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Arabella

1. Auflage, erschienen 8-2020

Umschlaggestaltung: Romeon Verlag

Text: Hildegard Maas

Layout: Romeon Verlag

ISBN (E-Book): 978-3-96229-879-1

www.romeon-verlag.de

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Hildegard Maas

ARABELLA

Die Abenteuer der kleinen blauen Schlange

Kapitel 1

Arabella war eine kleine blaue Schlange.

Ja, auf einmal war sie da!

Und das kam so:

Ein Clown auf einer kleinen Insel hatte ziemliche Langeweile. Es gab gerade mal nichts zu tun. Er schaute sich um und seufzte. Langeweile mochte er nicht. Langeweile haben, war nicht schön. Zum Glück hatte er nicht oft Langeweile, weil ihm doch dann irgendwann irgendetwas einfiel, was er tun konnte. Ja, und weil er jetzt gerade nichts anderes zu tun fand, pustete er Luftballons auf. Alle Luftballons, die er in seiner Wohnung finden konnte, pustete er auf. Er pustete aus Leibeskräften: rote, gelbe, grüne, weiße und einen blauen.

Als er fertig war, schaute er sich alle Ballons ganz genau und von allen Seiten an. Ja, es war eindeutig: der blaue war am allerschönsten von allen. Er bestaunte ihn ausgiebig von allen Seiten. Und er freute sich! Und weil er sich so freute, nahm er ihn in die Hand und tanzte mit ihm kreuz und quer durchs Zimmer. Er umarmte ihn und knuddelte ihn und da, auf einmal schwupps – war aus dem blauen Luftballon die kleine blaue Schlange entstanden. Sie hatte ein freundliches rundes Gesicht, einen langen Körper und zwei Beine mit natürlich auch Füßen dran. „Uiuiui“ – der Clown war superstolz auf sich. „Da ist mir aber mal was wirklich sehr Schönes gelungen.“ Er stellte sich mit seinem neuen Kunstwerk vor den Spiegel und machte ein Selfie von sich und der Schlange. Selfies machen, war nicht so sein Ding. Na ja, um ehrlich zu sein, eigentlich konnte er es gar nicht. Entweder es war nur seine Stirn zu sehen oder seine großen, großen Schuhe oder sein schöner dicker Bauch. Manchmal funktionierte es auch ganz gut. Nur diesmal wollte und wollte es nicht klappen, denn wenn man sich im Spiegel selbst fotografiert und dann noch zu zweit, ist es noch mal schwieriger, fand er.

Der Clown hatte also die kleine blaue Schlange auf dem einen Arm, das Handy in der anderen Hand und versuchte nun zum x-ten Mal, sich selbst mit der Schlange im Spiegel zu fotografieren. Da plötzlich hörte er wie jemand freundlich, aber doch etwas ungeduldig sagte: „Hey, jetzt mach Dein Foto und dann lass uns mal ein bisschen rausgehen.“ Erschrocken guckte er sich um und stolperte dabei fast über seine großen Schuhe. Das Handy hatte er fallen gelassen. War nicht schlimm, kann immer mal passieren in aufregenden Situationen, fand er. Aber dies hier war doch eine superbesondere Sache.

Der Clown, er hieß übrigens Theobald, kratzte sich am Kopf, murmelte irgendwas von schlecht geschlafen und überarbeitet und urlaubsreif. Dann rückte er seine Perücke gerade, zog seinen Anzug zurecht, hob das Handy vom Boden auf und setzte sich und die blaue Luftballonschlange wieder in Position vor den großen Spiegel. Er hob das Handy und wollte gerade das perfekte Foto machen, da ertönte wieder diese freundliche, aber jetzt doch sehr bestimmte Stimme. „Ich müsste mal zur Toilette!“ „Wer spricht denn da mit mir?“, fragte Theobald laut. „Na ich!“, sagte Arabella. „Wer ist ich?“, fragte Theobald. Dabei sah er sich noch mal um. „Hallo, ich! Ich sitze schon stundenlang auf Deinem Arm, während Du versuchst, ein Foto von uns beiden zu machen, dabei ist das doch ganz einfach: Mach einfach ein Foto!

Die besten Selfies sind sowieso die, die nicht perfekt sind, das bringt die meisten Menschen zum Lachen und Lachen ist gut!“

„Ja, da hast Du recht, wieso war mir das entfallen, ich bin doch Clown und will die Menschen zum Lachen bringen.“ Theobald musste über sich selbst lachen. Das tat erst mal gut. Dann aber stellte er die blaue Schlange vor sich auf den Boden, ging in die Hocke, sodass er in ihre Augen schauen konnte und sagte herzlich: „Hallo und willkommen hier, wie heißt denn Du?“ Das Selfie war mit einem Mal sehr unwichtig. Erst musste er wissen, mit wem er es zu tun hatte und er musste herausfinden, ob er nicht doch plötzlich verrückt geworden war und sich das alles nur einbildete. „Hallo zurück!“, sagte da die kleine, blaue, freundliche Schlange. „Ich bin Arabella. Ich war mal ein blauer Luftballon und nun bin ich ich, und so wie ich bin, fühlt sich das ziemlich gut an. Ich unterhalte mich gerade mit Dir und außerdem, wie ich schon sagte, müsste ich jetzt mal dringend auf die Toilette.“

„Jaja, aber selbstverständlich doch, dort drüben ist das Badezimmer. Warte, ich bring dich hin.“

„Da drüben die Tür, sagst du? Danke, da find ich allein hin. Warte hier, bin gleich wieder da.“ Sprach’s und machte sich unter den Augen eines sehr verwunderten Theobald auf den Weg ins Badezimmer. Theobald blieb vorsichtshalber auf dem Fußboden sitzen. Vielleicht steckte er ja auch mitten in einem Traum?

Da ging die Tür aber schon wieder auf und die kleine blaue Luftballonschlange stand tatsächlich vor ihm. „So, das wäre erledigt. Und was machen wir jetzt?“ Ihr Tonfall war leicht ungeduldig. Theobald dachte sich: Egal, ob ich träume oder wach bin, ich will jetzt wissen, wie es weitergeht mit mir und dieser kleinen freundlichen Schlange. Und schon hörte er sich sagen – ja und er war froh, dass er alleine in seiner Wohnung wohnte und ihn jetzt keiner hören konnte - „also nochmals herzlich willkommen, liebe Arabella. Ich würde vorschlagen, wir machen uns erst mal ein paar Pfannkuchen und dann zeige ich Dir die Insel, auf der wir hier wohnen.“ Arabella sprang vor Freude in die Luft „Super Idee, guter Plan!“, rief sie und folgte Theobald in die kleine gemütliche Küche. Hier roch es nach Kaffee und Zimt und es war ein Duft vom Meer im Raum. Das Fenster stand auf.

Die Sonne schien herein. Man konnte in einen kleinen Garten blicken. Da waren viele Vögel die zwischen den unterschiedlichsten bunten Vogelhäusern geschäftig hin und herflogen und sich offensichtlich unterhielten und Neuigkeiten austauschten. Es gab dort auch viele bunte Blumen und eine große Wiese mit Gänseblümchen und vielen Bienen. Es war ein so wunderschöner Ort, fand Arabella. Zufrieden ließ sie sich auf der Holzbank am großen Esstisch am Fenster nieder. Sie ließ die Sonnenstrahlen in ihr freundliches rundes Gesicht scheinen, atmete den Duft von Meer, Wiese und Blumen und hörte dem Gezwitscher der Vögel und dem Summen der Bienen zu. Entspannt lehnte sie sich in die großen, dicken, weichen Kissen auf der Bank zurück und schlief ein.

Kapitel 2

Geweckt wurde Arabella von einem lauten Gepiepe, Geschepper und nachfolgenden Schimpftiraden. Theobald wieselte von einer Ecke der Küche zur anderen, riss Schränke auf, schlug sie wieder zu. Er machte den Kühlschrank auf, um ein paar Eier und Milch herauszuholen, lief zum Küchenschrank, um Eier und Milch in den Mixer zu füllen. Auf einmal piepte es laut und schrill. Davon war Arabella geweckt worden. „Was piept denn hier so laut?“

„Ach, das ist mein Kühlschrank. Der macht einen Höllenlärm, wenn man ihn zu lange offenstehen lässt. Sehr lästig das alles. Meine Freunde haben gedacht, ich brauch so’n Ding, na ja, weil ich immer vergesse, den Kühlschrank wieder zuzumachen. Einmal war ich verreist und hatte mir vorher einen Apfel aus dem Kühlschrank geholt. Natürlich habe ich auch da die Kühlschranktür vergessen und, also was soll ich sagen, als ich wiederkam, war es so kalt in meiner Wohnung und im Kühlschrank war es viel zu warm, alles war verdorben. Ich habe mir einen Schnupfen geholt. Das Essen musste alles in den Müll und mein Magen blieb an dem Abend leer. Das habe ich meinen Freunden erzählt, als sie fragten, woher ich den Schnupfen habe. Und am nächsten Tag kamen sie und brachten diesen neuen Kühlschrank mit. Der erinnert mich jetzt ständig, wenn ich vergesse, die Tür zu schließen.“

„Ja und?“, fragte Arabella, „wieso machst Du ihn denn dann jetzt nicht zu?“

„Och, ich muss da ja gleich wieder dran. Aber Du hast schon recht, ich sollte es mir doch mal angewöhnen“. Arabella saß mit verschränkten Armen auf der Bank und wartete. „Und?“, fragte sie wieder, „Was und?“, fragte Theobald zurück. Es piepte immer noch. „Ach so, jaja, ich mach ja schon.“ Theobald schlurfte zum Kühlschrank und schloss die Tür. Sofort wurde es angenehm still in der Küche. „Ahhh“, Arabella seufzte erleichtert auf und auch Theobald hielt einen Moment inne. „Wow, sehr angenehm diese Ruhe. Ja, in der Tat ich muss schon sagen sehr angenehm. Viel besser als das elende schrille Piepen.“ Und das Beste war, er konnte sicher sein, dass der Kühlschrank nicht offenstand. Gut, wenn man Freunde hat, die wissen, was man wirklich braucht, dachte er zufrieden. Über dies hatte er aber wieder vergessen, dass er ja eigentlich Pfannkuchen backen wollte.

Arabella saß auf der Bank, ließ sich von der Sonne bescheinen, sah wieder dem Treiben im Garten zu und wartete. Ein Hungergefühl machte sich in ihrem Bauch bemerkbar. Theobald stand versonnen in der Mitte der Küche und freute sich immer mehr über sein erfülltes Leben mit solch guten Freunden und einem Haus mit einem schönen Garten und all den Vögeln und Bienen und Blumen und … Da wurde er unsanft aus seinen Gedanken gerissen durch eine ungeduldige kleine, blaue Schlange namens Arabella. „Ich hätte dann auch Hunger“, sagte sie mit quäkender Stimme und gar nicht mehr so freundlich wie am Anfang. „Ach Du je, natürlich.“ Theobald wurde plötzlich sehr geschäftig. „Du musst entschuldigen, ich bin sehr vergesslich. Nun wird’s Zeit, mein Magen ist auch schon wieder vollkommen leer. Warte kurz. Gleich wirst Du die weltbesten Pfannkuchen essen.“

Er tat alles, was auf dem Küchenschrank stand, in den Mixer. Eier und Milch waren ja schon drin. Das hatte er behalten von dem Pfannkuchen-Rezept seiner Oma. Nun wusste er aber nicht so recht weiter und musste sich schnell etwas ausdenken. Also füllte er das in den Mixer, was vom Vorabend noch auf dem Küchenschrank stehen geblieben war, weil er vergessen hatte, es wegzuräumen. Dies waren: saure Gurken, Tomaten, Lakritz-Schnecken, eine Currywurst und ein Erdbeerjoghurt. Zum Schluss tat er noch ein bisschen Salz und Pfeffer dazu, schloss den Mixer und stellte ihn an. Der Mixer mixte mit einem Höllenlärm und es entstand eine grünlichbraune Masse, die, das musste Theobald selbst zugeben, nicht sonderlich appetitlich aussah und auch nicht so sehr gut roch. Arabella schaute auf den Mixer, dann auf Theobald und dann wieder zum Mixer. „Bist Du sicher, dass es der richtige Pfannkuchenteig ist?“, fragte sie. Theobald kratzte sich am Kopf. „Nicht so ganz“, sagt er, „bei meiner Oma hat der Teig irgendwie eine andere Farbe und auch einen besseren Geruch. Ach was, es wird schon richtig so sein.“ Er stellte die Pfanne auf den Herd, tat etwas Fett hinein und stellte die Platte auf die höchste Stufe. Schon bald brutzelte das Fett in der Pfanne und Theobald löffelte den grünbraunen Teig hinein. Zufrieden setzte er sich auf die Bank. „So das wäre erledigt!“, sagte er und klatschte in die Hände. „Das wird ein feiner Schmaus.“ Nach dieser ganzen Schufterei fielen ihm die Augen zu und fast wäre er eingeschlafen, hätte nicht Arabella ihn angestupst. „Du, Theobald, ist das denn so richtig, dass die Pfanne stinkt und qualmt?“, fragte sie.

„Was? Wie? Es stinkt und qualmt? NEIN! Oh, oh nein, oh nein!“ Theobald sprang auf und jammerte laut. Es zog ein strenger Geruch durch die Küche, der überhaupt nichts mit dem Geruch zu tun hatte, der in der Küche lag, wenn Theobalds Oma Pfannkuchen backte. „Ach Du lieber Schnickschnack! Nein, nein, nein“, jammerte Theobald in einem fort. Er riss die Pfanne vom Herd, stellte sie in die Spüle und ließ Wasser hineinlaufen. „Warum vergesse ich bloß immer alles?“ Er wurde ziemlich traurig und mutlos. „Was sollen wir jetzt nur machen?“ Mit hängenden Armen und hängendem Kopf stand er vor der Spüle. Er war hungrig und müde und erschöpft und er wusste, dass Arabella auch Hunger hatte. „Hmm.“ Arabella überlegte: „Ruf doch einfach Deine Oma an und frag nach, wie sie immer Pfannkuchen backt“, schlug sie vor.

„Ja, Du hast recht! Das könnte ich machen.“ Theobalds Laune besserte sich. Er zögerte kurz. „Aber noch besser ist es, wir gehen gleich zu ihr hin und sie backt uns den weltbesten Pfannkuchen.“ Gesagt, getan. Theobald nahm Arabella und setzte sie in seinen großen Einkaufskorb. Er selbst zog seine schöne rote Strickjacke über seinen bunten Anzug. Arabella bekam einen blauen Schal umgelegt und eine Baseballkappe auf den Kopf, die sie fast vollständig verdeckte. „Hey, so kann ich doch überhaupt nichts mehr sehen!“, beklagte sie sich.

„Ach, das ist nicht schlimm. Hauptsache Du erkältest Dich nicht. Ich trag Dich ja, da brauchst Du nichts zu sehen.“ In Wirklichkeit hatte Theobald Sorge, dass Arabella ihm auf dem Weg zu seiner Oma irgendwelche Fragen stellte und er darauf antworten musste. Die Leute auf der Straße würden denken, er sei verrückt geworden. Das war er nicht. Er war vielleicht ein bisschen verrückter als andere, aber darum war er ja auch Clown geworden und brachte viele Menschen zum Lachen. Nun war aber eine Unterhaltung mit einer sprechenden Luftballonschlange noch etwas anderes als ein bisschen verrückt, fand er. Aber, verrückt hin oder her, Arabella und er hatten Hunger und Oma konnte definitiv den besten Pfannkuchen der ganzen Welt backen.

Er machte die Wohnungstür auf, spähte hinaus und versicherte sich, dass keiner der Nachbarn im Flur war. Schnell zog er die Tür hinter sich zu und ging zügig die drei Stufen hinunter zur Haustür. „Am besten ist es, Du lässt den Mund zu, wenn wir auf der Straße sind“, flüsterte er der Schlange zu, „sonst wird Dein Mund zu kalt und du frierst.“ Arabella runzelte die Stirn unter der großen Baseballkappe. „Wieso sollte ich denn frieren, wenn ich den Mund aufmache?“, fragte sie unwirsch, „und dazu noch im Sommer? Ihr Menschen seid schon komisch.“

„Pssst“, sagte Theobald. Mit schnellen Schritten ging er die Straße entlang. Es war nicht weit zu seiner Oma. Schon bald waren sie vor ihrem Haus angekommen. Es war ein großes, weißes Haus über und über mit Efeu bewachsen. Und es war von einer großen Hecke aus rosa Rosen eingezäunt. Daneben lag eine Garage mit einem rosafarbenen Tor. Theobald war so schnell gelaufen, dass er ganz außer Puste war. Arabella war etwas übel geworden, weil sie durch den schnellen Gang ziemlich durchgerüttelt worden war. Theobald guckte unter die Baseballkappe und fand eine leicht verärgerte Arabella vor. „Es ist schon sehr warm unter dieser blöden Mütze und auch den Schal hätte ich, glaub ich, nicht gebraucht“, sagte sie missmutig. Theobald machte sich nichts daraus. Er war froh, den Weg überstanden zu haben und freute sich jetzt auf seine Oma und die Pfannkuchen. Sein Magen knurrte schon ganz laut. Er hoffte nur, dass seine Oma auch zu Hause war. Die Sache mit Arabella würde er ihr schnell erklären können. Seine Oma würde das alles verstehen. Vielleicht könnte er Arabella auch bei ihr lassen, wenn er arbeiten musste, man würde sehen. Er drückte auf die Klingel und wartete.

Kapitel 3

Nachdem sie fünf Mal geklingelt hatten, hörten sie endlich Schritte. „Jaja, Moment doch, ich komme ja schon. Immer diese ungeduldigen Menschen, nicht mal zwei Minuten können sie warten“, nörgelte eine Stimme.

Die Haustür öffnete sich mit einem leisen Quietschen und da stand Theobalds Oma vor ihnen. Sie war mittelgroß, hatte ihre grauen Haare zu einem Dutt hochgesteckt und hatte unfassbar freundliche Augen in einem runden Gesicht mit roten Bäckchen. Sie trug eine rosafarbene Schürze, die schon etwas verblichen war vom vielen Waschen. Sie war 137 Jahre alt, sah aber mindestens 10 Jahre jünger aus. Nicht, dass sie darauf irgendeinen Wert gelegt hätte, das Alter war nur eine Zahl, fand sie, entscheidend war doch, wie man sich fühlte, aber trotzdem freute es sie, wenn die Leute erstaunt waren über ihr Alter und sie jünger einschätzten, als sie tatsächlich war. Als sie die beiden sah, hellte sich ihr Gesicht schlagartig auf. Sie fiel Theobald lachend um den Hals. „Mein Theobald, wie schön Dich zu sehen.“ Sie klatschte vor Freude in die Hände. „Lange hast Du Dich nicht blicken lassen, dabei wohnen wir nicht weit voneinander entfernt. Gut siehst Du aus, wie immer. Wen hast Du denn da mitgebracht, und warum um Himmels willen muss dieses arme Wesen bei der Wärme so vermummt sein unter einer so riesigen Baseballkappe? Ist das vielleicht der König von China inkognito? Kommt schon herein, Ihr zwei.“ Sie trat einen Schritt zurück und ließ die beiden Gäste eintreten. Sofort umfing Arabella ein wohliges Gefühl der Geborgenheit.

Neugierig kletterte sie aus dem Korb, sobald Theobald ihn abgestellt hatte. „Na, Du scheinst ja neugierig zu sein.“ Anastasia schaute Arabella belustigt an. „Wenn Du magst, schau Dich ruhig erst mal um.“ Das ließ Arabella sich nicht zweimal sagen. Ein kleiner Flur führte rechts in eine große Wohnküche und links in ein gemütliches Wohnzimmer mit einem roten Sofa und einem bunten Sessel, auf dem eine schwarzweiße Katze lag und im Schlaf zufrieden schnurrte. Vom Wohnzimmer führte eine kleine Wendeltreppe nach oben in ein Schlafzimmer mit einem riesigen Fenster, sodass man vom Bett aus direkt aufs Meer schauen konnte. Dann gab es oben noch ein Badezimmer mit einer großen runden Badewanne und einem Trimm-Rad, das genau vor dem großen, runden Fenster stand, durch das man auf die Dünen und das Meer gucken konnte.

Arabella war überwältigt. Wie schön es hier war. Verträumt stand sie am Fenster und schaute aufs Meer. Sie nahm den Geruch von Zitronen und Zimtgebäck war und lauschte den Stimmen, die unten aus der Küche kamen. Theobald hatte seine großen Schuhe und seine Strickjacke ausgezogen und wollte es sich gerade in Anastasias Küche so richtig schön gemütlich machen. Da fiel ihm ein, dass er ja nicht allein zu seiner Oma gekommen war. „Uiuiui, fast hätte ich es vergessen, Oma, warte, ich hole eben meinen Besuch.“ Er ging in den Flur zurück und rief. „Hey, Arabella, komm, hier spielt die Musik. Komm in die Küche, hier ist es schön und gemütlich und es gibt immer etwas zu essen.“

Das war das Stichwort. Sofort begann Arabellas Magen zu knurren. Deshalb waren sie überhaupt hergekommen. Arabella lief vorsichtig die Treppe hinunter – unbekannte Treppen lief sie erst mal lieber langsam hinunter – und folgte Theobald in die Küche. Da stand ein riesiger Berg Zimtschnecken auf dem runden, hölzernen Küchentisch in der Mitte des Raumes. Eine große Schiebetür führte in einen wunderschönen Garten, der nur durch einen kleinen Holzzaun vom Strand getrennt war. Die Tür war geöffnet und ein warmer Wind wehte in die Küche. Genau wie bei Theobald hörten sie auch hier lautes Vogelgezwitscher und Bienengesumme. In diesem Garten gab es noch viel, viel mehr Vogelhäuser als bei Theobald und auch einen Bienenstock. Es gab eine kleine Wiese, welche kniehoch mit Gras und bunten Blumen übersät war. Außerdem gab es noch einen kleinen Teich. „Hier wohnen die zwei Frösche Waldemar und Knut“, erfuhr Arabella von Theobald.

„Glück gehabt“, sagte Theobalds Oma, „gerade habe ich Zimtschnecken gebacken! Gut, dass Ihr jetzt kommt, da sind sie noch ganz frisch und schmecken am besten.“ Theobald saß schon am Küchentisch und hatte bereits in eine Zimtschnecke gebissen. Versunken schaute er in den Garten. „Entschuldigung“, sagte seine Oma zu Arabella gewandt, „wir kennen uns noch gar nicht. Theobald hat es wohl wieder vergessen, dass wir uns noch nicht kennen. Er vergisst manchmal – nein, nicht manchmal, sondern eigentlich ziemlich oft – ein paar Dinge, dafür kann er aber Menschen so zum Lachen bringen, dass sie noch tagelang daran denken müssen. Und wenn er Zimtschnecken isst, dann kann er sowieso an nichts mehr denken“, lachte sie. „Also, dann stellen wir uns eben selbst mal vor: Ich bin Anastasia und ich bin Theobalds Oma.“ Sie reichte Arabella die Hand, „und wer bist Du?“, fragte sie neugierig. Arabella legte Baseballkappe und Schal ab. Puh, endlich, es war viel zu warm gewesen unter all dem Zeugs. Sie reichte Anastasia feierlich die Hand und sagte: „Sehr erfreut, Dich kennenzulernen. Ich bin Arabella. Ich wohne seit einigen Stunden bei Theobald.“

„Aha, sehr schön, sehr schön! Theobalds Gäste sind auch bei mir herzlichst willkommen. Theobald ist bei mir aufgewachsen. Seine Eltern sind viel in der Welt unterwegs und Theobald hat’s nicht so mit dem Verreisen“, sagte Anastasia und nickte freundlich.

„Es freut mich ebenfalls wirklich sehr, Dich kennenzulernen. So, das wäre erledigt. Nun setzen wir uns mal besser schnell zu Theobald, bevor er alle Schnecken verspeist hat. Möchtest Du etwas trinken? Ich habe selbstgemachte Zitronenlimonade, mit Zitronen aus meinem Garten.“ Das konnte Arabella sich natürlich nicht entgehen lassen. „Also“, sagte Anastasia während sie sich zu Arabella und Theobald an den Tisch setzte, „und nun erzählt mal wie es dazu kam, dass Arabella nun hier ist, von Anfang an und bitte ganz genau!“

Und so saßen sie zusammen in Anastasias Küche, tranken Zitronenlimonade – Theobald wollte natürlich auch ein großes Glas – aßen Zimtschnecken, bis ihre Bäuche bis zur letzten Ecke voll waren, und erzählten bis die Sonne unterging.

382,08 ₽
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Возрастное ограничение:
18+
Дата выхода на Литрес:
25 мая 2021
Объем:
251 стр. 2 иллюстрации
ISBN:
9783962298791
Издатель:
Правообладатель:
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