Читайте только на ЛитРес

Книгу нельзя скачать файлом, но можно читать в нашем приложении или онлайн на сайте.

Читать книгу: «Der Minnesänger», страница 6

Шрифт:

VI

Am anderen Morgen stand Wilfried von Iserstein, zur Abreise gerüstet, in dem großen Speisesaal und blickte erwartungsvoll nach der Thür.

Beim Frühstück hatte Graf Günther ihm gesagt, daß Editha noch immer leidend sei und nur auf einige Augenblicke herunter kommen könne, um ihm Lebewohl zu sagen. Nun war er gegangen, sie zu holen, der schmerzliche Abschied stand unmittelbar bevor.

Wiewohl der Jüngling seit dem vergangenen Abend nicht aufgehört hatte, seine Pflicht zu erwägen und nach Muth und Stärke zu ringen, fühlte er doch jetzt sein Herz heftig schlagen bei dem Gedanken, daß er Editha zum letzten Male sehen sollte.

Da vernahm er schon die Fußtritte auf dem Gange! Er zitterte und wich zurück . . . als er die Jungfrau bleich und mit rothgeweinten Augen an der Hand ihres Vaters eintreten sah, entrang sieh ein tiefer Seufzer seiner Brust.

Graf Günther führte sie dem Minnesänger entgegen und sagte statt ihrer:

»Meister, meine Tochter wollte sieh ungeachtet ihrer Krankheit nicht versagen, Euch zum letzten Mal ihren Dank auszusprechen für den Unterricht, den Ihr ihr gegeben, und vor Allem für den großen Dienst, welchen Ihr ihrem Vater erwiesen habt. Verzeiht, wenn ich in ihrem Namen Euch Lebewohl sage, ihre Nerven sind so reizbar geworden, daß das Sprechen unter den ohwaltenden Umständen sie in sehr angreifen würde. Gott behüte Euch, Meister, und sei mit Euch auf Eurer Reise.«

Wilfried hatte während dieser Worte kein Auge von der leidenden Jungfrau abgewendet; jetzt sagte er mit vor Rührung bebender Stimme:

»Es schmerzt mich tief edle Jungfrau, auf meinen ohnehin schon traurigen Gang die Befürchtung mitnehmen zu wollen, daß Ihr krank werden möchtet. Nie in meinem Leben werde ich aufhören, voll Dankbarkeit der gastlichen Aufnahme zu gedenken, die ich hier gefunden habe. Vergeßt auch nicht ganz den armen Minnesänger. Lebt wohl, lebt wohl!«

Thränen glänzten nun auch in seinen Augen und hastig schritt er der Thür zu, ohne selbst die Hand zu drücken, die der Schloßherr ihm reichte . . . Doch da ertönte ein Schmerzenschrei, der ihn still stehn und sich umwenden ließ. Er sah wie Editha den Armen ihres Vaters sich zu entwinden und ihm nachzueilen bemüht war.

»Bleibt!« rief sie wie außer sich, »bleibt! O, Vater halte ihn, tödte mich mich!!«

Einige Diener und Mägde stürzten auf den Ruf herbei. Graf Günther entsetzt über die Schande, die ihn und seine Tochter bedrohte, wollte sie gewaltsam aus dem Saale führen, doch die Verzweiflung verlieh ihr übernatürliche Kräfte, sie widerstand ihm und rief in herzzerreißendem Ton:

»Wilfried, hab’ Erbarmen, o verlaß mich nicht, sonst sterbe ich! – Ja Vater, ich weiß, daß ich unrecht thue, aber ich kann nicht anders; wenn er geht, nimmt er meine Seele, mein Leben mit sich, darum heiß ihn bleiben! Wilfried!, Wilfried!«

Auf ein gebietendes Zeichen ihres Herrn näherten sich schüchtern die Diener – doch Graf Günther fühlte, daß nach einem krampfhaften Zittern die Kräfte der erschütterten Jungfrau plötzlich nachließen und er nur noch ihre ohnmächtige leblose Gestalt in den Armen hielt. Eine furchtbare Angst bemächtigte sich seiner, er fürchtete, die heftige Aufregung habe den Tod seines Kindes herbeigeführt.

Das Gefühl der Scham erstickte indessen für den Augenblick seine väterliche Liebe. Hatte doch seine Tochter in Gegenwart der Dienerschaft Ausrufe gethan, die ihre entehrende Schwachheit verrathen konnten!

Er hob Editha mit kräftigem Arme auf, und trug sie, von den Dienern und Mägden gefolgt, in das anstoßende Gemach.

Wilfried blieb regungslos, wie angewurzelt auf derselben Stelle stehn, er war todtenblaß und von Zeit zu Zeit rann eine Thräne über seine Wangen. Wohl kam ihm der Gedanke, daß er fliehen, sich eilig von Felsenburg entfernen müsse, doch es war als ob eine verborgene Macht ihn fessele. War Editha todt? Großer Gott . . .

Während einer ganzen Weile schlug kein Laut an sein Ohr, als das Jammern der Diener, dann wurde es ganz still. Das erschreckte Wilfried; hatte man Editha in ein anderes Zimmer getragen.

Endlich kehrte Graf Günther zurück und verriegelte die Thür; seine Augenbraunen waren finster zusammengezogen, die Lippen seit geschlossen, er schien voll Gram und zugleich heftig erzürnt zu sein.

Als er den Minnesänger bemerkte, sagte er in beinah harschem Ton:

»Wie noch hier? Ich glaubte Euch schon weit von Felsenburg. Warum seid Ihr nicht gegangen?«

»Ach, wie geht es der armen Jungfrau?« fragte Wilfried, den Vorwurf, der in des Ritters Worten lag, nicht beachtend.

»Sie beweint ihre traurige Verirrung und ihr verlorenes Lebensglück,« versetzte der Ritter kurz.

Eine Zeitlang schwiegen Beide. Der alte Ritter richtete seinen Blick ernst und streng auf den Minnesänger, lange konnte indessen sein edles Herz dem Retter seines Lebens nicht zürnen, er sank in einen Sessel nieder und barg dass Gesicht in beiden Händen.

Wilfried trat auf ihn zu und sagte sanft:

»Herr, ihr seid unglücklich und seht in mir die Ursache Eures Kummers. So kann ich Euch nicht verlassen. Ich weiß, warum Ihr trauert, und doch laßt mich fragen: Was habe ich Euch zu Leide gethan?«

»Ach, daß das Schicksal Euch nie in meine Burg geführt hätte!« klagte Graf Günther. »Euch trifft keine Schuld, Meister, aber Eure Anwesenheit in Felsenburg ist meinem armen Kinde und mir zum Fluch geworden . . . Ihr schüttelt den Kopf? Versteht Ihr mich nicht? Muß ich Euch denn Alles sagen? Meine Tochter ist für immer entehrt, das Wappenschild meiner Väter mit einem unauslöschlichen Schandfleck besudelt.«

»Ach, übertreibt das Übel nicht,« stammelte Wilfried; wenn ich fort bin . . . «

»Uebertreiben? Wenn Ihr fort seid?« wiederholte der Graf, »aber habt Ihr denn nicht gehört, daß meine Tochter in Gegenwart unserer Diener ihre Verwirrung kund gegeben hat? Und wird die Zeit wohl jemals einen Schleier darüber decken, dass die Erbin den Felsenburg einem Minnesänger einem unedel geborenen Manne ihre . . . Mein Mund sträubt sich, das Wort auszusprechen. Geht, Meister, geht bis an das andere Ende der Welt! meine Tochter wird ihre sinnlose Leidenschaft unaufhörlich beweinen, sie wird sterben, doch vor ihr noch ihr armer Vater. – Ach, daß sie ihre Zuneigung dem ärmsten Menschen auf der Welt geschenkt hätte! Ich wäre damit zufrieden, wenn nur edles Blut seinen Adern flöße! Aber in Gegenwart meiner Diener laut zu rufen, daß sie vergeht vor Liebe zu einem Mann von niedriger Geburt, o das ist entsetzlich!«

Wilfried hatte ihm schweigend zugehört; jetzt sagte er zögernd, als ob er mit einem harten Entschluß kämpfe:

»Also Euer ganze-s Unglück bestellt darin, daß sie einem Unedlen ihre Liebe geschenkt hat?«

»Darin allein: ist das noch nicht genug? Können Leute unseres Standes ohne Ehre leben?«

»Nun denn, Herr,« fuhr Wilfried fort, »mich treibst Dankbarkeit, Mitleid und Liebe zu einem verhängnisvollen Geständniß, vielleicht muß ich es mit meinem Leben bezahlen, denn es bildet einen Theil des Geheimnisses, unter dessen Herrschaft ich siehe. Möge meine Offenbarung Euch trösten und Eure Tochter, in den Augen ihres Vaters wenigstens, von aller Schuld befreien. Eure Tochter, Graf den Felsenburg, hat Euer Wappen nicht geschändet, der Mann den sie liebt ist kein niedrig geborener, namenloser Landstreicher, er ist einem vornehmen Hause entsprossen . . . «

»Wen meint Ihr?!«

»Ich spreche den mir selbst, Herr.«

»Barmherziger Gott, höre ich recht? Ihr leid von edlem Bluthe?«

»Von hohem, durchlauchtigem Stamme,« bestätigte Wilfried. »Mein Vater ist ein mächtiger, durch Tapferkeit berühmter Ritter, angesehn am Hofe des Kaisers schon um seiner ausgedehnten Besitzungen willen. Ich bin sein einziger Sohn und Erbe und habe als solcher dass Recht, den Grafentitel zu führen.«

Des Ritters Augen glänzten vor freudiger Ueberraschung, er machte eine Bewegung als ob er aufstehn und Wilfried umarmen wollte, doch faßte er sich und fragte:

»Wie ist der Name Eures Vaters? In welchem Lande wohnt er? . . . «

»Ihr könnt darauf nicht antworten? Ich verstehe: dieselben Gründe, die Euch zwingen, uns betreffs Eurer Herkunft zu täuschen, verbieten Euch zu sagen, woher Ihr kommt und wer Eure Eltern sind. Ich glaube Euch, ohne das geringste Mißtrauen. Alles an Euch verräth edles Blut und ritterliche Erziehung, aber wenn Ihr den Namen Eures Geschlechts verborgen halten müßt, wer in aller Welt wird dann daran glauben? Werden unsere Diener nicht hinter unserm Rücken der gegebenen Erklärungen spotten? Einen Minnesänger gibt matt für vornehm aus und weiß nicht einmal seinen Namen?«

»Geruht mich geduldig anzuhören,« bat Wilfried, »ich habe eine Bitte an Euch zu richten. Von Eurer Güte hängt meine ganze Hoffnung ab und zugleich entscheidet sie vielleicht das Geschick Eurer lieblichen Tochter.«

»Sprecht, was begehrt Ihr?« tagte Graf Günther voll ängstlicher Neugierde.«

»Wie ich Euch bereits mittheilte, zwingt mich ein von feindlicher Macht ausgesprochenes Urtheil, noch etwa vier Jahre unbekannt in der Welt umherzuschweifen. Lastet dieser Druck nicht auf mir, so würde ich mich erkühnen etwa folgendermaßen zu Euch zu reden: Herr von Felsenburg, Eure Tochter hat in mir von dem ersten Augenblicke, daß ich sie sah, die Flamme einer reinen, unaussprechlichen Liebe entzündet. Seit heut Morgen weiß ich, daß der Abschied von ihr nicht mich allein unglücklich macht . . . «

Der Ritter schüttelte den Kopf und sagte seufzend:

»Ach Gott, was kann das Alles helfen bei dem unglücklichen Geheimniß, das an Euch haftet.

»Hört nur meine Bitte, Herr: Laßt mich abreisen, und bin ich fort, dann sagt Editha, daß Wilfried, daß der Mann, der sie über Alles liebt, der Sprosse eines Altadeligen Geschlechtes ist und sich Graf nennen darf, es wird sie trösten und zu dem Opfer stärken, das ich weiterhin von ihr begehre. Vier Jahre muß ich noch umherirren, und die gehn rasch vorbei; wir sind beide jung genug, so lange zu warten. Wenn nun Ihr, Herr Graf, damit einverstanden seid, so will ich die Liebe zu Eurer Tochter, still und treu im Herzen bewahren, bis der Tag meiner Befreiung angebrochen ist; dann kehre ich zurück und bitte um Edithas Hand. Mein Wappenschild ist würdig, neben das Eure gestellt zu werden, ich will Euch ein liebevoller Sohn sein und Euer Kind glücklich machen. Seid darum großmüthig und gewährt meine Bitte.«

Der Graf saß noch eine Zeitlang in tiefes Nachdenken versunken da, dann stand er plötzlich auf und ergriff des Jünglings Hand.

»Es sei, wie Ihr wünscht, ich willige freudig ein, ja es ist mir, als rettetet Ihr mir zum zweiten Male das Leben. Will Editha auf Euch warten . . . «

»Gott sei tausendmal gepriesen!« jubelte Wilfried, »sie wird warten! Ich fühle es, das Band, das unsere Herzen verbindet, ist unlöslich! Nun, Herr, kann ich ruhig abreisen. Jede Stunde meines Lebens will ich voll Liebe und Dankbarkeit Eurer gedenken, als meines edlen Beschützers, meines väterlichen Freundes. Lebt wohl, Gott schütze Euch!«

Und er drückte schon zum Abschied die Hand des Schloßherrn, der sich anschickte, ihn an dass Thor zu begleiten, fragte dann aber schüchtern:

»Sollte ich Jungfrau Editha nicht noch einmal sehn dürfen?«

»Und die Diener, die bei ihr sind? Nein, das ist zu gefährlich, vermeiden wir lieber neue Auftritte.«

»Gut, wie Ihr meint, Herr Graf; Ihr werdet ihr Alles sagen, sie trösten und ihr Muth einflößen, nicht wahr? Nun, ich gehe; des Himmels Segen ruhe auf Felsenburg.«

Kaum hatte er indessen mit einigen Schritten der Thür sich genähert, als der Ritter ihn zurückhielt und unschlüssig sagte:

Bleibt noch einen Augenblick, laßt mich überlegen . . . Ihr wißt, ich glaube Euch, aber das Glück meines Kindes . . . die Ehre meines Stammes . . . «

»Ich täusche Euch nicht, Herr,« antwortete Wilfried, durch den eigenthümlichen Ton der Frage überrascht, »sobald die vier Jahre vergangen sind, erlange ich meine volle Freiheit wieder. Dann nenne ich Euch den Namen meines Vaters, bringe meine Eltern nach Felsenburg. Wie wird meine gute Mutter sich freuen, die Braut ihres Sohnes an ihr Herz zu schließen! Uebrigens könnt Ihr mir dann ja Edithas Hand noch versagen, wenn Ihr findet, daß ich meines Vaters Ansehn und Macht übertrieben habe. Doch steht ein solches Unglück für mich nicht zu befürchten, ich blieb vielmehr hinter der Wirklichkeit zurück.«

»Vier Jahre,« murmelte Graf Günther, »mein armes Kind soll vier Jahre trauern . . . Aber wenn ich an die Wahrheit Eurer Worte glaube, warum lasse ich Euch dann überhaupt ziehn?«.

»Was wollt Ihr damit sagen, Herr?« fragte Wilfried.

»Wenn ich nun gleich Editha Euch verlobte, würdet ihr dann auf Felsenburg bleiben. – Ihr antwortet nicht? Ich bedarf eines Gefährten, eines Freundes, der mir die Einsamkeit erheitert. Euch habe ich lieb gewonnen, Euer Verstand, Eure Kunst werden mir dass Leben verschönern. Bleibt hier, werdet mein Sohn, nicht nach vier Jahren, sondern jetzt, in wenigen Tagen, sobald die Vorbereitungen für die Hochzeit beendet sind . . . Ihr zögert mit der Antwort? Ihr wollt nicht?«

»O Herr,« stammelte Wilfried, »Eure übergroße Güte beschämt mich, . . . doch Ihr vergeßt das Verhängniß, das auf mir haftet, dass Geheimniß, das ich noch nicht offenbaren darf.«

»Euer Geheimniß wird Jeder ehren.«

»Auch Editha?«

»Auch meine Tochter! Mein Wort darauf.«

»Und Keiner wird mich je nach dem Namen meiner Eltern fragen?«

»Keiner.«

»Ach, ich kann mich kaum zu fassen vor Glück . . . und vor Schrecken; doch in Gottes heiligem Namen stimme ich zu, Er wolle mich beschützen! . . . »Ich der Verlobte der lieblichen Editha? Mir schwindelt der Kopf. Dank Euch, Herr Graf, tausend Dank für dies unerwartete Glück!«

»Ich denke eben über Euren künftigen Namen nach,« sagte der Ritter; »bis zu der Zeit, wo Ihr aus Eurer Verborgenheit hervortreten dürft, müssen wir einen Scheinnamen annehmen, das wird die Leute hindern, weiter zu forschen. Laßt einmal sehn ihr heißt Wilfried, wir wollen Dornenthal anhängen und Euch fortan Wilfried von Dornenthal nennen, vergeßt es nicht . . . Und nun folgt mir, wir wollen sogleich dem Schmerz meines Kindes der Neugierde meiner Diener ein Ende machen.«

Er öffnete die Thür, welche er bei seinem Eintritt in den Saal verschlossen hatte und führte den Jüngling in das Zimmer, wo, von Mägden und Dienern umgeben, Editha weinend in einem Sessel saß.

»Hoch aufgerichtet, das Haupt stolz erhoben und mit lauter, beinah feierlicher Stimme rief der Schloßherr:

Erkennt und begrüßt Alle in diesem vermeintlichen Minnesänger den edlen und mächtigen Grafen von Dornenthal, Euren zukünftigen Herrn und Gebieter.«

Die Diener traten mit tiefer, ehrfurtsvoller Verbeugung zur Seite.

Editha hatte sich halb aufgerichtet und blickte zweifelnd bald Wilfried! bald ihren Vater an.

»Ja, mein Kind,« jagte dieser; »der Jüngling, der Dich liebt, der Mann dem Du Dein Herz geschenkt hast, ist ein Ritter von vornehmer Herkunft. Sei gutes Muthes, in wenig Tagen nennt er Dich seine Gemahlin.«

Mit einem Freudenschrei sprang Editha auf.

»Gott!, Vater!, Dank!, Dank!« war Alles, was sie hervorbringen konnte.

Sie wollte ihrem Vater um den Hals fallen, doch die Kräfte verließen sie und ohnmächtig sank sie in des jungen Mannes Arme, ein süßes Lächeln auf den bleichen Lippen, die noch leise flüsterten:

»Wilfried, Wilfried, Dein auf immer!«

VII

Einige Wochen später wurde in der Schloßkapelle die Vermählung des Grafen von Dornenthal mit Editha, der Erbin von Felsenburg gefeiert.

Dem Wunsche des Bräutigams zufolge hatte man nur die nächsten Verwandten und Freunde eingeladen; die Hochzeit verlief darum aber nicht weniger heiter, denn Wilfried sang sein seine schönsten Lieder und gewann Aller Herzen.

Während der ersten sechs Monate genossen die jungen Gatten des reinsten Glücks. Wilfried schien das Schicksal, das ihn bedrohte, ganz vergessen zu haben, er war stets fröhlich und dabei so liebevoll und gut gegen seine Gemahlin und ihren Vater, daß beide dem Himmel von Herzen dankten für das Geschenk, das er in Wilfried ihnen gemacht hatte.

Dann aber zeigten sich wieder Spuren tiefen Kummers; er vernachlässigte Gesang und Saitenspiel und Editha überraschte ihn oft in Gedanken versunken, den Blick starr auf die Erde gerichtet. Wenn sie sich dann ihm näherte, so erwachte er wie aus schwerem Traum und suchte durch unwahrscheinliche Deutung sie über seine Stimmung in täuschen.

Der Gedanke, daß ihr Gemahl nicht mehr glücklich sei und Schmerzen litt, die sie nicht theilen durfte, betrübte die junge Frau unaussprechlich, doch richtete sie, getreu ihrem Versprechen, keinerlei Fragen an ihn, ja von ihrer großen Liebe getrieben legte sie selbst die ungetrübteste Heiterkeit an den Tag, um ihn glauben zu machen, daß sie seine geheime Traurigkeit nicht bemerke.

Am Ende des ersten Jahres trat sie ein herber Schlag. Bei kaltem Schneewetter von der Jagd heimkehrend, wurde Graf Günther plötzlich krank. Drei Monate lang mußte er unter heftigen Schmerzen das Bett hüten, in beständiger Todesgefahr.

Wilfried und Editha wichen nicht von seinem Lager, selbst während der Nacht leisteten sie ihm abwechselnd Gesellschaft; sie pflegten und trösteten ihn mit so aufopfernder Liebe, daß der alte Ritter zuweilen Thränen des Dankes vergoß. Wie oft priesen sie Gott für eine leichte Wendung zum Bessern, wie oft zitterten sie vor Angst beim Zunehmen der Krankheit! Endlich mußte Graf Günther trotz aller Liebe und Pflege erliegen, er umarmte noch einmal seine Kinder, segnete sie, befahl Editha dem Schutze Wilfrieds und schloß dann auf ewig seine Augen.

Der Der Tod des von all’ seinen Bekannten und Untergebenen sehr geschätzten und geliebten Grafen versetzte Felsenburg und seine Umgebung für lange Seit in tiefe Trauer.

Daß Wilfried und Editha sich nur langsam erholten, war natürlich, indessen lindert die Zeit jeden Schmerz, wenn sie ihn auch nicht heilt und so kehrte bei der Edelfrau allmählig die Heiterkeit wieder. Sie versuchte nun aus allen Kräften, auch ihres Gatten Schwermuth in bannen, doch was sie auch ersinnen mochte, es war vergebens; die trübe Stimmung bemeisterte sich seiner so sehr, daß er oft ganze Tage betend in der Schloßkapelle oder einsam trauernd in seinem Zimmer verbrachte.

Was er am meisten scheute war der Besuch von Bekannten und Freunden, er schrak jedesmal zusammen, wenn der Wächter auf dem Thurm das Nahen eines Besuches verkündete. Auch auf die Jagd ging er nicht mehr, schlug alle Einladungen aus und wollte selbst nicht außerhalb der Burg spazieren gehn, als fürchte er, einer großen Gefahr zu begegnen.

Editha kämpfte lange erfolgreich gegen die Enrmuthigung, die auch sie ergreifen wollte; endlich, an einem trüben, kummervollen Tage überraschte sie Wilfried, während sie laut schluchzend, das Gesicht in den Händen verborgen, vor ihrem geheime Betstuhl kniete.

Von Mitleid bewegt setzte er sich neben sie, ergriff ihre Hand und sagte:

»Ich mache Dich unglücklich, Editha, nicht wahr? O verzeih mir; ich bin ein elender Mensch, nicht allein um des Schicksals willen, das mich verfolgt, sondern mehr noch, weil ich Dich, die ich mit der ganzen Kraft meiner Seele liebe, die ich bewundre als das Vorbild der höchsten Aufopferung und reinsten Güte, in mein Unglück hereinziehe. Du weißt, daß mich ein Geheimniß quält, welches ich nicht verrathen darf; dies Geheimniß liegt wie ein Abgrund zwischen unsern Herzen und verbittert uns Beiden das Leben. – Habe noch eine Zeitlang Geduld, Editha, last mich ungetröstet leiden und harre mit mir aus, bis ich meine Befreiung erhalte. Anderthalb Jahre noch stehn bevor; nimmt der barmherzige Gott mich bis nach deren Verlauf unter seinen Schutz, so will ich Dir Alles, was Du um mich getragen, hundertfach ersetzen, Dich ehren, lieben, Dir dankbar sein, mein ganzes Denken Deinem Glücke weihen.«

»Ach mein armer Wilfried, ich klage Dich nicht an,« murmelte sie, ihm die Hand drückend; »könnte ich nur von Zeit zu Zeit wieder ein Lächeln in Deinen Zügen sehn!«

»Ich will Dich nicht täuschen, Editha,« sagte er tief traurig, »je näher die Zeit meiner Erlösung rückt, um so mehr wächst die Gefahr und sie ist so groß, so entsetzlich, daß vor Angst vergehen möchte.«

»O mein Gott,« seufzte Editha unter neuen Thränen dann aber faßte sie sich und sagte tröstend: »Anderthalb Jahre ist zwar eine lange Zeit, aber sie wird vergehn; ich will nicht weinen, nicht klagen, auch Dein Geheimniß nicht wissen, sondern geduldig sein und nur zu Gott flehn und aus seine Barmherzigkeit vertrauen. Suche auch Du, Muth zu schöpfen,und zu hoffen, mein lieber Wilfried; was immer indessen geschehen möge, ich ehre Deinen Schmerz und klage Dich nicht an.«

Er dankte seiner guten Frau für ihre edle Gesinnung und zeigte von jetzt an in der That etwas mehr Vertrauen, doch sollte die günstige Aenderung nur kurze Zeit vorhalten; Wilfrieds traurige, düstere Stimmung gewann bald wieder so sehr die Oberhand, daß Editha fürchtete, sein Verstand könnte darunter leiden.

So verging beinah ein ganzes Jahr; sechs Monate noch, dann war die Prüfung überstanden.

Das Herannahen der Erlösung ihres Gatten war für Editha gewiß eine Freude, doch schien es oft, als sollte er den ersehnten Zeitpunkt nicht erreichen. Er liebte die Einsamkeit mehr als je, sprach wenig, wurde bleich und mager und schien von einem schleichenden Fieber verzehrt zu werden.

Um diese Zeit saßen die beiden Gatten einst still und traurig im Speisesaal, als der Wächter auf dem Thurm die Ankunft eines Fremden verkündete.

Wie gewöhnlich legte Wilfried eine große Unruhe an den Tag und wollte den Saal verlassen, doch der Gast folgte dem ihn anmeldenden Diener gleich auf dem Fuße, es war der Ritter Oswald von Havixberg, ein Freund des verstorbenen Grafen von Günther.

Da man glaubte, daß er wie in alter Zeit die Gastlichkeit der Burg in Anspruch nehmen würde, wollte man ihn seiner bestaubten Oberkleider entledigen und ihm Speise und Trank vorsetzen, doch er sagte, daß er nur im Vorüberreiten die Schloßherrschaft begrüßen könne und nach kurzer Rast weiter müsse.

Nachdem der Ritter Platz genommen hatte und ein Krug des besten Weines vor ihn hingesetzt war, sagte Editha höflich:

»Wie freue ich mich, Euch Zu sehn, mein guter Herr von Havixberg; seit unserm schmerzlichen Verluste habt Ihr Felsenburg erst einmal mit Eurer Gegenwart beehrt. Welchem Umstande verdanken wir denn heute die Freude Eures Besuches? Seid Ihr bei Hofe gewesen?«

»Nein, edle Frau,« versetzte der Ritter, »eine traurige Veranlassung trieb mich an, bei dem Klausner am schwarzen Felsen Hilfe zu suchen, und getröstet kehre ich nun von meiner Wallfahrt heim.«

»Beim Klausner am schwarzen Felsen?« fragte Editha verwundert.

»Wie, Ihr kennt diesen heiligen Mann nicht?« rief Ritter Oswald.

»Der schwarze Felsen liegt kaum zwei Wegstunden von hier entfernt, gerade an der Grenze Eures Gebietes, wenn ich nicht irre.«

»Wir kennen ihn wohl, er scheint aus dem brausenden Strom zum Himmel empor zu schießen,« antwortete Editha, »aber daß ein Klausner dort wohnt, haben wir nicht gewußt.«

»Das ist sonderbar,« sagte der Ritter, »man spricht doch allenthalben von seinem gottseligen Leben und rühmt die Kraft seines Gebetes. Er heilt durch seinen Segen nicht allein die meisten leiblichen Krankheiten, sondern besiegt auch alle Werke des bösen Geistes, als da sind Zauberei, Beschwörungen, Flüche und Verwünschungen; nichts widersteht seinem Gebete.«

Diese letzten Worte erregten in hohem Masse die Aufmerksamkeit Wilfrieds und seiner Gemahlin.

»Ihr wißt doch, edle Frau,« fuhr der alte Ritter fort, daß Linda, meine jüngste Tochter, ein blühendes, frisches Mädchen war.«

»Vor einigen Monaten nun krankte sie, und kein Arzt kann die wahre Natur des Uebels ergründen. Sie siecht dahin, ist müde und bleich und magert täglich mehr ab, ohne daß ihr eigentlich etwas fehlt und ohne daß sie Schmerzen hat. Ich wage kaum es auszusprechen und kann doch kaum noch zweifeln, sie muß von dem bösen Blick oder der bösen Hand getroffen sein. Da habe»ich denn den Schutz des Klausners vom schwarzen Felsen für sie angerufen. Der Mann ist ein Heiliger, daran Zweifle ich keinen Augenblick. Tag und Nacht liegt er betend auf den Knieen und schlägt sich blutig mit einer scharfen Geißel; er genießt nichts als Kräuter und schläft auf dem nackten Erdboden, sein Leben ist eine fortgesetzte Buße für der Menschen Sünden.«

»Und hat er versprochen, Linda zu heilen?« fragte Editha.

»Er hat versprochen, für sie zu beten und mir Trost und Muth gegeben. Wenn mein armes Kind gerettet wird, so weiß ich, wem ich dafür zu danken habe.«

»Und dieser heilige Mann wohnt au dem schwarzen Felsen,« fragte Wilfried sinnend.

»Nicht darauf,« war die Antwort, »sondern in dem Schoße des Felsens, etwa hundert Fuß über dem Wasser in einer Höhle. Der Ort wäre schwer zu finden, wenn nicht ein hölzernes Kreuz als Wegweiser diente.«

Nachdem man noch eine Weile geplaudert hatte, stand der Ritter auf um sieh zu Verabschieden. Wilfried und Editha gaben ihm das Geleit bis zum Thore der Burg.

Sobald sie allein waren, fragte Editha ihren Gatten, ob er nicht auch dem Klausner am schwarzen Felsen einen Besuch abstatten möchte, um Beistand und Trost bei ihm zu suchen.

Wilfried wollte sich anfangs nicht dazu verstehn, doch wandte Editha ihre ganze Beredtsamkeit auf, ihn zu überzeugen, daß das Gebet des frommen Greises in keinem Falle schaden, ihm vielmehr den Schutz des Himmels zuziehn werde.

So ließ er sieh denn endlich bestimmen und versprach, morgen zum schwarzen Felsen zu reiten.

Die fromme Edelfrau aber, die auf nichts Geringeres als seine vollständige Erlösung hoffte, bat ihn, die kleine Reise noch an demselben Tage zu unternehmen.

Es war kurz nach Mittag; in einer Stunde konnte den schwarzen Felsen erreichen und wenn er auch lange bei dem Klausner blieb, so war er doch vor Abend jedenfalls wieder zurück.

Ihrem Rathe folgend befahl Wilfried einem Diener, zwei Pferde zu satteln und traf sofort die übrigen Vorbereitungen zu dem kleinen Ausflug.

Editha umarmte heim Abschied ihren Gatten, das Herz von einem frohen Vorgefühl erfüllt; auch in ihm suchte sie die Hoffnung auf guten Erfolg zu wecken, als sie ihn zum Thor begleitete, und winkte ihm mit ihrem Schleier, so lange sie ihn sehen konnte.

Von seinem Diener gefolgt ritt Wilfried am Ufer des Flusses dahin; er ließ den Zügel auf dem Halse des Pferdes hängen, nicht weil das Thier den engen Pfad besser kannte als er selbst, sondern weil er, von beängstigenden Vorstellungen gequält, in trübes Sinnen verloren war.

Zuweilen wurde er daraus geweckt durch das Brausen des Stromes, wenn derselbe rauschend von felsigem Gestein niederstürzte und auf einem wirbelndem kochenden Schooße die seltsamsten Klagelaute emporzusenden schien; ein anderes Mal überraschte ihn die plötzliche Finsterniß, wenn er durch eine Kluft ritt, deren kalten, feuchten Boden nie ein Sonnenstrahl geküßt; dann wieder fuhr er zusammen bei dem Schrei eines Raubvogels oder dem Krächzen der Raben, die gleich Unglücksboten über ihm fortzogen.

Alles nahm in seinen Augen eine drohende Gestalt an, Alles schien ihm Unheil zu verkünden und er würde gewiß umgekehrt sein, wenn nicht sein, Editha gegebene Versprechen und die Scham über seine Schwache ihn abgehalten hätten.

Nach etwa anderthalbstündigen Ritt kam er in eine wilde Gegend, wo verlängst die Felsen durch ein Erdbeben auseinander gerissen und zertrümmert worden waren. Hier stürzte sich der Fluß mit wildem Brausen auf riesiges Gestein, das ihm den Lauf versperrte und theilte sein Wasser in zahllose kleine Bäche, die geschmeidigen Schlangen gleich, sich zischend zwischen den Felsstücken durchwanden, um etwas weiter mit donnerndem Tosen in den schäumenden Abgrund zu fallen.

Inmitten dieser trostlosen Natur erhob der schwarze Felsen seine Zackige Spitze zum Himmel.

Wilfried sah etwa hundert Fuß über dem Wasser in der Felsenwand eine dunkle Höhle und daneben ein hölzernes Kreuz, das aus einer Spalte hervorzuwachsen schien. Er näherte sich dem Fuße des Felsens und überlegte eben bei sich, wie es nur möglich sei, daß ein Mensch die steile Höhe bis zu der Klause emporsteigen könne, als er einen engen Pfad gewahrte, der durch die zerbröckelten Steine gebahnt war.

Noch schwankte er, ob er hinaufsteigen solle; ihm selbst war der Schrecken unerklärlich, den dieser Besuch ihm einflößte, es war, als wirke eine unsichtbare Gewalt auf ihn ein um ihn zurückzuhalten; sollte er darin eine Weisung des Himmels, oder eine feindliche List erkennen? Seinen Muth zusammennehmend beschloß er aber, den Versuch zu wagen, es koste, was es wolle.

Er wies seinem Diener eine Stelle am Ufer des Flusses an, wo spärliches Gras zwischen den Steinen wuchs, hier sollte er mit den Pferden seiner Rückkehr harren. Dann machte er sieh frisch auf den Weg und gelangte nicht ohne große Anstrengung an den vorspringenden Rand, der eine natürliche Galerie vor der Höhle bildete.

Wilfried blieb eine Weile an dem Eingange derselben stehn und blickte beklommenen Herzens hinein, doch konnte er bei dem darin herrschenden grauen Dämmerlichte anfangs nichts unterscheiden. Der erste Gegenstand, der ihm in’s Auge fiel war eine Geißel welche aus schmalen, ledernen Riemchen bestand an deren Enden scharfe eiserne Haken hingen und diese Riemchen und Haken waren von Blut geröthet, von frischem noch feuchtem Blut!

Wiewohl Wilfried den Klausner noch nicht sah, mußte dieser also doch in der Höhle sein, da er sich nur eben erst so furchtbar hier gegeißelt hatte.

Zögerend trat der Ritter ein; kaum aber hatte er einige Schritte gethan, als er entsetzt zurückfuhr. Dort hinten in der Ecke lag auf trocknen Blättern eine menschliche Gestalt, besinnungslos, vielleicht todt, denn sie rührte und regte sich nicht und hatte das Gesicht der Erde zugewendet.

Um von seinem peinlichen Zweifel befreit zu werden, rief Wilfried mit lauter Stimme:

»Schlaft Ihr, frommer Eremit?«

Der Klausner bewegte die Arme, Wilfried glaubte zu bemerken, daß er sich aufzurichten versuchte, doch gelang es nicht und von Mitleid getrieben sprang der Ritter herzu um ihm zu helfen; der Greis aber wehrte ihn ab und sagte, sich auf seine Ellbogen stützend:

»Nein, laßt mich mein Elend allein tragen: ich bin schwach, meine Glieder schmerzen, doch es wird vorübergehen . . . Was führt Euch zu dieser Klause, Herr?«

»Man rühmt weit und breit die Kraft Eures Gebetes, ehrwürdiger Vater,« sagte Wilfried, »Euer Segen heilt nicht allein die Krankheiten des Körpers, er tilgt gleichfalls die Werke des Teufels und bricht die Zauberei. Auf mir lastet ein schrecklicher Fluch, ich komme daher, Euch zu bitten . . . «

Возрастное ограничение:
0+
Дата выхода на Литрес:
06 декабря 2019
Объем:
130 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

С этой книгой читают