Читать книгу: «Ein Hauch Zufriedenheit», страница 2

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„Ach, wie schön. Die feiern auch ganz im Kreise ihrer Lieben“, sagt Lydia wehmütig und geht zum Fenster. „Ich soll bis über Silvester bei meinem Bruder bleiben.“

„Das ist doch toll“, sagt Christine. „Dann lernst du seine Frau und Kinder endlich etwas besser kennen.“

„Ja“, antwortet Lydia. „Wenn das so weiterschneit, komme ich heute gar nicht mehr nach Hause. Ich werde mich mal lieber auf den Weg machen. Über mein Buch guckst du bitte noch mal. Ich bin dir für jeden Fehler, den du findest, dankbar.“

„Ich würde auch ein paar Kapitel lesen“, bietet sich Tilly an. „Warum bleibst du über Nacht nicht bei uns?“

Lydia schüttelt den Kopf. „Ich bin zurzeit nicht in der Stimmung, um auswärts zu schlafen. Ansonsten hätte ich dein Angebot gern angenommen.“

„Bist du krank?“, fragt Tilly.

„Können wir dir irgendwie helfen?“, fragt Christine.

„Nein. Da muss ich alleine durch.“

„Musst du nicht“, sagt Christine, „das weißt du ganz genau. Setz dich wieder hin und erzähle endlich, was los ist. Sonst habe ich keine Ruhe.“

„Da gibt es nicht viel zu erzählen. Wenn ich zu Hause bin, habe ich das Gefühl zu ersticken und will eigentlich nur zu euch, und wenn ich hier bin, möchte ich schnell wieder nach Hause.“

„Vielleicht solltest du mal einen Arzt um Rat fragen“, schlägt Christine vor.

Lydia winkt ab. „Ich fahre jetzt nach Hause.“

Tilly ist traurig, weil sie nicht weiß, was sie tun kann, um ihre Patentante aufzumuntern.

Christine schaut Lydia voller Sorge hinterher, und bleibt an der Haustür stehen, bis sie die Rücklichter des Autos nicht mehr erkennen kann.

3

Als Jutta hört, dass Markus endlich nach Hause kommt, atmet sie mehrmals tief durch und hofft, dass sich ihre Aufregung etwas legt. Ihr Herz klopft wie wild bis zum Hals. Sie geht lächelnd auf ihn zu.

„Hallo, Schatz. Endlich bist du da. Ich muss unbedingt mit dir reden.“ Sie bemerkt, dass er allein im Treppenhaus steht und fragt: „Wo sind deine Eltern?“

Er umarmt sie und gibt ihr zur Begrüßung einen liebevollen Kuss.

„Schatz, du hast mir auch sehr gefehlt“, sagt er lächelnd. „Meine Eltern wollten unbedingt zuerst zu Janek. Das wirst du sicher verstehen.“

„Natürlich. Sie durften ihn ja lange nicht sehen. Nur gut, dass deine zukünftige Exfrau das Kontaktverbot aufgehoben hat.“

„Ich habe meine Eltern auf dem Reiterhof abgesetzt“, erzählt er weiter, „damit sie erst mal in Ruhe in der Pension ihre Ferienwohnung beziehen können. Sie nehmen sich nachher ein Taxi und bringen die Kinder gleich mit.“

„Okay“, sagt Jutta. „Es ist mir aber schon etwas peinlich, dass sie in der Pension wohnen wollen und nicht bei uns. Ich komme mir so ungastlich vor.“

„Diese Lösung ist für alle die beste“, beruhigt Markus sie. „In deiner Wohnung hier ist doch kaum Platz für uns. So hat jeder seinen Freiraum, und wir gehen uns nicht gegenseitig auf die Nerven. Und die Zeit, die wir alle zusammen verbringen, können wir genießen.“

Jutta erinnert sich, dass sie unbedingt mit Markus sprechen wollte.

„Vielleicht ist es auch besser, wenn wir vorerst allein sind“, sagt sie und beginnt wieder zu grübeln.

„Was gibt es?“, fragt Markus erstaunt. „Hat Jenny schon wieder etwas ausgefressen? Oder hat dich dein Noch-Gatte Rüdiger belästigt?“

„Nein. Die beiden waren es dieses Mal nicht, leider. Es betrifft eigentlich erst einmal nur dich und mich.“

Markus setzt sich erwartungsvoll auf die Couch. Jutta lässt sich ihm gegenüber in einen Sessel rutschen und knetet ihre Hände, um das Zittern zu verbergen. Sie sucht nach den passenden Worten. Seit Stunden hat sie diese Szene in Gedanken immer wieder durchgespielt und konnte sich nicht entscheiden, welchen der vielen Sätze sie ihm sagen soll.

Er macht sich langsam Sorgen darüber, was vorgefallen sein könnte.

„Was ist los? Nun sag es endlich. Egal, was passiert ist, wir werden das Kind schon schaukeln.“ Sie bricht in Tränen aus, worauf Markus erschrickt. „So schlimm ist es?“

Sie schluchzt und nickt.

In seinem Kopf beginnt es fieberhaft zu arbeiten. Er versucht sich zu erinnern, was in den vergangenen zwei Tagen geschehen sein könnte, und ihm fällt ein, dass Jutta zu ihrer Gynäkologin wollte. Panik ergreift ihn, denn ihr Entsetzen kann nur bedeuten … Er wird blass. „Ist dein Befund schlecht ausgefallen?“

Sie sieht ihn mit großen Augen an. „Ja.“

Er geht zu ihr und zieht sie in seine Arme.

„Wir schaffen das schon“, sagt er, um sie zu trösten. „Ich liebe dich, wie ich noch nie eine Frau geliebt habe. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass solche überwältigenden Gefühle überhaupt möglich sind. Ich lasse dich in dieser schwierigen Situation doch nicht im Stich.“ Jutta lächelt ihn unter Tränen an. „Nun sag schon. Welche Therapie hat deine Ärztin empfohlen?“, fragt er.

Sie sieht ihn irritiert an. „Wieso Therapie?“ Sie erschrickt und sagt schnell: „Ach, du meinst, dass ich einen Tumor habe. Nein, es ist viel schlimmer.“

Markus ist erstaunt. Er schiebt sie ein Stück von sich weg und schaut ihr in die Augen. Sie senkt den Blick. Die Tränen laufen ihr unaufhaltsam über die Wangen.

„Was sollte schlimmer sein?“, fragt er. Er überlegt krampfhaft – Gynäkologe und Panik bei einer Frau. Er weiß sich keinen Rat, möchte aber, dass Jutta ihm endlich reinen Wein einschenkt und das Rätselraten aufhört. Deshalb sagt er: „Du guckst so, als wärst du erst sechzehn Jahre alt und ungewollt schwanger geworden.“ Jutta zittert nun am ganzen Körper. Sie sieht Markus gequält an und nickt langsam. „Also sechzehn bist du nicht“, stellt er fest.

Als ihm endlich ein Licht aufgeht, läuft ihm ein Schauder durch den Körper. „Bist du etwa schwanger?“

Sie nickt. „Was soll ich nur machen?“, stammelt sie. „Dass immer mir so etwas passieren muss. Wie soll ich das nur meiner Mutter beibringen? Und deine Eltern werden auch entsetzt sein. Sie kommen zum ersten Besuch und werden gleich mit dem nächsten Enkelkind konfrontiert.“

„Stopp!!!“, sagt Markus energisch.

Jutta zuckt zusammen.

„Lässt du mich endlich mal zu Wort kommen?“, wirft er ein. „Du willst mir also die ganze Zeit nur sagen, dass ich noch einmal Vater werde?“

„Jaaa.“

„Mein Gott, bist du umständlich. Daran kann ich mich einfach nicht gewöhnen.“

Er strahlt Jutta an.

„Etwas Schöneres kann ich mir gar nicht vorstellen“, sagt er und küsst ihr die vielen Tränen weg. „Warum kannst du nicht, so wie es eigentlich üblich ist, einfach sagen: `Schatz, wir bekommen ein Baby´?“

Jutta schüttelt verständnislos den Kopf. „Weil ich dachte … na ja … in unserem Alter. Ich dachte … ich wusste doch nicht … wie du darüber denkst.“

„Ich wollte schon immer viele Kinder“, sagt er.

„Wirklich? Aber deine Eltern …“

„Ich gebe dir meine Garantie, dass sie begeistert sein werden.“ Markus Miene wird ernst. „Ich habe lange Zeit miterlebt, wie schwer es für meine Mutter war zu akzeptieren, dass sie nur ein Einzelkind haben konnte.“

„Oh“, sagt Jutta. „Das war für sie sicher ziemlich hart.“

Markus lächelt wieder. „Da ist es doch viel besser, mit einem Baby überrascht zu werden.“

„Damit habe ich am wenigsten gerechnet, dass du dich einfach nur freust“, sagt Jutta und wischt sich das Gesicht trocken.

„Wir sind doch erwachsen und gesund“, sagt er. „Was sollte eigentlich gegen ein Kind sprechen?“

Sie zuckt mit den Schultern. „Ich weiß auch nicht. Vielleicht war ich über die Nachricht so sehr entsetzt, dass ich wieder mal nicht klar denken konnte.“

„Daran müssen wir noch intensiv arbeiten“, sagt er. „Eine ganz große Bitte habe ich an dich.“ Jutta fordert ihn mit einem Blick auf, seinen Wunsch zu äußern. „Ich würde die freudige Nachricht meinen Eltern gern selbst überbringen, aber nur, wenn du nichts dagegen hast.“

Jutta ist sehr erleichtert. „Du würdest mir damit sogar einen großen Gefallen tun. Ich breche doch gleich wieder in Tränen aus. Was sollen deine Eltern von mir denken? Sicher wünschen sie sich keine Heulsuse als nächste Schwiegertochter. Ich würde gern einen besonders guten ersten Eindruck bei ihnen hinterlassen.“

„Wir können doch sagen, dass das bloß die Hormonschwankungen sind und du dich eigentlich freust.“ Er sieht sie erwartungsvoll an. Da sie nicht reagiert, fragt er: „Oder etwa nicht?“

„Ich weiß nicht … vielleicht …“, stammelt sie.

Markus zieht seine Augenbrauen erstaunt nach oben. „Das ist nicht die Antwort, die ich hören will. Also … noch einmal. Freut sich die werdende Mama nun endlich?“

Jutta sieht ihn liebevoll an und sagt zögernd: „Ich glaube schon … ja, ich freue mich.“

„Na also. Das war vielleicht eine schwere Geburt. Du wirst dich ab sofort schonen. Ich kümmere mich gleich um die weiteren Vorbereitungen.“

„Meine Mutter kommt zum Kaffee“, sagt Jutta. „Am besten, ich bringe ihr diese Neuigkeit umgehend bei.“

„Wir bringen sie ihr gemeinsam bei“, betont Markus. „Du solltest dich langsam damit abfinden, dass es bei uns nur noch ein WIR gibt.“

Jutta nickt. „Das fällt mir etwas schwer, weil bisher niemand wirklich für mich da war. Es wird ganz bestimmt nicht einfach, meiner Mutter zu sagen, dass WIR schwanger sind. Ich höre sie jetzt schon zetern. Außerdem muss ich ihr erst mal beichten, dass wir zusammen sind.“

„Lass sie reden. Niemand kann sie zu ihrem Glück zwingen. Wenn sie nicht selbst merkt, was ihr bei uns verloren geht, soll sie sich doch mit Menschen abgeben, bei denen sie sich wohler fühlt. Hauptsache, die fühlen sich mit ihr recht lange wohl, denn dann haben wir unsere Ruhe vor ihren Gehässigkeiten.“

Nach längeren Diskussionen war Juttas Mutter damit einverstanden, wenigstens am vierten Advent ein paar Stunden mit ihrer Tochter und Enkelin zu verbringen.

Sie ist eine Stunde eher, als es abgesprochen war, eingetroffen. Ihr Gesichtsausdruck lässt erkennen, dass sie wieder etwas übelgelaunt ist. Sie setzt sich kerzengerade auf einen Stuhl und schaut sich um.

Jutta beichtet ihr wirklich umgehend, dass sie mit Markus zusammenlebt.

Ihre Mutter nimmt die Neuigkeit zwar mit versteinerter Miene auf, es ist jedoch nicht zu übersehen, dass sich die Gedanken hinter ihrer Stirn überschlagen.

„Mit diesem Schönling?!? Du hast wirklich nichts gelernt. Ich habe dir so oft gesagt, nimm keinen schönen Mann, den hast du nie für dich alleine. Aber bitte, wenn du gern teilst …“

„Markus ist nicht so.“

„Pah! Das sagen sie alle. Du wirst schon sehen, was du davon hast.“

„Du sagst doch immer, ich soll auf die Erbanlagen achten. Nun ist es auch wieder nicht richtig.“

„Mein Gott … die Erbanlagen für Intelligenz. Verstehst du denn gar nichts? Soll ich dir etwa einen Mann suchen?“

„Ich habe mit Markus schon den Richtigen gefunden.“

Ihre Mutter schüttelt ungläubig den Kopf.

„Einen geschiedenen Schönling … noch schlimmer geht es kaum.“

„Mutti! Ich bin auch bald geschieden, und Rüdiger war für euch ja auch nicht richtig.“

„Bei dem fehlt ja sogar die Intelligenz.“

Markus steckt seinen Kopf durch die Wohnzimmertür und fragt: „Störe ich?“

Jutta springt erleichtert auf und geht ihm entgegen. „Nein, überhaupt nicht. Komm, setz dich zu uns.“

Markus reicht Juttas Mutter die Hand. „Schön, dass Sie uns endlich einmal besuchen.“

Sie begrüßt ihn nur zögernd und äußert: „Bisher hatte ich nicht das Gefühl, hier willkommen zu sein.“

Jutta ist entrüstet und sagt: „Mutti!“, erhält jedoch umgehend einen abfälligen Blick als Antwort.

Markus lächelt und erwidert freundlich: „Dann wollen wir dafür sorgen, dass sich das bald ändert.“

Juttas Mutter räuspert sich und fragt: „Wo ist eigentlich Jenny?“

„Sie ist noch auf dem Reiterhof“, antwortet Jutta. „Die Kinder haben heute Generalprobe für das Weihnachtsmärchen. Jenny ist schon sehr aufgeregt. Wir würden uns freuen, wenn du auch zuschauen kommst. Christine und Olli haben doch …“

Ihre Mutter winkt ab und unterbricht sie: „Es interessiert mich nicht, was andere Leute machen.“

„Markus´ Eltern feiern mit uns Weihnachten und Silvester“, sagt Jutta. „Sie sind so froh, dass sie wieder Kontakt zu Janek haben dürfen und lassen keine Gelegenheit aus, um mit ihm zusammen sein zu können. Sie genießen die Zeit mit ihrem Enkel sehr.“

„Janek ist auch ein gut erzogener Junge. Über den muss man sich nicht ständig aufregen.“

„Jenny wäre sicher freundlicher zu dir, wenn du ihr eine Chance geben würdest.“

„Pah! Bei ihr ist alles vergebene Mühe.“

„Schau dir doch das Weihnachtsmärchen am Heiligabend an. Dann kannst du selbst feststellen, dass sie sich verändert hat.“

„Das stelle ich mir lieber gar nicht erst vor.“

Markus zwinkert Jutta aufmunternd zu. „Ich gehe mal in die Küche und bereite weiter alles vor. Der Rest der Familie müsste ja bald ausgehungert hier eintreffen.“

„Pah! Familie“, sagt Juttas Mutter und schaut weiterhin grimmig vor sich hin.

Jutta will gleich die Gelegenheit ergreifen, ihrer Mutter beizubringen, dass sie schwanger ist. Sie weiß, dass diese nicht begeistert sein wird, und hat Angst, dass sie sich dann später vor Markus und seinen Eltern unangebracht äußert. Eine schlechte Stimmung beim ersten Kennenlernen will sie niemandem zumuten.

Sie atmet tief durch und stammelt: „Unsere … unsere Familie wird im Sommer größer.“

„Was?“, fragt ihre Mutter entsetzt. „Was soll das heißen?“

„Ich bin schwanger, äh, WIR bekommen ein Baby.“

„Was bist du?“, fragt ihre Mutter hysterisch. „Das darf doch nicht wahr sein. Da ist doch gleich die nächste Katastrophe vorprogrammiert. Reicht dir der Ärger mit dem einen Kind noch nicht? Jenny ist Beweis genug, dass du überhaupt nicht fähig bist, Mutter zu sein. Wie willst du noch zusätzlich mit einem Baby klarkommen?“

Jutta sieht ihre Mutter traurig an.

„Ich habe nichts anderes von dir erwartet. Du wirst es nicht glauben, ich bereue es nicht, Jenny zu haben, und ich freue mich jetzt sogar auf mein zweites Kind. Das kannst du natürlich nicht verstehen, denn du hast mich immer nur als Belastung angesehen.“

„Du hast es uns ja auch nicht leicht gemacht. Ständig mussten wir dir sagen, was du tun sollst. Zu sinnvollem Handeln warst du einfach nicht fähig. Nie hatten wir unsere Ruhe.“ Ihre Mutter beugt sich zu ihr und flüstert eindringlich: „Du musst dieses Kind nicht bekommen. Jutta! Nimm Vernunft an. Du ruinierst dich.“

Jutta ist entsetzt.

Als sie ihre Sprache wiedergefunden hat, sagt sie: „Du meinst also, dass ich mein Baby entsorgen soll. Einfach so, ohne wichtigen Grund.“

„Ich war damals auch froh, dass ich die Wahl hatte und musste nicht lange überlegen“, sagt ihre Mutter und ist im selben Moment über ihre Worte erschrocken.

Sie senkt den Blick.

„Was willst du damit sagen?“, fragt Jutta schockiert.

„Nichts, ich meinte … Das geht dich nichts an.“

Jutta stiert ihre Mutter mit großen Augen an. „Du … du hast … abgetrieben?“

„Was sollte ich denn tun? Mir blieb ja nichts anderes übrig, so schwierig und unbelehrbar wie du warst.“

Jutta schüttelt den Kopf.

„Das kann ich nicht glauben. Ich habe mir immer Geschwister gewünscht.“

„Darüber diskutiere ich mit dir nicht. Das war allein Sache von Vati und mir, und unsere Entscheidung war richtig!“

„Ich diskutiere mit dir auch nicht über die Entscheidung, die ich treffe, besser gesagt, die ich gemeinsam mit Markus treffen werde.“

„Du wirst schon sehen, wo du mit diesem Schönling hinkommst. Bald stehst du mit zwei missratenen Kindern alleine da. Komm mir dann nicht wieder angeheult.“

Jutta hat gehört, dass die Wohnungstür aufgeschlossen wurde. Panik ergreift sie, denn sie möchte unter keinen Umständen, dass Markus´ Eltern sie und ihre Mutter in dieser Stimmung erleben.

Jenny kommt umgehend ins Wohnzimmer gestürmt. Sie muss die letzten Worte ihrer Oma verstanden haben, denn sie sieht ihre Mutter mit wutverzerrtem Gesicht fragend an.

In Jutta steigen Tränen auf.

„Jenny, wir reden gleich“, sagt sie schnell. „Geh bitte in dein Zimmer und warte auf mich.“

Jenny schüttelt den Kopf.

„Nein! Ich will wissen, was Oma damit meint.“

„Deine Mutter ist schwanger!!!“, schleudert die Oma ihr entgegen. „War doch klar, dass sie dir das verheimlicht.“

„Was? Das darf doch nicht wahr sein“, sagt Jenny entsetzt. „Und das in deinem Alter! Das ist voll peinlich.“

„Mutter! Ich glaube nicht, dass du ein Recht dazu hast, dich einzumischen“, sagt Jutta mit zusammengekniffenen Augen. „Wir wollten es den Kindern selbst sagen. Aber du verstehst es ja gut, böse Worte zu verteilen. Wie sich andere dabei fühlen, ist dir egal. Ich glaube, es wäre besser, wenn du wieder gehst, bevor ich meine Beherrschung noch ganz verliere.“

„Ich lasse mich von dir ganz bestimmt nicht rausschmeißen. Nur zu gern verlasse ich dieses Irrenhaus und zwar ganz freiwillig. Ich werde mir von euch das Weihnachtsfest nicht vermiesen lassen. Zum Glück kenne ich auch freundliche Menschen, mit denen ich in aller Ruhe das Fest genießen werde.“

Sie geht ohne Gruß und schlägt die Wohnungstür lautstark hinter sich zu.

Jenny steht immer noch wie angewurzelt mitten im Raum. „Oma hat Recht! Das hier ist wirklich ein Irrenhaus, und ich bin gezwungen, darin zu leben.“

„Seit wann bist du mit Oma einer Meinung?“, fragt Jutta leise.

Jenny ignoriert diese Frage. Ihre Augen sprühen Funken vor Wut. „Was denkst du dir eigentlich dabei, ohne Vorwarnung einfach schwanger zu werden?“, zischt sie. „Das kannst du mir nicht antun. Ich war froh, dass Papa sein Kuckuckskind so schnell losgeworden ist. Da sorgst du gleich für Ersatz.“

„Jenny, wie sprichst du nur?“, fragt Jutta kopfschüttelnd und fügt leise hinzu: „Ich weiß es doch selbst erst seit zwei Tagen und bin total überrascht.“

„Dir ist hoffentlich klar, dass du sofort Abhilfe schaffen musst“, sagt Jenny eindringlich zu ihrer Mutter. „Ansonsten garantiere ich für nichts.“

Jutta ist über die Worte ihrer Tochter so entsetzt, dass ihr der Mund offen stehen bleibt. Markus hat den Wortwechsel verfolgt. Er macht sich Sorgen, dass Jutta sich wieder zu sehr aufregt. Deshalb kommt er ins Wohnzimmer und sagt zu Jenny: „Sei froh, dass deine Mama nicht so gedacht hat, als sie mit dir schwanger war.“

Sie sieht ihn erst erschrocken an, verzieht aber sogleich ihr Gesicht gehässig und schleudert ihm entgegen: „Leider. Denn ich muss es ausbaden und mich jetzt durch dieses Scheißleben quälen. Warum tut ihr mir das an? Warum setzt ihr einfach noch ein Kind in die Welt? Habt ihr noch nie etwas von Verhütung gehört?“

Jutta hebt eine Hand und holt aus. Markus fängt sie ab und erspart Jenny somit ihre erste Ohrfeige.

Sie läuft wütend in ihr Zimmer und schmeißt die Tür zu.

Markus nimmt Jutta in die Arme, denn sie weint nun hemmungslos.

„Sie meint es sicher nicht so“, sagt er tröstend. „Du kennst sie doch. Sie hat sich bald wieder beruhigt, und dann tut es ihr leid.“

„Dass mir schon wieder so eine blöde Sache passieren muss“, sagt Jutta verzweifelt.

Markus hebt ihren Kopf an, damit sie ihm in die Augen sehen muss. „Ich hoffe, dass du nicht wirklich meinst, was du eben gesagt hast.“

Sie schüttelt den Kopf. „Nein. Ich bin so enttäuscht. Erst muss ich meine boshafte Mutter ertragen, und dann bekomme ich noch zusätzlich Vorwürfe von meiner Tochter.“

„Deine Mutter ist sehr unsensibel“, sagt er. „Wie hat das dein Vater nur mit ihr ausgehalten?“

„Früher war sie etwas umgänglicher. Jetzt ist sie richtig gehässig. Hoffentlich sind deine Eltern wenigstens freundlich. Grauenhafte Schwiegereltern halte ich nicht noch einmal aus.“

„Ich gebe dir mein Wort darauf, dass sie von dir begeistert sein und dich auch sehr lieben werden.“

Jutta seufzt. „Wo sind eigentlich deine Eltern?“, fragt sie. „Die müssten doch ebenfalls hier sein, wenn Jenny …“

Markus schaut im Flur und anschließend im Treppenhaus nach.

„Ist Jenny etwa allein gekommen?“, fragt er.

Jutta zuckt mit den Schultern. „Das weiß ich nicht. Sie hat nichts gesagt. Die Nachricht vom Baby muss ein Schock für sie gewesen sein.“

„Wir müssen Jenny zuvorkommen und es Janek und meinen Eltern bald erzählen, denn Jenny wird in ihrer Wut kein Blatt vor den Mund nehmen. Ich verstehe das nicht. Heute früh ist sie ganz fröhlich zum Reiterhof gefahren. Wieso ist sie schon wieder so mies drauf?“

„Sie hat gehört, wie meine Mutter vom Baby sprach und gleich mit in deren Horn geblasen.“

„Ach, da waren sie sich mal einig“, lacht er.

„Ja. Weißt du, was meiner Mutter rausgerutscht ist?“

Markus schüttelt den Kopf. „Ich habe euch nicht belauscht.“

„Sie hat ein Kind abgetrieben. Und weißt du, wer daran schuld sein soll? Ich. Weil sie es mit mir so schwer hatte. Dabei war ich immer nur bemüht, genau das zu tun, was sie von mir verlangt hat. Ich begreife das nicht.“ Sie schluchzt und legt ihren Kopf an Markus´ Brust. „Meinst du wirklich, dass wir es mit dem Baby schaffen?“

„Ich möchte darüber keine Diskussionen mehr hören“, sagt er eindringlich. „Wir sollten dankbar sein, wenn wir ein gesundes Baby bekommen. Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, als es mit dir gemeinsam großzuziehen.“ Er sieht sie liebevoll an.

„Ich hoffe, dass es deine Haare bekommt.“

Jutta lächelt. „Und deine strahlend blauen Augen“, ergänzt sie. „Das wäre so schön.“

Markus gibt ihr einen Kuss. „Siehst du, es geht doch. Wenn dir wieder jemand unser Kind ausreden will, stellst du dir einfach das süße Gesichtchen vor, und dann lächle so schön wie jetzt. Wir lieben uns, und nur das zählt.“

Sie seufzt.

„Jutta“, sagt er, „falls du irgendwann noch einmal ungeplant schwanger wirst, will ich es mit einem Lächeln in deinem Gesicht erfahren. Ist das klar?!?“

„Ja. Ich habe es endlich verstanden“, sagt sie.

Jenny hat unterdessen ihre Musikanlage voll aufgedreht. Die Gläser in der Vitrine des Wohnzimmers klirren.

„Lass sie einfach in Ruhe“, sagt er. „Wenn sich die Nachbarn beschweren kommen, lotsen wir sie gleich durch bis in ihr Zimmer. Soll sie sich doch selbst mit denen auseinandersetzen, dann kommt sie schon zur Vernunft.“

Nach einer halben Stunde dröhnt immer noch laute Musik durch die Wand.

Jutta klopft kräftig an Jennys Tür.

„Jenny, mach endlich leiser!“, ruft sie. „Markus´ Eltern müssten gleich kommen. Was sollen die von dir denken?“

„Ist mir doch egal. Das ist euer Besuch, nicht meiner.“

Jutta schüttelt verständnislos den Kopf. Zu ihrer Erleichterung hat Jenny jedoch die Musik ganz abgestellt.

Als es an der Wohnungstür klingelt, beginnt Juttas Herz zu hämmern.

Sie schickt ein Stoßgebet gen Himmel: „Lieber Gott, lass mich alles gut überstehen.“

Sie öffnet die Tür und steht ihren zukünftigen Schwiegereltern gegenüber.

Bevor sie jedoch etwas sagen kann, wird sie von Janek begrüßt: „Hallo, Jutta. Entschuldige bitte, ich habe meinen Schlüssel vergessen.“ Er zeigt auf seine Großeltern, die hinter ihm stehen. „Das sind Oma und Opa.“

Jutta bemüht sich zu lächeln und sagt aufgeregt: „Aha, das habe ich mir gedacht. Kommen Sie doch bitte herein.“

Markus strahlt seine Eltern an. Er hilft seiner Mutter aus dem Mantel und sagt zu Janek, dass er Jenny vorerst in Ruhe lassen soll.

„Ist sie immer noch wütend?“, fragt er.

Markus nickt.

Janek verdreht die Augen und fordert seinen Opa mit einem Wink auf, ihm einfach zu folgen.

Markus´ Mutter mustert ihren Sohn.

„So wie du strahlst, hast du wohl schon dein erstes Weihnachtsgeschenk bekommen?“, fragt sie.

„Oh ja“, antwortet er und geht mit seiner Mutter zu den anderen ins Wohnzimmer.

Jutta hat sich in einen Sessel gesetzt und knetet wieder ihre Hände. Ihre Wangen haben sich rot gefärbt. Sie schaut unruhig von einem zum anderen. Markus greift nach ihrer Hand und setzt sich zu ihr auf die Lehne.

„Bevor wir mit dem öffentlichen Teil beginnen“, sagt er, „eigentlich überhaupt erst einmal mit eurem Kennenlernen, möchte ich euch etwas Wunderschönes mitteilen.“

Er sieht Jutta liebevoll an. Sie rutscht in sich zusammen und fühlt sich ziemlich elend.

„Schatz, wir hatten eine Vereinbarung“, sagt er zu ihr. Jutta wird nun dunkelrot. „Das liebe ich auch an dir“, sagt er und gibt ihr einen Kuss.

Janek und seine Großeltern schauen die beiden erwartungsvoll an.

„Dass ihr es immer so spannend machen müsst“, sagt Janek. „Weißt du noch Papa, als Jutta nicht sagen konnte, dass ihr euch verliebt habt? Jenny dachte schon, es wäre etwas Schlimmes passiert, und sie soll zu ihrem Vater abgeschoben werden.“

„Ja, ja“, sagt Markus. „Ich habe Jutta bereits mehrmals gesagt, dass wir daran noch arbeiten müssen.“

Als im Flur das Klappen einer Tür zu hören ist, zuckt Jutta zusammen. Jenny kommt ins Wohnzimmer gestürmt, schaut in die Runde und plustert ihre Wangen auf. Jutta schießen Tränen in die Augen. Markus drückt ihre Hand noch fester, um ihr Halt zu geben.

„Schön, dass du kommst“, sagt er zu Jenny. „Dann kann ich dich gleich mit meinen Eltern bekannt machen.“

Jenny schaut ihn wütend an.

„Mein Bedarf an Familienzuwachs ist für heute gedeckt!“, zischt sie, macht auf dem Absatz kehrt und stürmt wieder aus dem Zimmer.

Jutta hat den Kopf eingezogen, als hätte sie einen Schlag bekommen. Markus zuckt mit den Schultern.

„Dann eben später“, ruft er Jenny hinterher. „Sie bleiben ja noch ein paar Tage.“

„Was ist denn nun?“, fragt Janek. „Ich habe großen Hunger. Ihr wisst doch, Hunger macht böse.“

„Also, bevor hier noch alles aus dem Ruder läuft und Jenny uns die Pointe verdirbt, sage ich euch lieber umgehend, dass ich der glücklichste Mann bin, denn wir bekommen ein Baby.“

Jutta laufen Tränen unaufhaltsam über die Wangen.

„Okay“, sagt Janek. „Ab und zu könnt ihr mich als Babysitter buchen.“

Markus lächelt ihn dankbar an. Seine Eltern wissen nicht so recht, wie sie sich verhalten sollen, weil sie über Juttas Reaktion verunsichert sind.

Deshalb erklärt Markus ihnen schnell: „Jutta verstellt sich bloß. Sie freut sich eigentlich, kann es nur nicht so zeigen.“

Sie stößt ihm den Ellenbogen in die Seite und wischt sich über die Augen.

„Wir können uns auch nichts Schöneres vorstellen“, sagt sein Vater, und seine Mutter strahlt übers ganze Gesicht.

„Aber … aber …“, stottert Jutta.

„Schatz, nun lass endlich deine ständigen Aber. Ich dachte, die hätten wir alle schon längst aus der Welt geschafft.“

Markus´ Mutter steht auf und geht zu Jutta.

Sie reicht ihr die Hand und bietet ihr an: „Dann nennst du mich ab sofort Mutti oder von mir aus gleich Oma Anni.“

Jutta lächelt sie an. „Aber … aber …“

Markus räuspert sich.

„Und mich nennst du einfach Vati oder Wolfgang oder Opa“, sagt sein Vater. „Ich finde eine steife Begrüßung und ein zähes Kennenlernprogramm sowieso blöd. Wo ist der Schampus? Äh, oder lieber Orangensaft? Ab und zu sollen ein paar Vitamine ja nicht schaden. Siehst du, Anni“, sagt er zu seiner Frau, „und du hattest Bedenken, dass wir hier nicht herzlich empfangen werden und ewig steif rumsitzen müssen. Nun bekommen wir nicht nur Jenny als Enkelkind dazu, sondern gleich noch ein Baby.“

Jutta hat mit dieser positiven Reaktion nicht gerechnet und schluckt die nächsten aufsteigenden Tränen schnell hinunter.

„Sie sind wirklich nicht entsetzt?“, fragt sie. „Sie müssen wissen, meine Mutti war vorhin hier und hat …“

„Schatz“, sagt Markus, „die Meinung deiner Mutter will wirklich niemand wissen. Die ist vorhin mit ihr im Sturmschritt zur Tür hinausgegangen.“

Markus´ Mutter sieht mitleidig auf Jutta und sagt tröstend zu ihr: „Sie wird sich schon noch an den Gedanken gewöhnen und sich dann auch freuen.“

Jutta schüttelt den Kopf. „Da kennen Sie meine Mutti aber schlecht.“

„Die kennen wir leider noch gar nicht“, sagt Markus´ Vater. „Die wurde uns aber schon angekündigt.“

Janek kichert und sagt: „Besser gesagt, ihr wurdet vor ihr gewarnt.“

Markus sieht Jutta schuldbewusst an. „Ich dachte, ich sage ihnen lieber vorher, was sie erwartet.“

„Das geht schon in Ordnung“, sagt Jutta. „Ich hole mal den Orangensaft, wenn Sie wirklich mit uns anstoßen wollen.“

„Das wollen wir sehr gern tun“, sagt Markus´ Mutter.

„Können wir dann endlich essen?“, fragt Janek und schaut flehend in die Runde. „Bitte. Mein Magen gibt schon ein Konzert nach dem anderen.“

„Dann essen wir gleich alle gemeinsam“, sagt Markus.

„Dürfte ich Jenny holen?“, fragt Markus´ Mutter. „Ich habe mich nämlich auch auf sie gefreut.“

„Ich weiß nicht“, sagt Jutta. „In ihrer Stimmung wirft sie vielleicht mit Gegenständen nach Ihnen.“

„Nun sag endlich Du zu mir und lass alles andere ruhig meine Sorge sein. Ich kann ganz gut fangen.“

Sie lächelt Jutta an und macht sich auf den Weg, um den Kampf mit einem wütenden Teenager aufzunehmen. Sie klopft an. Da sie keine Antwort erhält, öffnet sie einfach die Tür.

„Was ist?“, fragt Jenny unfreundlich und erschrickt, da sie ihre Mutter erwartet hat.

„Hallo, Jenny. Ich bin Oma Anni. Sicher hast du von Janek schon einiges über mich erfahren. Ich habe mich sehr darauf gefreut, dich endlich kennenzulernen.“

„Wieso sollten Sie?“, fragt Jenny und wippt mit ihrem Stuhl ungehalten hin und her.

„Weil ich mir schon lange eine Enkelin wünsche.“

„Man bekommt nie, was man sich wünscht. Mein Opa wollte einen Erben und wurde mit mir enttäuscht. Das schmiert er mir bei jeder Gelegenheit aufs Butterbrot. Und meine Omas halten mich beide auch nur für eine Versagerin.“

„Das ist nicht schön. Vielleicht könntest du mir wenigstens eine kleine Chance geben?“

„Warum sollte ich? Auf die nächste Enttäuschung kann ich gern verzichten.“

Oma Anni ist über Jennys Verbitterung entsetzt und weiß nicht, was sie erwidern soll. Also schaut sie sich im Zimmer um.

„Ist sonst noch was?“, fragt Jenny genervt.

„Ich wollte dich eigentlich zum Essen holen.“

„Ich habe keinen Hunger. Außerdem habe ich überhaupt keine Lust auf dieses verlogene Spiel `Happy-Family´. Die ganze Heuchelei steht mir bis hier.“

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