Читать книгу: «Ein Hauch Zufriedenheit», страница 4

Шрифт:

6

Rüdiger kann sein Glück kaum fassen, als Jenny ihn am Vormittag des Heiligabends anruft und um Abholung bittet. Überglücklich reibt er sich die Hände und macht sich sogleich auf den Weg.

Als er zwei Stunden später an Juttas Wohnungstür klingelt, hat er seine Gesichtszüge kaum noch unter Kontrolle.

Da sie ihm nicht die Genugtuung geben will, vor ihm in Tränen auszubrechen, sagt sie, bevor er sich überhaupt äußern kann: „Jenny ist fertig und kommt gleich.“

Er muss auch gar nicht lange warten. Jenny begrüßt ihn kurz und hält ihm ihre Reisetasche hin. Ohne sich von ihrer Mutter zu verabschieden, geht sie mit ihrem Vater die Treppe runter.

Kaum sind sie losgefahren, fragt er: „Was ist passiert?“

„Nichts“, antwortet sie und schaut aus dem Fenster.

Ihre Gedanken jagen wie wild durch den Kopf. Sie ist maßlos traurig darüber, dass ausgerechnet heute Heiligabend ist. Sie kann sich nicht erinnern, sich jemals so sehr darauf gefreut zu haben. Ihr Pferd Lumpi, der Reiterhof, das Märchenspiel … Seit Wochen hat sie dafür geübt und keine Probe verpasst.

Ihr Leben hätte doch endlich schön werden können. Verärgert kneift sie ihre Augen zusammen. Sie hatte sich alles so schön ausgemalt. Andy ist der Prinz und sie seine Prinzessin. Warum mussten alle ausgerechnet Annika zur Prinzessin wählen?

Die können mir alle gestohlen bleiben“, denkt sie wütend.

Ihr Vater rüttelt sie am Arm. „Jenny. Hörst du mir überhaupt zu?“

„Äh, ja, nein. Was ist denn?“

„Jetzt steht es endgültig fest, dass du bei mir wohnst, oder?“, fragt er.

„Ja, ja. Wo sollte ich denn sonst hin?“

„Da bin ich aber erleichtert. Das habe ich gewusst, dass du es in diesem Kaff nicht lange aushältst. Oma und Opa freuen sich auch schon, dass du Weihnachten nun doch mit uns feierst. Wir konnten gar nicht verstehen, warum du das eigentlich nicht wolltest.“

Jenny denkt an ihre Mutter. Ihr Herz zieht sich zusammen. Wut verdrängt jedoch den Schmerz, als ihr wieder bewusst wird, dass ihre Mutter schwanger ist. Sie kann das einfach nicht begreifen. Mit der Trennung ihrer Eltern hat sie sich in der Zwischenzeit abgefunden, auch damit, dass Markus bei ihnen eingezogen ist. Der ist eigentlich ganz in Ordnung, und mit Janek versteht sie sich auch gut.

„Willst du mir nicht endlich sagen, was los war?“, fragt ihr Vater schon wieder. „Ich merke doch, dass dich etwas bedrückt.“

Jenny schüttelt den Kopf.

„Das hätte ich dir vorher sagen können, dass du bei deiner Mutter fehl am Platz bist“, sagt er.

„Wie meinst du das?“, fragt sie und beginnt zu zweifeln.

„Seitdem deine Mutter frisch verliebt ist, hat sie doch bestimmt andere Interessen, als sich um dich zu kümmern. Bei uns stehst du im Mittelpunkt. Du wirst sehen, dass du dich ganz schnell wieder einlebst.“

Vor ihrem inneren Auge lässt sie die letzten Monate Revue passieren. Ihr ist nur noch zum Heulen zumute. Diese Blöße will sie sich aber vor ihrem Vater nicht geben und schluckt die Tränen hinunter. Sie schließt die Augen, damit ihr Vater denkt, sie wäre eingeschlafen und sie nicht mehr mit seinen Fragen und Bemerkungen nervt. Hinter ihrer Stirn arbeiten die Gedanken fieberhaft. Egal, wie sehr sie sich bemüht, an irgendetwas anderes zu denken, sie findet sich ständig in der Scheune des Reiterhofes wieder. Sie sieht die wunderschöne Kulisse der Weihnachtsgeschichte, den riesigen Weihnachtsbaum und die kleine Kutsche mit den Zwergen Richard und Bertram darin.

Große Verzweiflung und Traurigkeit packt sie.

7

Zum Reiterhof fährt Markus langsam, weil auf den Straßen eine dicke Schicht Neuschnee liegt.

„Die Räumfahrzeuge kommen gar nicht nach“, sagt er.

„Endlich einmal weiße Weihnacht“, sagt Jutta und genießt die Aussicht. „Eigentlich bin ich ganz froh, dass meine Mutti heute nicht mit uns feiern will. Sie hätte mir wieder nur Vorhaltungen gemacht, weil Jenny nicht da ist. Wenn sie auf Jenny trifft, beschwert sie sich bei mir über deren schlechtes Benehmen, und wenn sie nicht anwesend ist, dass ich sie nicht im Griff und als Mutter total versagt habe. Irgendwie kann ich es ihr nicht recht machen.“

„Sei froh, dass du uns jetzt hast, sonst müsstest du heute allein unter dem Baum sitzen. Oder du wärst mit Jenny mitgefahren, um alte Erinnerungen aufzufrischen“, sagt Markus lächelnd.

„Um Gottes Willen. Da füge ich mich lieber in mein Schicksal und werde einfach versuchen, den Heiligabend mit euch zu genießen.“

Ihr ist bewusst, dass mit Markus sehr angenehme Veränderungen in ihr Leben getreten sind. Sie schaut ihn an, als müsse sie sich vergewissern, dass er wirklich neben ihr im Auto sitzt und nicht alles nur ein Traum ist. Er dreht seinen Kopf zu ihr und strahlt sie an.

„Dass deine Eltern sich wirklich über unser Baby freuen, hätte ich nicht gedacht“, sagt sie.

„Ich kenne sie schon lange genug. Du hättest mir ruhig vertrauen können.“

„Ja, ich weiß. Deine Mutti ist sehr verständnisvoll und lieb, so wie ich mir immer eine Mutter vorgestellt habe. Weil Jenny mit ihr keinen Einkaufsbummel machen wollte, hat sie mich einfach dazu eingeladen und mir gezeigt, wo sie die schönsten Babysachen gesehen hat. Weil es jedoch Unglück bringen soll, vor der Geburt etwas zu kaufen, musste ich ihr versprechen, dass wir das auf jeden Fall gemeinsam nachholen. Gegen die niedlichen Lätzchen, die sie sich nicht verkneifen konnte, ist sicher nichts einzuwenden.“

Markus schaut sie glücklich an.

„Du hast jetzt wenigstens eine Schwiegermutter, die für dich da ist. Schade, dass meine Eltern so weit weg wohnen. Janek hat sie auch schon immer sehr vermisst. Hättest du mit seiner Reaktion gerechnet?“

„Nein, überhaupt nicht. Bietet er doch spontan seine Hilfe als Babysitter an. Er ist ein lieber Junge und kommt voll nach dir.“

„So ein netter Junge war ich früher nicht. Hoffentlich erzählen dir meine Eltern nicht so viel, damit du dir es nicht noch anders mit mir überlegst.“

Jutta schüttelt den Kopf. „Ich habe schon genug von dir kennengelernt. Mich kann niemand mehr umstimmen.“

„Darüber bin ich sehr erleichtert.“

Vor ihnen liegt endlich der Reiterhof. Das riesige Gelände, das sich bis zum Waldrand erstreckt, wirkt durch die weiße Pracht einfach märchenhaft. Auf den Koppeln stehen viele Pferde. Einige haben sich sogar einschneien lassen. Aus dem Schornstein der restaurierten Scheune steigt Rauch auf.

„Ist es hier nicht traumhaft schön?“, fragt Jutta. „Bestimmt hat es sich gelohnt, dass Olli und Christine in den vergangenen Wochen alles darangesetzt haben, damit die alte Scheune bis heute weitestgehend fertig wird.“

Gerade als sie aus dem Auto steigen, wird die Tür zur Pension geöffnet. Markus´ Eltern kommen ihnen zügig entgegen, um sie herzlich zu begrüßen.

„Ich konnte kaum schlafen“, sagt Markus´ Mutter aufgeregt. „Wir haben gestern Abend noch mit Schumanns zusammengesessen. Sie haben uns von ihren vielen süßen Enkelkindern erzählt. Mit denen wird es bestimmt ein besonders schönes Fest.“

„Ihr solltet noch wissen, dass Schumanns kein Ehepaar sind, sondern Geschwister“, sagt Markus. „Alle sagen zu ihnen nur Oma Hedwig und Onkel Heinrich. Das war eigentlich schon immer so.“

„Gut zu wissen, wer wie mit wem verwandt ist. Da tritt man erst gar nicht in ein Fettnäpfchen“, sagt sein Vater. „Janek ist auch schon da. Seine Mutter ist persönlich zu uns gekommen und hat sogar kurz mit uns gesprochen. Wir sollen dich grüßen und ausrichten, dass sie auch dir ein frohes Fest wünscht.“ Er schaut Markus schelmisch an. „Die neue Liebe scheint ihr gut zu tun.“

Markus zuckt mit den Schultern. „Ich habe in unserer Ehe immer getan, was ich konnte. Aber leider war das für sie nicht ausreichend.“

„Janek hat uns erzählt, dass seine Mutter heute früh noch kurz bei ihrem Vater war. Sie hat sich wohl endlich mit ihm ausgesprochen. Sie soll sogar freundlich zu seiner Lebensgefährtin Frau Wiehmer gewesen sein. Scheinbar hat sie sich damit abgefunden, dass er nicht allein bleiben möchte.“

„Wollen wir Janek wünschen, dass sein Familienleben ab sofort harmonisch ist“, sagt Markus.

Unterdessen sind sie vor der Scheune angekommen. In das große zweiflüglige Tor wurde eine Tür eingebaut. Markus öffnet diese und lässt seine Eltern und Jutta vorgehen. Wohlige Wärme kommt ihnen entgegen. Sie schauen sich überwältigt um. Der ganze Raum gleicht eher einer Halle. Der Duft von frisch geschlagenem Holz liegt in der Luft. Die Kulisse der Weihnachtsgeschichte erweckt den Eindruck, als wäre sie schon hunderte Jahre alt. Sie können in den alten Stall schauen und sich gut vorstellen, wie Maria und Josef darin Schutz gefunden haben. In der Weihnachtskrippe liegt bereits eine Puppe, die den Eindruck eines schlafenden Babys erweckt. Zwei Ponys und ein Esel lassen sich das frische Stroh, das überall verstreut liegt, schmecken. Der überdimensionale Weihnachtsbaum wurde mit vielen Kerzen und Strohsternen geschmückt. Weihnachtsmusik untermalt die feierliche Stimmung.

Für die Theateraufführung ist vor der Krippe eine größere Fläche frei.

„Das ist ja wie im Märchen“, flüstert Markus´ Mutter.

„Christine und Olli haben wirklich viel geschafft“, sagt Markus. „So wie mir die Scheune in ihrem Urzustand beschrieben wurde, habe ich mir eher ein baufälliges Gebäude vorgestellt.“

„Schade, dass meine Mutti das nicht sehen kann. Vielleicht würde das ihr Herz etwas erwärmen“, sagt Jutta.

Olli und Christine kommen auf sie zu und begrüßen alle herzlich.

„Mein Kompliment“, sagt Markus zu Olli. „Ihr habt euch viel Arbeit gemacht.“

„Onkel Heinrich hat mit einer Schreinerfirma oft bis in die Nacht gearbeitet, damit alles rechtzeitig fertig wird“, antwortet er. „Beim Abbruch hatten wir so viel altes Holz übrig, dass daraus gleich alles neu gebaut werden konnte und trotzdem ziemlich alt aussieht. Die Scheune soll bald kulturell genutzt werden.“

Jutta ist mit ihrer Schwiegermutter an die Krippe getreten. Sie bestaunen jedes Detail und können sich gar nicht sattsehen.

Tilly führt gerade einen Esel vom Baum weg, weil er am Tannengrün geknabbert hat und bindet ihn an der anderen Seite der Krippe an.

„Wo ist Jenny?“, fragt Tilly Jutta. „Wir warten auf sie.“

Jutta schießen sofort Tränen in die Augen.

„Ist sie denn noch nicht da?“, fragt Markus´ Mutter erstaunt.

Markus erzählt allen, wofür Jenny sich entschieden hat. Christine streichelt Jutta zum Trost am Arm.

„Das ist für dich sicher schlimm“, sagt sie. „Jenny muss aber selbst dahinterkommen, dass Weglaufen keine gute Lösung ist. Lass dir das Fest nicht verderben. Genieß lieber deine Ruhe. Sicher ist sie schneller wieder da, als ihr euch das wünscht.“

Markus grinst.

„Das hat Markus auch schon gesagt“, sagt Jutta. „Es ist trotzdem schwer für mich. Wenn ich nur an Rüdigers triumphierenden Gesichtsausdruck denke, als er sie abholte, wird mir ganz schlecht. Am liebsten hätte ich ihn vors Schienbein getreten. Aber das hätte ja noch als Gewalt in der Ehe gegolten.“ Sie verdreht genervt die Augen und ergänzt: „Hoffentlich habe ich die Scheidung bald hinter mir und bin ihn endgültig los.“

„Habt ihr schon den antiken Kamin gesehen?“, fragt Christine.

Jutta schüttelt den Kopf.

„Dann kommt mal mit. Aber seid leise, damit ihr unsere Freundin Lydia nicht stört.“

Erwartungsvoll gehen Markus und Jutta hinter Christine her. Sie führt sie in den Nebenraum, der als Kaminzimmer gestaltet wurde. Im Kamin prasselt ein Feuer. Lydia sitzt in einem Schaukelstuhl davor und liest aus einem großen alten Buch die Weihnachtsgeschichte vor. Die Kinder haben es sich auf Schaffellen, die auf flachen Strohballen liegen, bequem gemacht und hören gespannt zu.

Christine öffnet leise eine Tür und geht in den angrenzenden Raum.

„Hier ist meine neue Werkstatt mit Nähstube“, flüstert sie.

Jutta sieht sich um und ist erstaunt.

„Du hast einen tollen Arbeitsplatz. Und diese Menge an Stoffballen und Bastelutensilien, die alle Regale füllen, ist schon beeindruckend.“

Christine strahlt. „Dann schau dir erst mal das Lager an.“ Sie öffnet die nächste Tür.

„Wow. Da kannst du ja aus dem Vollen schöpfen“, sagt Jutta beeindruckt.

„Muss ich auch, denn ich möchte die Aufträge immer ziemlich schnell erledigen und kann nicht erst ewig rumsuchen, um passendes Material zu finden. Oma Müller, die Ollis Jungs kurzzeitig betreut hatte, kommt ab und zu und hilft mit. Und Angela, die Mutti von Tillys Freundin Annika, konnte ich schon fest einstellen. Die Arbeit macht uns großen Spaß.“

Auch Markus schaut sich bewundernd um, sodass Christine ihm erklärt: „Olli hat sich die gesamte Raumaufteilung so einfallen lassen. Da wir die Scheune sowieso beheizen müssen, war es ziemlich praktisch, meine Werkstatt hier mit einzurichten.“

Sie gehen wieder zurück.

Oma Hedi und Angela kommen herein. Sie bringen Teller mit Plätzchen und Stolle und verteilen alles auf dem Tisch. Als Oma Hedi Jutta sieht, kommt sie freudestrahlend auf sie zu.

„Alles Gute, liebe Jutta. Das sind ja schöne Neuigkeiten, dass sich Nachwuchs angemeldet hat. Ihnen natürlich auch herzlichen Glückwunsch, Markus.“

„Danke“, sagt Jutta nur.

„Danke“, sagt auch Markus.

Damit Jutta nicht noch einmal mit der Frage nach Jenny konfrontiert wird, berichtet Markus Oma Hedwig kurz, warum Jenny nicht da ist.

Sie sieht Jutta mitleidig an.

„Komm, Jutta. Wir setzen uns gleich hier hin“, sagt Markus´ Mutter und rückt ihr einen Stuhl zurecht.

Unterdessen hat Lydia die Geschichte beendet. Die Jungs kommen angestürmt. Christine teilt ihnen ihre Plätze zu und hilft Bertram auf einen Stuhl.

Er zupft sie am Arm und fragt: „Wann dommt endlich der Weihnachtsmann?“

„Später“, sagt Christine. „Erst trinkst du deinen Kakao und isst etwas. Oma Hedi hat extra leckere Plätzchen für euch gebacken. Danach führt ihr euer Märchen auf und dann … kommt der Weihnachtsmann … vielleicht.“

„Oday“, sagt Bertram. „Aber dann dommt der Weihnachtsmann. Bitte … bitte.“

Lydia setzt sich neben ihn und wuschelt ihm durchs Haar. „Du bist ein süßer Lockenkopf geworden.“

„Mama Dristine hat desagt, meine Haare dürfen jetzt dranbleiben“, antwortet er überglücklich. „Nur Schäfchen müssen deschoren werden, nicht dleine Jungs. Soll ich dir verraten, was mir der Weihnachtsmann dleich mitbringt?“

Lydia beugt sich zu ihm und flüstert: „Aber nur ganz leise ins Ohr.“

Bertram nimmt seine kleinen Hände und hält sie seitlich vor den Mund.

„Einen dahanz droßen Hund. Den habe ich mir nämlich dewühünscht. Ich war auch danz artig.“

Lydia lächelt wehmütig, denn sie weiß, dass dieser große Wunsch wohl nicht in Erfüllung gehen wird. Sie schaut Christine fragend an. Christine schüttelt leicht den Kopf und zuckt mit den Schultern. Lydia ist ratlos und überlegt, ob sie Bertram schon mal auf die zu erwartende Enttäuschung vorbereiten soll. Sie bringt es aber auch nicht übers Herz.

Oma Hedwig gießt unterdessen Kaffee und Kakao ein.

„Jetzt wollen wir alle etwas essen und trinken, damit wir bei Kräften bleiben. Danach geht es aber gleich los“, sagt sie.

„Dommt dann der Weihnachtsmann?“, fragt Bertram.

„Bald, bald, mein Kleiner“, antwortet sie ihm und fragt Richard: „Warum guckst du so traurig?“

Er sieht sie nur schweigend an, sodass Bertram für ihn antwortet: „Weil das Dlavier immer noch daputt ist.“

Nun schaut auch Oma Hedwig ratlos zu ihrer Tochter. Christine setzt sich neben Richard und nimmt Bertram auf den Schoß. Sie weiß immer noch nicht, wie sie die Kleinen später trösten soll.

Unterdessen berichtet Olli Lydia, Jutta, Markus und seinen Eltern über die noch geplanten Baumaßnahmen.

„Onkel Heinrich wird im Frühjahr hier noch eine umlaufende Galerie einbauen, damit viele Zuschauer Platz finden. Das soll eine Art Kulturscheune werden. Und zur Krönung lässt er einen kleinen Turm aufs Dach setzen und sogar eine Glocke anbringen. Nächstes Jahr können wir am Heiligabend und zu Neujahr unser eigenes Glockenläuten veranstalten.“

Janek genießt das Zusammensein mit seinen geliebten Großeltern. Auch sein Opa Helmut ist mit seiner Lebensgefährtin Frau Wiehmer gekommen.

Oma Anni beobachtet die Kinder und schüttelt immer wieder ungläubig den Kopf. Sie kann es kaum glauben, dass sie mit allen gemeinsam den Heiligabend verbringen wird.

„Wolfgang, ich fühle mich wie in einem Märchen“, sagt sie zu ihrem Mann.

Er freut sich, dass seine Frau glücklich ist. In den vergangenen Jahren mussten sie Weihnachten allein verbringen, weil ihre Schwiegertochter an den Feiertagen keinen Besuch wollte. Markus´ Vorschlag, dann eben mit Janek zu ihnen zu fahren, hatte sie ebenfalls abgelehnt.

Nach dem Kaffeetrinken räumen die Frauen den Tisch ab. Tilly, Annika und Katrin bereiten das Märchenspiel vor. Tilly schaut immer wieder nervös auf ihre Uhr. Sie hofft, dass Andy bald kommt. Sie hat sogar seine Familie zum Zuschauen eingeladen, weil seine Eltern nicht begeistert waren, dass er am Heiligabend nicht zu Hause sein wollte. Sobald er da ist, müssen sich alle schnell umziehen, denn vor Beginn der Aufführung sollte niemand die wunderschönen Kostüme zu sehen bekommen.

Der Schneefall vom Nachmittag ist unterdessen in einen tobenden Schneesturm übergegangen. Das Jaulen des Windes ist sogar in der Scheune deutlich zu hören.

Tillys Enttäuschung wächst. Sie macht sich Sorgen, dass die Aufführung ins Wasser fallen wird, nur weil der Prinz nicht anwesend ist. Für Jenny musste sie schon kurzfristig Ersatz suchen. Wer den Narren spielen wird, hat sie noch niemandem verraten.

Als sie das Geräusch der sich öffnenden Tür vernimmt, kann sie erleichtert feststellen, dass Andy endlich gekommen ist.

Sie stürmt auf ihn zu. „Du kommst viel zu spät“, sagt sie vorwurfsvoll. „Komm. Wir müssen uns schnell umziehen.“

Er schiebt sie jedoch zur Seite und fragt aufgeregt: „Wo ist Onkel Heinrich? Das ist ein Notfall. Ich muss unbedingt deinen Onkel sprechen.“

Er flüstert ihr etwas ins Ohr, worauf sie entsetzt die Augen aufreißt und losläuft. Andy folgt ihr. Sie sind beide schnell verschwunden.

Olli hat sie beobachtet und setzt sich ebenfalls in Bewegung. Bevor er jedoch die Tür wieder geöffnet hat und hinausschaut, kann er im Schneesturm weder Tilly noch Andy entdecken, sodass ihm nur bleibt, die Tür schnell zu schließen.

„Was ist los?“, fragt Christine.

„Ich weiß nicht. Andy hat von einem Notfall gesprochen, und dass er dringend Onkel Heinrich finden muss.“

Besorgt sieht sich Christine um und kontrolliert, ob alle Kinder anwesend sind. Erleichtert stellt sie fest, dass sie in der Nähe der Krippe sind. Daniel spielt mit dem Jesuskind. Als er den Blick seiner Mutter auf sich ruhen spürt, legt er die Puppe schnell zurück und deckt sie wieder mit Stroh zu. Mit leuchtenden Augen deutet er hinter den Baum, wo viele Geschenke liegen. Christine hebt ihren Zeigefinger und droht ihm.

Bertram liegt neben Cäsar und krault ihm den Hals. Er redet auf den Hund ein.

Richard sitzt vor der Krippe. Er lässt seine Beine baumeln und schaut betrübt vor sich hin.

„Olli, nun tu doch etwas“, sagt Christine. „Ich kann die Kleinen nicht traurig sehen.“

„Denkst du vielleicht, mir gefällt das?“

Bertram kommt auf sie zugelaufen.

„Dommt jetzt der Weihnachtsmann?“

„Nein“, sagt Olli etwas genervt. „Wir müssen uns alle noch ein bisschen gedulden.“

Er nimmt seinen kleinen Sohn an die Hand und geht mit ihm zu Richard. Sie setzen sich zu ihm.

Als sich die Tür wieder öffnet, ruft Bertram: „Jetzt dommt endlich der Weihnachtsmann.“

Es ist aber nur Tilly, die völlig außer Atem ist. An ihrem Gesichtsausdruck ist abzulesen, dass etwas Schlimmes passiert sein muss, denn sie ist ganz blass und hat Tränen in den Augen. Schnell geht sie zu Oma Hedwig und flüstert mit ihr. Dann läuft sie zur Tür zurück und hält diese auf, damit Onkel Heinrich und Andy eintreten können. Die beiden tragen einen großen Hund, dessen Fell mit Schnee bedeckt und teilweise vereist ist.

Oma Hedwig hat unterdessen in der hintersten Ecke des Kaminzimmers eine Decke ausgebreitet. Vorsichtig legen die Männer den Hund darauf ab.

Onkel Heinrich kratzt sich ratlos am Kopf. „Ich dachte, das gibt’s doch nicht, als mir Andy erzählte, dass jemand am Parkplatz einen Hund angebunden hat und das bei diesen eisigen Temperaturen“, sagt er kopfschüttelnd. „Wer weiß, wie lange der arme Kerl schon dort lag?“

„Als wir ankamen, war da noch kein Hund. Den hätten wir gesehen“, meint Markus und Jutta ergänzt: „Ganz bestimmt.“

Alle haben sich im Kaminzimmer versammelt und sind fassungslos.

„Der arme Hund“, sagt Daniel.

„Das ist ja furchtbar“, sagt Markus´ Mutter.

Als Bertram erkannt hat, was die beiden Männer hereinbringen, hat sein kleines Herz einen riesigen Sprung gemacht. Er schiebt sich ganz langsam durch die Menge und betrachtet den Hund mit großen Augen. Sein Mund ist vor lauter Staunen geöffnet, und ein Leuchten breitet sich über sein ganzes Gesicht.

„Das ist mein Hundi“, flüstert er. „Den hat der Weihnachtsmann für mich debracht.“

Bevor jemand reagieren kann, geht er ehrfurchtsvoll auf den Hund zu und lässt sich auf die Decke fallen.

„Mein Hundi, mein Hundi“, ruft er immer wieder überglücklich und kuschelt sich an den verängstigten Hund.

Die Anwesenden sind nun noch mehr erschüttert und schauen ratlos auf den kleinen Jungen. Oma Hedwig erfasst als erste die absurde Szene und zieht Bertram mit sanfter Gewalt von dem Hund weg.

„Nein!“ schreit er und fängt an zu strampeln. „Das ist mein Hundi! Den hat mir der Weihnachtsmann debracht. Lass mich los.“

Olli ist vor Entsetzen wie gelähmt, deshalb nimmt Christine ihrer Mutter den zappelnden Jungen ab. Sie drückt ihn fest an sich und wiegt ihn zum Trost wie ein Baby.

Bertram fängt an zu schluchzen und schreit: „Das ist mein Hundi …“

Tilly beugt sich zu dem Hund und knotet den Strick vom Halsband.

„Sieh mal, Onkel Heinrich, hier ist etwas befestigt“, sagt sie und faltet ein Stück Papier auseinander. Alle sehen gespannt zu ihr. Sie liest und reicht es ihrem Onkel.

Sie streichelt den Hund und sagt leise: „Jetzt wird alles gut.“

Auf dem Zettel steht: „Heinrich! Dein Köter hat meine Hündin geschwängert. Sieh zu, wie Du mit ihr klarkommst. Ich will das Vieh nicht mehr sehen.“

Nachdem auch er das gelesen hat, schüttelt er den Kopf.

„Was ist?“, fragt Christine.

Onkel Heinrich winkt ab. „Sie bleibt auf jeden Fall bei uns“, sagt er entschieden.

Er entfernt den restlichen Schnee aus dem Fell, streichelt ihr über den Kopf und sieht sie voller Mitleid an.

„Wir sollten sie in Ruhe lassen“, sagt er zu den anderen und gibt ihnen durch ein Handzeichen zu verstehen, das Kaminzimmer zu verlassen.

Oma Hedwig bringt eine Schüssel mit Wasser und hält diese der Hündin hin, die sogleich gierig säuft.

„Wer tut nur so etwas, ausgerechnet am Weihnachtstag?“, fragt sie ihren Bruder.

„Mein alter Schulfreund Egon“, antwortet Heinrich. „Von ihm kann man nichts anderes erwarten.“ Leise fügt er hinzu: „Er verdächtigt unseren Cäsar, der Vater der Welpen zu sein.“

Oma Hedwig ist fassungslos. Auf einmal stutzt sie und sieht ihren Bruder an.

„Moment mal. Das kann gar nicht sein. Du hast doch schon vor Jahren dafür gesorgt, dass nichts mehr passieren kann, nachdem dich ein Züchter sogar verklagen wollte.“

„Eben“, sagt Heinrich.

Hedwig legt eine Hand auf den gewölbten Bauch der Hündin und bemerkt, dass die Geburt bereits in vollem Gange ist.

„Na dann, frohes Fest“, sagt sie nur und lächelt. „Nur gut, dass Andy sie rechtzeitig gefunden und sich um sie gekümmert hat. Der Junge hat doch nicht nur die Mädchen im Kopf.“

Sie geht mit Heinrich zu den anderen.

Die Erwachsenen unterhalten sich leise. Daniel und Richard sitzen ganz still an der Krippe, denn dieses Ereignis hat sie ziemlich erschreckt. Bertram weint vor sich hin und schaut immer wieder sehnsüchtig zu der Hündin.

Als sich alle etwas beruhigt haben, sagt Tilly, dass sie sich für die Theateraufführung umziehen gehen wollen.

Sie will Bertram mitnehmen, der schüttelt jedoch seinen Kopf und schluchzt: „Ich will zu meinem Hundi.“

Als Olli beginnt, die Stühle für die Zuschauer aufzustellen, wird mehrmals an das Scheunentor gehämmert. Ein eisiger Windstoß kommt in dem Moment herein, als Onkel Heinrich die Tür öffnet. Erstaunt begrüßt er einen Weihnachtsmann, der um Einlass bittet. Als er in der warmen Scheune steht, klopft er sich erst einmal den Schnee vom Mantel.

Christine sieht Olli fragend an. Der zuckt mit den Schultern und schüttelt seinen Kopf. Oma Hedwig und Onkel Heinrich schauen gleichzeitig zu Christine. Sie müssen jedoch feststellen, dass sie ebenfalls überrascht ist.

„Ho, ho, ho“, macht der Weihnachtsmann. „Draußen vom Walde komme ich her und bringe ein Geschenk für einen jungen Mann.“

Daniel und Richard verstecken sich hinter Onkel Heinrich und schauen einer rechts und einer links nur ängstlich hervor.

Bertram weint unaufhaltsam. Um ihn abzulenken, sagt Christine zu ihm: „Schau mal, wer gekommen ist.“

Er hebt seinen Kopf und ist erstaunt. „Aber … aber der Weihnachtsmann war doch schon da und hat mir meinen Hundi debracht.“ Er zeigt zum Kaminzimmer. „Dort drüber liegt er doch.“

Er strampelt wieder mit den Beinen, damit Christine ihn auf den Boden stellt. Das tut sie auch, hält ihn aber sofort am Arm fest, weil sie ahnt, wo er hin will.

„Du bleibst hier“, sagt sie nachdrücklich zu ihm.

Bertram schnieft und zieht umständlich ein Taschentuch aus der Hose. Christine hilft ihm.

Olli hat unterdessen den Weihnachtsmann leise gefragt, ob er eventuell auf der falschen Veranstaltung sei. Der schüttelt jedoch den Kopf, sodass der restliche Schnee aus seiner Mütze und dem Bart rieselt.

„Wer von euch ist Richard?“, fragt er mit donnernder Stimme.

Richard schaut erschrocken zu Onkel Heinrich hoch.

Daniel schubst ihn vor und ruft laut: „Der hier ist Richard.“

Olli geht zu seinem Sohn, lächelt ihn aufmunternd an und reicht ihm eine Hand.

„Komm. Wir sehen mal nach, was der Weihnachtsmann für dich mitgebracht hat.“

Zögernd läuft Richard neben seinem Vater her.

„Du bist also Richard?“, fragt der Weihnachtsmann.

Der Kleine nickt ängstlich.

„Ich habe gehört, dass du gern Klavier spielst. Stimmt das?“, fragt der Weihnachtsmann.

Richard kommt aus dem Staunen nicht heraus und nickt wieder.

„Kannst du mir ein Lied vorspielen?“, fragt ihn der Weihnachtsmann.

„Nein, kann ich nicht“, flüstert Richard.

„Du musst schon lauter sprechen, damit ich alter Mann dich auch verstehen kann.“

„Nein“, sagt er etwas lauter.

„Und warum nicht?“

Da Richard nicht antwortet, ruft Bertram: „Weil das Dlavier immer noch daputt ist.“ Er reißt sich von Christine los, läuft zu seinem Bruder und baut sich mutig vor dem Weihnachtsmann auf. Er streckt ihm seine kleine Hand entgegen und sagt: „Danke, lieber Weihnachtsmann, dass du mir den droßen Hund mitdebracht hast. Mama Dristine dlaubt mir das nämlich nicht.“

Der Weihnachtsmann schüttelt vorsichtig Bertrams Hand und schaut irritiert zu Olli.

Und, um überhaupt etwas zu sagen, meint er nur: „Da musst du aber sehr artig gewesen sein, damit ich dir diesen Wunsch erfüllen konnte.“

Der Kleine nickt kräftig.

„Ich habe mich danz doll andestrengt und auch nichts mehr in meine Nase deschoben. Das dannst du dlauben. Schau rein … ist nix drin.“

Zum Beweis reckt er seinen Kopf ganz weit nach hinten, damit der alte Mann sich selbst überzeugen kann. Als endgültige Bestätigung schnuffelt er noch wie ein Häschen.

Der Weihnachtsmann nickt. Es ist ihm anzumerken, dass es ihm ziemlich schwer fällt, nicht laut loszulachen.

Für Bertram ist die Sache jetzt klar. Er ist voll davon überzeugt, dass die ausgesetzte Hündin wirklich für ihn bestimmt ist. Mit großen Augen guckt er Christine an.

„Siehst du, der droße Hund ist wirdlich für mich.“

Bevor jemand reagieren kann, läuft er ins Kaminzimmer und kuschelt sich an die Hündin.

Christine will ihm hinterher. Sie schaut kurz zu Olli, der zuckt jedoch resigniert mit den Schultern und schüttelt den Kopf. Er gibt ihr somit zu verstehen, dass sie dem Kleinen einfach diese Freude lassen soll.

Alle sehen nun wieder zu Richard. Er blickt immer noch erwartungsvoll zu dem Weihnachtsmann hoch, der ziemlich verunsichert ist, weil er nicht abschätzen kann, ob er zufällig noch jemanden glücklich gemacht hat, obwohl er davon gar nichts weiß.

„Nun zu dir, Richard“, spricht er mit tiefer Stimme. „Dein altes Klavier ist kaputt.“

Richard nickt.

„Und du spielst wirklich gern und versprichst mir auch, immer fleißig zu üben, wenn ich dir ein neues mitgebracht habe?“

Wieder nickt Richard nur.

Der Weihnachtsmann reicht ihm eine Hand und fordert ihn auf: „Dann komm mal mit.“

Richard klammert sich an Olli. Sie gehen gemeinsam zur Tür, die Onkel Heinrich weit öffnet.

Draußen stehen zwei Männer in Wichtelkostümen, die sofort ein Klavier hochheben und in die Scheune bringen. Schnell entfernen sie den Schnee von dem wertvollen Musikinstrument.

Richard schlägt sich eine Hand vor den Mund und flüstert: „Papa, schau mal. Das ist für mich.“

Der Weihnachtsmann nickt. „Ja. Und wenn ich nächstes Jahr komme, möchte ich von dir ein schönes Weihnachtslied hören.“

Richard strahlt und bedankt sich mit einer Verbeugung.

Christine ist der Überzeugung, dass Olli mit Absicht von dieser tollen Überraschung nichts verraten hat. Liebevoll schaut sie ihn an. Er schüttelt jedoch den Kopf und verzieht sein Gesicht, sodass sie nicht so recht weiß, was sie davon halten soll.

Onkel Heinrich zeigt den Wichteln, dass sie das Klavier neben dem Kamin abstellen sollen. Richard läuft aufgeregt hinter ihnen her. Kaum steht das Instrument an seinem Platz, hebt er den Deckel an und drückt zaghaft auf eine Taste, denn er kann gar nicht glauben, dass sein größter Weihnachtswunsch wirklich in Erfüllung gegangen ist.

Бесплатный фрагмент закончился.

94,80 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Объем:
272 стр. 4 иллюстрации
ISBN:
9783742747631
Издатель:
Правообладатель:
Bookwire
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

С этой книгой читают