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I. Grenzpreisberechnung
1. Erläuterung
a) Zweckadäquanzprinzip

„Bewertung [ist] nur als Vergleich möglich“, indem der potenzielle „Preis des Bewertungsobjekts anhand des Preises eines (geeigneten) Vergleichsobjekts“ bestimmt wird. Dabei wird rasch offensichtlich, dass es den einen, richtigen Unternehmenswert nicht geben kann. Ein „Bewertungsobjekt kann grundsätzlich [schon] so viele unterschiedliche Werte haben, wie sich unterschiedliche Vergleichsobjekte denken lassen“15. Zudem ist die Unternehmensbewertung subjektiv und unsicher. Jeder (potenzielle) Investor hat unterschiedliche Möglichkeiten, die Nettocashflows eines Unternehmens positiv (oder auch negativ) zu beeinflussen. Jeder hat unterschiedliche Erwartungen über die Entwicklung der Umweltfaktoren (z.B. Euroentwicklung), der Branche, in der sich das Unternehmen bewegt, und der Konkurrenten und Produkte, mit denen es zu tun hat. Daraus ergeben sich ganz verschiedene Schätzungen der zukünftigen Ein- und Auszahlungen. Jeder (potenzielle) Investor hat ganz eigene Vorstellungen über die Höhe der Wahrscheinlichkeit, mit der mögliche Szenarien eintreten werden, und gewichtet sie aufgrund seiner individuellen Risikoneigung. Auch stehen jedem Investor unterschiedliche differenzierte Anlageportfolios offen. Bei dem einen Investor fügt sich z.B. das (neue) Unternehmen ideal in das vorhandene Investitionsportfolio ein und schafft allein dadurch einen Mehrwert. Ein anderer Investor betreibt vielleicht schon ein anderes Unternehmen (z.B. Ökogeschäft) und muss bei dem Kauf des neuen Unternehmens (z.B. Sportwagenhersteller) mit negativen Synergien rechnen, weil sich seine Stammkunden an dem hinzuerworbenen Geschäftsmodell stören und abwandern. Schließlich verfügt jeder (potenzielle) Investor über eine für ihn beste alternative Mittelanlage, die den Wert der Unternehmenscashflows berührt. Nicht zuletzt werden Unternehmensbewertungen aus den unterschiedlichsten Gründen vorgenommen. Die Bewertung kann u.a. erforderlich werden

 – wegen eines geplanten (Ver-)Kaufs des Unternehmens,

 – aufgrund gesetzlicher Vorschriften (z.B. bei Abschluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags zur Abfindung der Minderheitsaktionäre16 oder bei Squeeze-Out-Verfahren17),

 – aufgrund vertraglicher Vereinbarungen (z.B. routinemäßige Berichte über den Unternehmenswert gegenüber der finanzierenden Großbank oder dem unternehmensfremden Shareholder),

 – aus Gründen der externen oder internen Kontrolle (z.B. die Ermittlung von Unternehmens(teil)werten im Rahmen des Impairmenttest des Goodwill nach IAS 36) oder

 – aus anderen Anlässen, wie z.B. steuerlichen Bewertungen anlässlich einer Schenkung oder eines Erbfalls.18

Welche Fakten und Annahmen bei der Unternehmensbewertung berücksichtigt werden, hängt entscheidend von dem Zweck der Bewertung ab.19 So ist es für die Höhe des Unternehmenswerts elementar, ob sich die Unternehmensbewertung an den sachkundigen Gesellschafter zur Selbstinformation richtet oder ob die Unternehmensbewertung aus steuerlichen Gründen erfolgt, um dem Finanzamt eine justiziable Berechnungsgrundlage für die Ermittlung der Erbschaftsteuer zu geben, die wegen des Erbes eines GmbH-Anteils anfällt. Während der Adressat im ersten Fall auf ein hoch individuelles Bewertungsgutachten Wert legen wird, das sämtliche von ihm für möglich gehaltenen Eventualitäten berücksichtigt, wird im zweiten (Erbschaftsteuer-)Fall eine objektivierte Wertermittlung dominieren müssen, denn subjektive Einschätzungen bergen ein enormes Streitrisiko zwischen Fiskus und Steuerpflichtigem, und ihr Wahrheitsgehalt lässt sich vor Gericht kaum beweisen.

Entscheidend ist daher, dass sich der Bewerter zunächst Klarheit über den Bewertungszweck verschafft, bevor er – an ihm orientiert – das geeignete Bewertungsverfahren wählt (Zweckadäquanzprinzip): „Der Bewertungszweck bestimmt [...] die Wahl der Verfahrenstechnik; denn der Bewertungszweck entscheidet darüber, welches Gewicht Vereinfachungen und Objektivierungen haben.“20

b) Kölner Funktionenlehre
aa) Hauptfunktionen

Die Vertreter der Kölner Schule hoben diese Relativität der Unternehmenswerte als erste hervor und thematisierten sie. Die Kölner Schule entstand in den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts, basiert auf der Investitions- und Finanzierungssowie der Entscheidungstheorie und wurde in den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts maßgeblich von Adolf Moxter prinzipienorientiert ausgebaut.21 Der Name der Schule leitet sich davon ab, dass ihre wesentlichen Begründer, insbesondere Münstermann, Sieben und Busse von Colbe, an der Universität zu Köln forschten und unterrichteten. Die Kölner Funktionenlehre sieht als Hauptfunktionen der Unternehmensbewertung die Beratungsfunktion, die Vermittlungsfunktion sowie die Argumentationsfunktion.22 Der Unternehmensbewerter tritt „als Berater einer Partei, als Vermittler zwischen Parteien oder als Argumentationshelfer gegenüber einer Partei“23 auf. Als Nebenfunktionen seien exemplarisch die Kommunikations- bzw. die Bilanzfunktion und die Steuerbemessungsfunktion genannt.24

bb) Beratende Funktion: Ermittlung von individuellen Entscheidungswerten (Grenzpreisen)

Den Käufer interessiert, was er maximal für das Unternehmen bezahlen darf, damit sich seine finanzielle Situation nicht verschlechtert, und den Verkäufer interessiert, was er mindestens von dem Käufer verlangen muss, damit er nach dem Verkauf nicht schlechter dasteht als zuvor. Die maximale Zahlungsbereitschaft des Käufers sowie die minimale Forderung des Verkäufers werden als Grenzpreise bezeichnet.25

Grenzpreise sind Entscheidungswerte – und ein gut gehütetes Betriebsgeheimnis. Sie werden von den Beteiligten nicht öffentlich bekannt gegeben, damit in der Verhandlung keine Verschlechterung der Ausgangsposition eintritt;26 denn der Verkäufer ist bestrebt, einen Preis zu erzielen, der über seiner Preisuntergrenze liegt, und der Käufer wird versuchen, einen Preis unterhalb seiner Preisobergrenze auszuhandeln.

Besteht die Aufgabe des Bewerters in einer beratenden Funktion, so bestimmt er den subjektiven Entscheidungswert seines Mandanten. Bei seiner Unternehmensbewertung berücksichtigt er vor allen Dingen die individuellen Erwartungen, Planungen und alternativen Anlagemöglichkeiten des Investors und ermittelt auf diese Art und Weise für den Käufer den maximal zu zahlenden Kaufpreis bzw. für den Verkäufer den minimal zu fordernden Verkaufspreis.

Der Käufergrenzpreis ist der Preis, den ein potenzieller Käufer maximal zu bezahlen bereit ist.27 Diese maximale Zahlungsbereitschaft wird bestimmt „nach dem Ertrag, den [...] sich [der Käufer] aus dem betreffenden Unternehmen versprechen darf, und nach dem Preis, den er mindestens zu entrichten hätte, wenn der gleiche Ertrag alternativ zu beschaffen wäre“28. „[D]er Ertragswert (Grenzpreis) ergibt sich dann ohne weitere Berechnungen als Preis dieser alternativen Mittelanlage.“29 Würde der Käufer mehr bezahlen, als er zukünftig aus dem gekauften Unternehmen erwirtschaften kann, entspräche dies nicht dem Verhalten eines rational entscheidenden Wirtschaftssubjekts.

Im Gegensatz zum Käufergrenzpreis ist der Verkäufergrenzpreis der Preis, den der Verkäufer verlangen wird, um nach dem Verkauf finanziell nicht schlechter gestellt zu sein, bzw. der Preis, bei dem der Verkäufer zwischen dem Behalten des Unternehmens oder dessen Verkauf indifferent ist.30

cc) Vermittelnde Funktion: Ermittlung von Schiedspreisen

Können sich zwei Parteien nicht auf einen Preis einigen oder wollen sie Kosten für die Gutachtenerstellung sparen, bitten sie womöglich einen Dritten, zu vermitteln und/oder für beide Parteien einen akzeptablen Preis zu ermitteln.31 Der Unternehmensbewerter wird dann in der Vermittlungsfunktion tätig und errechnet einen fairen Einigungspreis, der auch als Schiedspreis (Arbitriumwert) bezeichnet wird.32 Schiedspreise können jedoch nicht nur bei der Bewertung von zum Verkauf stehenden Unternehmen erforderlich werden. Sie sind ggf. auch im Rahmen eines Scheidungsverfahrens zu ermitteln, wenn ein Unternehmen zur Aufteilungsmasse gehört, und finden häufig bei Erbstreitigkeiten Anwendung, wenn es darum geht, den Wert eines vererbten Unternehmens als Ausgangsbasis für die Ermittlung des Pflichtteils zu bestimmen.33 Schiedsgutachten spielen nicht zuletzt auch bei Squeeze-Out-Vorgängen gemäß § 327a AktG eine zentrale Rolle. Hier zwingt der Hauptgesellschafter aufgrund seiner erdrückenden Stimmrechtsmehrheit die Minderheitsgesellschafter aus dem Unternehmen. Er muss ihnen aber für diese Zwangsenteignung eine angemessene, faire Entschädigung zahlen. Bei ihrer Ermittlung sind die Interessen von Minderheits- und Mehrheitsgesellschaftern gleichermaßen zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen.34 Da die Minderheitsaktionäre häufig nur wenige Aktien besitzen, können (und wollen) sie sich keinen eigenen Gutachter leisten. Der von dem Mehrheitsaktionär beauftragte Gutachter muss dann bei seiner Wertfindung zugleich die Interessen von Mehrheits- und Minderheitsgesellschaftern beachten.

Die Ermittlung von Schiedspreisen ist ebenfalls durch die Subjektivität der Grenzpreisermittlung geprägt, denn der Schiedspreis vermittelt zwischen dem subjektiven Käufer- und dem ebenso individuellen (subjektiven) Verkäufergrenzpreis.

Der Schiedspreisfindung sind enge Grenzen gesetzt. Eine erste große Hürde bildet die asymmetrische Informationsverteilung zwischen dem Bewerter (bzw. dem Gutachter) und dem Mandanten. Der Gutachter kennt nicht alle Unterlagen oder Personen, die ihm kompetent Auskunft erteilen könnten, und ist damit in vielen Belangen auf umfassende und wahrheitsgetreue Informationen seitens seines Mandanten angewiesen.35 Um zu einem bestmöglichen Ergebnis zu kommen, könnte Letzterer die Unwahrheit sagen, die Unternehmenssituation beschönigen oder für ihn nachteilige wertbeeinflussende Tatsachen zurückhalten.

Doch selbst wenn der Bewerter hinreichende Klarheit über die jeweiligen Grenzpreise gewonnen hat und ihnen berechtigtes Vertrauen schenkt, besteht das Problem in einer fairen Wertfindung, die beiden Parteien gleichermaßen gerecht wird. Letzten Endes ist der Bewerter in seiner Funktion nichts anderes als ein Schiedsrichter, der einen Spielverlauf objektiv beobachtet und nur bei Regelverletzungen einschreiten darf und muss. Im Rahmen des Schiedsgutachtens simuliert er aber zusätzlich den (fairen) Ausgang der Verhandlungen, die erst gar nicht aufgenommen wurden oder aber ins Stocken geraten sind und nicht fortgesetzt werden.

Häufig wird der Schiedsgutachter ein ausgewogenes Kräfteverhältnis von Verkäufer und Käufer im Rahmen der simulierten Verhandlungen unterstellen und die Grenzpreise von Käufer und Verkäufer mitteln.

dd) Weitere Funktionen

Die Argumentationsfunktion soll in der Unternehmensbewertung ergänzend eingesetzt werden, um bei Verkaufs- oder Gerichtsverhandlungen geeignete Argumente zum Erreichen eines Verhandlungsergebnisses zu finden.36 Der Entscheidungswert stellt dabei die letzte Rückzugslinie der Argumentation dar, denn der Argumentationswert darf weder geringer als der Verkäufergrenzpreis noch höher als der Käufergrenzpreis sein.37

Bei der Bilanz- oder auch Kommunikationsfunktion genannten Bewertungsaufgabe steht die Ermittlung von Bilanzwerten im Vordergrund, wie z.B. zur Ermittlung von Unternehmens(teil)werten im Rahmen des Impairmenttest des Goodwill nach IAS 36.38

Im Rahmen von Bewertungen für Besteuerungszwecke zielt die Unternehmensbewertung auf die Ermittlung einer Steuerbemessungsgrundlage für die Steuerfestsetzung, z.B. für die Schenkung- oder die Erbschaftsteuer.39

c) Ermittlung von Grenzpreisen

Der Grenzpreis eines Unternehmens (GPU) wird mithilfe des Gesamtbewertungsverfahrens berechnet, da es gilt, monetäre Vorteile anhand von diskontierten Zahlungsüberschüssen einzuschätzen:40


Die zu diskontierenden periodenspezifischen Erträge (CFt) bezeichnen die künftigen Nettoausschüttungen aus dem Unternehmen, die ein Bewerter unter Beachtung der individuellen Besonderheiten seines Mandanten prognostiziert. Der Kapitalisierungszinssatz (i) stellt sich als beste alternative Mittelanlage dar. Für uniforme, unendlich lang fließende Zahlungsüberschüsse kann die ewige Rentenformel angewandt werden, und die Berechnungsformel vereinfacht sich zu:41


Grenzpreise werden sowohl für den Verkäufer als auch für den Käufer ermittelt. Der Verkäufergrenzpreis zeichnet sich dabei durch zwei wesentliche Merkmale aus:

 1. Der Verkäufergrenzpreis ist ein subjektiver Wert, weil er auf den individuellen Möglichkeiten und Fähigkeiten des Verkäufers basiert. Der Begriff „subjektiv“ hat im allgemeinen Sprachgebrauch einen negativen Beigeschmack. Er wird häufig mit Willkür und gefühlvollen Wertungen gleichgesetzt. Dies gilt im Kontext der Unternehmensbewertung nicht. Hier kennzeichnet der Begriff „subjektiv“ die Berücksichtigung der individuellen Besonderheiten des Einzelnen. Aus diesen individuellen Faktoren ergeben sich handfeste materielle Auswirkungen auf den Nettocashflow des Unternehmens und der Alternativanlage. Sie sind bewertungsrelevant.

 2. Der Verkäufergrenzpreis ist ein Minimumpreis.

Auch der Käufergrenzpreis weist zwei wesentliche Merkmale auf:

 1. Der Käufergrenzpreis ist – wie der Verkäufergrenzpreis – ein subjektiver Wert, weil auch er auf den individuellen Möglichkeiten und Fähigkeiten desjenigen basiert, für den die Bewertung erstellt wird. Wiederum werden individuelle Besonderheiten, wie z.B. die Möglichkeit zur Mietersparnis, die in dieser Form keinem anderen Marktteilnehmer offen steht, berücksichtigt, weil sie für den Käufer – und nur für ihn – einen Konsummehrwert schaffen.

 2. Der Käufergrenzpreis ist – anders als der Verkäufergrenzpreis – ein Maximumpreis.

2. Anwendung auf den Fall: Ermittlung der Grenzpreise von Tippe und Neumeier
a) Ermittlung des Grenzpreises von Tippe

Steuerberater Tippe rechnet zukünftig (wie bisher) mit Bruttoeinzahlungen i.H.v. 368 000 Euro und Bruttoauszahlungen i.H.v. 343 000 Euro.

Die Bewertung dieses Nettocashflow erfolgt unter Anwendung des Ertragswertverfahrens gemäß Formel (8). Da seine beste alternative Mittelanlage in der Investition des Verkaufserlöses bei seiner Hausbank zu 5 % Zinsen besteht, ergibt sich für Tippe ein Verkäufergrenzpreis von 500 000 Euro:


Der Verkäufergrenzpreis stellt sich als Minimumpreis dar, denn Tippe muss für den Verkauf des Unternehmens mindestens 500 000 Euro verlangen, um danach nicht schlechter zu stehen als zuvor. Erhält Tippe exakt diesen Betrag, so erzielt er nach dem Verkauf die gleichen Zahlungsströme wie zuvor, wie nachfolgende Überlegung zeigt: Vor dem Verkauf erwirtschaftete er mit seinem Unternehmen 25 000 Euro jährlich. Dieser Betrag stand ihm für Konsumzwecke zur Verfügung. Verkauft er das Unternehmen für 500 000 Euro, so fehlen ihm diese Konsummöglichkeiten. Dafür kann er aber den Kaufpreis (= 500 000 Euro) zu 5 % bei seiner Hausbank anlegen. Er erzielt daraus 25 000 Euro (= 5 % · 500 000 Euro), also exakt den Betrag, den er durch den Verkauf des Unternehmens aufgegeben hat.

b) Ermittlung des Grenzpreises von Neumeier

Der potenzielle Käufer, Carlo Neumeier, berechnet den Unternehmenswert nach den gleichen mathematischen Grundsätzen wie Tippe. Allerdings muss er sich über die Bewertungsparameter eigenständige Vorstellungen machen und die Daten des Verkäufers durch seine subjektiven, d.h. individuellen, Planungen und Möglichkeiten ersetzen.

Aufgrund der individuellen Planungen und Erwartungen von Neumeier sind die Mehrerlöse aus der Entlohnung durch die Sportvereine i.H.v. 5 000 Euro einzubeziehen (1) und zum anderen die Mehrerlöse i.H.v. 30 000 Euro einzupreisen, die er zukünftig aus der Neuausrichtung des Unternehmens erwartet (2). Hinsichtlich der jährlichen Ausgaben wird er berücksichtigen, dass er aufgrund seiner spezifischen Situation mit Minderausgaben in Höhe der ersparten Miete von 10 000 Euro rechnen kann (3). Unter Einbeziehung dieser drei Besonderheiten ergibt sich für Neumeier ein Nettocashflow von 70 000 Euro:

Tabelle 6: Plan-Cashflow-Rechnung der Kanzlei „Tippe“


Plan-Cashflow-Rechnung (in €)
Anm.IstPlan
Honorareinzahlungen360 000360 000
Honorare Vereine105 000
Strategiemehrzahlungen2030 000
Miete Neudorf8 0008 000
Summe Einzahlungen368 000403 000
Löhne224 000224 000
Büromieten342 00032 000
Fachliteratur15 00015 000
Telefon, Porto4 0004 000
Grundstücksauszahlungen Neudorf3 0003 000
Ersatzinvestitionen in das AV10 00010 000
Sonstige laufende Auszahlungen39 00039 000
Zinsauszahlungen6 0006 000
Summe Auszahlungen343 000333 000
Nettocashflow25 00070 000

Hinsichtlich der besten alternativen Mittelanlage ist es für Neumeier völlig irrelevant, dass Tippe eine Sparrendite von 5 % erzielen kann und dass sich bei einer risikoreicheren Anlagestrategie sogar 8,5 % erwirtschaften lassen, denn Neumeier hat kein Erspartes. Er muss den Kaufpreis durch ein Darlehen refinanzieren und im Falle des Erwerbs zukünftig an seine Hausbank 10 % Schuldzinsen zahlen. Dies ist der für ihn relevante Alternativzinssatz.

Da der Nettocashflow prognosefähig und dauerhaft gleichbleibend zu erwarten ist, resultiert daraus unter Anwendung von Formel (8) der Unternehmenswert i.H.v. 700 000 Euro:


Für Carlo Neumeier stellt sich sein Käufergrenzpreis als Maximalpreis dar, denn er darf für den Erwerb der Kanzlei „Tippe“ höchstens 700 000 Euro ausgeben, um nach dem Kauf nicht schlechter dazustehen als zuvor. Erwirbt er das Unternehmen tatsächlich zu diesem Betrag, so realisiert er danach Ausschüttungsströme aus dem Unternehmen, die er zuvor nicht hatte. Seine Konsummöglichkeiten verbessern sich um 70 000 Euro. Allerdings muss Neumeier zur Finanzierung des Kaufpreises ein Darlehen i.H.v. 700 000 Euro aufnehmen und an die Bank jährlich 70 000 Euro Zinsen (= 700 000 Euro · 10 %) zahlen. Dadurch ändert der Kauf der Kanzlei zu 700 000 Euro per Saldo nichts an den Konsummöglichkeiten, die Carlo Neumeier offen stehen. Sie bleiben der Größenordnung nach unverändert.

II. Gesamtertragsprinzip: Fehlerhafte Vernachlässigung nicht finanzieller Vorteile
1. Erläuterung

Zu beachten ist, dass der Unternehmensbewerter lediglich einen Bruchteil der Konsummöglichkeiten erfasst, die der Käufer aus dem Unternehmen erwartet, nämlich die finanziellen. Er übersieht in seiner selbst gewählten Betriebsblindheit die nicht finanziellen Faktoren wie Prestige, den Wunsch nach Selbstverwirklichung etc. Der Ertragswert eines Unternehmens ist aber stets die Summe aus finanziellem und nicht finanziellem Nutzen.42 Auch wenn nicht finanzielle Ertragselemente stark von den individuellen Gegebenheiten des Bewerters abhängen, müssen sie von den Vertragsparteien bei der Kaufpreisfindung berücksichtigt werden, um den Konsumwert des Unternehmens nicht unvollständig und damit fehlerhaft zu erfassen.43 Deshalb schließt das Gesamtertragsprinzip bei der Bewertung eines Unternehmens die Berücksichtigung finanzieller zukünftiger Erträge ebenso mit ein wie die Erfassung nicht finanzieller Ertragselemente.

Zwar mag der Leser einwenden, dass nicht finanzielle Vorteile eher eine intellektuelle Spielwiese und in der harten Finanzwelt fehl am Platze sind, doch diese Annahme ist falsch. Nicht finanzielle Vorteile beherrschen das tägliche Leben der Menschen, und fast jede Kaufentscheidung, die sie treffen, ist auch nicht finanziell motiviert: Manche Menschen leisten sich einen teuren Sportwagen, obwohl sie auch mit einem Kleinwagen von A nach B kämen, und fast alle scheuen – wenn sie es sich leisten können – den Erwerb eines Billigfabrikats aus einem technischen Entwicklungsland, obwohl es doch viel preiswerter ist als ein heimisches Fabrikat. Aber es klappert mehr und bleibt vielleicht häufiger liegen als ein einheimisches Produkt. Fast alle Menschen sind bereit, sich die nicht finanziellen Vorteile des Fahrvergnügens, der sicheren Beförderung und des Nichtliegenbleibens auf der Autobahn etwas kosten zu lassen. Das Gleiche gilt für den Kauf von Kleidung und Nahrung. Hier ist der Preis nur eine von vielen Entscheidungsdeterminanten. In zahlreichen Fällen wird er von nicht finanziellen Aspekten wie Geschmack, Gesundheit, Aussehen und Prestigedenken überlagert, so dass die Kunden regelmäßig nicht zur billigsten Alternative greifen.

Wenn aber fast alle Entscheidungen der Menschen, so sie es sich finanziell leisten können, auch maßgeblich von nicht finanziellen Erwägungen getragen werden, dann stellt sich die Frage, wieso dies bei dem Kauf eines Unternehmens, der oft eine Lebensentscheidung erfordert, gerade nicht auch der Fall sein sollte (und darf).

Das Dilemma, in dem sich der Unternehmensbewerter befindet, beschreibt Albert Einstein ebenso zutreffend wie prägnant: „Nicht alles, was zählt, kann gezählt werden, und nicht alles, was gezählt werden kann, zählt!“44 Die Berücksichtigung nicht finanzieller Vorteile im Rahmen der Unternehmensbewertung ist notwendig, die Quantifizierung dieser Vorteile aber leider reine Willkür.

Der Ausweg aus dem Dilemma besteht darin, dass sich der Unternehmensbewerter der systematischen Unzulänglichkeit seiner Berechnung bewusst ist und den Adressaten des Bewertungsgutachtens darauf hinweist, dass nicht finanzielle Vorteile und Nachteile den Grenzpreis deutlich verändern können. Er muss dann allerdings die Quantifizierung dem Käufer bzw. Verkäufer selbst überlassen.

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9783800593606
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