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„Bedien’ dich. Du musst nichts erzählen, wenn du nicht willst.“

Wir schwiegen eine ganze Weile, bis sie mich bat, den Tisch im Wohnzimmer zu decken.

„Die Teller sind unten in der Anrichte, das Besteck ist da, wo du den Korkenzieher gefunden hast.“

Ich stellte zwei tiefe Teller auf den Tisch, legte Löffel und Gabel daneben, zündete zwei blaue Kerzen an, die auf der Anrichte standen, fand auch zwei wunderschöne große Rotweingläser. Sie brachte den Topf mit einem Untersetzer aus der Küche, bat mich noch das Brot aus der Küche zu holen. Wir setzten uns einander gegenüber an den kleinen runden Tisch. Ich schenkte den Wein aus der Karaffe ein.

„Du kannst dir nicht vorstellen, wie lange das her ist, dass jemand für mich gekocht hat. Auch wenn es komisch klingt, für so etwas bin ich sehr dankbar.“

„Wie ist das denn bei dir zu Hause?“ fragte sie zwischen zwei Löffeln Gemüse. „Kocht deine Frau nicht?“

„Für mittags, wenn die Kinder aus der Schule kommen, haben wir Tilly, eine Nachbarin. Abends koche ich normalerweise, wenn ich von der Arbeit komme.“

„Und was ist, wenn du mal später kommst?“

„Frag‘ lieber nicht.“

Sie schwieg. Ich löffelte das Gemüse in mich hinein. Zwischendurch prosteten wir uns immer mal wieder zu und ich versicherte - vielleicht ein bisschen zu oft - wie sehr ich das Essen genoss.

Ich spürte, dass sie mich manchmal nachdenklich ansah. Dann: „Du willst mir aber nicht erzählen, dass das seit zwanzig Jahren so läuft?“

„Mehr oder weniger schon. Bin aber selbst mit schuld daran. Ich habe so ein paar Sachen einfach an mich gezogen. Irgendwann habe ich dann nicht mehr auf mich geachtet und hab’ mich dann treiben lassen. Es ist mir schon immer nur schwer gelungen, eingefahrene Wege wieder zu verlassen. Ich koche ja an sich gerne, das ist nicht das Problem. Es blieb nach und nach zu viel an mir hängen. Ich habe neben meinem Job immer noch freiberuflich gearbeitet. Ich hatte meistens einen Zehnstundentag, hab’ es aber immer noch geschafft, mich auch um die Kinder zu kümmern, als sie klein waren.“

„Was macht deine Frau eigentlich den ganzen Tag?“

„Sie ist Steuerberaterin, arbeitet zu Hause. Nach dem Essen muss sie erst einmal Mittagsschlaf halten. Mehr weiß ich eigentlich nicht. Irgendwie gelingt es ihr, den Tag herumzubringen, und abends hat sie Termine oder trifft sich mit Freundinnen.

„Läuft bei euch überhaupt noch was im Bett?“

„Wir schlafen nicht mehr im selben Bett. Wir vögeln beide anderweitig, haben wir nebenher schon immer gemacht. Zu unserer Zeit nannte man das offene Beziehung.“

„Ist nicht unbedingt die beste Voraussetzung für ein harmonisches Zusammenleben“, stellte sie fest und nahm einen Schluck Wein.

„Hat immerhin fast fünfundzwanzig Jahre gehalten.“

„Aber du bist jetzt ziemlich kaputt“, fügte sie gnadenlos hinzu. „Gut war das für dich sicher nicht.“

„Wie man’s nimmt. Ich bin gerade dabei, noch einmal davonzukommen. Aber du hast schon Recht, so ganz unbeschädigt bin ich nicht.“

„Was hast du eigentlich jetzt vor? Magst du noch etwas Gemüse?“ fragte sie in einem Atemzug.

„Nein danke, schmeckt hervorragend, aber ich kann nicht mehr. Ich weiß noch nicht genau, ich will jetzt erst mal Luft holen. Ich bin eher zufällig in dieser Gegend hier gelandet. Vielleicht sollte ich mir erst mal richtig die Kanne geben um abzuschlaffen.“

„Muss ja nicht gerade heute sein“, sagte sie, während sie mir Wein nachschenkte.“

„Nee, hab’ nicht die Absicht. Ich glaube, ich müsste jetzt auch bald schlafen. Die letzte Nacht war ein wenig unruhig. Soll ich dir noch beim Abwasch helfen?“

„Wir haben doch eine Spülmaschine. Du kannst zuerst ins Bad. Nimm dir ein Handtuch aus dem Regal über der Tür.“

Wir tranken unseren Wein aus, räumten das Geschirr in die Küche. Ich sagte noch: „Das war ein sehr schöner Abend. Ich danke dir dafür.“ Ich traute mich nicht, sie zu umarmen. Sie tat es für mich, schlang ihre Arme um mich, drückte mich.“

Ich ging ins Bad, putzte meine Zähne, mit einer Zahnbürste, die ich von Inga bekommen hatte, betrachtete mich dabei im Spiegel und war nicht begeistert von dem, was ich sah. Ich hatte dunkle Ringe unter den Augen. Ich wusch mich mit kaltem Wasser und trocknete mich mit einem flauschigen, dunkelblauen Handtuch ab.

In Britts Zimmer kleidete ich mich langsam aus, einen Schlafanzug hatte ich natürlich auch vergessen. Ich behielt T-Shirt und Slip an, wollte gerade ich das lila überzogene Bett steigen, als sie die Tür öffnete.

Sie stand völlig nackt im Türrahmen, zeigte mir ihren trainierten braungebrannten Körper, an dem kein einziges Haar sichtbar war.

Ich hatte mit mir zu kämpfen, sagte aber dann: „Sei mir nicht böse, aber ich glaube, wir würden jetzt etwas kaputt machen, was gerade schön begonnen hat.“

Ich trat in meiner Unterwäsche auf sie zu, nahm sie in den Arm, spürte die Straffheit ihres Körpers und küsste sie sanft auf den Mund.

Dann sagte ich noch: „Der Mann, der dich mal kriegt, darf sich glücklich schätzen.“

Sie schien nicht enttäuscht. „Du hast ja so recht, Papa! Mir war einen Augenblick danach. Ich geh’ jetzt wieder. Schlaf’ gut!“

Sie machte sich los, strich mir über die Wange und verschwand.

*

Ich musste mehrmals niesen, weil mir die Sonne auf das Gesicht schien. Dann war ich wach. Dieses Mal wusste ich sofort, wo ich war. Durch das viergeteilte Fenster sah ich einen strahlend blauen Himmel. Ich genoss es, mich zu räkeln und zu strecken. Ich gab laute Geräusche von mir, bis mir einfiel, dass Inga mich hören könnte. Ich lauschte, ob ich sie in der Wohnung hörte. Aber sie schlief entweder noch oder sie war schon aus dem Haus gegangen.

So wie ich war setzte ich mich erst einmal auf das Sofa im Wohnzimmer und schaute mich nun bei Tageslicht um. Die Möbel waren nicht neu, aber geschmackvoll zusammengestellt. Manches sah aus, als sei es geerbt. Ein altdeutscher Schrank, weinrotes Holz, mit zwei Glastüren in der Mitte. Dahinter Wein- und Sektgläser in unterschiedlichen Formen. Ein geöffneter Sekretär, dunkles Chippendale, stand an der Wand neben der Tür. Auf dem kleinen Tisch, an dem wir gestern gegessen hatten, lag ein handgeschriebener Zettel.

Guten Morgen, Cowboy,

bin zur Uni nach Münster. Am Nachmittag muss ich arbeiten. Bin etwa gegen 19 Uhr zurück. Wenn du magst, besorge eine Flasche Rotwein. Ich koche uns was. Habe dir einen Hausschlüssel hingelegt.

Keep on trucking!

Inga

Ich saß lange, träumte vor mich hin, bis ich beschloss, unter die Dusche zu gehen. Danach zog ich Jeans, die neuen Stiefel, ein gelbes Hemd und meine Lederjacke an.

Fast hätte ich meine Geldbörse vergessen. Ich schaute noch einmal nach meinem Bargeld und stellte fest, dass ich dringend zum Geldautomaten musste. Ich nahm den Schlüssel vom Tisch und verließ die Wohnung.

Mein Auto ließ ich stehen und ging nach Gefühl in Richtung Innenstadt. Gewöhnlich kann ich mich auf meinen Orientierungssinn verlassen, brauchte aber doch einige Zeit, bis ich den richtigen Weg fand.

Da ich noch nichts gegessen hatte, benötigte ich zuerst Geld, damit ich mein Frühstück auch bezahlen konnte. Ich betrat die Schalterhalle der erstbesten Bank und zog mir fünfhundert Mark aus dem Automaten.

Gleich neben der Bank fand ich eine Art Bistro, das gerade öffnete. Serviererinnen waren dabei, draußen Tische und Stühle aufzustellen, die neben dem Eingang gestapelt waren. Da die Sonne schon sehr viel Kraft hatte, öffneten sie auch einige große, blau-weiß gestreifte Sonnenschirme.

Ich fragte, ob ich schon etwas zu essen bekommen könnte. Eine kleine blonde Serviererin sagte, ich solle mich schon mal setzen, sie bringe mir dann die Karte.

Ich nahm in einem der, wie sich herausstellte, sehr bequemen Korbstühle Platz und zündete mir eine Zigarette an, was ich gleich bereute. Ich rauchte normalerweise nicht, bevor ich etwas gegessen hatte. Die Zigarette schmeckte widerlich, meine Zunge brannte und ich bekam einen Hustenanfall. Ich drückte sie aus und schaute den Serviererinnen bei ihrer Arbeit zu. Sie waren alle vier klein, alle blond und alle pummelig. Es schien, als seien sie nach diesen Merkmalen ausgesucht worden.

Als sie mit dem Aufstellen fertig waren, säuberten sie die Tische mit feuchten Lappen. Die Serviererin, die mich zum Hinsetzen aufgefordert hatte, brachte mir die Karte. Ich bestellte einen doppelten Espresso, studierte die Karte und entschied mich für das englische Frühstück, das günstig angeboten wurde.

Nach und nach belebte sich die Fußgängerzone, weitere Gäste kamen, teilweise in Grüppchen, setzten sich an die Tische. Wo eben noch morgendliche Ruhe gewesen war, herrschte nun Stimmengewirr um mich herum.

An einem Nachbartisch saß jetzt ein schwarzhaariger, südländisch aussehender Mann, etwa Mitte vierzig, der den Gazetto dello Sport las. Ab und an senkte er seine Zeitung, schaute zu mir herüber, durch mich hindurch, wie wenn er über das gerade Gelesene nachdachte, nahm dann die Zeitung wieder hoch und verschwand dahinter.

Ich widmete mich meinem Frühstück, das meine Bedienung auf einem großen Holztablett gebracht hatte. Als ich mir zwischendurch die Nase putzen wollte, fand ich den Brief von Gesine, den ich in die Innentasche der Lederjacke gesteckt hatte.

Als ich meinen Teller geleert hatte, bestellte ich noch einen Espresso und las den Brief noch einmal Wort für Wort. Ich war wieder sehr befremdet von ihrem Stil, in dem sie mir schrieb. Ich fragte mich wie schon zuvor, was sie von mir erwartete, wie sie dazu kam, mir in dieser Weise zu schreiben. Ein Teil von mir empfand es als unzulässiges Eindringen in einen Bereich, in den ich niemanden ohne ausdrückliche Erlaubnis zuließ. Ein anderer Teil von mir fühlte sich verstanden, ohne viel erklären zu müssen. Ich faltete das blaue Papier sorgfältig zusammen und verstaute es wieder in der Jackentasche. Ich nahm mir vor, Inga zu bitten ihn zu lesen und mir ihre Meinung zu sagen.

Der südländisch aussehende Mann senkte gerade wieder einmal seine Zeitung und blickte auf einen Punkt hinter mir, als ich zahlte. Er hatte buschige Augenbrauen, an seinen Schläfen erkannte ich einige graue Haare.

Es war mittlerweile etwa zehn Uhr geworden. Ich mischte mich in den Strom der hochsommerlich gekleideten Passanten. Es war sehr warm geworden. Trotzdem behielt ich meine Lederjacke an, weil ich ein wenig fröstelte.

*

Ich musste jetzt analytisch vorgehen, um mich nicht in sinnlosen oder zeitraubenden Aktivitäten zu verzetteln. Bargeld hatte ich erst einmal genug. Als nächstes brauchte ich einen Stadtplan von Gumpingen, den ich in einem Schreibwarengeschäft bekommen würde. Außerdem brauchte ich ein Notizbuch für meine Aufzeichnungen und einen Kugelschreiber oder Füllfederhalter.

Ich schlenderte die Hauptstraße entlang, kam an dem Schuhgeschäft vorbei, in dem ich Inga kennen gelernt hatte. Ich wollte sie jetzt nicht treffen und auch nicht von ihr gesehen werden, wenn sie vielleicht doch jetzt gerade arbeitete.

Ohne zur Seite zu blicken, drückte ich mich am Schaufenster vorbei. Fast atemlos lief ich an einer Reihe von Geschäften entlang, die ich nur aus den Augenwinkeln wahrnahm. Als ich zum Stehen kam, befand ich mich vor dem Schaufenster eines Hutgeschäftes. Bilder stiegen in mir auf: Rick, Hans Söhnker, Hubert und Philip Marlowe, der aussah wie Robert Mitchum.

Ich wollte auch so einen Hut. Die Preise waren furchterregend, aber der Wunsch war stärker. Ich betrat das Geschäft. Der Verkaufsraum war düster. Durch die Schaufenster fiel wegen der Gestelle, auf denen die Hüte präsentiert wurden, nur wenig Licht nach innen. Die erstaunlich hohen Wände bestanden bis unter die Decke aus Regalen, in denen die einzelnen Stücke teilweise auch mehrfach übereinander eingeordnet waren. Die teureren Stücke schienen einzeln gelagert.

Ich hatte eine genaue Vorstellung, was ich wollte. Ein vornehmes Grau mit blauem Band, die Krempe nicht zu breit, und diese Schnur, mit der man den Hut am Revers des Jacketts fixieren konnte.

Hinter einem Vorhang hinter der langen Theke, die die gesamte Wand entlang lief, kam ein uralt wirkender Mann hervor. Er trug einen feinen, dunkelgrauen Anzug, ein weißes Hemd und eine scharlachrote Krawatte. Auf dem Kopf trug er eine seltsame Mütze, wie ich sie von Ernst Fuchs kannte.

„Se sind richtig, der Herr, wenn Se e Hut kaufen wollen“ sagte er als Gruß mit einer wohlklingenden Stimme.

Dabei lächelte er das Lächeln eines Mannes, der alles gesehen hat. The one-thousand-yard-stare nannte Stanley Kubrick diesen Blick in Full Metal Jacket. Er hatte den Blick, den nur Menschen haben, die über die Schwelle gesehen haben.

„In der Tat“, sagte ich, und mir wurde bewusst, dass ich so normalerweise nicht redete. „Ich beabsichtige, mir eine Kopfbedeckung zu kaufen.“

„Darf ich Ihnen e Rat gäben? Se sind e Borsalino-Typ,“ sagte er ohne Umschweife, schob eine große Leiter, die ich bis dahin nicht bemerkt hatte, in einer Schiene an einem Regal an der linken Wand entlang, bis sie im richtigen Segment angekommen war.

Mit einer Behändigkeit, die ich ihm nicht zugetraut hatte, nahm er die vier, fünf Sprossen, bis er in das Regalfach greifen konnte, das er angesteuert hatte.

Er entnahm einen Hut, den ich zunächst nicht genau sehen konnte, stieg die Sprossen herunter und legte meinen Hut vor mir auf die Theke.

„Das wird er sein.“ Mehr sagte er nicht, er lächelte wissend dabei.

Ich war überwältigt. Genau so hatte ich ihn mir vorgestellt.

„Der hat auf Ihnen gewartet“, sagte der Mann.

Als ich mich gefasst hatte, fragte ich: „Wie konnten Sie wissen, was für einen Hut ich haben will?“

„Es gibt für jeden Menschen e Hut, und das ist Ihrer!“

Plötzlich fiel mir ein, an wen der Mann mich erinnerte: an den Kleiderjuden aus der Grenadierstraße. Fehlte nur noch, dass er am Ende sagte: Se haben nich gekauft, Se haben geerbt.

„Wollen Se ihm aufprobieren? Da drüben is e Spiegel.“

Fast ehrfürchtig nahm ich den Hut vorsichtig mit drei Fingern und setzte ihn auf. Er war für mich gemacht. Ich fragte nach dem Preis und erwartete eine Summe, die meine Möglichkeiten überstieg.

„Fer Ihnen, sagen wir 140 Mark.“

„Gekauft!“ sagte ich. „Ich behalte ihn gleich auf.“

„Geben Se mer den Hut noch e Mal, ich werd’ ihn noch e bissel aufbürsten.“

Er nahm den Hut entgegen und ging damit hinter den Vorhang. Ich stand wie in Trance. Die Sprache des Mannes, diese fremdartige Mischung aus Hochdeutsch und etwas, was wie Jiddisch klang oder was ich dafür hielt, verzauberte mich. Es erschien mir wie eine Ewigkeit, bis er wieder hervor kam.

„Hier nehmen Se das gute Stück!“

Er reichte mir den Hut wie eine kostbare Vase mit beiden Händen.

„Halten Se ihm in Ehren. Wenn Se ihm mal aufarbeiten müssen, telefonieren Se mit mir. Wenn ich noch leb’, kann ich Ihnen immer einen guten Hutmacher empfehlen. Ansonsten sprechen Se mit meinem Sohn. Wenn Se jetzt bitte zur Kassa kommen würden!“

Ich hatte einen Hunderter und zwei Zwanziger, die ich ihm neben die alte verchromte Registrierkasse am Ende der Theke legte.

„Brauchen Se e Quittung?“ Als ich verneinte, sagte er: „Ist auch besser so, bei solchen Sachen muss das Geschäft in den Hintergrund treten.“

Ich schaute noch einmal in den Spiegel, rückte den Hut zurecht und bog die Krempe vorne ein wenig nach unten. Er öffnete mir die Ladentür, verbeugte sich und sagte liebenswürdig: „Es war mir e Vergnügen!“

Ich bedankte mich und trat in die helle Sonne hinaus.

*

Der Kauf des Hutes hatte meinen Tagesplan und meinen Etat durcheinander gebracht. Ich hatte eine Geldausgabe, die nicht geplant war, und war gedanklich mit etwas beschäftigt, wozu ich im Augenblick keine Zeit hatte.

Ich zwang mich, ein Schreibwarengeschäft zu betreten und ein kleines Moleskine-Notizbuch, kariert, sowie einen einfachen, schwarzen Parker-Kugelschreiber zu verlangen. Ich bezahlte schnell, verließ den Laden und suchte einen Supermarkt, am liebsten einen minimal, wo ich einige Sachen für den Abend einkaufen wollte. Am Ende der Fußgängerzone fand ich ihn. Mir fiel ein, dass ich keine Tasche dabei hatte, aber es würde eine Plastiktüte geben. Außer dem Rotwein wollte ich noch Parma-Schinken, Baguette und verschiedene Salate für das Abendessen einkaufen. Es gab eine Wurst- und Käse-Theke, wo auch verschiedene Salate angeboten wurden. Ich nahm Krabbensalat, etwas mit Pute und Mandarine und einen Waldorf-Salat. Die Tüte mit den Plastikbehältern legte ich im Einkaufswagen ab und bewegte mich in Richtung Weinregal. Dann sah ich sie.

Sie stand vor den französischen Rotweinen. Ich konnte gerade noch in den nächsten Gang verschwinden, bevor sie mich entdecken würde. Ich fühlte rasendes Herzklopfen. Ich musste mich mit dem Rücken an ein Regal lehnen, mir wurde schwindlig. Ich zwang mich, tief und regelmäßig zu atmen. Dadurch beruhigte ich mich allmählich. Ich spürte kalte Schweißperlen den Rücken hinunterlaufen. Zum letzten Mal hatte ich das als Jugendlicher während der Beichte erlebt.

Ich musste jetzt klar denken. Ich musste so lange warten, bis sie an der Kasse war. Da konnte ich am besten beobachten, in welche Richtung sie gehen würde. Zwischen ihr und mir war nur ein Regal. Wenn ich zwischen Konservendosen hindurchschaute, konnte ich sie sehen. Sie nahm verschiedene Weinflaschen in die Hand, besah sich jeweils das Etikett, legte ein paar in ihren Einkaufswagen, stellte andere wieder ins Regal zurück.

Ich hätte „Hallo Patrizia“ rufen können. Welche Geschichte hätte ich erfinden müssen, um meine Anwesenheit an diesem Ort, in Gumpingen, in demselben Supermarkt, in dem sie einkaufte, zu erklären?

Ich machte mich an verschiedenen Konservendosen zu schaffen, weil einige andere Kunden in meinen Gang zwischen den Regalen kamen und ich nicht auffallen wollte. Mit meinem neuen Hut war ich an einem heißen Sommertag schon auffällig genug.

Ich könnte einen Salat Olivier machen, dachte ich. Dazu brauchte ich Kartoffeln, Mais, Erbsen, Eier, Gürkchen, Karotten und Remoulade. Ich lud wahllos kleine Döschen und Gläser ein, schaute noch einmal zwischen den Dosen hindurch in den anderen Gang. Sie war nicht mehr da. Ich musste zusehen, dass ich ihr nicht zufällig über den Weg lief, musste sie also lokalisieren. Ich ließ meinen Einkaufswagen stehen, schlich vorsichtig an das Ende des Ganges und spähte um die Ecke in Richtung der Kassen. Sie stand am Ende der Schlange an der Schnellkasse.

Ich überlegte einen Augenblick und entschied dann, dass ich ihr jetzt nicht folgen würde. Zuerst wollte ich meinen Einkauf zu Ende bringen und dann weiter sehen. Ich schaute mich vorsichtig um. Niemand schien mich zu beachten. Die Schlange an der Kasse bewegte sich langsam. Als Patrizia an der Reihe war, holte ich meinen Wagen und schob ihn in den nächsten Gang zu den Weinflaschen. Ich musste ja noch den Chateau l’Eglise für den Abend besorgen. Es waren noch vier Flaschen vorhanden, die ich in meinen Wagen lud.

Jetzt brauchte ich nur noch Kartoffeln, Eier. Es dauerte sehr lange bis ich alles gefunden hatte, weil ich kopflos durch die Gänge rannte. Das Knabbergebäck wurde in der Nähe der Kasse angeboten, Chips wollte ich noch. Immer noch sehr vorsichtig verließ ich den Gang zwischen den Regalen und bewegte mich in Richtung Kasse, nahm im Vorübergehen drei Pakete scharf gewürzte Chips mit. An den fünf Kassen standen im Augenblick jeweils drei, vier Kundinnen. Ich reihte mich ganz rechts hinter einer korpulenten, braunhaarigen Mittvierzigerin ein, die einen viel zu kurzen Rock trug, der zu viel von ihren fetten Oberschenkeln freigab. Ihr Top war so kurz, dass die Falten ihres viel zu dicken Bauches überhingen. Ihre enormen Brüste hingen sehr tief, wie ich feststellen konnte, als sie ihre Sachen auf das Band räumte. Sie warf mir zwischendurch ein Lächeln zu. Sie hatte ein sehr schönes Gesicht, das von einer Pagenfrisur umrahmt wurde. Ich lächelte zurück. Ein Teil war ihr vom Band gefallen. Als sie sich bückte, um es aufzuheben, ließ sie mich sehen, dass sie unter dem Rock einen winzigen rosafarbenen Tanga trug, der ihre Schamhaare nur unzulänglich bedeckte.

Die Kassiererin bemerkte, wohin mein Blick ging und grinste. Ich schaute demonstrativ nach oben, konnte mir aber auch ein Grinsen nicht verkneifen. Als ich an der Reihe war, sagte die Kassiererin: „Ja, ja, unverhofft kommt oft.“ Sie grinste wieder und begann meine Weinflaschen einzuscannen.

Die fette Dame war indessen immer noch mit der Verpackung ihrer eingekauften Waren beschäftigt. Sie schaute ab und an auffällig zu mir. So wie sie sich gab, hatte ich den Verdacht, dass sie käuflich war. Ich beschloss, sie nicht zu beachten.

Ich bat die Kassiererin um zwei Plastiktaschen, verpackte meine Sachen, sagte „Tschüs“ und verließ den Supermarkt, blieb aber im Eingangsbereich stehen und schaute vorsichtig nach allen Seiten. Patrizia war nicht zu sehen. Ich war erleichtert. Mir war nach einem Bier. Ich ging durch die Fußgängerzone zurück, immer darauf achtend, ob Patrizia vielleicht in einem der Straßencafés sitzen würde.

Ich entdeckte sie nirgends. Darüber war ich froh, weil ich mich noch nicht vorbereitet fühlte. Es war warm, ich schwitzte unter meinem Hut. Ich hätte mir gerne den Schweiß von der Stirn abgewischt, aber ich hatte ja in beiden Händen die Plastiktaschen. Ich ging so schnell ich konnte, geriet dadurch immer mehr ins Schwitzen. Zu allem Überfluss rissen die Griffe der Taschen nach und nach ein, so dass ich die Taschen um die Handgelenke wickeln musste.

Vor der Tür von Ingas Wohnung stellte ich die Taschen erst einmal auf dem Boden ab und setzte mich auf die Treppenstufen, die nach oben führten. Ich fühlte mich erschöpft und mir war schwindlig. Ich nahm den Hut ab, Meine Stirn und meine Haare waren schweißnass. Mit fahrigen Händen suchte ich in meiner Jacke nach Zigaretten. Ich musste sie irgendwo vergessen haben. Als ich mich zurücklehnte, schlief ich fast augenblicklich ein.

Jemand riss mich aus einem kurzen, wirren Traum. Es war Inga, die mich an der Schulter rüttelte.

„Hallo Peter, aufstehen, Karriere machen!“ sagte sie.

Ich schaute sie schlaftrunken an und sagte überflüssigerweise: „Ich muss eingeschlafen sein.“

„So siehst du auch aus. Komm rein, es ist Zeit, die Hühner zu füttern.“

Nachdem ich mich hochgerappelt hatte, nahm ich meine Einkaufstüten und folgte ihr in die Wohnung. Ich stellte alles zunächst in Britts Zimmer ab, setzte mich aufs Bett und wischte mir mit meinem Taschentuch den Schweiß von der Stirn. Ich war ziemlich kaputt. Ich hätte mich einfach umlegen können und weiterschlafen. Todmüde war ich - und unendlich erschöpft. Mir war nicht nach Gesellschaft, doch ich wollte Inga nicht enttäuschen. Sie hatte mich bei sich aufgenommen, und ich konnte mich nicht einfach entziehen.

Ich brauchte dringend eine Dusche und dann ein Glas Rotwein, um meine Lebensgeister zu wecken. Ich raffte mich auf, zog meine verschwitzten Klamotten aus, mein T-Shirt und meine Unterhose waren völlig nass, und ging nackt ins Badezimmer. Die Tür war offen, aber Inga stand unter der Dusche. Ich sagte „Oh, Verzeihung!“ und wollte den Raum verlassen. Sie rief mir aber nach: „Bleib doch hier, komm’ unter die Dusche!“

Ich zögerte nicht und ging zu ihr in die Duschkabine. Da war wenig Platz, so dass wir sehr eng beieinander standen.

„Wasch’ mir den Rücken“, sagte sie und drehte sich um. Ich nahm etwas Duschgel aus der Tube, die in der Seifenschale lag, und begann ihren Rücken einzuseifen. Die Berührung erregte mich, meine Erektion berührte ihre Pobacken.

Es war mir peinlich. „Tut mir leid, du wirkst halt auf mich.“

Das Wasser lief ihr über Haare und Gesicht, als sie mich grinsend über die Schulter ansah. „Würde mich schwer enttäuschen, wenn es nicht so wäre.“

Ich verteilte die Seife auf ihrem Rücken und rubbelte ein wenig. Ich bemühte mich, sie nicht an intimen Stellen zu berühren.

„Warte“, sagte sie, „ich wasch dich auch.“ Sie drehte sich wieder zu mir um, schaute sich erst einmal meinen steifen Penis an, nahm Shampoo, verteilte es in meinen Kopfhaaren.

„Du, ich muss raus, mir wird’s zu warm“, sagte ich. Ich wusch mir das Shampoo aus den Haaren und stieg aus der Duschkabine. Ich nahm mir das Handtuch, das sie für mich bereitgelegt hatte und trocknete mich langsam ab. Es war mir peinlich, dass meine Erektion anhielt.

Inga stellte das Wasser ab und kam ebenfalls aus der Duschkabine. Sie schaute zwischen meine Beine und grinste. „Der Kleine ist aber hartnäckig.“

„Es tut mir leid, ich hätte mich nicht darauf einlassen sollen.“

„Du hast dich doch auf gar nichts eingelassen, und das ist nicht der erste Schwanz, den ich sehe. Du musst dir nichts vorwerfen. Ich hätte gerne mit dir geschlafen, aber ich bin dir nicht böse, weil du nicht magst.“

„Ich komm’ mir so blöd vor“, erwiderte ich. „Ich bin hier mit einer tollen Frau zusammen, die mit mir vögeln will, und ich habe eine ganz andere im Kopf.“

„Ich hab’ mir schon so was gedacht“, sagte sie, während sie unbefangen ihre Scham abtrocknete. „Ich nehme mal an, sie wohnt hier in der Stadt. Sie muss ja eine Granate sein.“

„Ja, sie wohnt hier. Hat mich ziemlich aus der Bahn geworfen.“

„Das ist nicht zu übersehen. Du stehst, glaube ich, ziemlich neben dir. Seit wann geht das schon so?“

„Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor. Es ist, als würde ich mich ständig im Kreis drehen. Ich hab’ sie etwa vor einem Jahr kennen gelernt.“

„Und jetzt läufst du hinter ihr her wie ein Hund, und sie wollte nur einen schnellen Fick.“

„Inzwischen glaub’ ich das auch. Aber es ändert nichts. Da ist etwas mit mir passiert, was ich nicht in den Griff kriege.“

„Du bist also deiner Traumfrau begegnet.“

Es war keine Frage sondern eine Feststellung. Sie zog sich einen quietschgrünen Slip über und ein T-Shirt in fast der gleichen Farbe.

„Ist mir auch mal passiert, mit einem Mann natürlich. Hab’ einige Zeit gebraucht, bis ich darüber hinweg war. Der Scheißkerl hat mich ganz schön kaputt gemacht. Er war verheiratet und wollte uns beide haben.“

„Das mit der Traumfrau kann schon stimmen, aber es ist doch eher ein Alptraum geworden.“

Sie verschwand in ihrem Zimmer. Ich hörte, wie sie Schubladen öffnete und schloss. Ich war immer noch dabei, mich abzutrocknen, als sie wieder ins Badezimmer kam und mir ein Bild zeigte.

„Das ist er, der Saukerl. Ich bin immer noch nicht darüber hinweg.“

Der Mann auf dem Bild kam mir bekannt vor, aber ich konnte mich nicht erinnern, wo und wann ich ihn schon einmal gesehen hatte.

„Er ist Italiener“, sagte sie. „Er brauchte mich nur anzusehen und mein Höschen wurde schon nass. Ich hab’ mich von ihm getrennt, weil ich es nicht mehr ertragen konnte, ihn mit einer anderen teilen zu müssen…“

Aus ihren Worten klang Zorn. Sie hatte keine Ahnung, wie gut ich das nachvollziehen konnte. Aber sie lachte gleich wieder.

„So was passiert halt, und du bist machtlos. Lass uns einen Wein darauf trinken.“

Meine Erektion war so weit abgeklungen, dass ich jetzt unbefangen an ihr vorbei in Britts Zimmer gehen konnte, um mir eine Unterhose und ein T-Shirt anzuziehen. Ich zog mir noch eine Jeans über und fühlte mich dann so, dass ich in die Küche gehen konnte. Sie war dabei, Brötchen mit Schinken zu belegen. Ich hatte die Flaschen in Britts Zimmer vergessen. In den Plastiktüten und fand ich auch meine Zigaretten, als ich eine Flasche Wein herausholte.

Während ich die Flasche öffnete, stellte Inga zwei Gläser auf den Tisch und sagte: „Gib mir auch eine Zigarette. Ich brauche heute Drogen.“

Ich steckte mir zwei Zigaretten in den Mund, zündete sie an, gab ihr eine davon. Sie nahm einen tiefen Zug mit geschlossenen Augen. Sie wirkte müde. Ich goss die Gläser halb voll und reichte ihr ein Glas. Wir stießen an, schauten uns in die Augen, sie wandte allerdings ihre Augen schnell ab.

„Ist was?“ fragte ich.

Sie schüttelte den Kopf, lächelte und nahm einen großen Schluck aus ihrem Glas.

„Ich bin noch immer nicht ganz über die Geschichte hinweg.“

Ich stellte mein Glas auf dem Tisch ab, nahm ihres aus ihrer Hand, stellte es daneben und nahm sie in die Arme. Sie begann zu schluchzen. Ich streichelte sanft ihren Rücken. Das Schluchzen ging in heftiges Weinen über. Ich weiß, nicht wie lange wir so standen.

Dann sagte sie: „Du bist ein lieber Mann. Vielleicht verliebe ich mich in dich.“

„Mach’ das ja nicht, sonst müsste ich dich töten!“

Wir mussten beide lachen. Wir drückten uns und ließen dann voneinander ab.

„Ich brauche jetzt einen Schnaps, hast du vielleicht einen Grappa ohne Knoblauch?“

„Schau’ mal da oben auf dem Regal.“

Sie deutete mit der linken Hand nach oben, während sie mit der rechten ihr Weinglas ergriff. Ich musste mich strecken, um die Flasche vom Regal zu holen. Ich nahm einen Schluck aus der Flasche, hielt sie ihr dann hin. Sie ließ den Grappa einfach in ihren Schlund laufen, als sei es Wasser.

„Muss ich mir Sorgen um dich machen?“ fragte ich, als sie die Flasche absetzte. Sie schüttelte wieder den Kopf und stellte die Flasche auf den Tisch.

„Nein, musst du nicht. Wir Frauen vertragen sowieso viel mehr als ihr Männer. Ich brauch’s heute eben heftig, sonst kommen diese blöden Gedanken so massiv. Das kann ich heute nicht haben. Ich möchte mich mit dir betrinken.“

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9783844253122
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