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2. Nachteile
a) m = Black Box

Die Anwendung der Multiplikatormethode setzt voraus, dass der Bewerter die Marktpreise vergleichbarer Unternehmen kennt.98 Doch „der Unternehmensmarkt ist extrem intransparent: Die erzielten Preise und die Eigenschaften der gehandelten Ertragserwartungen werden nur einem kleinen [Personen-]Kreis bekannt.“99 Die öffentlich zugänglichen Vergleichsdaten von börsennotierten Unternehmen können die Datenbasis wegen der „geringe[n] Anzahl börsennotierter Vergleichsunternehmen am deutschen Kapitalmarkt“100 nur unwesentlich verbessern. So betrug die Zahl der am deutschen Kapitalmarkt notierten inländischen Unternehmen Anfang 2013 lediglich 660.101 Bedenkt man darüber hinaus, dass die meisten dieser Unternehmen Mischkonzerne sind, die sich nicht eindeutig einer Branche zurechnen lassen, und dass das zu bewertende Unternehmen sich möglicherweise auch einer eindeutigen Brancheneinordnung entzieht, verschärft sich das Datengewinnungsproblem erheblich (m als „black box“102). Selbst wenn die einzelnen Konzernunternehmen Segmentberichterstattungen vorlegen, in denen die Umsätze und Gewinne nach Branchen aufgeteilt wurden, so bestehen doch innerhalb des einzelnen Konzerns mehr oder weniger ausgeprägte – und bilanzpolitisch nutzbare – Zurechnungs- und Aufteilungsschwierigkeiten für bestimmte Konzernumsätze und -aufwendungen auf die einzelne Branche.

Zur Ermittlung von Multiplikatoren sind die Marktpreise in Relation zum Umsatz oder Gewinn zu setzen. Diese Relationen sind häufig nicht über die Zeit konstant. Sie schwanken zudem für die gleiche Betrachtungsperiode häufig von Unternehmen zu Unternehmen. „In der gleichen Branche, bei ungefähr gleicher Unternehmensgröße und zu ungefähr gleichem Zeitpunkt sind z.B. Umsatzmultiplikatoren von 5, aber auch von 20 feststellbar.“103 Aussagefähige Multiplikatoren lassen sich damit aber nur in engen Grenzen ermitteln. Problematisch ist darüber hinaus, dass die beobachteten Marktpreise das subjektive Risiko des Käufers des jeweiligen Unternehmens oder bestenfalls, wenn zahlreiche Marktpreise bekannt sind, das markttypische Risiko der Transaktionsbeteiligten widerspiegeln. Ist der Käufer oder Verkäufer bei der zu beurteilenden konkreten Unternehmenstransaktion aber risikoscheuer oder risikofreudiger als der Markt, so ist völlig offen, wie die subjektive Risikogewichtung des Unternehmenskäufers respektive -verkäufers, sollte sie feststellbar und quantifizierbar sein, fundiert in m berücksichtigt werden kann.104

b) m = branchenspezifische Kennzahl

Der Rückgriff auf einen branchensignifikanten Durchschnittsmultiplikator ist insofern sinnvoll, als sich eine Relation zwischen der finanziellen Kennzahl, die nicht der Einzahlungsüberschuss ist, und dem Unternehmenswert nur bei vergleichbaren Produktionsstrukturen und den daraus entstehenden Ausgaben herstellen lässt; denn ein Unternehmen, das einen hohen Kapital- und Materialeinsatz erfordert (wie z.B. ein Supermarkt), wird nach Abzug der Ausgaben pro Euro Umsatz eine geringere Umsatzrentabilität aufweisen als ein im Vergleich relativ kostenarmes Unternehmen (wie z.B. ein Architekturbüro). Dafür wird es aber häufig einen deutlich höheren Jahresumsatz erwirtschaften. Der Multiplikator muss diesen branchenspezifischen Besonderheiten gerecht werden, damit er zu aussagekräftigen Unternehmenswerten gelangt.

Die Fokussierung auf die Chancen- und Risikostruktur der Branche hat entscheidende Nachteile. Gesucht ist als Referenzmaßstab nicht eine andere Mittelanlage in der gleichen Branche, sondern die bestmögliche Alternativanlage des Käufers oder Verkäufers. Diese kann – und wird – aber regelmäßig außerhalb der Branche zu suchen sein, denn die Entscheidungsalternative besteht in den seltensten Fällen darin, entweder das eine oder das andere Branchenunternehmen zu kaufen bzw. den für das Unternehmen erzielten Verkaufspreis in der Branche zu reinvestieren.

Eine Gleichsetzung der in der Branche vorzufindenden Kennzahlenrelation unterdrückt zudem die betriebsindividuellen Besonderheiten des zu bewertenden Unternehmens. Kostete das Vergleichsunternehmen bei einem Jahresumsatz von 1 Mio. Euro das Zehnfache, nämlich 10 Mio. Euro, so ist bei dem zu bewertenden Unternehmen, das einen Umsatz von 500 000 Euro erwirtschaftet, nur bzw. allenfalls dann ein zehnfacher Unternehmenswert zu erwarten, wenn sämtliche Produktionsfaktoren (wie z.B. Maschinen, Mitarbeiter, Management) weitgehend identische Ertragspotenziale versprechen und gleichermaßen leistungsfähig sind. Der Branchenindikator vernachlässigt aber die individuelle Struktur des zu bewertenden Unternehmens sowie die Abhängigkeit des zukünftigen Erfolgs von der Geschäftsleitung.105 Unabhängig von der Problematik, dass für den deutschen Wirtschaftsraum eine allgemein akzeptierte Klassifikation der Unternehmen nicht vorhanden ist106 und die eindeutige Zuweisung eines Unternehmens zu einer Branche diffizil erscheint, ist daher zu bezweifeln, ob gerade das zu bewertende Unternehmen eng mit dem Branchendurchschnitt korreliert.107

c) m = starr

Eine Unternehmensbewertung mithilfe der Multiplikatormethode unterstellt das Rentenmodell und geht von der Vorteilhaftigkeit der Unternehmensfortführung aus. Alternative Unternehmensentwicklungen bleiben unberücksichtigt. Gerade bei Unternehmen, die in den ersten Perioden starken Ertrags- oder Umsatzschwankungen unterliegen, kann die Anwendung des Phasenmodells Fehlbewertungen vermeiden. Beispielsweise wird bei Unternehmensbewertungen im Zusammenhang mit Leveraged Buy Outs die Ertragssituation in den ersten Planungsjahren aufgrund der noch bestehenden beträchtlichen Schulden nach unten gedrückt, während die Ertragssituation nach Schuldenauslösung mittelfristig deutlich positiver zu bewerten ist. Die Annahme der ewigen Rente verschleiert diese Strukturunterschiede.108 Der Vergleich mit dem Liquidationswert, der auf die Suboptimalität einer Fortführung des Unternehmens hätte hinweisen können, unterbleibt ebenfalls, so dass die kritische Auseinandersetzung mit künftigen Ertragsbandbreiten nicht durchgeführt wird.109

d) m = Marktpreis

Beobachtete Marktpreise entsprechen nicht oder nur zufällig subjektiven Grenzpreisen, da sich in den Ertragserwartungen des Markts andere Wertschätzungen widerspiegeln als in den individuellen Erwartungen des Unternehmenskäufers oder -verkäufers.110 Diese einseitige Orientierung am Markt geht zulasten des Subjektivitätsprinzips. Auch das Zukunftsbezogenheitsprinzip als Grundsatz ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung wird vernachlässigt, wenn „in der Vergangenheit beobachtete Marktpreise, die bestenfalls bis in die Gegenwart reichen“, herangezogen werden. „Die gegenwärtigen Marktpreise aggregieren zwar die Zukunftserwartungen des Vergleichsobjekts, ob diese aber auf das Bewertungsobjekt übertragbar sind, bleibt fraglich.“111

Weiterführende Literatur


Ballwieser, Wolfgang,Unternehmensbewertung mit Hilfe von Multiplikatoren, in: Dieter Rückle (Hrsg.), Aktuelle Fragen der Finanzwirtschaft und der Unternehmensbesteuerung, Festschrift für Erich Loitlsberger, Wien 1991, S. 47–66
Böcking, Hans-Joachim/Nowak, Karsten,Marktorientierte Unternehmensbewertung – Darstellung und Würdigung der marktorientierten Vergleichsverfahren vor dem Hintergrund der deutschen Kapitalmarktverhältnisse, FB, 1. Jg. (1999), S. 169–176
Löhnert, Peter G./Böckmann, Ulrich J.,Multiplikatorverfahren in der Unternehmensbewertung, in: Volker H. Peemöller (Hrsg.), Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, 7. Aufl., Herne 2019, S. 841–863
Moxter, Adolf,Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung, 2. Aufl., Wiesbaden 1983, S. 132–167
Nowak, Karsten,Marktorientierte Unternehmensbewertung, 2. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 159–219
Olbrich, Michael/Frey, Niko,Multiplikatorverfahren, in: Karl Petersen/Christian Zwirner (Hrsg.), Handbuch Unternehmensbewertung, 2. Aufl., Köln 2017, S. 405–419

74 Vgl. Moxter, Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung (1983), S. 10; Ballwieser/Leuthier, Betriebswirtschaftliche Steuerberatung: Grundprinzipien, Verfahren und Probleme der Unternehmensbewertung (Teil II), DStR 1986, S. 604 (S. 607). 75 Vgl. Mandl/Rabel, Unternehmensbewertung (1997), S. 45; Ballwieser, Unternehmensbewertung mit Hilfe von Multiplikatoren, in: Rückle (Hrsg.), FS Loitlsberger (1991), S. 47 (S. 49). 76 Vgl. Buchner/Englert, Die Bewertung von Unternehmen auf der Basis des Unternehmensvergleichs, BB 1994, S. 1573 (S. 1573–1577). Die Autoren weisen auf Probleme, Beurteilungskriterien und Richtlinien zur Findung von Vergleichsunternehmen hin. 77 Vgl. Ballwieser, Unternehmensbewertung mit Hilfe von Multiplikatoren, in: Rückle (Hrsg.), FS Loitlsberger (1991), S. 47 (S. 52). 78 Vgl. Bausch, Die Multiplikatormethode – Ein betriebswirtschaftlich sinnvolles Instrument zur Unternehmenswert- und Kaufpreisfindung in Akquisitionsprozessen?, FB 2000, S. 448 (S. 450–451); Henselmann, Unternehmensrechnungen und Unternehmenswert (1999), S. 250. 79 Vgl. Nowak, Marktorientierte Unternehmensbewertung (2003), S. 159. 80 Nowak, Marktorientierte Unternehmensbewertung (2003), S. 160. 81 Vgl. Sanfleber-Decher, Unternehmensbewertung in den USA, WPg 1992, S. 597 (S. 600); Buchner/Englert, Die Bewertung von Unternehmen auf der Basis des Unternehmensvergleichs, BB 1994, S. 1573 (S. 1576). 82 Vgl. Bausch, Die Multiplikatormethode – Ein betriebswirtschaftlich sinnvolles Instrument zur Unternehmenswert- und Kaufpreisfindung in Akquisitionsprozessen?, FB 2000, S. 448 (S. 450); Mandl/Rabel, Unternehmensbewertung (1997), S. 259. 83 Vgl. Buchner/Englert, Die Bewertung von Unternehmen auf der Basis des Unternehmensvergleichs, BB 1994, S. 1573 (S. 1574). 84 Vgl. zur ausführlicheren Darstellung Buchner/Englert, Die Bewertung von Unternehmen auf der Basis des Unternehmensvergleichs, BB 1994, S. 1573 (S. 1574–1575); Nowak, Marktorientierte Unternehmensbewertung (2003), S. 162–164; Sanfleber-Decher, Unternehmensbewertung in den USA, WPg 1992, S. 597 (S. 598–599). 85 Vgl. Nowak, Marktorientierte Unternehmensbewertung (2003), S. 165–166. 86 Vgl. Nowak, Marktorientierte Unternehmensbewertung (2003), S. 168. 87 In den USA existieren solche Informationsdatenbanken, z.B. The Mergerstat Review, vgl. Nowak, Marktorientierte Unternehmensbewertung (2003), S. 169; Sanfleber-Decher, Unternehmensbewertung in den USA, WPg 1992, S. 597 (S. 600). 88 Vgl. Olbrich/Frey, Multiplikatorverfahren, in: Petersen/Zwirner (Hrsg.), Handbuch Unternehmensbewertung (2017), S. 405 (S. 411). „Der Mittelwert für den Minderheitenabschlag (Kontrollzuschlag) auf Basis der einbezogenen Untersuchungen betrug 42,02 %“, Nowak, Marktorientierte Unternehmensbewertung (2003), S. 168. Die Paketzuschläge ergeben sich dann aus einer Hochrechnung der Minderheitenabschläge. Ein Minderheitenabschlag von 30 % führt im Umkehrschluss zu einem Paketzuschlag von 43 % (= 1/(1–0,3)) und ein Minderheitenabschlag von 40 % zu einem Paketzuschlag von 67 % (= 1/(1–0,4)). 89 Vgl. Nowak, Marktorientierte Unternehmensbewertung (2003), S. 168. 90 Vgl. Henselmann, Unternehmensrechnungen und Unternehmenswert (1999), S. 268–269. 91 Buchner/Englert, Die Bewertung von Unternehmen auf der Basis des Unternehmensvergleichs, BB 1994, S. 1573 (S. 1576, beide Zitate). 92 Vgl. Henselmann, Unternehmensrechnungen und Unternehmenswert (1999), S. 269. 93 Vgl. Bausch, Die Multiplikatormethode – Ein betriebswirtschaftlich sinnvolles Instrument zur Unternehmenswert- und Kaufpreisfindung in Akquisitionsprozessen?, FB 2000, S. 448 (S. 449). 94 Vgl. Mandl/Rabel, Unternehmensbewertung (1997), S. 43; Buchner/Englert, Die Bewertung von Unternehmen auf der Basis des Unternehmensvergleichs, BB 1994, S. 1573 (S. 1578). 95 Ballwieser, Unternehmensbewertung mit Hilfe von Multiplikatoren, in: Rückle (Hrsg.), FS Loitlsberger (1991), S. 47 (S. 57). So hebt Bretzke, Risiken in der Unternehmensbewertung, zfbf 1988, S. 813 (S. 818 und S. 820) „die versteckte Intelligenz einer Daumenregel“ hervor. „Als Marktrate [enthalten Multiplikatoren] die aktuellen Kapitalkosten und den marktüblichen Risikozuschlag.“ Vgl. ebenfalls Niehues, Unternehmensbewertung bei Unternehmenstransaktionen – Unter besonderer Berücksichtigung kleiner und mittelständischer Unternehmen, BB 1993, S. 2241 (S. 2249). 96 Ballwieser, Unternehmensbewertung mit Hilfe von Multiplikatoren, in: Rückle (Hrsg.), FS Loitlsberger (1991), S. 47 (S. 57). 97 Vgl. Bretzke, Risiken in der Unternehmensbewertung, zfbf 1988, S. 813 (S. 820). 98 Vgl. Ballwieser, Unternehmensbewertung mit Hilfe von Multiplikatoren, in: Rückle (Hrsg.), FS Loitlsberger (1991), S. 47 (S. 58); Nowak, Marktorientierte Unternehmensbewertung (2003), S. 184. 99 Moxter, Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung (1983), S. 137. 100 Nowak, Marktorientierte Unternehmensbewertung (2003), S. 216. 101 Vgl. die Notierungen im Entry, General und Prime Standard auf der Webseite der Deutschen Börse (abrufbar unter www.boerse-frankfurt.de/aktien/suche). 102 Ballwieser, Unternehmensbewertung mit Hilfe von Multiplikatoren, in: Rückle (Hrsg.), FS Loitlsberger (1991), S. 47 (S. 59). 103 Moxter, Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung (1983), S. 134. 104 Dazu Nowak, Marktorientierte Unternehmensbewertung (2003), S. 184: „Die Variation des Multiplikators zwecks Anpassung an die subjektiven Präferenzen des Käufers“ erscheint „willkürbehaftet“. Vgl. ebenfalls Ballwieser, Unternehmensbewertung mit Hilfe von Multiplikatoren, in: Rückle (Hrsg.), FS Loitlsberger (1991), S. 47 (S. 59). 105 Vgl. Ballwieser, Unternehmensbewertung mit Hilfe von Multiplikatoren, in: Rückle (Hrsg.), FS Loitlsberger (1991), S. 47 (S. 58–59); Niehues, Unternehmensbewertung bei Unternehmenstransaktionen – Unter besonderer Berücksichtigung kleiner und mittelständischer Unternehmen, BB 1993, S. 2241 (S. 2249); Nowak, Marktorientierte Unternehmensbewertung (2003), S. 184. 106 Vgl. Nowak, Marktorientierte Unternehmensbewertung (2003), S. 216–217. 107 Vgl. Ballwieser, Unternehmensbewertung mit Hilfe von Multiplikatoren, in: Rückle (Hrsg.), FS Loitlsberger (1991), S. 47 (S. 59). 108 Vgl. Ballwieser, Unternehmensbewertung mit Hilfe von Multiplikatoren, in: Rückle (Hrsg.), FS Loitlsberger (1991), S. 47 (S. 55). 109 Vgl. Ballwieser, Unternehmensbewertung mit Hilfe von Multiplikatoren, in: Rückle (Hrsg.), FS Loitlsberger (1991), S. 47 (S. 59); Nowak, Marktorientierte Unternehmensbewertung (2003), S. 184–185. 110 Vgl. Ballwieser, Unternehmensbewertung mit Hilfe von Multiplikatoren, in: Rückle (Hrsg.), FS Loitlsberger (1991), S. 47 (S. 59–60); Moxter, Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung (1983), S. 132. 111 Nowak, Marktorientierte Unternehmensbewertung (2003), S. 183 (beide Zitate).

2. Kapitel: Ertragswertverfahren – Zwei-Phasen-Modell und Inflation

Fall 6: Ertragswertverfahren im Zwei-Phasen-Modell

Sachverhalt:

Carlo Neumeier erwirbt die Steuerberaterkanzlei „Tippe“ am 1.1.2020 für 600 000 Euro und firmiert sie in „Tippe-Neumeier“ um. Sofort nach dem Kauf muss Neumeier feststellen, dass seine ursprüngliche Cashflow-Planung unrealistisch war. Zahlreiche Kunden, die Tippe langjährige Treue hielten, wechseln zu anderen Steuerberatern, dadurch fallen die Einnahmen beträchtlich, während die Ausgaben wegen des hohen Fixkostenanteils bei weitem nicht so stark zurückgehen. Allerdings entdeckt Neumeier auch neue Betätigungsfelder, die er in den nächsten Jahren erschließen will. Im Einzelnen sieht seine Cashflow-Planung wie folgt aus:

Tabelle 13: Plan-Cashflow-Rechnung der Kanzlei „Tippe-Neumeier“


(in €)2020202120222023ab 2024
Einzahlungen190 000195 000223 000250 000250 000
Auszahlungen170 000165 000140 000150 000150 000
Nettocashflow20 00030 00083 000100 000100 000

Bei Durchsicht des Unternehmensvermögens stellt Neumeier fest, dass in der Kanzlei auch ein Gemälde eines – wie ihm scheint – eher mäßig begabten Künstlers hängt. Natürlich ist Neumeier ein Kunstfreund, aber das Motiv des Bildes „Hirsch am Bergsee“ überzeugt ihn nicht. Da das Gemälde keinen aktiven Beitrag zum Cashflow des Unternehmens leistet, plant er, es umgehend zu entsorgen. Als Neumeier eine Galerie aufsucht, nimmt er freudig überrascht zur Kenntnis, dass das Bild von einem renommierten Künstler stammt und einen potenziellen Marktpreis von 50 000 Euro hat. Der Eigentümer der Galerie verlangt für seine Dienste eine 10 %ige Verkaufsprovision und sagt den schnellst möglichen Verkauf zu. Neumeier erteilt ihm den Auftrag.

Zur Finanzierung des Kaufpreises für die Steuerberatungskanzlei musste Carlo Neumeier bei seiner Hausbank ein Darlehen zu einem Zinssatz von 10 % aufnehmen.

Aufgabenstellung:

Welchen Einfluss hat die neue Cashflow-Planung auf den Unternehmenswert? Errechnen Sie den neuen Ertragswert aus Sicht des Carlo Neumeier unter Verwendung des Zwei-Phasen-Modells!

I. Erläuterung: Zwei-Phasen-Modell und gespaltene Cashflow-Planung

Häufig weiß der Inhaber des Unternehmens schon am Bewertungsstichtag, dass sich die in der Vergangenheit beobachteten Einzahlungen und/oder Auszahlungen zukünftig nicht mehr bzw. nicht mehr in der aktuellen Höhe wiederholen werden. Die Gründe dafür sind vielfältiger Natur. So ist es denkbar, dass der Stromlieferant bereits eine Kostenerhöhung angekündigt hat, die in zwei Monaten wirksam wird, oder dass einige der Beschäftigten zwei Jahre nach dem Bewertungsstichtag ihr 25-jähriges Betriebsjubiläum feiern, so dass Sonderzahlungen anfallen. Vielleicht hat das Unternehmen auch den teuren Mietvertrag gerade mit dreijähriger Kündigungsfrist aufgelöst. Die Manager erwarten dann in vier Jahren geringere Mietzahlungen, aber auch einmalig entstehende Umzugskosten.

Der Bewerter wird diese, für die folgenden zwei bis fünf Geschäftsjahre ernsthaft zu erwartenden oder hinreichend sicher schätzbaren Cashflow-Änderungen in seiner Prognoserechnung explizit berücksichtigen, so dass der zukünftige Nettocashflow von Prognosejahr zu Prognosejahr schwankt. Für die darauf folgenden Perioden mag der Bewerter zwar erwarten, dass sich bestimmte Ausgaben ändern (z.B. die Leasingzahlungen aufgrund eines dann auslaufenden Leasingvertrags), ohne aber mit hinreichender Sicherheit das Ausmaß der bevorstehenden Änderungen abschätzen zu können. Der Unternehmensbewerter trägt der zunehmenden Planungsunsicherheit Rechnung, indem er die Prognoserechnung in einen Detailplanungszeitraum und eine sich anschließende Fortführungsphase untergliedert.112 Der Detailplanungszeitraum zeichnet sich dadurch aus, dass der Bewerter für jedes neue Planungsjahr hinreichend wahrscheinliche Anhaltspunkte darüber hat, dass sich der Nettocashflow vom Vorplanungszeitraum unterscheiden wird. Er kann die Gründe dafür nennen und die daraus resultierenden Gesamtwirkungen auf den Einzahlungsüberschuss annähernd detailliert und verlässlich abschätzen und deshalb in dieser Phase mit jährlich unterschiedlichen Nettocashflows rechnen. Danach weiß der Unternehmer zwar, dass weitere Änderungen zu erwarten sind, er ist aber (redlicherweise) nicht mehr dazu in der Lage, einen von der Vorperiode abweichenden Nettocashflow der Ursache und der Höhe nach zu benennen. Deshalb wird er die Nettocashflows mangels besseren Wissens für die weitere Zukunft (Fortführungsphase) pauschal vortragen, indem er sie konstant hält oder (im Fall der Inflation) mit einer konstanten Rate wachsen lässt.113

Das Zwei-Phasen-Modell berücksichtigt diesen Tatbestand, indem es den Ertragswert phasenorientiert in zwei Teilschritten ermittelt:114

EW0 = Barwert0 der Detailplanungsperiode + Barwert0 der ewigen Rente


Wird für die Fortführungsphase ein konstant bleibender Nettocashflow (CFT+1) angenommen, berechnet sich der Ertragswert gemäß Gleichung (1) mit:


und der Barwert der ewigen Rente beträgt:


Das Ausklammern von ergibt:


Der Klammerausdruck entspricht der Ausgangsgleichung zur Herleitung der ewigen Rentenformel (vgl. Fall 1), so dass folgt:


Daher folgt für das Ertragswertverfahren im Zwei-Phasen-Modell Gleichung (2):


Der im rechten Term der Gleichung (2) enthaltene, aus der Fortführungsphase stammende Unternehmensteilwert zum Zeitpunkt T:


wird als Residualwert (auch: Restwert, Fortführungswert oder continuing value) bezeichnet.115

Rechentechnisch ist hier darauf zu achten, dass die Ertragswertformel für die ewige Rente die nachschüssige Zahlungsreihe ab T+1 bereits auf den Zeitpunkt T diskontiert. Deshalb ist der Residualwert auf den Bewertungsstichtag lediglich mit (1 + i)T , nicht aber mit (1 + i)T +1 zu diskontieren.116 Dient zur Abzinsung der Zahlungen ein über den Zeitablauf gleichbleibender Zinssatz,117 so entspricht der Diskontierungsfaktor der ewigen Rente daher exakt dem Diskontierungsfaktor, der auf die ein Jahr zuvor fließende letzte Ausschüttung des Detailplanungszeitraums Anwendung findet.

Der Ertragswert, der sich aus der Addition der beiden Phasenwerte ergibt, ist in einem nachfolgenden Schritt noch um den Liquidationswert der Vermögensobjekte zu erhöhen, die für die Generierung der geplanten Nettocashflows nicht erforderlich sind (= Nettoveräußerungserlös des nicht betriebsnotwendigen bzw. nicht zur Erzielung des Cashflow notwendigen Vermögens).118

Formal lässt sich die dann anzuwendende (erweiterte) Bewertungsfunktion wie folgt darstellen:


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