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3.4 Das Unterrichtserlebnis: Begriffsbestimmung und Konzeptualisierung

Erklärungsansätze, die bei der Begründung individueller Unterschiede beim Fremdsprachenlernen mit dem Lern- bzw. Unterrichtserlebnis argumentieren und/oder es als Forschungsdesiderat benennen, tauchen in der Literatur immer wieder auf (vgl. u.a. Kallenbach 1996:191; Edmondson 1997:102ff.; Meißner 1997:19; Burk et al. 2001:119; Caspari 2008:22; Bär 2012:249; Beckmann 2016:351).

In der MES-Studie erfolgt die Beschreibung und Interpretation des Unterrichtserlebnisses über die Formulierung von sechs Items, die zu dem Index „Die Wahrnehmung des Unterrichts der belegten Fremdsprachen“ zusammengefasst werden (vgl. Meißner et al. 2008:85). Anhand einer vierstufigen Skala müssen die Lernenden ihre Zustimmung zu diesen Aussagen einschätzen:

1 Im Unterricht mache ich echte Fortschritte.

2 Die Übungen sind langweilig.

3 Der Unterricht macht mir immer ein bisschen Angst.

4 Ich mag die Art, wie der Lehrer diese Sprache unterrichtet.

5 Die Sprache interessiert mich wenig.

6 Ich bin froh, diese Sprache zu lernen. (ebd.: 49)

Die Zusammenstellung dieser Items zeigt, welche Vorannahmen in die Definition des Konstrukts „Unterrichtserlebnis“ eingeflossen sind. Wie in der Forschung zum Schul- und Unterrichtsklima spielt auch hier die Wahrnehmung der Lernenden eine zentrale Rolle. Berücksichtigt werden sowohl die Wahrnehmung unterrichtsmethodischer Aspekte (Item 2), der Lehrperson (Item 4), die Selbsteinschätzung (Item 1), das emotionale Erleben (Item 3) sowie die Einstellung zu einer bestimmten Fremdsprache bzw. zum Erlernen derselben (Item 5 und 6), wobei zu hinterfragen bleibt, ob die Aussagen der Items 5 und 6 wirklich dem Unterrichtserlebnis oder eher anderen Faktoren zuzurechnen sind.

Doch wenngleich die Auswahl dieser Items durchaus nachvollziehbar erscheint, bleibt ungeklärt, worauf diese beruht. Gleichzeitig werden an dieser Stelle die Grenzen eines quantitativen Vorgehens bei der Erforschung des Unterrichtserlebnisses deutlich. Denn obwohl bspw. die Beantwortung des vierten Items darüber Auskunft gibt, ob den SchülerInnen die Art der Lehrkraft beim Unterrichten der Fremdsprache gefällt, liefert es keine tieferen Einsichten, was den Lernenden genau daran gefällt. Wenn man sich dem Unterrichtserlebnis der Lernenden nähern will, ist dies also nicht hinreichend über vordefinierte Items möglich, da ein solches auf Vorannahmen der Forschenden basierendes Verständnis zu kurz greift. Nun ging es bei der MES-Studie nicht in erster Linie darum, das Unterrichtserlebnis zu erforschen, sondern die Einstellungen der SchülerInnen zu erfassen. Trotzdem wird die zentrale Bedeutung des Unterrichtserlebens bei der Erklärung von Einstellungsunterschieden als eines der zentralen Ergebnisse der Studie hervorgehoben (s.o.), sodass eine nähere Beschäftigung mit dem Konstrukt unerlässlich erscheint.

Auch Beckmann nennt „das Unterrichtserlebnis der Schüler und Studierenden“ (Beckmann 2016:9) als einen wichtigen Aspekt ihres Erkenntnisinteresses, macht in ihrer Untersuchung jedoch nicht explizit, wie sie das Unterrichtserlebnis konzeptualisiert. So lässt der Fragebogen ein Konstrukt „Unterrichtserlebnis“ vermissen und es kann nur angenommen werden, dass die Fragengruppe 9 des Schülerfragebogens auf die Erfassung des Unterrichtserlebnisses abzielt.1 Hier werden die Lernenden zunächst gebeten, die Priorisierung von Kompetenzen bzw. Unterrichtsgegenständen in allen belegten Schulfremdsprachen einzuschätzen und die Antwortalternativen „Hörverstehen, Leseverstehen, Schreiben, Sprechen, Grammatik und kulturelle Aspekte des Landes der Zielsprache“ (ebd.: 154) entsprechend ihrer Berücksichtigung im Unterricht zu sortieren. Im Anschluss an diese Frage sollen die Lernenden einschätzen, inwiefern die Prioritäten, die im Unterricht gesetzt werden, mit ihren Interessen übereinstimmen (vgl. ebd.). Das Verständnis, welches Beckmann bei der Interpretation des Unterrichtserlebnisses zugrunde legt, entspricht hier also der Frage, ob der Fremdsprachenunterricht den eigenen Interessen – im Sinne von (Kompetenz‑)Zielen – gerecht wird.

Damit sei stellvertretend auf zwei quantitativ ausgerichtete Fragebogenstudien aus dem Bereich der fremdsprachendidaktischen Forschung verwiesen, die mit dem Begriff des Unterrichtserlebnisses arbeiten, diesen jedoch nicht genauer definieren. Für eine präzise Begriffsbestimmung soll ein Rückgriff auf die Pädagogik weiterhelfen, wo die terminologische Auseinandersetzung bereits auf eine viel längere Tradition zurückblickt.

Historisch und systematisch betrachtet lassen sich die Termini „Erleben“ oder „Erlebnis“ im Bereich der Lebensphilosophie verorten und finden bereits Erwähnung in den Arbeiten von Nietzsche und Dilthey (vgl. Reinhold et al. 1999:135). Eine Zusammenschau der Verbreitung, Verwendung und Entwicklung des Begriffs legt Klaas (2013) vor.2 Dabei verweist er auf die Unterscheidung von „Erlebnis“ und „Erleben“. Während Letzteres demnach als Erlebensstrom die „fortwährende Auseinandersetzung zwischen dem Menschen und seiner Umwelt meint, stellt das Erlebnis ein singuläres Ereignis innerhalb dieses Erlebensstroms dar“ (Klaas 2013:218). Dass er für seine Studie den Begriff des Erlebens zugrunde legt, begründet er damit, dass nicht „die singuläre Episode, sondern der Erlebensstrom“ (ebd.: 222) im Fokus stehe.

Neben dieser temporären Differenzierung erscheint der zweite Aspekt seiner begrifflichen Auseinandersetzung noch wichtiger. Klaas spricht unter Bezugnahme auf das Lexikon der Pädagogik „vom Erlebnis als besonders einschneidende, existentiell bedeutsame Episode des Erlebens“ (Klaas 2013:218, Hervorh. d. Verf.). Erlebnisse zeichnen sich also ferner dadurch aus, dass wir sie als besonders eindrückliche und einprägsame Erfahrungen mit einem hohen emotionalen Beiklang wahrnehmen (vgl. Schöndorf 1995:25f.). Auch Clausen hebt diesen Punkt hervor:

Unter Umständen wird die Unterrichtswahrnehmung der Schüler auch durch einzelne kritische Unterrichtsereignisse geprägt, besonders eindrucksvolle Unterrichtsepisoden, die bei der Beurteilung erinnert werden (vgl. u.a. Weinstein, 1985). (Clausen 2002:189, Hervorh. d. Verf.)

Aus dieser Perspektive betrachtet, stellt die Bedeutungszuweisung und Beurteilung der Episode(n) durch die Lernenden ein weiteres zentrales Merkmal des Unterrichtserlebnisses dar. War in den bislang zitierten Studien von Unterrichtswahrnehmung die Rede, war damit zumeist eine wie auch immer geartete subjektive Bewertung durch die Lernenden impliziert. Folgt man jedoch dem Ansatz von Schenz (2007:172), gilt es hier zu differenzieren: „Das Erlebnis als Erleben und Beurteilen der eigenen Wahrnehmungen beinhaltet ein Gefühl.“ Zum Erlebnis wird eine Wahrnehmung demnach erst dann, wenn sie emotional geordnet, beurteilt und ihr eine Bedeutsamkeit für das eigene Handeln zugeschrieben wird (vgl. ebd.: 171). Damit unterscheidet sich Schenz auch von Reinhold et al. (1999:135), nach denen Erlebnisse sowohl bewusst oder unbewusst, reflektiert oder auch unreflektiert sein können.

Die voranstehenden Erläuterungen dienten dazu, zentrale Merkmale des Begriffs „Erlebnis“ herauszuarbeiten, welche die Grundlage für eine Definition des Unterrichtserlebnisses in dieser Arbeit bilden. So lassen sich Unterrichtserlebnisse als individuell bedeutsame Wahrnehmungen begreifen, die auf kritischen oder besonders eindrucksvollen Ereignissen innerhalb des (Fremdsprachen‑)Unterrichts basieren und vom Lernenden emotional geordnet sowie einer subjektiven Beurteilung unterzogen werden. Dabei können sowohl singuläre Ereignisse – im Sinne von Erlebnissen – als auch länger andauernde oder wiederkehrende Episoden – im Sinne eines Erlebensstroms – von Bedeutung für die SchülerInnen sein, sodass hier, wenn von Unterrichtserlebnissen die Rede ist, unabhängig von ihrer zeitlichen Dauer beide Formen impliziert sind.

3.5 Zwischenresümee und Schlussfolgerungen für die empirische Studie

Der Vergleich vorliegender Studien, die ein Erkenntnisinteresse an den Sichtweisen der SchülerInnen auf (Fremdsprachen‑)Lernen und (Fremdsprachen‑)Unterricht formulieren, zeigt, dass dabei die Perspektive der Lernenden mit ihren Unterrichtswahrnehmungen in den Fokus gerückt wird. Im Rahmen von vorwiegend quantitativen Studien wurden affektive Faktoren (Einstellungen, Motivation, Emotionen etc.) als Ergebnisse des Fremdsprachenlernprozesses zu unterschiedlichen Zeitpunkten erhoben. Der dynamische Prozess, d.h. die Entwicklungen und Veränderungen, die diesen Ergebnissen zugrunde liegen, wurden hingegen nur bedingt erfasst. Es liegen kaum Antworten vor, aufgrund welcher Bedingungen sich die Motivation, das Interesse bzw. die Einstellungen in die eine oder andere Richtung entwickeln, welche Faktoren auf die fachliche Hin- oder Abwendung in den individuellen Schülerbiografien einwirken und welche Rolle in diesem Prozess Unterrichtserlebnisse spielen. Die subjektiven Lernerfahrungen im Fremdsprachenunterricht und wie SchülerInnen diese interpretieren, bleiben bislang, wenn es um die Erklärung von Einstellungsunterschieden geht, als deren Ursache häufig unberücksichtigt. Doch nur wenn der Blick auf die fachbezogene Erlebnisgeschichte der Lernenden gerichtet wird, kann es gelingen, eben diese individuellen Bedingungszusammenhänge aufzudecken. Es fehlt demnach an empirischen Studien, die nicht nur das Wahl- bzw. Abwahlverhalten sowie die Schülersicht zu unterschiedlichen Zeitpunkten erheben, sondern auch die Ursachen stärker mit in den Blick nehmen.

Zwecks Erarbeitung einer umfassenden Strategie zur Senkung der Abwahlquote sind umfangreiche zusätzliche Studien erforderlich, die weitere Zusammenhänge zwischen der Unterrichtsgestaltung und dem Wahl- bzw. Abwahlverhalten aufzeigen. (Bittner 2003:352)

Hier erweist sich der Zugang über das individuelle Unterrichtserleben der SchülerInnen als besonders anschlussfähig und verspricht insofern neue Erkenntnisse. Indem die Frage gestellt wird, wie die Lernenden ihren Fremdsprachenunterricht wahrnehmen, ergeben sich durchaus Überschneidungen zu bereits vorhandenen Arbeiten zur Schülersicht (vgl. Kap. 3.3). Anders als in diesen Studien wird hier hingegen vielmehr die Prozessdimension und damit das Erfahrungswissen der Lernenden betont, was gleichzeitig eine andere methodische Herangehensweise erforderlich macht. Diese soll im nachfolgenden Kapitel näher erläutert werden.

II. Empirie – Konzeption und Durchführung der Studie

4. Methodologie und Methoden
4.1 Zielsetzung und Fragestellungen der empirischen Untersuchung

Wie in Kapitel 3 deutlich wurde, haben die bisherigen, vor allem quantitativen Fragebogenstudien das Erleben im Unterricht als einen wichtigen, vielleicht den entscheidenden Faktor für die Erklärung von Einstellungs- und Motivationsunterschieden herausgearbeitet. Dennoch mangelt es bislang an Studien zum Unterrichtserleben, in denen die individuellen Sichtweisen der SchülerInnen in den Mittelpunkt gerückt werden. Dabei sollten diese neben den Lehrenden und externen BeobachterInnen gleichermaßen als ExpertInnen für Unterricht betrachtet werden und als solche zu Wort kommen (vgl. Nölle 1995:22). „Auch Erklärungen für das Handeln von Schülern sind nur dadurch zu erschließen, daß deren subjektive Wahrnehmungen analysiert und dadurch Hinweise auf ihr subjektives Erleben, Erfahren, Handeln und Denken gewonnen werden.“ (ebd.: 23)

Zu verstehen, wie SchülerInnen das Erlernen der zweiten Fremdsprache erleben, um Abwahlentscheidungen besser nachvollziehen zu können, stellt insofern das Ziel der vorliegenden Untersuchung dar. Der Fokus richtet sich damit auf die Bezugnahme zur zweiten Fremdsprache Französisch und Spanisch, wobei hier besonders interessiert, welche Prozesse der fachbezogenen Abwendung sich in den Äußerungen dokumentieren und wie diese mit der Bezugnahme zur zweiten Fremdsprache bzw. zum Erlernen derselben einhergehen. Was bedeutet es für die Jugendlichen, eine zweite Fremdsprache zu lernen, welche Ziele verfolgen sie dabei? Welchen Nutzen und welche Relevanz schreiben sie dem Erlernen und Beherrschen einer zweiten Fremdsprache zu? Darüber hinaus wird der Frage nachgegangen, welche Erwartungen und Vorstellungen sie vom Lernen einer zweiten Fremdsprache haben. Indem die Fremdsprachenlernerfahrungen der SchülerInnen in den Blick genommen werden, soll es gelingen, das Unterrichtserleben der Lernenden sowie deren Deutungen und Bewertungen zu erfassen. Hier interessiert, welchen einprägsamen Erlebnissen aus dem Unterricht sie rückblickend eine Bedeutung zuschreiben und welche Unterrichtserlebnisse der Bezugnahme zum Fach zugrunde liegen. Daraus ergeben sich folgende zentrale, die Forschung leitende Fragestellungen:

 Wie erleben SchülerInnen ihren Französisch- bzw. Spanischunterricht?

 Welche Unterrichtserlebnisse bewerten sie als bedeutsam?

 Wie werden diese Erlebnisse und deren Wirkung von den SchülerInnen gedeutet?

 Welche Bedeutung schreiben SchülerInnen dem Lernen der zweiten Fremdsprache Französisch und Spanisch am Ende der Sekundarstufe I zu?

 Wie entstehen und verlaufen Prozesse der fachbezogenen Abwendung?

 Welche Auswirkungen haben die Lernerfahrungen für die SchülerInnen?

 Welche Rolle spielen in diesem Prozess individuelle Unterrichtserlebnisse?

4.2 Methodologische Vorüberlegungen

Um die Erfahrungswelt der Lernenden aus ihrer Perspektive zugänglich zu machen und einen tieferen Zugang zu den individuellen Erlebnisweisen und Innenansichten zu ermöglichen, wurde ein qualitativ-exploratives Vorgehen gewählt. Gerade wenn es um die Erhebung subjektiver Sichtweisen geht, lässt sich die Entscheidung für eine qualitative Fallstudie zunächst in Abgrenzung zum quantitativen Forschungsparadigma begründen:

Statt uns auf immer abstraktere Generalisierungen zu konzentrieren, die wir mit immer größeren Datenerhebungen zu finden hoffen, sollten wir versuchen, in intensiven Fallstudien Material zu sammeln, das Aussagen über konkrete Wirklichkeit und Wahrnehmungen dieser Wirklichkeit durch konkrete Personen zuläßt. (Abels 1975:330, zit. nach Lamnek 2010:284)

Während sich mit quantitativen Fragebogenstudien auch sehr große Datenmengen bewältigen und repräsentative Aussagen mit einer größeren Reichweite generieren lassen, ermöglichen Einzelfallstudien ein ganzheitliches Bild des beobachteten Phänomens zu zeichnen und dabei „möglichst alle für das Untersuchungsobjekt relevanten Dimensionen in die Analyse einzubeziehen“ (Lamnek 2010:273).

Bei der Erforschung der Schülersicht bringen geschlossene Fragebogenformate darüber hinaus den Nachteil mit sich, dass die Schülerantworten anhand eines theoretischen, relativ eng auf die Forscherperspektive bezogenen Konstrukts ermittelt werden (vgl. Nölle 1993:65f.). Man erhält demnach ausschließlich Antworten, die bereits im Denkhorizont des Fragers waren (vgl. Czerwenka et al. 1990:28). Auch Bocka (vgl. 2003:51) weist auf die Gefahr hin, dass durch die vorher festgelegten Antwortmöglichkeiten in quantitativen Fragebogenstudien möglicherweise Originalität und Individualität der Schülermeinungen verloren gehen und Spezifisches der Schülersicht nicht erfragt werde, zumal sich individuelle Erlebnisse und Lernerfahrungen mittels Fragebögen kaum operationalisieren und „abfragen“ lassen.

Jedenfalls erfährt man aus solchen Untersuchungen wenig über die alltäglichen Verstehens- und Handlungsmuster, die als subjektive Sichtweisen von Schule einen Teil des pädagogischen Handlungsfeldes repräsentieren. (Nölle 1993:65f.)

So finden sich zur Erforschung der Schülersicht vermehrt auch qualitative Untersuchungen mit offeneren Befragungsformen (vgl. u.a. Behrens 2011; Trautmann 2014; Palowski et al. 2014; Otto 2015). Diese erlauben vollkommen freie Aussagen der Lernenden, ohne individuelle Meinungen einzuschränken oder vorwegzunehmen. Denn darin gerade besteht das Ziel der Erhebung von Schülermeinungen: „neue Perspektiven und bisher nicht beachtete Ansichten zu finden“ (Bocka 2003:59). Vor allem in Bezug auf den Unterricht der zweiten Fremdsprachen Französisch und Spanisch liegen bislang kaum Studien vor, die Erkenntnisse liefern, wie die Jugendlichen das schulische Fremdsprachenlernen erleben. Insofern ermöglicht ein qualitativer Forschungsansatz, dieses weitgehend unbeforschte Feld zu untersuchen (vgl. Rosenthal 2014:18). Die so gewonnenen Erkenntnisse vermögen die sich bislang offenbarenden Tendenzen quantitativer Untersuchungen inhaltlich zu vertiefen und zu differenzieren.

Die Studie verfolgt keinen Anspruch auf Repräsentativität. Statt nach gemeinsam auftretenden Variablen über viele Fälle hinweg zu suchen und statistisch belegbare Zusammenhänge zwischen diesen Variablen herzustellen (vgl. ebd.: 21f.), zeichnet sich die vorliegende qualitative Untersuchung vor allem durch die detaillierte Betrachtung von Einzelfällen sowie die Konzentration auf einen spezifischen Bereich der Alltagswelt – das Erleben unterrichtlichen Fremdsprachenlernens – aus. Das Ziel dabei ist es, „die Konstruktion der Wirklichkeit zu rekonstruieren“ (Meuser 2011:140), welche die SchülerInnen in und mit ihren Handlungen vollziehen. Wirklichkeits- bzw. Sinnkonstruktionen sind den jeweiligen AkteurInnen jedoch in der Regel nicht bewusst, sodass es sich bei dem Wissen über ihre habitualisierte Alltagspraxis um ein implizites Wissen handelt. Obwohl es nicht ohne weiteres möglich ist, dieses Wissen nach Aufforderung zu verbalisieren, kann es über Methoden der empirischen Forschung zugänglich gemacht und rekonstruiert werden (vgl. ebd.: 141). Hypothesen und Theorien werden demnach nicht vorab formuliert, sondern erst im Verlauf der Auseinandersetzung mit dem empirischen Datenmaterial generiert (vgl. Bennewitz 2013:47), indem die Interaktion und Handlungspraxis bzw. das Erfahrungswissen, das für diese Alltagspraxis konstitutiv ist, rekonstruiert wird (vgl. Bohnsack 2014:12). Der Sinn, den die SchülerInnen dem Erlernen der zweiten Fremdsprache zuschreiben, kann also am ehesten dann zugänglich gemacht werden, wenn es gelingt, die entsprechenden Erfahrungen aus dem Unterricht, auf denen die Bezugnahme zum Fach beruht, zu rekonstruieren.

Dass ein solcher, eher sozialwissenschaftlicher Ansatz durchaus anschlussfähig für fremdsprachendidaktische Forschungsarbeiten ist, stellt die Arbeit von Bauer unter Beweis. Die Fallrekonstruktionen ihrer Studie zeigen,

„dass ein empirischer Zugang zu den tieferliegenden Sichtweisen der Lernenden es ermöglicht, Prozesse des Fremdsprachenlernens nicht lediglich mithilfe von psychologischen bzw. psycho-linguistischen und kognitiven Kategorien (wie z.B. Motivation, Kompetenz) zu erfassen, sondern diese auch in ihrer sozio-kulturellen und vor allem biographischen Dimension zu betrachten“ (Bauer 2015:361f.).

In der vorliegenden Studie geht es um ein Verstehen des Alltagshandelns der SchülerInnen, weshalb ihren persönlichen Ansichten und Meinungen methodologisch mit einer größtmöglichen Offenheit zu begegnen ist (vgl. Flick 2011a: 27). Für den Forschungsprozess schließt dies eine möglichst unvoreingenommene Haltung der Forscherin gegenüber dem Forschungsgegenstand ein. Unvoreingenommenheit ist dabei jedoch keineswegs gleichzusetzen mit Beliebigkeit. Bei qualitativer Forschung handelt es sich nicht um theorielose Forschung. Sowohl bei der Einarbeitung in das Forschungsfeld und damit verbunden bei der Entwicklung und Präzisierung der Fragestellung als auch für die Datenauswertung, bei der das Vorwissen einen Hintergrund bietet, um die Ergebnisse stets an die Theorie rückzubinden, dient die Kenntnis relevanter vorangegangener Forschungen als Ergänzung zu dem Prinzip der Offenheit.

Gerade aufgrund der notwendigen Offenheit im Forschungsprozess bleibt die Reflexivität der Forscherin eine weitere wichtige Bezugsnorm. Nur so kann eine größtmögliche Transparenz und intersubjektive Nachvollziehbarkeit gewährleistet werden.

Ohne Zweifel ist die intersubjektive Nachvollziehbarkeit der zentrale Wert, wenn es darum geht, die Güte einer qualitativen Forschung zu beurteilen. Dies bezieht sich auch darauf, dass die Anzahl der Fälle, die Auswahl und Gestaltung der Methoden und die Abstimmung der Methoden auf den zu untersuchenden Gegenstand von allen Kollegen und Kolleginnen, die guten Willens sind, nachvollzogen werden können. Zu dieser Nachvollziehbarkeit gehört auch, dass alle wichtigen Entscheidungen in den Forschungsberichten dargestellt werden und im Falle eines Falles auch nachgeprüft werden können. (Reichertz 2007:200)

Um diesem Gütekriterium Rechnung zu tragen, sollen alle methodischen Entscheidungen, die im Zuge der Datenerhebung und ‑auswertung getroffen wurden, nachfolgend dargestellt und begründet werden.

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