Читать книгу: «Pamela, oder die belohnte Tugend», страница 2

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Er sprach nun sehr aufgeregt.

"Möchtest Du nicht lieber bei mir bleiben als zu meiner Schwester Davers gehen?"

Er hatte einen Blick, der mir Schrecken einflößte. Wie soll ich ihn nennen? Irrsinnig, so kam er mir vor.

Endlich sagte ich:

"Ihr mögt mir vergeben, Sir, aber da Ihr keine Dame habt, der ich als Zofe dienen kann, und meine Herrin vor einem Jahr verstorben ist, würde ich lieber, wenn es Euch nicht missfällt, bei Lady Davers arbeiten, denn –"

Ich wollte fortfahren, doch er sagte:

"Denn Ihr seid eine Närrin und wisst nicht, was gut für Euch ist. Ich sage Euch, ich mache Euch zu einer Dame, wenn Ihr Ergebenheit zeigt und Euch nicht selbst im Wege stehst."

Und indem er so sprach, legte er seinen Arm um mich und küsste mich!

Ihr werdet nun sagen, dass all seine Schlechtigkeit zutage getreten ist. Ich wehrte mich und zitterte und war vom Schrecken so benommen, dass ich niedersank, nicht in einer Ohnmacht, aber auch nicht mit Absicht. Dann fand mich ganz kraftlos in seinen Armen wieder, und er küsste mich zwei oder drei Mal mit großer Gier. Endlich riss ich mich los und wollte aus dem Gartenhaus fliehen, doch er hielt mich zurück und schloss die Tür.

Ich hatte ein Gefühl, als ginge mein Leben zu Ende. Er sagte:

"Ich werde Euch nichts zuleide tun, Pamela, habt keine Angst vor mir."

"Ich will hier aber nicht bleiben!"

"Ihr wollt nicht bleiben, Ihr Luder! Wisst ihr denn nicht, mit wem Ihr sprecht?"

Da fiel alle Furcht und aller Respekt von mir ab.

"Ja, Sir, nur zu gut! Aber ich mag vergessen, dass ich Eure Dienerin bin, wenn Ihr vergesst, was einem Herrn geziemt."

Ich schluchzte und weinte ganz unglücklich.

"Was für ein törichtes Luder Ihr seid! Habe ich Euch denn Übles getan?"

"Ja, Sir, das Übelste in der Welt: Ihr habt mich dazu verleitet, mich selbst zu vergessen und was sich für mich gehört, und habt den Abstand verringert, den das Schicksal zwischen uns gesetzt hat, indem Ihr Euch erniedrigt und Euch mit mir einlasst. Ja, Sir, ich erkühne mich zu sagen, ich bin arm, aber ehrbar, und wäret Ihr ein Prinz, würde ich nicht anders handeln."

Er wurde zornig.

"Wer wollte denn, dass Ihr anders wäret, Ihr närrisches Gör! Hört auf zu flennen. Ich gebe zu, dass ich mich erniedrigt habe, aber ich tat es nur, um Euch auf die Probe zu stellen. Könnt Ihr das für Euch behalten, dann werde ich Eure Klugheit noch mehr schätzen. Und das hier" (er legte einige Goldstücke in meine Hand) "mag Euch für die Furcht entschädigen, in die ich Euch versetzt habe. Nun geht und spaziert ein wenig im Garten und geht nicht ins Haus, bevor Euer Geflenne vorüber ist. Ich befehle Euch, niemandem etwas von dem, was geschehen ist, zu sagen, dann wird alles gut und Ihr habt meine Verzeihung."

"Ich will das Geld wirklich nicht, Sir", sagte ich, "so arm ich auch bin, ich will es nicht."

Denn es wäre mir, ehrlich gesagt, so vorgekommen, als nähme ich ein Handgeld entgegen. Und so legte ich es auf die Bank. Und als er verärgert und in Verwirrung zu sein schien über das, was er getan hatte, nützte ich die Gelegenheit, die Tür zu öffnen und hinauszugehen.

Er rief nach mir und sagte:

"Ich verlange von Euch, den Mund zu halten, Pamela. Und geht noch nicht ins Haus, wie ich Euch befohlen habe."

Ach, wie armselig und gemein ist ein solches Benehmen, und wie klein lässt es die besten der Edelmänner erscheinen, wenn sie Dinge tun, die ihrer unwürdig sind, und Geringeren von Stand die Gelegenheit geben, sich über sie zu erheben.

Ich ging eine oder zwei Runden im Garten, doch in Sichtweite des Hauses, aus Furcht, es könne noch schlimmer kommen. Ich hauchte in meine Hände, um meine Augen zu trocknen, denn ich wollte nicht zu ungehorsam erscheinen. In meinem nächsten Brief werde ich Euch mehr berichten.

Betet für mich, meine lieben Eltern, und nehmt mir nicht übel, dass ich noch nicht von diesem Haus geflohen bin, das mir bis vor kurzem Trost und Freude bereitete und nun Schrecken und Pein. Ich muss schnell abbrechen.

Eure gehorsame und ehrbare Tochter

Brief XII

Liebe Mutter,

ich möchte meine traurige Geschichte nun fortführen. Nachdem ich meine Augen getrocknet hatte, ging ich ins Haus und überlegte, was zu tun sei. Einige Male kam mir der Gedanke, das Haus zu verlassen und in die nächste Stadt zu gehen, um bei nächster Gelegenheit zu Euch zu fahren. Dann aber konnte ich mich nicht entschließen, ob ich die Sachen, die er mir gegeben hat, mit mir nehmen sollte, und wie sie zu transportieren wären. Manchmal schien es mir, als sollte ich sie zurücklassen und nur die Kleider mitnehmen, die ich am Leib trage, aber es sind zwei und eine halbe Meile bis zur Stadt, und das über eine Nebenstraße, und so schön gekleidet könnte ich in eine Gefahr geraten, die fast so schlimm wäre wie die, der ich entkommen möchte. Und dann, so dachte ich, könnte ich vielleicht in den Verdacht geraten, etwas gestohlen zu haben und deshalb davongelaufen zu sein. Mit einem schlechten Ruf zu meinen Eltern zurückzukehren, wäre in der Tat eine üble Sache! Ach, wie wünsche ich mir meinen grauen Kittel zurück und meine arme, aber ehrbare Kleidung, mit der Ihr mich ausgestattet habt (und das war schwer genug für Euch), damit ich in dieses Haus gehen konnte, als ich noch keine zwölf Jahre alt war und meine gute Herrin noch lebte! Manchmal dachte ich daran, Mrs. Jervis alles zu erzählen und mir ihren Rat zu holen. Er hat mir aber streng aufgetragen, alles geheim zu halten. Ich dachte auch, er sei von seinem Verhalten vielleicht so beschämt, dass er es nie wieder zeigen würde. Und weil die arme Mrs. Jervis durch ein unglückliches Geschick in seiner Abhängigkeit steht, wäre es schmählich, sie um meinetwegen seinem Groll auszusetzen.

In dieser Ungewissheit, einmal nachdenkend, dann wieder weinend, und im Unklaren darüber, was zu tun sei, verbrachte ich die Stunden bis zum Abend in meinem Zimmer. Als ich mich entschuldigen ließ, weil ich nicht zum Abendessen erschien, kam Mrs. Jervis zu mir.

"Warum muss ich ohne Euch zu Abend essen, Pamela? Kommt, ich sehe doch, dass Ihr Euch über etwas bekümmert. So sagt mir, was los ist."

Ich bat sie, über Nacht bei ihr schlafen zu können, weil ich Furcht vor Gespenstern hätte, und die würden einem so guten Menschen, wie sie es ist, nichts antun.

"Eine dumme Ausrede ist das", sagte sie, "denn warum habt ihr nicht schon früher Furcht vor Gespenstern gehabt?"

(Daran hatte ich in der Tat nicht gedacht.)

"Doch Ihr könnt gerne bei mir schlafen, was auch immer der Grund dafür ist."

Ich bat sie, mich zu entschuldigen, da ich so sehr geweint hatte, dass die anderen Diener es bemerken würden, und sagte:

"Ich werde Euch nichts verheimlichen, Mrs. Jervis, wenn wir alleine sind."

In ihrer Güte gewährte sie mir den Wunsch. Sie beschloss dann, sofort zu Bett zu gehen, und sagte den Dienern, dass ich ihr Gesellschaft leiste, weil sie schlaflos sei und mich als Vorleserin brauche, um in den Schlaf zu finden. Denn sie wisse, wie sehr ich das Lesen liebe.

Als wir allein waren, erzählte ich ihr alles Geschehene, obwohl er es mir verboten hatte. Sollte er aber davon erfahren, wäre das kein Unglück. Denn indem ich ein solches Geheimnis für mich behalte, würde ich des guten Rats verlustig gehen, den ich mehr denn je begehrte, und würde ihn denken lassen, dass ich sein Verhalten weniger missbillige, als ich sollte, und dass ich noch schlimmere Geheimnisse hüten könnte, und ihn so zu noch Schlimmerem verleiten. Ist dies recht gedacht, liebe Mutter?

Mrs. Jervis musste auch weinen, als ich ihr unter Tränen davon erzählte und sie um Rat bat, was ich nun tun solle. Ich zeigte ihr die beiden Briefe meines Vaters. Sie lobte ihre hohe Moral und ihren Schreibstil und sprach sehr wohlwollend über Euch. Sie bat mich aber, meine Stelle nicht aufzugeben.

"Nach aller Wahrscheinlichkeit", so sagte sie, "hat Euer tugendhaftes Verhalten ihn so beschämt, dass er Euch nie wieder etwas in dieser Art antun wird. Gleichwohl bereitet mir Eure Schönheit die meisten Sorgen. Denn auch der ehrbarste Mann in diesem Land könnte sich in Euch verlieben."

So sprach sie zu mir in ihrer Güte. Am liebsten wäre es ihr, sagte sie, in Unabhängigkeit zu leben, dann würde sie in ein kleines Privathaus ziehen und mich dort wie eine Tochter aufnehmen.

Und weil Ihr mich angewiesen habt, auf ihren Rat zu hören, habe ich beschlossen, darauf zu warten, wie die Dinge sich entwickeln, sofern er mich nicht wegschickt; obgleich Ihr in Eurem ersten Brief mir auftrugt, von hier fortzugehen, wenn die Lage bedrohlich erscheint. Ich hoffe also, liebe Eltern, dass es kein Ungehorsam ist, wenn ich bleibe; denn ich verdiente weder Euren Segen noch die Früchte Eurer Gebete, wenn ich ungehorsam wäre.

Den ganzen nächsten Tag über war ich sehr traurig und setzte mich daran, meinen langen Brief zu schreiben. Er sah mich beim Schreiben und sagte (wie ich erwähnt habe) zu Mrs. Jervis:

"Dieses Mädchen ist ständig am Kritzeln. Mir scheint, sie könnte eine bessere Beschäftigung finden."

Oder etwas in der Art. Als ich meinen Brief beendet hatte, steckte ich ihn unter den Frisiertisch in der Kammer meiner seligen Herrin, wohin niemand kommt außer ich und Mrs. Jervis sowie mein Herr; aber als ich zurückkehrte, um ihn zu versiegeln, war er zu meinem Schrecken verschwunden; Mrs. Jervis wusste nichts darüber. Und niemand konnte mir sagen, ob mein Herr zu dieser Zeit nahe bei diesem Ort gewesen sei; und so war ich darüber sehr besorgt. Aber ebenso wie ich ist auch Mrs. Jervis der Meinung, dass er den Brief, in welcher Weise auch immer, an sich genommen hat. Er wirkt unzufrieden und ergrimmt und scheint mir aus dem Weg zu gehen, gerade so wie er es von mir sagte. Besser so als noch schlimmer!

Allerdings hat er Mrs. Jervis aufgetragen, mich anzuweisen, nicht so viel Zeit mit dem Schreiben zu verbringen. Es wirft ein schlechtes Licht auf einen Edelmann wie ihn, dass er daran Anstoß nimmt, zumal ich ansonsten nicht müßig bin. Der Grund kann nur sein, dass er mir verübelt, was ich geschrieben habe. Und das kann nichts Gutes heißen.

Ich bin aber um einiges ruhiger geworden, seit ich bei Mrs. Jervis schlafe, auch wenn mich die Furcht, in der ich lebe, und seine grimmige Miene und sein Ärger über das, was ich tue, ganz unglücklich machen.

Ach, hätte ich niemals mein kleines Bett bei Euch auf dem Dachboden verlassen! Ich wäre keinen Versuchungen ausgesetzt und auch nicht dem Abscheu, den sie erwecken! Wie glücklich war ich damals! Wie anders ist es nun! Habt Mitleid mit mir und betet für

Eure leidende Pamela

Brief XIII

Mein liebstes Kind,

dein Leiden und die Versuchungen, denen du ausgesetzt bist, machen unsere Herzen bluten. In jeder Stunde beten wir für dich, und wir ersuchen dich, dem Haus und dem frevelhaften Mann zu entfliehen, wenn er dir wieder zu nahe kommt. Du hättest dies gleich tun sollen, wäre nicht Mrs. Jervis, die dir anders geraten hat. Wir können bisher keinen Fehler in deinem Verhalten finden, doch die Furcht vor dem Schlimmsten lässt uns erzittern. Ach, mein Kind! Versuchungen sind etwas Schreckliches, und doch, ohne sie kennen wir uns weder selbst noch wissen wir, wozu wir imstande sind.

Die Gefahr ist groß, denn du musst dem Reichtum, der Jugend und der Schönheit eines Edelmanns widerstehen. Doch welche Ehre erlangst du, wenn dir das gelingt! Und wenn wir dein bisheriges Verhalten und deine gute Erziehung bedenken, und dass du angeleitet wurdest, dich der Ehrlosigkeit mehr zu schämen als der Armut, dann vertrauen wir in Gott, dass er dir Kraft gibt, das Übel zu besiegen.

Und doch: Weil die steten Befürchtungen dein Leben zur Bürde machen, und weil es anmaßend wäre, ein zu großes Vertrauen in unsere eigene Stärke zu setzen, und weil du noch sehr jung bist, und weil der Teufel deinen Herrn zu einer List verleiten könnte, wie sie bei vielen großen Herren zu finden ist, um dich zu verführen: So denke ich, du tätest besser daran, nach Hause zurückzukehren, um bei uns in Armut, aber in Sicherheit zu leben, statt voller Angst im Überfluss, der an sich schon etwas Heikles ist. Gott füge für dich alles zum Besten! Dass du Mrs. Jervis als Ratgeberin hast und bei ihr schlafen kannst (was, ach mein liebes Kind, von dir wohl überlegt war), macht uns ruhiger, als wir es sonst wären. Und so empfehlen wir dich dem Schutz Gottes und bleiben

Deine dich liebenden, aber besorgten Eltern

Brief XIV

Lieber Vater, liebe Mutter,

Mrs. Jervis und ich haben die letzten zwei Wochen sehr angenehm miteinander verbracht, denn mein Herr war in dieser Zeit auf seinem Sitz in Lincolnshire und auf dem seiner Schwester Lady Davers. Gestern aber kehrte er zurück. Er sprach bald darauf eine Zeitlang mit Mrs. Jervis, und zwar hauptsächlich über mich. Er sagte zu ihr ungefähr das Folgende:

"Nun, Mrs. Jervis, mir ist bekannt, dass Ihr eine hohe Meinung von Pamela habt. Doch denkt ihr, dass sie für das Haus von irgendeinem Nutzen ist?"

Sie war, so erzählte sie mir, von der Frage überrascht, sagte ihm aber, dass ich eines der tugendsamsten und fleißigsten Mädchen sei, die sie je gekannt hat.

"Warum, bitte, sprecht Ihr von tugendsam?", sagte er. "Könnte man denn annehmen, dass es anders ist? Oder hat sich irgendjemand in den Kopf gesetzt, sie auf die Probe zu stellen?"

"Ich bin erstaunt, Sir, dass Ihr dieses fragt. Wer würde so etwas gegen sie ansinnen, in einem so ordentlichen und gut geführten Haus wie dem Euren und unter einem Herrn, dessen Charakter so viel Tugend und Ehre zeigt?"

"Ich danke Euch, Mrs. Jervis, für Eure gute Meinung von mir. Doch bitte, falls es so jemanden gäbe, denkt Ihr, dass Pamela Euch davon berichten würde?"

"Sir, sie ist ein unschuldiges junges Geschöpf und hat, glaube ich, so viel Vertrauen in mich, dass sie meinen Rat nicht weniger annehmen würde als den ihrer Mutter."

"Unschuldig! Schon wieder; und ganz gewiss tugendsam! Ihr stattet sie im Übermaß mit Vorzügen aus. Ich aber halte sie für ein gewieftes Früchtchen, und hätte ich einen jungen und gut aussehenden Diener oder Haushofmeister, würde sie ihn bald an die Angel nehmen, wenn sie ihn für eine gute Partie hielte."

"Ach, Sir", sagte sie, "Pamela ist noch jung. Ich getraue mich für sie zu sagen, dass sie bisher noch nicht ans Heiraten gedacht hat und dies auch jetzt nicht tut. Euer Haushofmeister und Euer Diener sind beide schon ältere Männer und haben solches nicht im Sinn."

"Wären sie aber jünger, dann wären sie zu klug, um sich auf so ein Mädchen einzulassen. Ich sage Euch, Mrs. Jervis, was ich von ihr halte: Ich glaube nicht, dass sie, die so hoch in Eurer Gunst steht, das unschuldige Mädchen ist, als das Ihr sie anseht."

"Es steht mir nicht zu, mit Euch darüber zu debattieren, gnädiger Herr, ich wage aber zu behaupten, dass sie mit Männern keinen Kummer hätte, würden diese sie nur in Ruhe lassen."

"Wieso das, Mrs. Jervis?", sagte er. "Gibt es denn Männer, die ihr keine Ruhe lassen, von denen ihr wisst?"

"Nein, wirklich nicht, Sir. Sie nimmt sich so sehr zurück und verhält sich so klug, dass jedermann sie wertschätzt und ihr so viel Respekt erweist, als wäre sie eine Lady von Geburt."

"Ach je, das ist ihre List, von der ich gesprochen habe. Das Mädchen ist, wenn ich nicht ganz irre, voller Eitelkeit und Dünkel und Stolz. Vielleicht könnte ich Euch ein Beispiel nennen."

"Sir", sagte sie, "Ihr habt mehr Weitblick als eine arme und einfältige Frau wie ich, doch ich habe bei ihr nie etwas anderes als Unschuld wahrgenommen."

"Und auch Tugend, ganz sicherlich. Doch nehmt einmal an, ich könnte Euch ein Beispiel geben, wie sie etwas zu frei über die Gefälligkeiten sprach, die ihr jemand erbrachte, und wie sie aus Eitelkeit ein paar freundlichen Worten, die man aus Mitgefühl mit ihrer Jugend und ihren Umständen an sie richtete, eine schlechte Absicht unterstellte, und wie sie es sogar wagte, Leute zu verunglimpfen, deren Namen sie nur mit Respekt und Dankbarkeit nennen sollte. Was würdet Ihr dazu sagen?"

"Ich weiß nicht, was ich dazu sagen würde. Ich hoffe aber, dass Pamela zu solcher Undankbarkeit nicht imstande ist."

"Nun gut, reden wir nicht mehr über dieses dumme Mädchen. Weist sie, als ihre Freundin, nur an, mit der Gunst, die man ihr bezeugt, nicht zu frei umzugehen, und, falls sie hier bleibt, dass sie nichts über die Angelegenheiten meines Hauses niederschreibt, nur um ihren Stil und ihre Erfindungskraft zu üben. Ich sage Euch, sie ist eine raffinierte und heuchlerische Zigeunerin, und mit der Zeit werdet Ihr das selbst merken."

Hat man je so etwas gehört, meine lieben Eltern? Es ist offensichtlich, dass er mit einer Zurückweisung durch mich nicht gerechnet hat und nun denkt, dass ich Mrs. Jervis davon berichtet habe, und dass er auch meinen langen Brief hat, der für Euch bestimmt war, und nun äußerst verärgert ist. Ich kann das aber nicht ändern. Lieber noch bin ich heuchlerisch und raffiniert als so, wie es ihm genehm ist. Und obgleich er der Tugend und Unschuld, für die man mich lobt, kaum Bedeutung beimisst, wäre er doch weniger ärgerlich, wenn ich das Lob nicht verdiente. Auf diese Weise würde meine Schande für ihn als Tugend gelten, so dreist wie dieser Edelmann ist.

Ich werde Euch bald wieder schreiben, muss jetzt aber aufhören und bleibe auf immer

Eure ehrbare Tochter

Brief XV

Liebe Mutter,

ich habe meinen letzten Brief plötzlich abgebrochen, weil ich befürchtete, dass er hereinkommt, und so war es auch. Ich steckte den Brief in meinen Busen und nahm meine Arbeit wieder auf, die ich neben mir liegen hatte. Ich bin aber so wenig in der Heuchelei begabt, wie er das nennt, dass ich bestürzt dreinschaute, als hätte ich etwas Unrechtes getan.

"Bleibt sitzen, Pamela", sagte er, "und arbeitet ruhig weiter. Ihr habt mich nicht willkommen geheißen nach meiner Reise nach Lincolnshire."

"Es wäre doch schlimm, Sir, wenn Ihr nicht immer willkommen wäret in Eurem eigenen Haus."

Ich wollte mich entfernen, doch er sagte:

"Lauft nicht davon. Ich muss mit Euch reden."

Ach Himmel, wie mein Herz schlug!

"Als ich Euch im Gartenhaus eine kleine Freundlichkeit erwies und Ihr Euch deswegen so närrisch benommen habt, als führte ich Böses gegen Euch im Schilde, sagte ich Euch da nicht, dass Ihr darum kein Aufhebens machen sollt? Und doch habt Ihr aller Welt davon erzählt, ohne Rücksicht auf meinen oder Euren eigenen Ruf."

"Aller Welt erzählt, Sir? Ich habe doch kaum jemanden, mit dem ich spreche."

"Kaum! Ihr kleine Wortverdreherin, was meint Ihr mit kaum? Ich frage Euch also, habt Ihr Mrs. Jervis als erster davon erzählt?"

"Ich bitte Euch, Sir", sagte ich aufgeregt, "lasst mich nach unten gehen. Denn es schickt sich nicht, dass ich mit einem vornehmen Herrn streite."

"Wortverdreherin, schon wieder!" Er nahm meine Hand. "Wieso sprecht Ihr von einem Streit? Ist es streiten, wenn Ihr auf eine einfache Frage antworten sollt? Antwortet mir also auf meine Frage."

"Ach, guter Herr, ich bitte Euch, mich nicht weiter zu drängen, da ich sonst fürchte, mich selbst zu vergessen und unverschämt zu werden."

"Ihr sollt mir antworten. Habt Ihr Mrs. Jervis etwas erzählt? Es wäre unverschämt von Euch, mir keine direkte Antwort auf meine Frage zu geben."

"Sir", sagte ich und hätte zu gerne meine Hand zurückgezogen, "ich könnte Euch vielleicht mit einer anderen Frage antworten, aber das stände mir nicht zu."

"Was soll das heißen? Sprecht offen."

"Also gut, Sir. Warum wäret Ihr, gnädiger Herr, so erbost, wenn ich Mrs. Jervis oder sonst jemandem das Geschehene mitgeteilt hätte, wenn Ihr nichts Schlechtes im Sinn hattet?"

"Klug gesagt, und so unschuldig und ungekünstelt! Ganz nach der Beschreibung von Mrs. Jervis. Damit macht Ihr Euch nur lustig über mich, frech wie Ihr seid! Ich bestehe aber immer noch auf eine direkte Antwort auf meine Frage."

"Also gut, Sir", sagte ich, "Ich will um keinen Preis lügen: Ich habe in meinem Kummer Mrs. Jervis davon erzählt, anderen gegenüber aber war mein Mund verschlossen."

"Sehr gut. Respektlos wie Ihr seid, redet Ihr wieder zweideutig! Euer Mund war verschlossen. Aber habt Ihr an andere darüber nicht geschrieben?"

"Warum denn, gnädiger Herr?" Ich war jetzt ganz mutig geworden. "Ihr könntet mich das nicht fragen, wenn Ihr nicht meinen Brief an meinen Vater und meine Mutter an Euch genommen hättet, in dem ich ihnen, ich gebe es zu, alles erzählte und mein Kummer offenbarte und um ihren Rat fragte."

"Und so bin ich", sagte er, "durch ein Früchtchen wie Euch in meinem eigenen Haus und vor der ganzen Welt bloßgestellt?"

"Nein, guter Herr, seid nicht wütend auf mich. Ich habe Euch nicht bloßgestellt, sondern nichts als die Wahrheit gesagt!"

"Schon wieder macht Ihr Euch lustig, Ihr freches Ding! Ich will so nicht ins Gerede kommen!"

"Bitte, Sir", sagte ich, "von wem kann ein armes Mädchen Rat bekommen, wenn nicht von seinen Eltern und einer so guten Frau wie Mrs. Jervis, die aus Verbundenheit mit dem eigenen Geschlecht mir raten sollte, wenn ich danach verlange?"

"Was für eine Dreistigkeit!" Er stampfte mit dem Fuß auf. "Muss ich mir von einer wie Euch solche Fragen stellen lassen?"

Ich fiel auf meine Knie.

"Um des Himmels Willen, gnädiger Herr, habt Mitleid mit einem armen Geschöpf, das die Pflicht nicht kennt, die es Euch schuldet, das aber alles auf seine Tugend und seinen guten Ruf gibt. Ich habe nichts anderes, auf das ich vertraue, und, obgleich arm und ohne Freunde, habe ich doch gelernt, die Tugend höher zu schätzen als das Leben."

"Ihr macht viel Aufhebens um Eure Tugend, närrisches Mädchen!", sagte er. "Gehört es nicht zur Tugend, pflichteifrig und dankbar gegenüber Eurem Herrn zu sein? Was meint Ihr?"

"In der Tat, Sir, geht es nicht an, dass ich gegen Euch undankbar oder ungehorsam wäre oder es verdiente, frech oder unverschämt genannt zu werden, außer Eure Befehle widersprächen jener ersten Pflicht, die stets das Richtmaß für mein Leben ist! "

Er schien aufgewühlt zu sein und erhob sich und begab sich in das große Zimmer nebenan, wo er eine Zeitlang auf- und abging, während ich auf meinen Knien verweilte. Ich bedeckte mein Gesicht mit der Schürze und legte meinen Kopf auf einen Stuhl und weinte, als wolle mir mein Herz zerspringen, ohne noch die Kraft zu haben, mich zu rühren.

Endlich kam er wieder herein, doch, leider! mit Groll in seinem Herzen! und nahm mich hoch.

"Steht auf, Pamela, steht auf! Ihr seid Euch selbst ein Feind. Eure Torheit wird Euch zugrunde richten. Ich sage Euch, ich bin sehr ungehalten darüber, wie Ihr meinen Namen bei der Hausdame und bei Euren Eltern verleumdet habt, und es ist einerlei, ob Ihr dafür einen wirklichen Grund hattet oder meinen Namen in Einbildung mit Schmutz bewarft."

Dann zog er mich mit Gewalt auf seine Knie. Ach, wie ich mich fürchtete! Ich rief die Worte, die ich eine oder zwei Nächte zuvor in einem Buch gelesen hatte:

"Engel und Heilige und die Heerschar des Himmels, beschützt mich!"

Und dass ich nicht für einen Augenblick den Verlust meiner Tugend überleben solle!

"Ihr hübsche Närrin!", sagte er. "Wie könnt Ihr Eure Tugend verlieren, wenn Ihr einer Kraft Euch beugt, der Ihr nicht widerstehen könnt? Seid ohne Sorge, denn das Schlimmste, was Euch widerfahren wird, ist, dass Ihr die Ehre habt und ich die Schande. Es wird auch ein lohnendes Thema für Briefe an Eure Eltern sein und obendrein eine schöne Geschichte für Mrs. Jervis."

Er küsste mit Gewalt meinen Hals und meine Lippen und sagte:

"Wer hat jemals Lucretia beschuldigt? Alle Schande lag auf dem Schänder. Ich bin also bereit, die Schuld auf mich nehmen, zumal davon schon mehr auf mir lastet, als ich verdiene."

"So könnte ich wie Lucretia durch meinen Tod mich rechtfertigen, wenn ich auf grausame Weise entehrt werde?"

"Ach, gutes Kind", sagte er höhnisch, "ich sehe schon, Ihr seid recht belesen. Wir werden einen guten Stoff für einen Roman abgeben, bevor wir es getan haben, dessen seid versichert."

Dann steckte er die Hand in meinen Busen, was mich so entrüstete, dass sich meine Kraft verdoppelte und ich mich von ihm mit einem Ruck losmachte und aus dem Zimmer lief und im nächsten Zimmer, das ich offen fand, die Tür hinter mir zuwarf und sie verschloss. Doch er folgte mir so nahe, dass er mein Kleid zu fassen bekam und ein Stück davon abriss, das noch aus der Tür ragte, denn sie war von innen versperrt.

Ich erinnere mich nur, wie ich in das Zimmer gelangte. Was danach geschah, weiß ich nicht mehr, weil ich in meinem Schrecken in eine Ohnmacht fiel, und so lag ich, bis er, wie ich vermute, mich durch das Schlüsselloch auf dem Boden ausgestreckt auf dem Gesicht liegen sah. Er rief Mrs. Jervis herbei, die mit seiner Hilfe die Tür aufbrach. Als er sah, dass ich wieder zu mir kam, trug er ihr auf, niemandem davon zu erzählen, wenn sie klug wäre, und ging davon.

Die arme Mrs. Jervis dachte, es stünde schlimmer um mich, als es in Wirklichkeit war, und weinte über mir wie eine Mutter. Erst nach zwei Stunden kam ich wieder zu mir, und gerade als ich imstande war, mich zu erheben, kam er herein, so dass ich vor Schrecken wieder in Ohnmacht fiel. Er zog sich zurück, blieb aber im benachbarten Zimmer, um zu verhindern, dass jemand in unsere Nähe kam und seine Machenschaften bekannt würden.

Mrs. Jervis reichte mir ihr Riechfläschchen, zerschnitt mein Schnürbändchen und setzte mich in einen großen Stuhl. Er rief sie zu sich.

"Wie geht es dem Mädchen? Nie in meinem Leben sah ich solch eine Närrin. Ich habe ihr überhaupt nichts getan."

Mrs. Jervis konnte vor Weinen nicht sprechen. Also sagte er:

"Sie hat Euch, wie es scheint, erzählt, dass ich im Gartenhaus zu ihr freundlich war, doch ich versichere Euch, ich habe mir so wenig zu Schulden kommen lassen wie auch jetzt. Ich bitte Euch, diese Angelegenheit für Euch zu behalten und meinen Namen herauszuhalten."

"Ach, Sir, um Euer und um Christus Willen!"

Doch er wollte sie nicht hören.

"Um Euer selbst Willen sage ich Euch, Mrs. Jervis, sprecht kein Wort mehr. Ich habe ihr nichts getan. Und ich möchte nicht, dass sie in meinem Haus bleibt, so schwatzhaft und verdreht, wie diese Närrin sich gebärdet! Da sie aber so flink darin ist, in Ohnmacht zu fallen, oder dies zumindest vorgibt, bereitet sie darauf vor, morgen nach dem Mittagessen zusammen mit Euch zu mir in die Kammer meiner Mutter zu kommen, dann werdet Ihr hören, wie es zwischen uns steht."

Und so ging er in schlechter Laune hinaus und befahl, seine Kutsche zu bespannen, um jemanden besuchen zu fahren.

Mrs. Jervis kam zu mir, und ich erzählte ihr alles, was vorgefallen war, und dass ich entschlossen sei, das Haus zu verlassen. Sie antwortete, es schiene ihr, als habe er selbst angedroht, mich fortzuschicken. Ich sagte:

"Das höre ich gerne, so bin ich umso ruhiger."

Dann erzählte sie mir alles, was er zu ihr gesprochen hat, wie oben berichtet.

Mrs. Jervis bedauert sehr, dass ich fortgehen möchte. Die arme Frau beginnt nun um sich selbst zu bangen, will aber um keinen Preis, dass ich ins Unglück stürze. Sie sei sicher, sagte sie, dass er keine guten Absichten habe. Es könne aber sein, dass er in Anbetracht meiner Entschlossenheit alle weiteren Versuche aufgebe, und dass ich nach dem morgigen Tag, an dem ich vor einen sehr ungerechten Richter trete, besser wüsste, was zu tun sei.

Ach, wie mir vor diesem morgigen Auftritt graut! Zweifelt aber nicht an der Tugend Eures armen Kindes, wie ich nicht an Euren Gebeten für

Eure gehorsame Tochter

Ach, dieser schreckliche morgige Tag! Wie ich ihn fürchte!

Brief XVI

Meine lieben Eltern,

ich weiß, dass Ihr Euch schon lange nach einem Brief von mir sehnt. Ich sende ihn Euch so schnell wie möglich.

Nun, Ihr könnt Euch vorstellen, wie unbehaglich ich die Zeit bis zur vereinbarten Stunde verbrachte. Mit jeder Minute, in der sie näher rückte, wuchs mein Schrecken. Manchmal fühlte ich Mut, dann wieder keinen, und war in Sorge, ohnmächtig zu werden, wenn mein Herr fertig gespeist hat. Ich selbst vermochte weder zu essen noch zu trinken. Vom vielen Weinen waren meine Augen ganz verschwollen.

Endlich kam er herauf in die Kammer, welche das Kabinett meiner guten Herrin gewesen war. Einst liebte ich dieses Zimmer, jetzt hasse ich es.

Bebt Euer Herz nicht um meinetwegen? Das meinige flatterte wie ein frisch gefangener Vogel in seinem Käfig. Ach, Pamela, sagte ich zu mir selbst, warum bist du so töricht und ängstlich? Du hast nichts Unrechtes getan! Wenn du einen ungerechten Richter als Unschuldige fürchtest, was würdest du tun, wenn du als Schuldige vor einen gerechten trätest? Habe Mut, Pamela, du weißt, was dir als Schlimmstes geschehen kann, und um wieviel erstrebenswerter Armut und Tugend sind als Reichtum und Laster.

So sprach ich mir Mut zu, doch mein Herz war verzagt und mein Gemüt verdunkelt. Jedes kleinste Geräusch schien wie eine Stimme von mir Rechenschaft zu fordern. ich fürchtete den Augenblick und wünschte doch, er möge endlich da sein.

Schließlich läutete mein Herr die Glocke. Ach, dachte ich, das ist meine Totenglocke!

Mrs. Jervis, die gute Frau, ging mit schwerem Herzen zu ihm.

"Wo ist Pamela?", sagte er. "Lasst sie kommen und kommt mit ihr."

Als sie mich holte, waren meine Füße zum Gehen bereit, doch mein Herz weilte bei meinen lieben Eltern im Wunsch, Eure Armut und Euer Glück zu teilen. Ich ging aber hinauf.

Ach, wie kann es sein, dass sündhafte Menschen, deren Herz so finster ist, ganz ungerührt erscheinen, während Unschuldige wie Übeltäter vor ihnen stehen!

Er blickte so ernst, dass mein Herz kaum noch schlagen wollte und ich mich weit weg wünschte, obgleich ich all meinen Mut zusammengenommen hatte. Guter Himmel, sagte ich zu mir selbst, gib mir Mut, vor diesen schändlichen Herrn zu treten! Ach, mildere ihn, oder mache mich stärker!

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