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Читать книгу: «Abendstunden», страница 13

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Ein Schulmeister
aus der Zeit Maja Theresia‘s

(In einem ziemlich geräumigen Zimmer stehen mehre lange Schreibtische und Pulte, an der Wand hängt eine schwarze Tafel und eine Weltkarte. An den Tischen sitzen die Schüler, von denen die Mehrzahl acht bis zwölf Jahre zählt. Der Lehrer geht mit ernster, fast böser Miene auf und ab, hält ein Federmesser in der Rechten und schneidet dann und wann eine Feder. Man sieht, daß die meisten der Schüler statt zu lernen, spielen und wenig Acht geben auf das, was der Lehrer sagt. Einige schlafen, andere fangen Fliegen, andere scheinen zu schreiben, malen aber meist Männchen, oder spielen ein anderes Spielchen.)

Der Lehrer,
mit lauter Stimme und langsam

»Passet auf, daß ihr die Bäuche von den A’s recht voll macht und daß ihr die Köpfe von den B’s recht in die Höhe zieht.«

Schreien von allen Seiten:

»Meister,17 schneidet mir meine Feder einmal! – Monsieur, ma plume ist zu weich! – Meine Feder ist zu steif! – La mienne ist trop maigre! – Die meine ist zu fett.«

Victor, einer der Schüler, zu Karl, der neben ihm sitzt:

»Ich bin fertig, hä!«

Karl, leise:

»Ja, du wirst schon deine Portion auf die Finger kriegen. Du hast wieder Hahnefüße gemacht, wie gestern.«

Victor, lauter, ohne daß er daran denkt:

»Dann müßte meine Feder besser geschnitten sein – Karl, wollen wir Federchenpick18 spielen, ja?«

Lehrer

»Silence da hinten, mit dem Spektakel! Victor, nimm dich in Acht, wenn deine Schrift nicht gut ist, dann wirst du nicht zufrieden mit mir sein, Vogel!«

Eduard, der neben Victor sitzt:

»Wollt ihr mich mit Federchenpick spielen lassen? Ich gebe eine neue Feder.«

Victor, heftig

»Nein, du sollst nicht mit spielen, Streitsucher.«

Eduard, schreiend:

»Dann sag ich es; Meister, Meister! Victor und Karl spielen immer Federchenpick!«

Der Lehrer, ärgerlich

»Ha, sind sie wieder im Gange – ich hatte es wohl gesehen. Wartet ihr Faulpelze, ich werde euch gleich Federchenpick spielen lehren. (Er zieht Victor beim Ohr.) Ich will dir’s ablehren, du fauler Lümmel du, der du den ganzen Tag spielest, anstatt zu lernen. Schämst du dich nicht, daß deine Aeltern das Geld so für dich in den Dreck werfen, Taugenichts? Müssen sie mich darum jeden Monat bezahlen, damit du hier Federchenpick spielen kannst, du Galgenstrick!«

Victor, so laut schreiend, daß der Lehrer sich die Ohren zuhält

»O weh, o weh! Iji! Ach Gott, mein Ohr! Das sage ich meiner Mutter und dann geh ich in eine andere Schul, das habt ihr davon!«

Der Lehrer, schmeichelnd

»Nu ruhig, Victor, ruhig Junge! Du wirst das ja auch nicht wieder thun, nicht wahr? Laß deine Schrift einmal sehen. Die ist viel besser als gestern – bekommst eine gute Note dafür.«

(Er schreibt eine gute Note auf Victors Papier und entfernt sich.)

Victor, brummend:

»Mit seinen guten Noten! Was kann ich damit thun? Werde fett von seinen Noten! O weh, mein Ohr!«

Eduard, zum Lehrer

»Meister, es ist seine Schrift von gestern. Er hat da eben einen großen Rubens in sein Cahier19 gezeichnet!«

Der Lehrer, zu Eduard

»Schweig! du weißt, daß ich das Anbringen nicht leiden kann. (Nach einer Pause zu allen Schülern:) Gebt Acht auf’s Diktiren – Nehmt eure Cahiers. Seid ihr alle bereit?«

Alle zu gleich und unter einander:

»Ja, ja, Meister! – Ich nicht – Ich doch – Ich kann mein Cahier nicht finden – Meine Feder schreibt nicht – Ich habe kein Papier!«

Der Lehrer, langsam diktirend:

»Der widerspenstige Absalon . . . der wider – spän – sti – ge Ab— sa—lon . . .

Victor, zieht Eduard bei den Haaren

»Da du! Nun sag noch einmal daß wir Federchenpick spielen, du Anbringer. Ruf nun, daß ich dich bei den Haaren ziehe, du Schreimaul!«

Der Lehrer

»Der wider – spänstige Ab— salon . . . Ihr Spektakelmacher ihr, wollt ihr wohl aufhören?«

Eduard, weinend

»Ah!, Meister! Meister! Victor zieht mich immer bei den Haaren!«

Der Lehrer, ungeduldig auf den Boden stampfend

»Sie werden mich am Ende nicht mehr fortfahren lassen; da lehre Jemand die Barbaren einmal etwas! (Diktirend:) Der widerspenstige Absalon . . . Silence! Ab— salon zog . . . «

Eduard, laut

»Meister, nun kneift er mich wieder in’s Backen!«

Der Lehrer, diktirend

»Absalon . . . zog . . . gegen . . . Victor, ich jage dich sogleich aus der Schule, böser Bube du! . . . zog gegen das Heer . . . seines Vaters . . . David . . . Warum siehst du mich so an, Piet? schreib doch!«

Piet

»Franz hat mir meine Feder genommen.«

Franz

»’s ist nicht wahr, Meister, er hat Federchenpick gespielt und sie verloren.«

Der Lehrer, ärgerlich

»Hier du! Auf deine Kniee, Bube! Gebt einmal zwei Schreibkasten her! – Da, nun Spiel noch Federchenpick, du Aelternverdruß, du! (Er zwingt Piet, inmitten der Schule niederzuknieen und mit jeder Hand ein Schreibpultchen in die Höhe zu halten. Piet weint und schluchzt, doch hindert dieß ihn nicht, die Zunge herauszustrecken und Gesichter aller Art zu schneiden.) gegen das . . . Heer seines Vaters . . . David . . . aber der allmächtige Gott . . . . all – mächtige Gott . . . strafte die Bosheit . . . die Bosheit von . . . Victor, was machst du da? Ich sehe dich nicht schreiben.«

Victor

»Ihr diktiert zu schnell, Meister. Ich kann nicht bei bleiben.«

Der Lehrer, verzweifelt

»Nun, nun, das ist doch schrecklich! Ich diktire drei Worte in einer halben Stunde und sie sagen, sie könnten mir nicht folgen. Ich glaube wahrlich, sie haben ein Komplott gemacht, um mich aus der Schule zu vertreiben, doch das wird nicht geschehen, ihr Revolutionärs! – Ihr verjagt mich nicht von hier . . . «

Eduard, schreiend

»Das ist nicht wahr, Meister; Victor hat wieder Oechenziehen20 gespielt, während ihr diktirtet!«

Der Lehrer, in immer steigender Ungeduld

»Ha, seid ihr wieder am Oechenziehen? Und ich schreie mir den Hals ab für so faule Esel . . . ’s ist wahrlich um krank zu werden.«

(Er wendet sich der andern Seite der Schule zu.)

Victor, giebt Eduard eine schallende Ohrfeige

»Da, nun sag das auch. Komm nur gleich heraus auf die Straß, dann Prügel ich dich butterweich und dann kannst du deinen Vater mitsammt deiner Mutter rufen, du Lappes!« (Zugleich fassen sie einander in die Haare und prügeln sich. Der Lehrer springt schnell auf sie zu, faßt sie am Kragen und zieht sie von einander.)

Der Lehrer, zornentbrannt

»Taugenichtse ihr! Schelme! Lümmel! Ihr seid ärger, als die Kinder aus dem Schwanengang und vom Fliedersteg.21 Ihr bringt mich wieder zum Blutspeien, schlangen ihr. Ich sag’s euch aber, der erste, der sich noch rührt, fliegt vor die Thüre. Nehmt euch in Acht!«

(Große Stille. Victor steckt die Hand unter die Bank und kneift Eduard in die Beine, doch dieser wagt nicht mehr zu schreien, obwohl man seinem Gesichte nur zu gut ansieht, wie wehe der Andere ihm thut.)

Der Lehrer, ruhiger

»Wo standen wir? Aha. (diktirend.) Die Bosheit des entarteten Sohnes . . . Als Absalon die Schlacht . . . Ab— salon . . . die Schlacht . . . verloren hatte . . . begab er sich auf die Flucht . . . auf die Flucht . . . Franz, du giebst nicht Acht! Du kauest wieder Papier. Laß einmal hören, was ich zuletzt gesagt hab.«

Franz, schnell

»Hab.«

Der Lehrer, ärgerlich

»Was, hab, Esel? Auf die Flucht hab ich gesagt. (diktirend.) Und ritt unter einem Baum . . . Baum her . . . doch sein langes Haar . . . langes Haar . . . verwirrte sich in den . . . in den Zweigen des . . . Franz, thu das Männchen weg und schreib! . . . den Zweigen des Baumes . . . Baumes und Absalon blieb daran hangen . . . «

(Franz hat inzwischen ein Papierbällchen gekaut und ein Männchen daran befestigt. Er wirft das Bällchen gegen die Decke der Schule, wo es an einem Balken hängen bleibt.)

Victor, jubelnd

»Ju, ju, da hängt Absalon mit seinem langen Haar!«

Der Lehrer, ärgerlich

»Franz, du wirst diesen Mittag nicht nach Hause gehn und in der Schule bleiben. Ich will dich lehren, Papier kauen. Du hast dafür zum Diner nichts zu kauen. (Zu den Schülern. ) Das Dikté ist zu Ende. Victor, buchstabiere das letzte Wort einmal.«

Victor, zu Eduard

»Welches ist das letzte Wort? Willst du es sagen, oder ich kneif dich.«

Eduard

»Nein, nun sag ich es nicht, da.«

Victor, kneift ihn in den Rücken

»Sagst du’s noch nicht?«

Eduard, vom Schmerz gezwungen schreiend

»Hangen, hangen!«

Der Lehrer, zu Eduard

»Ich habe dich ja nicht gefragt, Schreier. Du Victor, buchstabiere das letzte Wort.«

Victor, unverständlich und sehr schnell

»Abchg – hang . . . chrstgen – gen – hangen.«

Der Lehrer, den Kopf schüttelnd

»Genug, genug. Wir wollen es den Nachmittag buchstabieren. – Die kleinen Katechismusse weg. – Die erste Lektion.«

(Großer Spektakel von Pulten und Bänken. Die Schüler legen die Hefte in die Schubladen der Pulte, die meisten ihren Katechismus offen auf die Kniee, um desto gemächlicher antworten zu können. Man sieht Victor und Karl nicht; sie stecken unterm Tische.)

Der Lehrer

»Attention auf die erste Lektion! Eduard, wie viel Götter giebt’s?«

Eduard, rasch

»Drei – ich wollte sagen zwei – nein nur einer.«

Der Lehrer

»Was drei,Dummohr! Du, Victor, wie viel Götter sind?«

Victor, den Kopf unterm Tische hervorsteckend.

»Sieben: Hoffart, Faulheit, Neid, Gierigkeit . . . «

Der Lehrer

»Schweig, du Ketzer! Weiß der doch nicht einmal, wie viel Götter sind. Willst du wohl unter dem Tische hervorkommen? Was thut ihr da wieder?«

Eduard

»Sie spielen mit Knickern, Meister.«

Franz

»Nein Meister, sie spielen Klontgen treck und Witbier set mit Kirschensteinen.«22

Der Lehrer, nimmt ein Lineal und schlägt hin und her unter dem Tische
»Ihr Lümmel, heraus! schnell, oder ich schlage euch Arme und Beine entzwei.«
Victor und Karl, unter dem Tische herum kriechend

»O weh, das ging in mein Auge! O weh mein Kopf! – O Gott meine Nase!«

(sie kommen heulend und schreiend unter dem Tische hervor. Eins von Victor’s Augen ist roth und scheint hart getroffen zu sein.)

Der Lehrer, schmeichelnd zu Victor

»Victor, Victor, nun siehst du, was daraus folgt.

(Er faßt ihn an der Hand.) Komm her, mein Junge, setz dich an den großen Tisch. – Du sollst in die erste Klasse – ich gebe dir ein neues Buch.«

Victor, brummend

»Schelm, Gaudieb du!«

(Es klingelt an der Thüre, der Lehrer öffnet.)

Frau van Laer, Victors Mutter

»Guten Tag, Meister Verdonck. Ich komme, um einmal nach meinem Jungen zu sehen. Ich bin da auf dem Markte gewesen, um etwas Sellerie und Zwiebel zu kaufen, wie das ein Mensch so nöthig hat in der Haushaltung, und da sagte ich so in mir, wart, sagte ich, ich geh mal nach meinem Victor sehn. Seid ihr zufrieden mit ihm?«

Der Lehrer, fuchsschwänzelnd

»O, auf’s Aeußerste, Madam van Laer. Victor ist sehr brav, nicht wahr, Victor?’s ist einer meiner besten Schüler. Er ist just eben wieder eine Klasse höher gestiegen und morgen geht er in den Schatz der Kinder.)«23

Frau van Laer

»Was hat er aber an seinem Aug? Ach Gott, es ist ja ganz roth!«

Der Lehrer

»Ich habe da einen bösen Buben, der immer Victor etwas anhaben will, wohl aus Neid, weil Victorchen so überaus gut lernt. (Zu Eduard.) Eduard, nimm dich in Acht; wenn du Victor noch einmal schlägst, dann werf ich dich aus der Schule!«

Eduard, murrend

»Ihr habt ihn ja selbst geschlagen mit eurem Lineal. Ihr habt es ja selbst gethan.«

Der Lehrer, mit einem glühenden Blick auf Eduard

»Schweig, du frecher Bub – aus dir ist doch nichts Gutes zu machen. Thue du, wie Victor, dann können deine Aeltern wohl zufrieden mit dir sein.«

Eduard, in den Bart brummend

»Weil seine Mutter hier ist, he? Das thut nichts, sogleich bekommt er doch wieder seinen Hafer.«

Frau van Laer

»Aber, Meister Verdonck, da ist der Junge von Madam Laurier – ihr wißt wohl, der zu Meister Huysmans schulen geht? Ei nun, der spricht immer von Amerika und von allen fremden Ländern, grad wie ein Philosoph. Sollte Victor das nicht auch lernen können?«

Der Lehrer

»Die Geographie, wollt ihr sagen, Madame? Nu seht, da hängt sie. (er zeigt auf die Landkarte.) Euer Victor ist darin schon sehr weit – er ist selbst einer meiner Besten darin.«

Frau van Laer

»Das möcht ich doch mal gern sehn.«

Der Lehrer, zu Victor

»Komm her zu der Karte, Victor, und laß deine Mutter mal sehn, was du für ein Meister in der Geographie bist.

(Victor geht mit dem Lehrer und seiner Mutter zu der Karte.)

Wie viel Winde giebt es, Victor?«

Victor

»Vier.«

Der Lehrer

»Seht ihr, Madam, er weiß das grad, als hätte er sein ganzes Leben lang die See befahren? Nun wird er euch auch zeigen, wo die vier Winde sind.«

Frau van Laer, entzückt

»Gott und Vater, wie ist es möglich! Solch ein Kind! Wahrhaftig er ist ja ganz, wie ein Schiffskapitän. Wie kann er das nur all behalten?«

Der Lehrer, zeigt mit einem Stöckchen auf den oberen Theil der Karte

»Victor, wo liegt Norden?«

Victor, laut und zuversichtlich

»Oben.«

Der Lehrer, unten die Karte zeigend

»Wo ist Süden?«

Victor

»Unten.«

Der Lehrer, mit dem Stöckchen zur Rechten der Karte zeigend

»Und Osten?«

Victor, mit komischem Ernst

»Da, wohin ihr mit eurem Stöckchen weist.«

Frau van Laer, erstaunt, wie wenn ein Wunder – vor ihren Augen geschähe

»Wie ist es möglich! Wie ist es möglich! Komm her, Victor, daß ich dich küß. Du wirst noch mal Minister werden, du.«

Der Lehrer, zu Victor

»Wo wohnen wir? In welchem Lande steht diese Schule?«

Victor, sehr ernst

»Auf dem Pferdemarkt.«

Der Lehrer, auf die Lippen beißend und halb beschämt

»Ja, ja, auf dem Pferdemarkt, das ist recht! Aber in welchem Lande sind wir? In Spanien, in der Türkei, in Lappland, oder in Belgenland?«

Victor

»In Belgenland.«

Der Lehrer, vergnügt

»Ich wußte wohl, daß er es nicht vergessen hatte. Zeige mir nun auch Belgien auf der Karte, Victor!«

(Victor sucht lange und zeigt endlich auf das Land der Hottentotten.)

»Das ist verkehrt, Victor. Aber wacker, mein Junge, du hast ja eben noch Belgien wohl fünf— und zwanzigmal gezeigt. (Zu Frau van Laer.) Madam, er ist beschämt, weil ihr da seid, anders würde er alle Städte und Dörfer der Welt mit geschlossenen Augen finden. Oh, es ist ein Kind, in dem viel steckt.«

Karl, leise zu Eduard

»Was ist der Meister doch für ein gräßlicher Fuchsschwanz.«

Eduard

»Sieh mal, welch großen Hut hat Victor’s Mutter auf, he? Hast du kein Bällchen Papier? ich schieß mal Rosen.«

Franz

»Ich hab eins – paß auf, jetzt fliegt’s!«

Der Lehrer, laut

»Silence dort in der Ecke!«

Frau van Laer, zum Lehrer

»Ich hab immer gesagt, daß unser Victor ein sehr großer Kopf ist. Dennoch behauptet sein Vater in seinem Eigensinn, daß er ein Esel sei, und daß es besser wäre, ihn ein Handwerk lernen zu lassen – ich werde aber schon sorgen, daß er wenigstens Pastor oder Advokat werde . . . denn dazu ist das Kind gewiß geboren.«

Der Lehrer, sich tief verbeugend

»Da habt ihr das größte Recht der Welt drin. Ihr könnt gewiß einen Pastor, einen Advokat, ja selbst einen Schulmeister aus ihm machen.«

(Aus einer Ecke wird mit einem Bällchen Papier geworfen, welches schallend gegen den Hut der Frau van Laer fliegt.)

Frau van Laer, ärgerlich

»Ei welch gräuliche Dinge man doch erlebt! – Einen Menschen mit Papier werfen und das in Gegenwart des Meisters! Wie schlecht viele Kinder doch erzogen sind!«

Der Lehrer, in großem Zorn

»Wer hat das gethan? Wer hat es gewagt, die achtbare Madam van Laer mit Papier zu werfen?«

Eduard, laut

»Das hat Franz gethan, Meister! – Er hat gesagt: sieh mal, das ist eine Kokarde auf ihren Sommerhut!«

Der Lehrer, faßt Franz beim Kragen und wirft ihn vor die Thüre

»Hier, du Lümmel, du Taugenichts.«

Franz, draußen, so laut er kann

»Ihr meint, ich solle wiederkommen, he? Das geschieh aber nicht, Bär, grimmiger Bär!« (Stille.)

Frau van Laer

»Ich bin sehr zufrieden mit meinem Jungen und nun muß ich schnell nach Hause gehn, um meine Küche zu besorgen. Aber ich hätte noch gern, daß ihr meinen Sohn lehrtet, wie er die Federn schneiden muß, denn zu Haus will er nie schreiben, weil seine Federn stets zu fett oder zu mager sind, wie er sagt.«

Der Lehrer

»Ist’s nicht wahr, Frau van Laer? Ach das will ich ihm augenblicklich lehren, wo ihr noch gar dabei seid. Ich glaube übrigens, er kann es schon.«

Eduard, zu Karl

»Ja Federchenpick kann er besser, he?«

Karl, laut

»Meister, Eduard treibt den Spott mit euch.«

Eduard

»Nein, Meister, das thut er selbst. Er sagt, Victor könne besser Federchenpick.«

Der Lehrer, drohend

»Silence da, ihr Waschweiber! Oder ich werf euch aus der Schule! (Große Stille.) Allons, Victor, gieb recht Acht, ich mach’s dir einmal vor. (Er schneidet langsam eine Feder und sagt:) Du nimmst eine Feder in die rechte Hand, lässest sie übergehen in die linke, dann legst du sie auf ihren Rücken und schneidest ihr den Schnabel mit einem großen Schnitt auf. Dann legst du sie auf ihren Bauch und giebst ihr wieder einen Schnitt . . . «

Piet, schreiend

»Meister! Meister! Da fliegt ein Müller24 in der Schule! Pst! Pst!«

Alle Schüler

»Hurrah! Hurrah! – Fangt ihn! – Da hatt ich ihn fast! – Hier! – Da ist er! Pst! Pst!«

(Sie werfen mit Mützen und Schreibheften nach dem Käfer. Alles geräth in Unordnung. Frau van Laer, die eine Art von Antipathie vor den Käfern hat, weiß nicht, wohin flüchten. Zum Uebermaß von Unglück fliegt der Käfer ihr in’s Haar.)

Frau van Laer, ängstlich

»Ach Meister, befreit mich von dem abscheulichen Thier, oder ich bekomm was dadurch! Pfui! Pfui! Das ist ja Gift! (Der Lehrer nimmt ihr den Käfer aus dem Haar.) O Gott und Herr! Der Schrecken geht mir in vierzehn Tagen nicht aus dem Sinn! Er schlägt mir ganz und gar in die Beine. Ach, Meister, wie bedauere ich euch! Was habt ihr nicht auszustehen von den Taugenichtsen! Wenn die meinen so wären, ich würde sie anders tanzen lehren.«

Der Lehrer, drohend

»Wir sprechen uns sogleich. (Stille.) Allons, Victor, nun schneid einmal eine Feder. Erst auf ihren Rücken, dann auf ihren Bauch . . . so wie ich dir gesagt habe.«

(Er giebt Victor eine Feder und ein Federmesser.)

Victor, ungeduldig

»Kenn ich nun ihren Bauch? Wo ist ihr Bauch?«

Der Lehrer

»Schneide nur frisch zu, Victor! Gieb ihr nur einen guten Schnitt.«

(Victor schneidet tüchtig zu, doch statt die Spitze der Feder abzuschneiden, schneidet er sich selbst tief in den Finger und läßt sich heulend hinterrücks fallen. Er blutet stark.)

Frau van Laer, bleich vor Schrecken und Angst
sie nimmt Victor in den Arm

»Ach Gott und Herr! Mein arm Kind stirbt. Seht mal, welch ein Schnitt! (sie wirft einen wüthenden Blick auf den erschrockenen Lehrer.) Meister Verdonck, ich weiß nicht, schämt ihr euch denn nicht, dem Kind ein Messer in die Hand zu geben? Dazu muß man doch plump sein. – Das seid ihr ganz allein schuld . . . «

Der Lehrer, fast heftig

»Er kann doch keine Feder ohne Messer schneiden, Madame.«

Frau van Laer

»Ohne Messer! Ohne Messer! Ihr seid noch viel dummer, als all die plumpen Faulenzer, die ihr da sitzen habt . . . Mit eurem Rücken und eurem Bauch! Ich werd mich wohl hüten, mein Kind verderben zu lassen in solch’nem Nest, wo es so Zeug lernt. Er soll in eine andere Schule gehn.

(sie hat während deß’ ein Tüchelchen um Victor’s Finger gewunden.)

Komm mit mir, Victor. Komm nach Haus, Kind.«

Der Lehrer

»Aber Madam, so geliebet doch . . . «

(Frau van Laer geht weg. Victor wendet sich an der Thüre noch einmal um und streckt spottend dem Lehrer die Zunge entgegen.)

Der Lehrer, schmerzlich und tiefbetrübt zu den Schülern

»Eh bien, ihr Schlangen, ihr Skorpione, ärgert mich denn zu Tode . . . spart doch keine Mühe, ihr, – dreimal Blutspeien und eine Lungenschwindsucht, das ist aber noch nicht genug, nicht wahr? – Macht mich nur auch noch gichtisch, macht mich lahm an Arm und Bein! – Dann werdet ihr froh sein, wie, ihr Herzfresser? Dann könnt ihr lachen, ihr Ungeheuer! – (Ruhiger, aber noch niedergeschlagener.) Wie könnt ihr doch dem so viel Verdruß machen, der sein ganzes Leben, wie ein Sklave durcharbeitet, um euch einmal zu würdigen und nützlichen Gliedern der Gesellschaft zu machen! – Habt ihr denn kein Mitleiden mit eurem armen Lehrer, der sich krank schreit, um euch zu lehren . . . «

Eduard, schreiend

»Meister! Meister! Piet hat eine Fliege mit einem Strohschwänzchen.«

Der Lehrer,
mit dem Fuße stampfend und verzweifelt

»Ja, ja, ich weiß es, ihr lacht noch zu meinem Aerger . . . ihr seid so gefühllos, wie Pflastersteine . . . undankbar, faul, dumm, ein Haufen Esel, so stockig, wie die Fische im Wasser, ihr Nägel meiner Todtenlade – denn ich fühle doch, daß ihr mich noch unter die Erde bringt, ihr Mörder! (Er zieht seine Uhr aus der Tasche; es ist halb elf, doch um sein Gewissen zu beruhigen, setzt er sie auf elf.) Es ist elf Uhr! Die Schule ist aus!

(Die Schüler springen unter schrecklichem Tumult über Tische und Bänke.)

Die Schüler, von allen Seiten schreiend

»Hurrah! Hurrah! Die Schule ist aus! Wer spielt mit Ueberspringen? – Wer hat Knicker? – Wer spielt mit Ball? – Wir spielen Gorie, wer spielt mit?«

Der Lehrer, seine Thür schließend und kopfschüttelnd

»Aures habent et non audiunt! schon wieder zwei Schüler weniger! Da predige einmal einer dem Gesindel!«

17.Titel des Lehrers in Flämischen (Meester.)
18.Federchenpick. Jeder der Spielenden legt eine oder mehre Federn ein, nach denen man nun, einer nach dem andern, mit dem Federmesser pickt oder sticht. In weß Messer eine Feder hängen bleibt, der hat sie gewonnen.
19.Schreibheft.
20.Eine Anzahl O werden in Gestalt eines Kegels nebeneinander geschrieben. Der Spieler muß nach Anweisung des Mitspielers alle durch Linien mit einander verbinden, ohne daß jedoch eine der Linien die andere berühre.
21.Straßen in dem abscheulichsten Viertel Antwerpens.
22.Ein Kirschenkern wird in zwei gleiche Hälften zerschlagen und man würfelt mit ihnen, wie mit andern Würfeln. Fällt beider hohle Seite nach oben, dann hat man Witbier set und muß eine gewisse Zahl von Steinen einsetzen, im andern Falle zieht man dieselbe Zahl aus dem Einsatze.
23.Ein altes Schulbuch.
24.Maikäfer.
Возрастное ограничение:
0+
Дата выхода на Литрес:
06 декабря 2019
Объем:
260 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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