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Читать книгу: «Der Minnesänger», страница 7

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Die Stimme des Ritters schien auf den Greis eine seltsame Wirkung zu üben; er lauschte eine Zeitlang mit glänzenden Augen, nahm dann all seine Kraft zusammen und stand auf. Endlich ergriff er die Hand des Ritters, zog ihn dem Eingange zu und rief lebhaft:

»Kommt an das Licht, o laßt mich Euch in’s Angesicht sehn!«

Und kaum hatte ein heller Lichtschein die Züge des Ritters getroffen, als der Klausner die Hände flehend zum Himmel erhob und voll inniger Freude ausrief:

»Er lebt, er lebt! Ich sehe ihn wieder, Wilfried von Iserstein!«

»O mein Gott, Nyctos! Ihr seid Nyctos der Zauberer?« rief der Ritter, überrascht zurückspringend.

»Wie beglückt mich Euer Kommen!« fuhr der Greis fort, »ich verging oft vor Angst bei dem Gedanken, daß Euer Schicksal sich erfüllt haben könnte und vergoß Thränen über Euer beklagenswertes Ende . . . «

»So seht Ihr nicht mehr, was fern von Euch geschieht?« fragte Wilfried.

»Nein Herr, ich weiß auf Erden nichts mehr, was außerhalb des Bereiches der menschlichen Sinne liegt,« war die Antwort, »der Zauberer ist todt in mir, ich suche mich von allem Schmutz der Sünde zu reinigen und hoffe daß Gott mir, bevor ich sterbe, vergeben wird . . . Doch nun erklärt mir einmal, wie es möglich ist, daß Ihr hier in dieser unnahbaren und verborgenen Höhle so plötzlich erscheint. Was trieb Euch in diese Wildniß. Der barmherzige Gott . . . «

»Oder die Hölle, die mir einen Fallstrick legen will,« seufzte der Ritter.

»Nein, fürchtet das nicht, Herr; diese Höhle erfüllen Tag und Nacht die Gebete eines armen Büßers, das Sinnbild unserer Erlösung beschützt sie: zum schwarzen Felsen führt der Erbfeind des Menschengeschlechtes diejenigen nicht, welche er verderben will . . . «

»Setzt Euch auf den großen Stein dort, Herr Ritter, ich nehme dann an Eurer Seite Platz und Ihr erzählt mir, welchem Umstande ich die Freude verdanke, Euch hier zu sehn.«

Wilfried berichtete nun wahrheitsgetreu Alles was er erlebt hatte, von dem Augenblicke an, da er auf den Rath des Zauberes Nyctos seine Heimath verließ.

Der Klausner unterbrach wiederholt diese Erzählung und legte lebhafte Sorge an den Tag, besonders als Wilfried mittheilte, daß er verheirathet sei und in der naheliegenden Felsenburg wohne. Die Versicherung aber, daß Niemand in der ganzen Gegend Wilfrieds wahren Namen kenne, ja daß selbst seine treue, edle Gemahlin nicht in das Geheimniß eingeweiht sei, beruhigte ihn vollständig und ließ ihn in dem Vorgefallenen eine Fügung Gottes und einen Beweis Seines Schutzes sehn.

»Je näher nun der Augenblick meiner Erlösung kommt,« schloß Wilfried seine Erzählung, »um so qualvoller wird mein Leben. Eine furchtbare Angst peinigt mich Tag und Nacht, das leiseste Geräusch macht mich zittern und weckt in mir die Furcht, daß meine Eltern plötzlich mich auffinden könnten, ich sehe sie in wildem Wahnsinn, ihr theures Blut klebt an meinen Händen! So sterbe ich hundertfachen Tod. – Man hat mir Euer gottesfürchtiges Leben beschrieben, ehrwürdiger Vater, sind die Kraft Eurer Fürbitte; darum flehe ich jetzt: helft auch mir, vernichtet den Fluch, unter dem ich leide und gebt meiner armen, gebeugten Seele den Frieden wieder, sonst muß ich erliegen. Ihr seid meine einzige Zuflucht, habt Erbarmen und ich werde Euch dankbar sein bis zu meiner letzten Stunde.

Bei diesen Worten ließ der Ritter sich aus ein Knie nieder und hob bittend die Hände zu dem Greise empor.

Dieser hieß ihn aufstehn und versetzte mit einem sanften Lächeln:

»Ihr fleht um meinen Beistand, meine Fürbitte? Ach wüstet ihr, Graf Wilfried, wie jeder Athemzug, jeder Schlag meines Herzens Euch allein geweiht ist! Ich habe Rom besucht, ich habe zu Jerusalem das heilige Grab mit meinen Thränen benetzt, habe Durst und Hunger, die unerträgliche Hitze der Wüste, die Mißhandlungen der Heiden willig erduldet und mich nach meiner Rückkehr vor etwa sechs Monaten in diese Wildniß vergraben, um zu beten und zu büßen, bis mein erschöpfter Körper unter den blutigen Geißelschlägen zusammenbricht. Und für wen, für wessen Heil, glaubt Ihr, will Nyctos selbst dem Tode sich hingeben? Für Euch ganz allein . . . «

»Für mich?« murmelte Wilfried erstaunt.

»Ja, für Euch; um den Fluch von Euch fern zu halten, bis die Stunde Eurer Rettung geschlagen hat.«

O Ihr edler Menschenfreund!« rief der Ritter, »wie soll ich Euch dafür meine Dankbarkeit hinlänglich beweisen? Seid gesegnet für diese Eure unendliche Güte!«

»Eure Dankbarkeit verdiene ich nicht,« sagte der Klausner, traurig den Kopf schüttelnd, »was ich für Euch dulde und wirke, geschieht zugleich für mich selbst; von Eurer Erlösung hängt zugleich meine Seligkeit ab.«

»Eure Seligkeit?«

»Erfüllt sich Euer schreckliches Geschick, taucht Ihr Eure Hände in das Blut Eurer Eltern, so ist meine Seele verdammt . . . «

»Ihr irrt Vater, die Seele Eures Freundes wollt sagen, die Seele des gottvergessenen Zauberers der den Fluch über mich aussprach.«

»Ich habe gelogen,« versetzte der Klausner, »die Furcht vor Eurer gerechten Rache, die Scham über meine Missethat ließ mich die Wahrheit verbergen. Jetzt ist mir Alles gleich, ich fürchte den Tod nicht mehr. Der Zauberei von dem ich Euch sagte war niemand Anderes als ich, Nyctos . . . «

« »Großer Gott, was muß ich hören!« rief Wilfried aufspringend, »und ich habe die Hand geküßt, die mich zum Elternmorde treibt! Ha, Ihr sollt es mir bezahlen, scheinheiliger Sohn der Hölle, meine Rache will ich kühlen in Eurem verhaßten Blut!«

Bei diesen Worten riß er den Degen aus der Scheide, um dem Greise das Herz zu durchbohren, . . . dieser hatte ruhig seine Brust entblößt und erwartete den Stoß mit so seligem Lächeln, daß Wilfried zögerte und mit erhobener Waffe regungslos stehen blieb.

»Stecht zu, Herr,« sagte der Klausner, »ich habe es verdient. Sterbe ich durch die Hand des Opfers meiner Bosheit, so darf ich hoffen, daß Gott mir diese Strafe als letzte Buße auferlegt und daß seine Gnade mich wieder aufnimmt. Wenn Euer Herz Euch zu dieser That treibt, so zaudert nicht.«

Durch eine so wunderbare Ergebenheit besiegt, fühlte Wilfried seinen Zorn entweichen und empfand statt dessen einen lebhaften Schrecken bei dem Gedanken, wie nah er daran gewesen war, einen Mord zu begehn, an einem wehrlosen Manne obendrein, der durch harte Buße sich mit dem Herrn versöhnt hatte und in seinen Augen vielleicht ein Heiliger war.

Er steckte den Degen ein, sank seufzend auf seinen Platz zurück und bedeckte das Gesicht mit beiden Händen.

Eine Zeitlang herrschte tiefe Stille.

»Herr Ritter,« begann der Klausner wieder, »warum sitzt ihr so hoffnungslos da? Wenn Ihr aus eigenem Antriebe auf Eure Rache verzichtet, so erkenne ich darin wiederum eine Fügung Gottes, der mich am Leben erhalten will, damit ich Euch beistehe bis zum Ende. Streiten wir nicht Beide gegen einen gemeinsamen Feind? Und haben unsere vereinten Kräfte nicht größere Aussicht auf den endlichen Sieg.«

»Schrecklich, entsetzlich,« murmelte Wilfried, »ich muß die Hilfe desjenigen annehmen, der mich verflucht hat! . . . Da Ihr nun aber heilig seid und Alles durch Euer Gebet vermögt, so vernichtet die Folgen Eurer eignen Zauberei, nehmt den Fluch von meinem Haupte!«

»Das kann ich nicht.«

»So seid Ihr dennoch machtlos!«

»Das Gebet ist meine einzige Macht; Gott anflehn, daß Er Euch stärke und beschütze bis zu Eurer Befreiung ist Alles, was wir thun können. Ihr habt Unrecht, Herr, so wenig Vertrauen zu hegen. Ich erkenne vielmehr in der Vergangenheit die sichtlichen Zeichen eines höheren Schutzes und je näher die Zeit Eurer Erlösung kommt, um so mehr wächst meine Hoffnung. Selbst was sei Eurer Abreise Euren Eltern widerfahren ist . . . «

»Meinen Eltern?« fiel ihm Wilfried in die Rede, »wißt Ihr denn, wie es ihnen geht? Leben sie noch?«

»Es ist ungefähr ein Jahr,« versetzte der Greis, »daß ich von meiner Wallfahrt aus dem Osten zurückkehrend, als Pilgrim den Iserstein besuchte und bei Euren Eltern gütige Aufnahme fand.«

»=, Gott sei tausendmal gedankt für diese frohe Nachricht!« rief Wilfried, »und was macht meine Mutter? ist mein armer Vater sehr gealtert? Waren sie gesund?«

»Ja, soweit der Kummer es zuläßt, Herr. Die Zeit hat ihre Verzweiflung einigermaßen gemildert, wiewohl sie noch jede Stunde ihres Lebens um den Verlust des geliebten Sohnes trauern.«

»O, welches Glück!« rief der Ritter, »erreiche ich nun das ersehnte Ziel, so werde ich meine Eltern wiederfinden, meine geliebte Mutter an mein Herz drücken! Seht, dieser Gedanke allein füllt meine Augen mit Freudenthränen . . . Aber glauben denn meine Eltern nicht, das ich todt sei?«

»Nein, sonst waren sie vor Schmerz und Leid gestorben.«

Als Ihr nicht zurückkehrtet von der Jagd, sandten sie Diener aus und ließen die ganze Umgegend von Iserstein durchsuchen, um, falls Ihr verunglückt wäret, wenigstens Eure Leiche in geweihter Erde begraben zu können. Die Diener entdeckten in Harlebeca Euer Pferd und erfuhren von den Leuten dort, daß Ihr als Minnesänger gekleidet, die Leyer über der Schulter, gen Osten gewandert wäret. Sobald Euer Vater diese Nachricht erhielt, machte er sich auf, Euch zu suchen. Er durchreiste viele Gauen der Niederlande und Deutschlands, und sandte treue, eifrige Diener nach allen Richtungen aus, aber – und das beweist, Herr, daß Gottes Schutz Euch geleitete, – Keiner von ihnen fand Eure Spur. – Später erzählte ihnen ein Herr von Hochstädt daß er Euch zu Arlen auf einer Hochzeit habe singen hören. Euer Vater begab sich sofort dahin und durchforschte wochenlang die Gegend zwischen Rhein und Maas, wer weiß, vielleicht ist er selbst an Felsenburg vorüber gekommen, aber eine höhere Macht hat Euren Aufenthalt seiner Aufmerksamkeit entzogen und er ist, der vergeblichen Versuche müde, nach Iserstein zurückgekehrt.«

Mit klopfendem Herten lauschte Wilfried den ersten Nachrichten, die er seit der langen Trennung von seinen Eltern erhielt. Er war glücklich, seine Augen strahlten vor Freude, denn die Worte des Greises hatten außerdem die Ueberzeugung in ihm geweckt daß Gott über ihm wachte und ihn auch weiter gnädig beschützen würde.

Länger noch als eine Stunde setzte er die Unterredung mit dem Klausner fort, er wollte, bis in die kleinsten Einzelheiten, Alles wissen, was seinen Eltern begegnet war, und der Greis vollzog bereitwillig seine Wünsche, indem er zugleich Gelegenheit nahm, ihm Gottvertrauen und Muth einzuflößen.

Wilfried kannte sich selbst nicht mehr; sein Herz schlug wieder frei und freudig, er fühlte sich von inniger Dankbarkeit zu dem Manne beseelt, der ihm den Frieden wiedergegeben hatte.

Wie würde Editha sich treuen, wenn er ihr voll gläubigen Muthes seine seine feste Zuversicht auf endliche Erlösung verkünden konnte!

Im Begriff, von dem Klausner Abschied zu nehmen sagte er, ihm die Hand drückend:

»Ehrwürdiger Vater, jetzt bin ich zwar muthig und stark, aber wer steht mir dafür, daß, fern von Euch, der alte Zustand nicht wiederkehrt. Erlaubt Ihr mir in diesem Falle, mir neuen Trost und neue Hoffnung bei Euch zu holen?«

»Kommt so oft Ihr wollt, so oft Euch Sorge und Angst befällt,« versetzte der Greis, »wir wollen zusammen beten. Geht in Frieden, der Segen Gottes wolle Euch geleiten.«

Wilfried stieg von dem Felsen hernieder, rief seinen Diener und ritt in raschem Trabe heimwärts. Wie schön, wie lachend erschien ihm jetzt diese wilde Gegend, wie glänzend das roosenfarbige Licht der Abendsonne, wie prächtig die schäumende Fluth!

VIII

Sechs Wochen lang verharrte Wilfried in vollem Vertrauen auf den Schutz des Himmels; er war fröhlich und wohlgemuth, holte selbst, den Bitten Edithas folgend, zuweilen s—eine Leyer hervor und sang ihr seine schönsten Lieder.

Allmählich aber begann sein Schlaf wieder durch schreckliche Träume gequält zu werden und Noth und Sorge stellten sich wie vormals ein.

Das einzige Mittel, diese quälende Gemüthsstimmung zu überwinden war ein Besuch bei dem Klausner; von Zeit zu  Zeit begab der Ritter sich zum schwarzen Felsen und kehrte jedesmal gestärkt und mit neuer Hoffnung heim.

So erreichten sie endlich den ersehnten St. Corneliustag; wenn er bis morgen dein Fluche entging, sollte Wilfried seine Freiheit wieder haben, doch er fühlte es an der fieberhaften Unruhe, die ihn quälte, und an den schrecklichen Bildern,die seinen Augen vorschwebten, daß der Einfluß des Zaubers mächtiger denn je in ihm wirkte.

Den größten Theil des verhängnißvollen Tages verbrachte er mit seiner Gemahlin in der Schloßkapelle, doch selbst das Gebet gab ihm keinen Frieden. Unaufhörlich lief ein kaltes Grausen durch seine Glieder, er glaubte Stimmen in seinen Ohren zu hören, die ihm zuflüsterten, er würde den folgenden Morgen nicht erreichen und der Fluch ihn dennoch treffen, wie sehr er selbst, Editha und Nyctos ihn abzuwenden strebten.

Schon neigte die Sonne steh dem Westen zu, der Abend begann zu dämmern. Da wurde die Angst des armen Ritters beinah unerträglich, er war fest überzeugt, daß nun, in dieser Nacht, die Vermaledeiung sich erfüllen müsse, und wie sehr auch seine Gattin sich bemühte, ihm Muth einzuflößen, es wollte ihr nicht gelingen.

»Ach Editha, ich bin so unglücklich,« seufzte er, »meine Sinne sind verwirrt, eine unsägliche Angst foltert mich! – Hättest du eine Ahnung von dem Elend, daß mich bedroht, so würdest du begreifen, wie mir ums Herz ist, doch ich darf es dir nicht sagen. Warum bin ich nicht zum schwarzen Felsen gegangen? Warum stellte ich mich nicht für die bevorstehende schreckliche Nacht unter den Schutz des Klausners? Bei ihm hätte ich vielleicht Ruhe gefunden vor den grausigen Bildern, die mich hier verfolgen.«

»Den Gedanken hat Gott Dir eingegeben!« rief Editha erfreut; »noch ist es nicht zu spät; »wenn die Gegenwart des frommen Klausners Dir Trost bringen kann, so begib Dich eiligst zu ihm.«

»Du hast Recht, Editha, ich danke Dir für diesen guten Rath,« stimmte Wilfried bei; »ich kann, ehe die Nacht hereinbricht, den schwarzen Felsen noch erreichen und werde dort neben dem Greise knieend, die Stunde meiner Erlösung erwarten.«

Wenige Augenblicke später verließ er seine Burg und ritt dem schwarzen Felsen zu. —

Spät am Abend saß Editha sinnend am Tisch in dem großen Speisesaal.

Es war den Tag über drückend heiß gewesen; dann hatten am südlichen Horizonte sich schwere Wolkenmassen gesammelt und jetzt brach das Ungewitter los. Glühende Blitze schienen den Raum mit Feuer zu füllen, furchtbare Donnerschläge ließen die Burg in ihren Grundfesten erzittern und der Platzregen schlug klirrend gegen die Fenster.

Editha dachte ihres Gatten; die Schrecken der Nacht und des Gewitters machten auch auf sie ihren Einfluß geltend, sie erzitterte in einer unüberwindlichen Angst und tröstete sich nur in dem Gedanken, daß Wilfried den schwarzen Felsen längst erreicht haben müsse und nun in der Klause unter dem mächtigen Schutze des Eremiten sei.

Allmählich legte sich der Sturm, die Blitze wurden seltener, das Krachen des Donners minder heftig, nur Regen fuhr fort, prasselnd gegen die Fenster zu schlagen.

Da erschallte mit einem Male das Horn des Wächters, es mußte Jemand angekommen sein! Editha fuhr erschreckt zusammen. Sollte ihr Gemahl durch das Unwetter zurückkehren? Und warum? War ihm ein Unglück geschehn?

Nicht lange währte dieser ängstliche Zweifel; ein Diener trat ein und meldete, daß Zwei Pilger, ganz durchnäßt vom Regen und erschöpft von Ueberanstrengung, um ein Nachtlager baten. Sie schienen betagt, und von guter Herkunft zu sein.

Editha befahl die Gäste in den Saal zu führen, bat sie, Platz zunehmen und ließ ihnen Speise und Trank versetzen.

Inzwischen betrachte sie die Beiden genau, es war ein Mann und eine Frau; der Erstere von hoher Gestalt und ehrfurchterwerkendem Wesen. Die Frau mußte vormals sehr schön gewesen sein, denn ungeachtet der tiefen Falten auf Stirn und Wangen lag ein überaus angenehmer Ausdruck in ihren Zügen.

Anfangs sprach Editha nur über das entsetzliche Wetter mit ihnen und war ihnen behilflich ihre durchweichten Oberkleider abzulegen. Auf ihren Befehl brachten die Diener erwärmende trockene Kleidungsstücke herbei.

Nachdem sie sich dann erquickt und einigermaßen ausgeruht hatten, fragte die Edelfrau nach ihrem Namen und wie es käme, daß sie zu so später Stunde in die Nähe von Felsenburg gekommen seien? Wahrscheinlich hatten sie sich in der wilden Gegend verirrt, – wohin ginge denn aber ihre Wallfahrt? Wollten sie nach Aachen oder Köln? Der Weg nach Deutschland führe doch nicht an Felsenburg vorüber.

»Verirrt haben wir uns nicht,« war die Antwort, »das Gewitter überraschte uns auf dem Wege zu Eurer gastlichen Burg. Wir suchten Schutz in einer Felsenhöhle aber die Nacht zwang uns, trotz strömenden Regens dieselbe zu verlassen und so kamen wir hierher . . . Wir suchen nicht die volkreichen Städte und Landstriche auf, sondern durchstreifen auch die abgelegensten Gegenden, besuchen die einsamsten Burgen in der Hoffnung, etwas von unserm Sohne zu erfahren, den wir verloren haben. Vielleicht ist er todt . . . «

»Ihr habt Euren Sohn verloren? Wie unglücklich müßt Ihr sein!« rief Editha, »und nun forscht Ihr nach ihm in dieser Wildniß? Wohnt Ihr weit von hier?«

»In Flandern, edle Frau; mein Name ist Folkard, Graf von Iserstein.«

»Es gereicht mir zur hohen Ehre, solch edlen Gästen ein Unterkommen geben zu dürfen,« sagte Editha, »mein Gatte ist leider abwesend, aber morgen früh kehrt er zurück und wird sich freuen, Euch unter seinem Dache zu sehn. – Ihr sucht also Euren Sohn so weit von der Heimath? Hat man ihn Euch geraubt?«

»Ach dass ist eine eben so traurige als unbegreifliche Geschichte,« antwortete der Pilger, »wir hatten nur diesen einen Sohn, der unser ganzer Stolz, unsere ganze Freude, dessen zärtliche Liebe zu uns unser größtes Glück war. Vor nun gerade fünf Jahren ging er auf die Jagd, um einen Hirsch zu verfolgen, und seitdem haben wir ihn nicht wiedergesehn, wie wohl viele treue Freunde und Diener ihn mit uns gesucht, ich selbst zu dem selben Zwecke vier weite Reisen unternommen habe. Die Ungewißheit, der Kummer ließen uns keine Ruhe mehr und da haben wir uns denn aufgemacht, um noch einen letzten Versuch zu wagen.«

»Er wird doch nicht etwa auf der Jagd verunglückt sein?« fragte Editha theilnehmend.

»Mein Gatte vergaß Euch zu sagen, edle Frau, daß wir nicht ganz ohne Nachricht von ihm geblieben sind,« bemerkte die Gräfin Iserstein. »Wir wissen, daß er zu Harlebeca sein Pferd verkauft und die Stadt dann wohlbehalten zu Fuß verlassen hat. Wie es möglich war, daß er, der liebevollste Sohn, ohne Abschied von seinen Eltern sich trennen konnte, ist und bleibt ein mir unerklärliches Geheimniß.«

»Und noch unerklärlicher ist es, daß unser Sohn die Trennung von uns und seiner Heimath sehr leicht zu nehmen scheint,« setzte der alte Herr hinzu, »denn einer meiner Freunde hat ihn zu Arlen gesehn, wo er mit vielen Minnesängern um den Preis rang.«

»Minnesänger!« murmelte Editha.

»Ja, edle Frau, bei allein Schmerz um seinen Verlust quält uns auch noch der Gedanke, er könnte uns treulos vergessen haben.«

»O Folkard,« rief die Gräfin, »wie kannst Du mir so das Herz zerreißen, wie unsern armen Wilfried beschuldigen!«

Editha sprang auf und rief erstaunt:

»Wilfried? Euer Sohn heißt Wilfried?«

Doch zugleich fiel ihr ein, sie könnte in der Aufregung eine große Unvorsichtigkeit begangen haben; sie setzte sich daher wieder an den Tisch und sagte mit etwas gezwungenem Lächeln:

»Wilfried also hieß er? Ach ich hatte einen Bruder desselben Namens, der im Dienste des Kaisers auf dem Schlachtfelde fiel, daher meine Erregung . . . Und Euren Sohn hat man als Minnesänger gesehn?«

Der Graf und die Gräfin Iserstein blickten sie stillschweigend an; trotz der versuchten Erklärung entstand in Beider Herzen der Gedanke, die Schloßherrin von Felsenburg müsse ihren Sohn kennen oder wissen, wo er sich aufhalte.

»Ach edle Frau«, begann die Gräfin flehend, »täuscht unsere Hoffnung nicht, gewiß könnt Ihr uns Nachricht geben von unserm Sohn, sein Name allein hat Euch zu tief bewegt, als daß Ihr nur dabei des gestorbenen Bruders hättet gedenken sollen. Auch wart Ihr erfreut, Euer Mund öffnet sich schon, um das Wort auszusprechen, dass uns beglücken könnte; seid darum großmüthig habt Mitleid mit uns armen Eltern, die wir seit fünf Jahren vor Betrübniß vergehen. Sagt und, was Ihr von unserm Kinde wisst.«

Durch ausweichende Antworten suchte Editha der Offenbarung der Wahrheit zu entgehn und es gelang ihr endlich, die Pilger zu überzeugen, daß sie nur ihres zärtlich geliebten, früh verstorbenen Bruders gedacht hätte. Glaubte sie doch, aus den Klagen Wilfrieds verstanden zu haben, daß seine Eltern von ihm nichts wissen dürften, und morgen sollte er ja zurückkehren, frei und durch keine feindliche Gewalt mehr beeinflußt. Dann würde er, außer sich vor Freude, seine Eltern in die Arme schließen, aber heute durfte sie sein Geheimniß noch nicht verrathen.«

Die ermüdeten Gäste baten jetzt um die Erlaubniß, sich zur Ruhe begehen zu dürfen.

Editha führte sie die Treppe hinauf in ein großes prächtiges Gemach, wo schon eine kleine Nachtlampe brannte.

Alls ihre Begleiter über den Reichtum der sie hier umgab ihre Verwunderung äußerten, sagte sie lächelnd:

»Viele Gemächer wie dieses befinden sich in der That in Felsenburg nicht, ich will nur gestehn, daß es wein eigenes ist, denn mein Gatte würde es mir nimmer verzeihen, wenn ich Euch nicht alle nur erdenkliche Ehre erwiesen hätte. – Nein, weigert Euch nicht, es zu benutzen, ich werde heute sehr spät schlafen gehn, in einem kleineren, über diesem befindlichen Zimmer. Und nun gute Nacht; Gott schenke Euch ruhigen Schlaf.«

Ohne auf die Einwendungen der Pilger zu hören verließ sie das Gemach und begab sich wieder hinunter in den Saal.

Dort saß sie lange und dachte über den seltsamen Vorgang nach.

Die Gäste, welche sie beherbergte, waren die Eltern ihres Gemahls! Sie hatte mithin ein Geheimniß entdeckt, daß er ihr so lange verborgen hatte, sein Name war Graf Iserstein, sein väterliches Schloß lag in Flandern. Was aber konnte ihn angetrieben haben, seine Heimath zu fliehen, seinen Eltern so tiefen Schmerz zu bereiten. Ein Fluch? Welcher Art? und von wem konnte er ausgesprochen sein? Daß er morgen hocherfreut sein würde, seine Eltern zu sehn, war nicht zu bezweifeln, denn wie sehr er sie liebte, wußte sie aus tausend Aeußerungen.

Sie ging noch einmal hinauf, um sich zu überzeugen, daß ihre Gäste sich ins Bette gelegt hatten; an der Thür des Schlafgemaches leise horchend hörte sie ihre ruhigen, gleichmäßigen Athemzüge, denn sie waren nach den Ermüdungen des Tages sogleich eingeschlafen.

Editha befahl den Dienern, gleichfalls zur Ruhe zu gehn und begab sich wieder in den Saal. Nachdenklich öffnete sie ein ein Fenster, das auf einen viereckigen Grasplatz ging und die Aussicht in das Thal gewährte.

Das Wetter hatte sich gänzlich aufgeklärt, hell glänzte der Vollmond an dem dunkeln Nachthimmel und die frische Luft, die in den Saal drang, trug süßen Blumenduft herein.

Eine Zeitlang genoß Editha des friedlichen Anblicks, sie gedachte ihre Gatten, der nun wohl in der Felsenhöhle an der Seite des Klausners knieete. Da empfand denn auch sie das Bedürfniß, vor dem Schlafengehen noch einmal in innigem Gebete ihr Herz zum Herrn zu erheben.

Sie ließ das Fenster offen stehn, zündete eine Lampe an und ging in die Schloßkapelle, wo sie still in sich versunken zu Gott für Wilfried flehte.

Während dessen trabte ein Reiter von seinem Dienen gefolgt, längs des Ufers des Flusses durch die mondhelle Nacht in der Richtung, die nach Felsenburg führte.

Es war Wilfried von Iserstein; erschöpft, entmuthigt kehrte er vom schwarzen Felsen zurück, von einer unbeschreiblichen Angst und Aufregung gefoltert.

Er hatte den Klausner nicht angetroffen und stundenlang vergeblich auf ihn gewartet. Das Unwetter, das während dieser Zeit hereinbrach, hatte auf seine kranken Nerven erschütternd gewirkt; was er in der Höhle zu befürchten haben könnte, war ihm nicht klar, dennoch fühlte er sich so verlassen und elend, daß der kalte Schweiß ihm auf die Stirn trat und er dem Verlangen nicht widerstehen konnte, zu Editha zurück zu reiten und bei ihr Erleichterung und Trott zu suchen.

Jetzt näherte er sich dem Schlosse und rief den Wächter an, der, seinen Herrn erkennend, sogleich das Thor öffnete.

Wilfried trat in den Saal, den er zu seiner Verwunderung noch hell erleuchtet fand. Er gürtete sein Schwert ab und stellte es an den Kamin, er wollte hinauf zu Editha gehn, sie wecken und ihr sein Leid klagen.

Doch da fiel sein Auge auf einen Männerhut, der an der Lehne eines Sessels hing; er betrachtete ihn mit funkelnden Blicken, seine Stirn legte sich in Falten, die Augenbraunen zogen sich zusammen und auf seine Lippen trat ein bittres Lächeln.

Doch diese Empfindung war nur vorübergehend; gleich darauf schüttelte er verdrossen den Kopf und murmelte in sich hinein:

»Ach, mein Gehirn muß sehr krank sein, daß ich Editha der Treuen, auch nur einen Augenblick mißtrauen kann! Fort mit solch’ erniedrigenden Gedanken; ist es denn das erste Mal, dass Felsenburg seine Thore Freunden oder Pilgern gastlich öffnet?«

Mit diesen Worten stand er auf, um zu seiner Gattin zu gehn; kaum aber hatte er die Thür des matt erhellten Schlafgemaches geöffnet, als ein unterdrückter Schrei seinen Lippen entfuhr, seine Haare sich sträubten und er an allen Gliedern zu zittern begann! Sollte er seinen Augen glauben, oder hatte er es wieder mit einem Trugbilde seiner Phantasie zu thun? Wie, ein fremder Mann auf seinem Lager? Brach den alles Unheil plötzlich auf ihn ein? Was konnte ihm noch begegnen? Ha, seine Feigheit war zu Ende, stolz und trotzig wollte er sich jetzt gegen sein Schicksal erheben.

»Still, still,« flüsterte er heiser, »kein Geräusch; dieser Schlaf soll sich in einen Todesschlaf verwandeln. Mein Schwert, mein Schwert!«

Rasch flog er die Treppe hinab, ergriff im Saal seine Waffe und wollte eilends damit zurück, um in einem zweifachen Morde seinen Rachedurst kühlen, als er hinter sich die Thür aufgehn und eine sanfte Stimme fragen hörte:

»Schon zurück, lieber Wilfried?«

Er wandte sich um, und sah Editha, die aus der Kapelle zurückkehrte.

»Wie, bist du es, Editha?« rief er überrascht; »ich glaubte Dich oben gesehen zu haben.«

»Du warst in unserm Schlafzimmer?« fragte ängstlich die Edelfrau.

»Ja, – wer schläft da in meinem Bette? Sprich, sprich schnell, das Blut kocht mir in den Adern!«

»Es sind zwei Pilger, denen ich gastliche Aufnahme gewährt,« antwortete sie.

»Warum gabst du ihnen denn unser Zimmer? Das ist ja unerhört!«

»Weil wir sie nicht genug ehren können, Wilfried; morgen wirst du dich selbst damit einverstanden erklären.«

»Du kennst sie also. Ich will wissen, wer sie sind! Du antwortest nicht? Siehst du nicht, wie ich vor Ungeduld zittere?«

Editha trat näher an ihn heran, legte ihren Arm um seine Schulter und sagte leise:

»Ich weiß nicht, mein armer Wilfried, ob ich recht thue, aber vielleicht ist meine Furcht unbegründet und wirst Du mit Freuden den Namen unserer edlen Gäste vernehmen; sie, die oben schlafen, sind der Graf und die Gräfin Iserstein.«

»Graf und Gräfin Iserstein? Großer Gott, mein Vater, meine Mutter!« schrie Wilfried erbleichend und sank dann wie vernichtet in einen Sessel.

»O Editha, unselige Frau, was hast Du gethan! Das Todesurtheil meiner Eltern hast Du ausgesprochen, nun wird der Fluch sich vollziehn,« fuhr er fort. »Soli ich Dir sagen, wozu ein gottloser Zauber mich verdammt? Wenn ich meinen Eltern vor dem morgigen Tage begegne, muß ich sie mit meinen eignen Händen ermorden! Es gibt keine Gnade, keine Macht der Welt kann sie beschützen, ich bin ein blindes Werkzeug, ein willenloser Sclave des Schicksals, das mich beherrscht.«

Seine erschreckte Gemahlin suchte ihn zu beruhigen und ihn das Unwahrscheinliche seiner krankhaften Vorstellungen begreiflich zu machen. Er aber schien mit einer stets wachsenden inneren Gewalt zu ringen.

»Schweig, Editha, schweig!«« rief er aus, »ich fühle es, Alles ist vergebens! Mein Kopf brennt; wie ein feuriger Strom schießt das Blut durch meinen Körper. Nur wenig Augenblicke noch, dann wird die blinde Raserei mich übermannen und mit dieser Waffe muß ich dann das Herz meines Vaters, meiner Mutter durchbohren! Flieh, und überlaß mich meinem traurigen Geschick. Jetzt, jetzt muß es sich erfüllen!«

Gleichzeitig sprang er auf und umfaßte krampfhaft das Schwert mit beiden Händen.

Editha aber kam ihm zuvor; schnell wie der Blitz flog sie der Thür zu, welche zu der Treppe führte, schloß sie ab und warf den Schlüssel zum Fenster hinaus, wußte sie doch, daß das Schlafzimmer in einem Thurme lag, welcher nur vermittelst dieser Thür mit der Burg in Verbindung stand. Nun, glaubte sie, würde es ihrem von einem bösen Wahn beherrschten Gatten unmöglich sein, die schreckliche That zu begehen.

Wilfried aber stieß ein heiseres Lachen aus und rief, daß nichts in der Welt ihn zu hindern im Stande sei. Mit seinem Schwert begann er gegen die Thür zu poltern, daß es dröhnte, doch da sie aus festem Eichenholz gefertigt mit Eisen beschlagen war, so leistete sie kräftigen Widerstand. Fünf oder Sechs Diener, unter ihnen der Wächter vom Thor kamen in den Saal, Wilfried bedrohte sie mit seiner Waffe und schrie, daß er den Ersten der es wagte ihm zu nahen, zu seinen Füssen niederstrecken werde.

Er erkannte jetzt Einen unter ihnen, in dessen Anhänglichkeit er besonderes Vertrauen setzte.

»Rigold!« rief er ihm zu, »gehorche mir, es gilt dein Leben! Nimm eine Fackel und suche unten nach Schlüssel dieser Thür! Findest du ihn, so schenke ich dir fünf Mark Silbers; findest du ihn nicht, so stirbst du morgen am Galgen!«

Zu Tode erschrocken erwiderte der arme Diener, daß er bereit sei, den Befehl seines Herrn zu vollziehn und eilte aus dem Saal, während Wilfried aufs Neue gegen die Thür zu schlagen begann.

Der furchtbare Lärm hatte die beiden Schlafenden geweckt, sie warfen ihre Kleider über und standen nun hinter der Thür, laut um Hilfe rufend gegen die unbekannte Gefahr die sie bedrohte.

Ihre klagenden Stimmen waren wie Oel in das Feuer«von Wilfrieds Wuth. Er raste, zerrte und polterte mit solcher Gewalt gegen die Thür, daß Editha jeden Augenblick befürchtete, sie zusammenstürzen zu sehn.

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Дата выхода на Литрес:
06 декабря 2019
Объем:
130 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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