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3.3.5 Nützlichkeit und Anwendbarkeit der Fremdsprache

Die bislang dargestellten, aus Schülersicht relevanten unterrichtsimmanenten Merkmale sind für Edmondson wichtige, aber dennoch kurzfristige motivationale Einflussfaktoren beim Fremdsprachenlernen. Für ihn liegt der bedeutsamste Einflussfaktor in der Wahrnehmung der Anwendbarkeit fremdsprachlicher Kenntnisse: „Es geht um die Wahrnehmung der Relevanz der Fremdsprache für mich, es geht um die Auswirkung dieser Sprache auf mein Leben, es geht darum, wie notwendig die Fremdsprache bei der Verwirklichung anderer Ziele ist.“ (Edmondson 1996a: 80) Und in der Tat spielt die wahrgenommene Nützlichkeit und Anwendbarkeit auch für Wahl- und Abwahlentscheidungen eine nicht zu unterschätzende Rolle.1 Der Wunsch nach mehr außerunterrichtlichen Möglichkeiten zur Verwendung der Zielsprache, z.B. in Form von Reisen (möglichst mit der Klasse), bestand in einer Befragung von Englischschülerinnen und ‑schülern bei fast 70 % (vgl. Apelt & Koernig 1994b: 245).

Das Beherrschen von Fremdsprachen im Allgemeinen (vgl. Kallenbach 1996: 172; Küster 2007:213) und der französischen Sprache im Besonderen (vgl. u.a. Düwell 1979:79; Bittner 2003:344; Schumann & Poggel 2008:116f.) wird von den SchülerInnen zwar als nützlich für die schulische und berufliche Zukunft eingeschätzt, dennoch fallen die Werte in Bezug auf die Wichtigkeit und Nützlichkeit, Französisch zu lernen, insgesamt negativer aus:

Im Hinblick auf das Fremdsprachenlernen fällt beispielsweise auf, dass die Werte (M = 3.57, s = 0.62) für „Es ist wichtig, Sprachen zu lernen, um mit Menschen aus anderen Ländern kommunizieren zu können“ sehr hoch sind, während sie für das gleiche Item in Bezug auf das Französischlernen geringer (M = 2.71, s = 0.90) ausfallen. Ähnlich verhält es sich auch mit dem Wert für „Sprachen zu lernen, ist wichtig für meine Zukunft“ (M = 3.27, s = 0.77) im Vergleich zu „Französisch zu lernen, ist wichtig für meine Zukunft“ (M = 2.36, s = 0.89). (Venus 2017a: 132)

Vor allem diejenigen, die Französisch abwählen möchten, zeigen sich enttäuscht darüber, „wie wenig sie Französisch im In- und Ausland oder im schulischen Bereich verwenden können“ (Hermann-Brennecke & Candelier 1993:245), und bewerten die Sprache „als ‚nicht anwendbar‘, ‚entbehrlich‘, ‚lebensfern‘, ‚verständigungsungeeignet‘ und ‚berufsuntauglich‘“ (ebd.). In einer quantitativen Fragebogenstudie zum Frankreichbild deutscher Jugendlicher der Sekundarstufe I in Nordrhein-Westfalen gaben nur 13,5 % der Befragten an, regelmäßig in Kontakt mit französischen MuttersprachlerInnen zu stehen, 52,5 % verneinten die Frage nach Kontakten vollständig (vgl. Schumann & Poggel 2008:115). Setzt man diese Zahlen in Bezug zu der Studie von Venus (2017b), wird deutlich, dass Französisch hier hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt: Etwa zwei Drittel der Lernenden würden gerne Kontakte mit Menschen des Landes knüpfen (68,8 %), 60,3 % hätten gerne Freunde im Zielsprachenland (vgl. Venus 2017a: 131).

Erkennen die Lernenden die steigenden Anwendungsmöglichkeiten der französischen Sprache, wirkt sich dies auch positiv auf ihre Motivation und ihr Interesse am Französischunterricht aus (vgl. Düwell 1979:98f.). Wenngleich Düwell zuzustimmen ist, dass „die integrative Motivation im Lernenden nicht aufkommen kann, solange dieser mit der anderen Sprachgemeinschaft noch nicht in häufigen Kontakt getreten ist“ (ebd.: 109), kann dieses Argument beinahe 40 Jahre später jedoch nicht mehr gelten. Vor allem vor dem Hintergrund der technischen Möglichkeiten und einer zunehmenden Mobilität eröffnen sich auch für den Fremdsprachenunterricht heute zahlreiche Wege, die Anwendbarkeit und Nützlichkeit des Französischen außerhalb des Unterrichts erfahrbar zu machen. Dass jedoch die Ermöglichung von Kontakten zu Sprecherinnen und Sprechern der Zielsprache im Fremdsprachenunterricht nicht per se zu einem größeren Interesse am Fach führt, zeigt die Schweizer Studie von Niggli et al.:

Schülerinnen und Schüler aus Klassen, die angaben, im Unterricht auch Kontakte zu Menschen aufgenommen zu haben, welche die Zielsprache sprechen, äusserten – bei Kontrolle des Anfangsniveaus – am Ende des Jahres ein signifikant geringeres Interesse am Fach im Vergleich mit Schülerinnen und Schülern, in deren Unterricht diese fachdidaktische Strategie eine geringere Rolle spielte. (Niggli et al. 2007:495)

Mögliche Gründe liegen für die Autoren in dem u.U. zu hohen Komplexitätsgrad bei der Durchführung von Austauschkontakten sowie dem Streben der Jugendlichen nach selbstbestimmt bzw. autonom hergestellten sozialen Kontakten statt durch Lehrkräfte gesteuerten kommunikativen Beziehungen. Als erwartungswidrig erwies sich ebenso der Effekt des Arbeitens mit authentischen, lebensnahen Medien und Materialien im Fremdsprachenunterricht, was auf eine mangelhafte Passung mit dem Lernniveau der SchülerInnen zurückgeführt wird (vgl. ebd.: 495f.).

Obwohl die zu geringe Anwendungsorientierung des Englischunterrichts von Lernenden häufig auch bemängelt wird (vgl. Zydatis 2007:136), bleiben Französisch und Spanisch aus Sicht der Lernenden hinter dem Englischen zurück, wenn es um die Nützlichkeit von (Fremd‑)Sprachen geht (vgl. u.a. Beckmann 2016:350). Aufgrund seiner höheren Sprecherzahlen und seiner Präsenz im Alltag wird der Beherrschung der englischen Sprache der größte Stellenwert zugeschrieben (vgl. Macht & Schröder 1976:287; Kallenbach 1996:169ff.; Beckmann 2016:235)2, was dazu führt, dass eine Mehrzahl von SchülerInnen das Erlernen der englischen Sprache der französischen vorzieht (vgl. Düwell 1979:134f.; Meißner et al. 2008:105). Meißner et al. kommen gar zu dem Schluss, dass Englisch vor diesem Hintergrund „nicht länger mehr als eine (normale) Fremdsprache unter anderen gelten kann“ (2008:160). Knapp 84 % der befragten Studierenden sprechen sich in der Untersuchung von Burk et al. (2001:123) für das Englische als schulische Eingangsfremdsprache aus; nur 3,7 % würden Französisch als erste Fremdsprache bevorzugen. Doch auch wenn die Lernenden Englisch favorisieren und es nicht für realistisch halten, „dass alle EU-Bürger zwei Fremdsprachen lernen und die gewünschte Mehrsprachigkeit aktiv leben“ (Gnutzmann et al. 2012:81), geht die Überzeugung einer lingua franca Englisch nicht so weit, dass diese für sie als alleinige Verkehrssprache in Europa vorstellbar wäre.

SchülerInnen, die das Fach Französisch gegenüber Englisch bevorzugen, geben dafür als häufigsten Grund an, dass ihnen die Sprache besser gefalle bzw. schöner sei (vgl. Düwell 1979:136). Die ästhetische Dimension zählt also in der Wahrnehmung der Lernenden zu den positiv hervorzuhebenden Aspekten der französischen Sprache (vgl. u.a. Macht & Schröder 1976:288; Schumann & Poggel 2008:117; Caspari 2005:12; Venus 2017a: 131). Die Auffassung, dass es sich beim Französischen um eine schöne Sprache handelt, deren Klang die Lernenden mögen, nimmt offenbar im Verlauf der Sekundarstufe I sogar noch zu (vgl. Hermann-Brennecke & Candelier 1993:249; Bittner 2003:344). Insgesamt scheinen die romanischen Sprachen bei SchülerInnen gegenüber dem Englischen, dessen Aussprache eher als trocken wahrgenommen wird, in diesem Punkt positiver abzuschneiden (vgl. Kallenbach 1996:168).

3.3.6 Der Einfluss des Geschlechts auf die Wahrnehmung von Fremdsprachenlernen und Fremdsprachenunterricht

Verschiedene allgemeinpädagogische Studien kommen bei einem geschlechterbezogenen Vergleich der Lernerperspektive zu dem Ergebnis, dass es in Bezug auf die Unterrichtswahrnehmung insgesamt weniger Unterschiede als Gemeinsamkeiten zwischen Jungen und Mädchen gibt (vgl. u.a. Haecker & Werres 1983:69; Bocka 2003:179), sodass „das Urteil über die Schule nicht von der Geschlechtszugehörigkeit abhängig zu sein“ (Czerwenka et al. 1990:198) scheint. Und obwohl hinsichtlich der Frage, ob das Geschlecht beim Fremdsprachenlernen einen Einfluss hat, die überproportional hohen Abwahlzahlen der Jungen eine eindeutige Sprache zu sprechen scheinen, bestätigen sich die vermeintlichen Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen in Bezug auf die Wahrnehmung von Fremdsprachenlernen und ‑unterricht nicht zwangsläufig.1

Beispielsweise wird in der Untersuchung von Kallenbach (1996:192) das Geschlecht als Einflussfaktor seitens der Befragten nur zweimal erwähnt, was darauf hindeutet, dass es für die Lernenden keine besondere Relevanz für das eigene Fremdsprachenlernen besitzt. Auch die Forderung nach einem geschlechterdifferenzierenden Fremdsprachenunterricht, in dem „Jungenthemen“ gleichermaßen Berücksichtigung finden wie „Mädchenthemen“ (vgl. z.B. Schoolmann-Dogan 2007; Bonin 2009), ist zu überdenken, wenn man die Ergebnisse der Studie von Apelt und Koernig betrachtet, nach denen die Interessen und Vorlieben von Jungen und Mädchen gleichermaßen vielgestaltig und geschlechtsunspezifisch sind:

Auch wenn ein Großteil der „Mädchen-Themen“ einen allgemein sensibleren, emotionaleren Charakter zu tragen scheint, und trotz des erwartungsgemäßen ersten Ranges bei den „Jungen-Themen“ [Computer/Technik, Anm.d. Verf.], darf nicht übersehen werden, daß es im Prinzip (mit geringen Abweichungen) die gleichen Themen sind, die den Jungen und Mädchen besondere Freude bereiten. (Apelt & Koernig 1994a: 167)

Signifikante Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen stellt Düwell (1979:209) nicht über die gesamte Stichprobe hinweg fest, sondern lediglich im Bereich der instrumentellen Motivation in der achten Jahrgangsstufe der Gesamtschule, sodass diese nicht durch die Geschlechtszugehörigkeit allein erklärbar sind. Und auch wenn Mädchen sprachliche Fächer im Allgemeinen (vgl. Sambanis 2009:10) und Französisch im Besonderen eher zu bevorzugen scheinen, ihre Leistungsbereitschaft höher einschätzen (vgl. Holder 2005:299) und sie im Rahmen der MES-Studie (vgl. Meißner et al. 2008:150) in jeder der untersuchten Zonen eine positivere Einstellung zum Fremdsprachenlernen aufweisen als ihre männlichen Altersgenossen, ist zu vermuten, dass sich diese Unterschiede möglicherweise mit zunehmendem Alter der Lernenden relativieren. So zeigt die Untersuchung von Beckmann, dass das Geschlecht in der Oberstufe keinen signifikanten Einfluss auf die Einstellung zum Erlernen der Fremdsprache, die instrumentellen oder integrativen Orientierungen2 sowie die Zielsetzungskompetenz der SchülerInnen hat (vgl. Beckmann 2016:316).

Fuchs, die die geschlechterspezifische Wahrnehmung des Faches Englisch untersucht, kommt zu dem Ergebnis, dass sich Unterschiede zwischen den Sichtweisen der Jungen und Mädchen nicht oder nur mit sehr geringen Effektstärken nachweisen lassen (vgl. Fuchs 2013:326). Sowohl in Bezug auf die wahrgenommene Schwierigkeit als auch Abwechslung im Englischunterricht unterscheiden sich Jungen und Mädchen nicht. Geschlechtsbezogene Unterschiede zeigten sich nur bei den bevorzugten Sozialformen. Während die Mädchen eher kooperative Arbeitsformen präferieren, mögen die Jungen vor allem wettbewerbsorientierte Lernarrangements (vgl. ebd.: 322). Die Ergebnisse von Fuchs zeigen auch, dass Jungen sich im Vergleich zu Mädchen im Englischunterricht kompetenter wahrnehmen, und bestätigen damit die Befunde von Holder (2005:298). Unterschiede zwischen den Fremdsprachen bestehen insofern, als es im Französischunterricht die Mädchen sind, die über höhere Fähigkeitsselbstkonzepte verfügen. Während Fuchs und Holder dem Englischunterricht die gleiche Attraktivität für Jungen wie Mädchen bescheinigen, widerlegt Heinzmann (2009) in ihrer Studie mit Schweizer Grundschülern diese Geschlechtsneutralität. Bereits nach acht bis neun Monaten zeigten sich die Mädchen signifikant motivierter im Fach Englisch: „In sum, the girls enjoy their English lessons more, they feel less overburdened and less anxious to make mistakes, they learn English because they enjoy hearing or speaking it more so than the boys and they expend more effort.“ (ebd.: 28)

Dass vor allem die Wahrnehmung des Sprachenfaches Französisch von Geschlechterstereotypen geprägt ist, zeigen die Untersuchungen von Christ (1996) sowie auf internationaler Ebene3 Williams et al. (2002). Denn was, so Fuchs (2013:319f.), durch die Präsenz der englischen Sprache im Alltag für den aktuellen Englischunterricht überwunden scheint – dass sprachliche Fächer eher als weiblich attribuiert werden –, haftet dem Französischunterricht nach wie vor noch stärker an. Schüler, die sich bei der Kurswahl in der Sekundarstufe II für vermeintlich geschlechtsuntypische Fächer wie Französisch entscheiden, haben das Gefühl, unter Rechtfertigungsdruck zu geraten und mit geschlechtsstereotypen Hänseleien rechnen zu müssen (vgl. Christ 1996:23). Und auch in der Studie von Williams et al. tendierten die befragten britischen Jungen dazu, Deutsch zu lernen, weil die Sprache im Gegensatz zu Französisch eher männlich konnotiert sei (vgl. Williams et al. 2002:520). Schmenk (2002) beobachtet im Rahmen ihrer Metastudie Geschlechtsspezifisches Fremdsprachenlernen? Zur Konstruktion geschlechtstypischer Lerner- und Lernbilder in der Fremdsprachenforschung darüber hinaus auch seitens der Forschenden eine stark stereotypisierende Tendenz. Selbst wenn deren Untersuchungsergebnisse einen weiblichen Fremdsprachenvorteil nicht bestätigen, werden – ungeachtet aller Inkonsistenzen und mangelnder Nachweise – Erklärungen angeführt, die die These des erfolgreicheren weiblichen Geschlechts beim Fremdsprachenlernen reproduzieren (vgl. ebd.: 94ff.) und einen Zusammenhang zwischen dem weiblichen Image der französischen Sprache und den hohen Zahlen von Frauen in Französischkursen und/oder (besseren) Leistungen von Fremdsprachenlernerinnen herstellen (vgl. ebd.: 55f.). Die Forscherin dekonstruiert die These einer weiblichen Superiorität beim Fremdsprachenlernen (ebd.: 118ff.) und kommt zu dem Schluss,

daß die dargestellten Forschungsarbeiten zur Rolle des Geschlechts beim Fremdsprachenlernen weder den Prozeß des Fremdsprachenlernens noch Eigenschaften oder (Lern‑) Verhaltensweisen von erfolgreichen bzw. weniger erfolgreichen Fremdsprachenlernern oder gar mögliche Zusammenhänge zwischen beidem erhellen können. (Schmenk 2002:96, Hervorh. im Orig.)

Dass geschlechtsstereotype Vorstellungen keinen Einfluss auf das Fremdsprachenlernen haben, zeigt auch Heinzmann (2009). Die Annahme, die vermeintliche weibliche Überlegenheit schwäche die Motivation der Jungen, Englisch zu lernen, und stärke gleichzeitig die der Mädchen, konnte nicht bestätigt werden. 50 % der befragten Jungen geben an, der Aussage, Mädchen seien bessere Fremdsprachenlernende als sie selbst, überhaupt nicht zuzustimmen; 12,5 % bejahen diese Aussage. Und obwohl die Mädchen mit 34 % häufiger ihre Zustimmung ausdrücken, bleibt dies ohne Auswirkung auf ihre Motivation:

A belief that girls are better at language learning than boys is neither significantly correlated with girls’ motivation to learn English (rs=-.06) nor does it significantly contribute to their language learning motivation (separate regression analysis conducted with girls), but the weak relationship that exists is still a negative one. Consequently, a belief in their superior language learning capabilities does not positively affect girls’ motivation to learn English. (Heinzmann 2009:30)

3.3.7 Wahrnehmung des Fremdsprachenunterrichts im Vergleich der Jahrgangsstufen

Empirische Untersuchungen bestätigen den Eindruck zahlreicher Fremdsprachenlehrkräfte, dass „die Anfangsmotivation relativ schnell nachlasse bis zu dem absoluten Tiefpunkt in Klasse 11, in der sich die Schülerinnen und Schüler zu fast gar nichts mehr bewegen ließen“ (Caspari 2008:23). Jüngere SchülerInnen scheinen demnach noch deutlich motivierter zu sein.

Die Akzeptanz des Fremdsprachenunterrichts war in der fünften Klasse am größten. Fast 40 % der Schüler/innen bezeichneten die Fremdsprache als ihr Lieblingsfach. In Klasse 7 waren es nur noch 10 %, in den achten Klassen mit 20 % im Gesamtdurchschnitt wieder etwas mehr. (Sambanis 2009:10)

Für das Fach Französisch belegen bereits die Ergebnisse von Düwell, dass die Zahl der SchülerInnen, deren Motivation, Französisch zu lernen, abgenommen hat, im Vergleich der Jahrgangsstufen zunimmt. Zieht man die Ergebnisse aktuellerer Studien hinzu, wird deutlich, dass sich an diesen Tendenzen wenig geändert hat. Die MES-Studie wie auch die Untersuchungsergebnisse von Beckmann zeigen, dass die Anzahl an SchülerInnen, die keine weitere Fremdsprache lernen wollen, von der Jahrgangsstufe 5 über die Klasse 9 bis hin zur Oberstufe signifikant steigt (vgl. Beckmann 2016:345). Ein Drittel der Befragten gibt in der Untersuchung von Küster (2007:220) an, Französisch „abgeschrieben“ zu haben.

Zwar lässt sich anhand des Schemas (vgl. Abb. 5) ablesen, dass die Motivation von knapp drei Viertel aller Lernenden nach dem ersten Lernjahr konstant bleibt oder sogar zunimmt – in der zehnten Klasse gilt dies jedoch nur noch für weniger als zwei Drittel der Schülerschaft.

Abbildung 5:

Entwicklung der Motivation zwischen den Jahrgangsstufen 8 und 10 im Fach Französisch (vgl. Düwell 1979: 110)1

Vergleicht man nun die Zahlen der Zu- und Abnahme genauer, fällt auf, dass in der achten Klassenstufe mit 34,9 % mehr Lernende angeben, motivierter als zu Beginn des Französischunterrichts zu sein, als diejenigen, die bereits weniger motiviert als am Anfang waren. Zwei Jahre später ist es nur noch ein Drittel (30,2 %), das einen Anstieg der Motivation verzeichnen kann, während knapp die Hälfte der Lernenden eine Abnahme der eigenen Motivation feststellt. Betrug dieser Wert in der achten Klasse, d.h. im zweiten Lernjahr bereits 28,3 %, stiegen die Zahlen in der Klassenstufe 10 weiter auf 43,1 % (vgl. Düwell 1979:110). Eng verbunden mit der Abnahme der Motivation ist die Bereitschaft zum Erlernen weiterer Fremdsprachen, die mit zunehmender Sprachlernerfahrung ebenfalls abnimmt. Die in der Studie von Düwell (1979:120) befragten Zehntklässler schätzen ihre Lernbereitschaft und ihren Lernerfolg im Fach Französisch insgesamt negativer ein als die Lernenden der achten Jahrgangsstufe.

Dass Französisch mit zunehmender Lernzeit in der Wahrnehmung der Lernenden schlechter abschneidet als Englisch, verdeutlichen u.a. die Ergebnisse der MES-Studie. Sinkendes Interesse sowie die abnehmende Leistungsbereitschaft sind bei den Französischlernenden in der neunten Klasse deutlich ausgeprägter als im Fach Englisch (vgl. Meißner et al. 2008:105). Dies bestätigt auch die Studie von Beckmann. Während in der Oberstufe 57,01 % der EnglischschülerInnen „bereit sind, freiwillig überdurchschnittlich viel Arbeit in das Erlernen der Fremdsprache zu investieren“ (Beckmann 2016:242), sind es im Französischunterricht beinahe nur halb so viele (30,13 %). Das Fach Spanisch, für das 51 % der SchülerInnen bereit sind, freiwillig zusätzliche Arbeit zu investieren, schneidet besser ab (vgl. ebd.). Es ist sehr wahrscheinlich, dass hier ein Zusammenhang mit der wahrgenommenen Nützlichkeit der verschiedenen Fremdsprachen besteht. Während in den hessischen Stichproben der MES-Studie 98 % der Fünftklässler angaben, Englischlernen sei nützlich, waren es in der Jahrgangsstufe 9 immerhin noch 90 %. Demgegenüber liegt der Wert für Französisch in der neunten Klasse bei nur 33 % (vgl. Meißner et al. 2008:69). Zusätzlich erschwert sicher auch das spätere Einsetzen des Französischen bzw. der zeitliche Vorsprung im Englischen die Position der zweiten Fremdsprache. Düwell (2002:177) spricht in diesem Zusammenhang von motivationalen Interferenzen: „Das lernende Subjekt bildet in einem solchen auf mehrere Sprachen bezogenen Lernprozess Präferenzen für z.B. eine (oder zwei) Sprache(n), was demotivierende Folgen für die verbleibende(n) Sprache(n) haben kann.“ Der Lernfortschritt in der ersten Fremdsprache Englisch wird als Maßstab für das Erlernen der zweiten oder weiteren Fremdsprachen angelegt. Dabei wird der vermeintlich höhere Schwierigkeitsgrad der romanischen Sprachen Spanisch und Französisch oftmals als frustrierend wahrgenommen.

Dies bedeutet, daß der Lernende, z.B. in Klasse 8, im Englischunterricht die Fremdsprache bereits relativ komplex anwenden kann, während er sich im Französischunterricht noch sehr stark in der lehrwerkbezogenen Anfangsphase befindet. Die größere Anwendungsmöglichkeit der englischen Sprache, die aus dem Lernvorsprung resultiert, dürfte dabei die Lernmotivation für den Erwerb dieser Sprache anregen und gleichzeitig die Lernmotivation der Schüler im Fach der zweiten Fremdsprache (hier Französisch) hemmen. (Düwell 1979:215)

Ohne Zweifel ist die sinkende Motivation jedoch auch ein Ergebnis des Unterrichts selbst, da das Bild des Französischunterrichts in der Jahrgangsstufe 9 signifikant gegenüber dem des Englischunterrichts, welches positiv bleibt, verliert (vgl. Meißner et al. 2008:104). Hier bestätigt die MES-Studie die Ergebnisse von Düwell. Während in der achten Klasse 40,9 % der Befragten den Englischunterricht interessanter als den Französischunterricht bewerten, sind es in der Jahrgangsstufe 10 bereits 53 %. Umgekehrt sinkt die Zahl derer, die den Französischunterricht interessanter als den Englischunterricht einschätzen, von 28,3 % in Klasse 8 auf 20,4 % in Klasse 10 (vgl. Düwell 1979:144).

Auch wenn der Schwierigkeitsgrad der Fremdsprachen im Verlauf der Jahrgangsstufen deutlich höher wahrgenommen wird, schneidet Französisch gegenüber Englisch hier besser ab. Fast zwei Drittel (64,1 %) der in der Studie von Hermann-Brennecke und Candelier (1993:250) befragten 518 SchülerInnen empfinden Englisch in der Jahrgangsstufe 8 schwerer als zu Beginn. Nur 33,9 % geben an, dass Englisch leichter sei. Im Fach Französisch halten 52,8 % der fortgeschrittenen Lernenden die Sprache für schwerer, 45,3 % für leichter. Insgesamt kommen die Forschenden zu dem Ergebnis, dass Französischlernende im Hinblick auf die erwartete Lernbarkeit der Sprache weniger enttäuscht sind als in Englisch.

Der Blick auf die Wahrnehmung des Fremdsprachenunterrichts über die Jahrgangsstufen hinweg weist insofern auf Veränderungen hin. Deutlich wird, dass sich die Motive für die Wahl oder Abwahl einer bestimmten Fremdsprache im Laufe der Sekundarstufe I sowie der Einfluss von unterrichtsexternen hin zu unterrichtsimmanenten Faktoren verschieben:

Während bei Eintritt in die Sekundarstufe und zu Beginn des Fremdsprachenunterrichts schulisches und berufliches Nützlichkeitsdenken dominieren, treten nun die Auswirkungen der persönlichen Begegnung mit dem fremdsprachlichen Medium in den Vordergrund. (Hermann-Brennecke & Candelier 1993:240)

Durch die voranstehenden Darstellungen wurde deutlich, dass die Einstellungen zum Fremdsprachenlernen, das Interesse, die Leistungsbereitschaft und die Motivation im Fremdsprachenunterricht von zahlreichen, auch außerunterrichtlichen Faktoren (z.B. schulsprachenpolitische Rahmenbedingungen, Auslandsaufenthalte, Familie etc.) beeinflusst werden. Dennoch sind es vor allem unterrichtsimmanente, im Rahmen des schulischen Fremdsprachenunterrichts gemachte Lernerfahrungen, die Einfluss auf die Sprachlernhaltung nehmen. Zwischen Merkmalen der schulischen Lernumwelt (z.B. Vertrauen in die Lehrperson, Fach- und Unterrichtskompetenz der Fremdsprachenlehrkraft, Leistungsdruck im Fremdsprachenunterricht, Konkurrenzstreben und Anerkennung durch MitschülerInnen) und den verschiedenen motivationalen Orientierungen bestehen stärkere Wechselwirkungen, als dies bei Merkmalen der familiären Lernumwelt (z.B. Fremdsprachenkenntnisse der Mutter, Stellenwert des Fremdsprachenunterrichts für die Eltern sowie Häufigkeit der Konflikte wegen ungenügender Schulleistungen) der Fall ist (vgl. Holder 2005:162ff.).

Es konnte außerdem gezeigt werden, dass sich die Bewertung des Unterrichts im Verlauf der Sekundarstufe I verschlechtert, weshalb Caspari (2008:22) die Abwahl der zweiten Fremdsprache Französisch auch als „Ergebnis von mehreren Jahren erlebten Unterrichts“ bewertet. Auch Meißner et al. stellen die Sprach(en)lernerfahrung in der Jahrgangsstufe 9 als den Faktor heraus, der den größten Einfluss auf die Sprachlernhaltung hat: „Die positivsten Attitüden waren bei jenen Schülern zu beobachten, die auch ein positives Unterrichts- und Lernerlebnis nachwiesen.“ (Meißner et al. 2008:79, Hervorh. d. Verf.) Nachfolgend soll deshalb der Begriff „Unterrichtserlebnis“ näher beleuchtet werden.

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