damals nicht mehr nach meinen Vorschlägen richten wolltet. Ihr hattet mich freiwillig zu eurem Anführer erkoren, und so lange ihr euch nach mir richtetet, wurden alle Gefahren glücklich überwunden. Ich bin ein Christ und als solcher stets gegen das unnötige Töten eines Menschen gewesen; ihr aber lechztet damals nach Blut und empörtet euch gegen meine wohlgemeinten Ratschläge. Das rächte sich an euch, denn ihr mußtet es mit dem Blute des Scheikes Mohammed Emin bezahlen.«

Ich hielt inne. Niemand sagte ein Wort; darum fuhr ich fort:

»Jetzt habt ihr mich wieder zu eurem Anführer gewählt, ganz gegen meinen Willen, denn ich schlug Amad el Ghandur als solchen vor. Ihr seid mir gefolgt, wie ich euch führte, und es ist alles gut gegangen. Nun raucht euch plötzlich das Blut des toten Scheikes um die Köpfe; es benebelt euren Verstand und macht euch widerspenstig gegen mich. Bedenkt wohl, was ihr tut! Ich bin mit euch ausgezogen, um alle Not und Gefahr mit euch zu teilen; ich werde euch auf keinen Fall verlassen, aber wenn ich sehe, daß ihr meinen Willen nicht mehr achtet und Dummheiten begeht, welche uns unser Leben kosten können, so kann ich nicht länger euer Anführer sein.«

Amad el Ghandur kehrte mir den Rücken zu und sagte nichts; Battar aber, der Haddedihn, an welchen er mich gewiesen hatte, fuhr zornig auf:

»Dummheiten, Effendi? Wärst du es nicht, der dieses Wort sagt, so würde ich hier mit meinem Dolche antworten! Ein Krieger der Haddedihn vom Stamme der Schammar begeht keine Dummheiten!«

»Du irrst,« antwortete ich ihm ruhig. »Ich könnte euch eine ganze Reihe von großen Fehlern, ja von Dummheiten herzählen, welche von berühmten Haddedihn begangen worden sind. Wer seine Fehler nicht erkennen will, wird niemals klüger werden, und unternimmt er es gar, sie zu verteidigen, so ist es noch schlimmer mit ihm bestellt. Ich halte es für meine Pflicht, euch die Wahrheit zu sagen; wollt ihr sie nicht hören, so kann ich euch nicht helfen. Jetzt möchte ich wissen, wie ihr mit diesen sogenannten Sorankurden zusammengetroffen seid und was ihr mit ihnen gesprochen habt.«

Amad el Ghandur rührte sich noch immer nicht; seine Leute blickten finster vor sich nieder, und Battar, an welchen ich mich mit meinen letzten Worten gewendet hatte, antwortete nicht. Das Herz begann, mir wehe zu tun; ich hatte das sichere Gefühl, daß die Starrsucht dieser Leute üble Folgen haben werde. Jedenfalls hatten sie sich während meiner Abwesenheit dahin besprochen, bei einer Begegnung mit den Bebbehkurden meinen menschenfreundlichen Ratschlägen nicht zu gehorchen. Ich mußte meine Aufforderung noch einmal an Battar richten, ehe er sich herbeiließ, mir Auskunft zu erteilen:

»Wir stiegen in das Tal hinab, um am Flusse nach wildem Geflügel zu suchen; da kamen die beiden Sorankurden.«

»Saht ihr sie eher oder sie euch?«

»Wir sie.«

»Wie verhielten sie sich, als sie euch dann erblickten?«

»Sie stutzten und hielten ihre Pferde an. Wir gingen auf sie zu und winkten ihnen, daß wir friedlich gesinnt seien. Da ließen sie uns bis zu sich herankommen.«

»Wie waren sie bewaffnet?«

»Mit Gewehren, Messern und Pistolen.«

»Was hatten sie für Pferde?«

»Sehr gute. Sie begrüßten uns sehr freundlich und fragten uns, wer wir seien.«

»Antwortetet ihr ihnen darauf?«

»Nicht sogleich. Wir verlangten zuvor zu wissen, zu welchem Stamme sie gehörten. Da erfuhren wir, daß sie Sorankurden seien.«

»Habt ihr euch nach dem Lagerplatze ihres Stammes erkundigt?«

»Ja; sie weiden ihre Herden am Bela-Druz-Kanal.«

»So weit im Süden von hier? Und sie kamen von Norden? Wo waren sie gewesen?«

»Das fragten wir nicht.«

»Wo wollten sie hin?«

»Zu ihrem Stamme. Nun erst, als wir dies wußten, sagten wir ihnen, daß wir Haddedihn seien.«

»Sagtet ihr ihnen auch noch mehr?«

»Ja, denn die Sorankurden sind die Feinde der Bebbeh. Wir brauchten uns also gar nicht zu scheuen. Sie freuten sich sehr, als sie hörten, weshalb wir uns hier befinden, denn sie hatten von dem Ruhme Mohammed Emins gehört. Ja, sie waren ganz entzückt, als wir ihnen sagten, daß ein Stammesgenosse von ihnen damals hier der Führer Amad el Ghandurs geworden sei und ihn auf seinem Rachezuge begleitet habe.«

»Da habt ihr ihnen wohl erzählt, was damals hier alles geschehen ist?«

»Natürlich! Sie fühlten solche Teilnahme dafür, als ob sie selbst zu unserem Stamme gehörten.«

»Und habt ihr ihnen auch gesagt, wer jetzt hier ist?«

»Ja. Sie fragten uns danach. Wir sprachen von dir, vom Hadschi Halef Omar und seinem Sohne Kara Ben Halef, von Amad el Ghandur, von dem Inglis, welcher damals auch dabei gewesen und verwundet worden ist. Sie waren so freundschaftlich zu uns, daß sie sich sogar nach deinem berühmten Rih erkundigten, ob du wieder auf ihm reitest.«

»Da habt ihr ihnen natürlich auch die gewünschte Auskunft erteilt?«

»Ja. Sie freuten sich sehr über unsere edlen Pferde, über den jungen Hengst von Kara Ben Halef und über die Stute Amad el Ghandurs.«

»Und dann? Sprich weiter!«

»Und dann? Nun, dann ritten sie fort.«

»Wohin?«

»Zurück.«

»Zurück? Also nach Norden, woher sie gekommen waren?«

»Ja.«

»Ich denke aber doch, daß sie südwärts zu ihrem Stamme wollten?«

»Freilich wohl, Emir; aber der Eine bemerkte, während wir miteinander sprachen, daß er seinen Dolch aus dem Gürtel verloren hatte. Das war ein altes, kostbares Erbstück, welches er unmöglich aufgeben konnte. Sie mußten also zurück, um den Dolch zu suchen.«

»Aber von den Bebbeh habt ihr doch auch gesprochen. Was habt ihr da erfahren?«

»Wir sagten, daß wir auf die Ankunft der Bebbeh gerüstet seien, weil wir erfahren hätten, daß diese alljährlich hierhergekommen sind. Da sagten uns die Sorans, daß die Bebbeh heuer nicht kommen könnten.«

»Was für einen Grund gaben sie an?«

»Die Bebbeh liegen grad jetzt mit den Pirankurden vom Bulbastamm im Streite; es kann täglich ein Zusammenstoß stattfinden, und so wirst du begreifen, Effendi, daß sie keine Zeit haben, hierher zu kommen.«

»Schön! Was habt ihr noch mit ihnen gesprochen?«

»Weiter nichts. Was wir dir erzählt haben, ist alles. Nun gibst du wohl zu, daß deine Sorge umsonst gewesen ist und daß Amad el Ghandur, unser Scheik, recht gehabt hat?«

Diese Frage wurde im Tone großer Befriedigung ausgesprochen, und nun machte Amad el Ghandur endlich auch eine Bewegung; er drehte sich langsam um und warf mir einen stolzen, triumphierenden Blick zu. Ich tat, als ob ich dies nicht bemerkt hätte, und antwortete:

»Ich sehe ein, daß Amad el Ghandur sehr unrecht gehabt hat.«

Da fuhr Amad halb empor und rief mir zornig zu:

»Unrecht? Wenn du nach dem, was du jetzt gehört hast, dieses Wort aussprichst, so ist dir der Verstand abhanden gekommen, und ich sehe ein, daß es besser ist, dir das Kommando abzunehmen. Denn wenn wir uns weiter nach dir richten, können wir leicht dem Verderben entgegenreiten.«

»Ich bitte dich, dich nicht aufzuregen, sondern ruhig zu bleiben! Selbst wenn ich den Verstand verloren hätte, reichte doch der kleine Rest, welcher mir davon übrig geblieben sein würde, aus, einzusehen, daß ihr mit aller Gewalt ein böses Verhängnis auf euch herabbeschwören wollt. Wenn ihr so weiter . – — «

»Schweig!« fuhr er mich an, indem er vollends aufsprang. »Du, nur du würdest dieses böse Verhängnis sein, wenn wir weiter auf dich hören wollten. Du magst tun, was dir beliebt, und gehen, wohin du willst; wir folgen dir nicht; wir brauchen keinen andern Lagerplatz. Die Bebbeh kommen nicht. Ich gehöre an das Grab meines Vaters, ich bleibe hier!«

Ich wollte auch aufbrausen, beherrschte mich aber und sagte in ruhigem Tone:

»So laß dir doch wenigstens meine Gründe sagen, weshalb ich . – — «

»Nichts, nichts mag ich hören,« wehrte er ab, indem er mich abermals unterbrach. »Du hast uns vorgeworfen, daß unser damaliges Verhalten den Tod meines Vaters verschuldet habe. Es ist aber ganz anders: hättest du uns erlaubt, auf die Bebbeh zu schießen und ihren Scheik Gasahl Gaboya zu töten, so hätten sie nicht mehr gelebt und uns nicht verfolgen können. Du also bist schuld, du allein, ganz allein! Ich klage dich an des Todes meines Vaters und mag nichts mehr von dir wissen. Ich gebiete dir, dich von uns zu trennen!«

Er streckte den Arm befehlend aus; seine Augen blitzten; er war das lebendig gewordene Bild des rücksichtslosesten, keiner Überlegung mehr fähigen Zornes. Ich kann nicht etwa bloß sagen, daß er mir leid tat, denn das, was ich jetzt empfand, war viel, viel mehr. Seine Leute hatten sich auch von ihren Plätzen erhoben; sie waren zu ihm getreten, mir damit anzudeuten, daß sie ganz seiner Meinung seien. Nur Halef, sein Sohn, Omar Ben Sadek und der Engländer befanden sich bei mir. Sollte ich auf die schwere Anschuldigung Amad el Ghandurs antworten oder nicht? Noch war ich mit mir nicht darüber einig geworden, da sprangen Halef und Omar auf; der Erstere trat einige Schritte vor, räusperte sich, wie es so seine Angewohnheit war, und rief:

»Allah l'Allah! Welche Wunder geschehen am heutigen Tage! Die Undankbarkeit kleidet sich in das Gewand des Stolzes, und das Verdienst wird mit dem Auswurfe der Kamele und Schafe beworfen! Mein Effendi ist der Weiseste der Weisen und der Tapferste der Tapferen. Er hat für diejenigen, welche ihn begleiteten, stets wie ein Vater und eine Mutter gesorgt, für sie gewacht und alle Gefahren auf sich genommen. Ich, Hadschi Halef Omar, will hier nicht aufzählen, was er auch für euch getan hat; ihr seid ihm Dank schuldig jetzt und in alle Ewigkeit. Aber anstatt ihm diesen zu zollen, werft ihr ihm eine Anklage entgegen, welche ich augenblicklich rächen würde, wenn ich nicht einer der Eurigen geworden wäre. Nicht er hat den Verstand verloren, sondern euch ist er abhanden gekommen. Mein Effendi weiß stets, was er sagt. Er sieht jetzt eine große Gefahr voraus, eine Gefahr, in welcher ihr untergehen werdet, wenn ihr nicht auf ihn hört. Eure Köpfe sind bis heut frei gewesen von falschen Gedanken. Aber seit ihr dieses Grab erblickt habt, sind die Teufel der Blutrache über euch gekommen, haben euer Herz betört und eure Augen blind gemacht. Es ist, als ob euch ein böses Sachuna (* Hitziges Fieber.) überfallen habe, in welchem ihr tolles Zeug redet und wie unvernünftige Geschöpfe handelt. Ich bitte euch, den Effendi anzuhören! Ihr werdet ihm gewiß und sicher recht geben!«

»Nein, wir mögen nichts mehr von ihm hören!« rief Amad el Ghandur, indem er beide Hände abwehrend ausstreckte. »Er hat dein Herz betört, und du bist seines Glaubens geworden; darum redest du für ihn. Wir brauchen weder ihn noch dich. Die Blutrache ist ein heiliges Gebot; du aber bist ein von Allah Abtrünniger. Bleibe bei deinem Effendi; wir haben nichts mehr mit euch zu tun!«

Da avancierte Halef noch einen Schritt und antwortete:

»Ja, ich bin abgefallen von der Lehre, welche Blut und Rache gebietet, und ein Sohn der Liebe geworden, welche selbst den Unwürdigen umfängt. Darum will ich euch das, was ihr jetzt redet und tut, nicht entgelten lassen, sondern weiter über euch wachen, damit ihr nicht in eurem Irrtum untergeht. Hier stehe ich; ich halte zu meinem Effendi, dem ich treu sein werde, so lange ich lebe, denn ich bin Hadschi Halef Omar, der von euern grausamen und blutigen Gesetzen nichts mehr wissen mag!«

Da stellte sich Omar an seine Seite und sagte:

»Und ich bin Omar Ben Sadek, auf dessen Namen nie ein Makel lastete. Ihr habt unsern Emir Kara Ben Nemsi Effendi beleidigt; ich halte zu ihm; die Folgen aber werden über euch kommen!«

Und nun geschah etwas, was ich nicht erwartet hatte. Nämlich Halefs kleiner Sohn trat an die andere Seite seines Vaters und rief mit seiner jugendlich hellen Stimme:

»Und ich bin Kara Ben Halef und halte auch zu dem Effendi, dessen Namen ich trage. Er ist größer, als ihr alle seid!«

»Ruah ya mesach – geh, du Zwerg,« lachte Amad grimmig, »um so kleiner bist du dann! Wer unter dem Schutze eines solchen Knaben steht, kann wahrlich stolz auf seine Tapferkeit und Klugheit sein!«

»Ja, stolz bin ich allerdings,« antwortete ich, »doch nicht auf diese beiden Eigenschaften, sondern darauf, daß dieser Knabe, dessen ich mich erst seit einigen Tagen angenommen habe, trotzdem einen schärferen Blick besitzt als ihr, die ihr euch erwachsene und erfahrene Krieger nennt. Du hast mich von dir gewiesen; wohlan, ich trenne mich von euch, doch nur auf wenige Schritte, denn ich weiß, daß ihr meiner Hilfe bedürfen werdet. Du hast vorhin in deiner Halsstarrigkeit das Wort gesagt: Ich gehöre an das Grab meines Vaters; ich bleibe hier! Siehe zu, daß es nicht in der Weise in Erfüllung geht, daß du für immer hier zu bleiben hast!«

Ich wendete mich ab und führte meinen Rih von den anderen Pferden fort; das war das Zeichen der ausgesprochenen Trennung; Halef, sein Sohn und Omar holten ihre Pferde auch. Da stand der Engländer, welcher bisher, am Boden sitzend, stumm zugehört hatte, auch auf, brachte sein Pferd herbeigeführt und fragte mich:

»Hört einmal, wertester Sir Kara Ben Nemsi, was ist denn hier für ein Teufel los? Habt Ihr Euch von den Haddedihn getrennt?«

»Ja.«

»Warum?«

»Weil sie mich als Anführer abgesetzt haben. Die vier nämlich, welche vorhin auf der Jagd gewesen sind, haben zwei Bebbehkurden getroffen, welche sie aber für Sorankurden halten. Ich riet, ein anderes Lager zu beziehen; sie bleiben aber hier.«

»All Devils! Da kann es etwas absetzen, nicht? Wollt Ihr mir wohl sagen, was . – — «

»Jetzt nicht,« fiel ich ihm in die Rede, »später. Ich muß sogleich fort, den beiden Bebbeh nach, ich nehme Halef und seinen Sohn mit . – — «

»Was, diese? Warum nicht mich?« unterbrach er mich.

»Weil ich einen sichern Mann hier bei den kostbaren Pferden haben muß, und Ihr seid doch der sicherste,« antwortete ich.

»Well, schön, ich bleibe,« erklärte er sehr befriedigt, obwohl ich ihn nur deshalb nicht mitnahm, weil ich dachte, daß er da Dummheiten machen würde.

Einige Minuten später stieg ich mit Halef und seinem Sohne wieder von der Höhe ins Tal hinab. Bis wir hinunterkamen, fiel mir nichts auf, weil der Berg meist felsig war; unten aber fiel mein Auge auf die Spuren, welche die vier Haddedihn, welche jagen gewesen waren, gemacht hatten; ich sah ihre hingehende und zurückkehrende Fährte. Daneben aber gab es noch die Eindrücke zweier Menschen, welche nicht in den Felsenpfad, sondern seitwärts von demselben einbogen und da zur Höhe führten.

»Kannst du dir denken, wer hier gegangen ist?« fragte ich Halef.

»Nein, Effendi,« antwortete er. »Da du mir deine Meinung noch nicht mitgeteilt hast, weiß ich noch nicht, von welchem Gedanken ich auszugehen habe.«

»Von dem Gedanken, daß die beiden Kurden, welche sich für Sorans ausgegeben haben, Bebbehs gewesen sind.«

»Maschallah! Das denkst du?«

»Ja.«

»Aus welchem Grunde?«

»Es gibt mehrere Gründe. Zunächst gibt es keinen Stamm der Soran mehr.«

»Das ist richtig, Sihdi. Dieser Stamm ist ja von den Bebbeh vernichtet worden, so daß nur einzelne Männer übrig blieben, die sich noch heut verbergen müssen. Daran dachte ich gar nicht.«

»Wie kann also ein Stamm der Soran unten am alten Kanale Bela-Druz seine Herden weiden!«

»Dort hat es überhaupt niemals Kurden, sondern stets nur arabische Stämme gegeben. Die vier Haddedihnjäger sind schmählich belogen worden.«

»Und so dumm gewesen, die Lügen zu glauben. Die zwei Kurden waren die Kundschafter, die Quartiermacher der Bebbeh, welche heut wie alle Jahre kommen und, um sicher zu gehen, zwei Krieger vorausgesandt haben. Diese Späher haben es unsern vier Jägern natürlich sofort an den Stammeskennzeichen angesehen, daß sie Haddedihn sind und sich infolgedessen für Sorans ausgegeben; sie haben sie ausgefragt, alles erfahren und sich dann die Lüge von dem verlorenen Dolche ausgesonnen, um unauffällig wieder zurückkehren zu können. Dann haben sie an einem passenden Orte ihre Pferde versteckt und sind hierher zurückgekehrt, um sich nach oben zu schleichen und uns zu sehen. Ihre Fährte führt hier hinauf, aber nicht wieder herab; ich will doch nicht denken, daß sie noch oben sind! Bleibt hier stehen; ich muß Gewißheit haben.«

Ich schlich mich an Büschen und Felsen vorüber wieder hinauf. Es war sehr schwer, auf dem harten Boden die Spur zu verfolgen; es gelang mir aber doch. Da sah ich, daß sie uns beobachtet und vielleicht auch unsere Verhandlungen gehört und verstanden hatten, da von uns so laut und erregt gesprochen worden war; dann führte ihre Fährte seitwärts wieder in die Tiefe. Da gab es Gras; sie war also deutlich zu sehen; ich schätzte sie kaum eine Viertelstunde alt, und rief Halef und seinen Sohn herbei, um sie ihnen zu erklären. Wie stolz war der wackere Hadschi darauf, daß seinem Kara die große Ehre widerfuhr, auf dem jetzigen, gefährlichen Gange mitgenommen zu werden!

Wir folgten nun zusammen der Spur. Sie strich quer durch die andern Stapfen nach dem Begräbnisplatze am Wasser hin und führte dann nach Norden, sich erst immer nahe ans Ufer haltend. Natürlich fiel sie von nun an mit derjenigen Spur zusammen, welche die beiden Bebbeh gemacht hatten, ehe sie die vier Haddedihn trafen. Wir hatten also alte, herwärts kommende und neue, wieder zurückführende Eindrücke vor uns.

Es dauerte nicht lange, so kamen wir an ein Gebüsch, wo die Bebbeh ihre beiden Pferde versteckt gehabt hatten. Sie hatten diese natürlich hervorgeholt und wieder bestiegen. Sie waren, wie wir sahen, von hier an Galopp geritten, um den Ihrigen die wichtige Nachricht möglichst bald zu bringen. Ich erklärte im Weiterschreiten meinem kleinen Schüler alles, was ihm noch nicht verständlich war, und hatte dabei meine helle Freude über sein gutes, scharfes Fassungsvermögen.

Von dem Verstecke der Pferde aus waren wir wohl eine gute halbe Stunde lang dem Laufe des Flusses gefolgt, jede Deckung sorgfältig für uns benutzend; da kam der Wald von der Höhe herabgestiegen und bildete einen am Flusse liegenden grasigen Platz, welcher an den drei andern Seiten von Bäumen umgeben war.

»Hier müssen wir uns verstecken,« sagte ich.

»Warum grad hier?« fragte Halef.

»Weil die Bebbeh hier ihr Nachtlager aufschlagen werden.«

»Effendi, bist du allwissend?«

»Nein, aber ich ziehe aus den gegebenen Umständen meine Folgerungen. Es ist nicht mehr ganz eine Stunde bis zum Untergang der Sonne; dann müssen die Kurden lagern.«

»Werden sie nicht vielleicht weiterreiten bis in die Nähe des Felsengrabes?«

»Nein, denn es ist da noch dunkel; der Mond geht erst später auf. Vielleicht benutzen sie seinen Schein, um sich uns dann zu nähern. Jedenfalls aber bleiben sie vorerst hier.«

»Warum nicht weiter oben, so daß wir, um sie zu sehen, noch weiter zu gehen hätten?«

»Siehst du denn nicht, daß die beiden Kundschafter hier abgestiegen sind? Die vielen Stapfen sagen dir, daß sie den Platz und auch den angrenzenden Waldessaum durchsucht haben. Welch ein anderer Grund könnte hierzu vorhanden sein, als daß sie die Ihren bis hierher führen wollen?«

»Du hast recht, wie immer, Effendi. Was werden wir nun tun? Sie belauschen, um zu hören, was sie reden werden?«

»Das möchte ich allerdings sehr gern. Wollen sehen, ob sich die Möglichkeit dazu bietet. Wir verstecken uns im Walde, bis sie kommen.«

Wir drangen links in den Forst ein, bis es da ein Buschwerk gab, welches uns, als wir hineingekrochen waren, vollständig verbarg.

Ich war außerordentlich gespannt darauf, ob die Kurden wirklich da, wo ich es vermutete, anhalten würden. Halef teilte diese Neugierde und sein Sohn natürlich auch.

Da wir nichts weiter tun als warten konnten, unterhielten wir uns leise miteinander, und ganz selbstverständlich war das Verhalten der Haddedihn und ihres Scheikes der Gegenstand unseres Gespräches. Der kleine Hadschi ärgerte sich gewaltig und erging sich in den kräftigsten Ausdrücken über diese unvorsichtigen Menschen. Noch mehr aber, weit mehr, bedrückte ihn der Gedanke, daß ich so sehr gekränkt worden war. Ich mochte ihm wieder und immer wieder versichern, daß ich jetzt weder Ärger noch Kränkung fühle, sondern nur die Verpflichtung, über die Leute zu wachen, deren Augen blind und taub geworden waren, er glaubte es nicht und gab sich alle Mühe, mich zu beruhigen, zu trösten und seiner Treue und Anhänglichkeit zu versichern. Es war unendlich rührend, wie er eng neben mir lag und sich wie ein Hund an mich schmiegte, meine Hand in seinen beiden hielt und sich bemühte, seiner leisen Stimme den zärtlichsten Ausdruck zu geben. Ich brauchte weder Trost noch Beruhigung, denn ich grämte mich nicht und fühlte auch keine Erregung mehr; aber diese treue, hingebende Liebe ließ mich die Befürchtungen, welche ich hegte, weniger schwer empfinden.

Ich hatte jene unbestimmte Ahnung von dem unaufhaltbaren Nahen eines traurigen Ereignisses, welche mich noch nie betrogen hat, sondern stets in Erfüllung gegangen ist; daher die letzten Worte, welche ich Amad el Ghandur zugerufen hatte. Für mich fürchtete ich nichts, sondern es war ein Etwas in mir, welches mir sagte, daß er es sei, der sich zu hüten habe. Ich nahm mir vor, alles zu tun und selbst mein Leben zu wagen, um das Drohende von ihm abzuwenden.

Der Abend senkte sich nieder, und es wurde dunkel um uns; da hörten wir Pferdegetrappel; die Kurden kamen. Der Hufschlag ging nicht weiter; ich hatte mich also nicht getäuscht; sie hielten auf dem von mir vorher bestimmten Platze an.

»Sihdi, du hast richtig vermutet; sie steigen von den Pferden. Wollen wir hin?« fragte Halef.

»Du nicht und auch Kara Ben Halef nicht. Ihr würdet euch unnötig in Gefahr begeben, da ihr die kurdische Sprache nicht versteht. Ich gehe allein.«

»Gut; aber wenn du nicht bald wiederkommst, folge ich nach!«

»Keine Unvorsichtigkeit, Halef! Ich will sie belauschen und muß also so lange warten, bis sie von dem reden, was ich hören will. Darüber können Stunden vergehen.«

Возрастное ограничение:
12+
Дата выхода на Литрес:
30 августа 2016
Объем:
650 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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