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ERSTER TEIL

1 DIE ISLAMISIERUNG DER POLITISCHEN ORDNUNG (1973–1979)

Der Niedergang des arabischen Nationalismus

Wenn wir in diesem Buch den Oktoberkrieg 1973 als Ausgangspunkt des Chaos im Nahen Osten verstehen, das sich ab dem 11. September 2001 über die ganze Welt ausbreitete und im sogenannten »Islamischen Staat« von 2014 bis 2017 gipfelte, dann vor allem, um auf den bedeutsamen kulturellen Bruch mit der damaligen politischen Elite zu verweisen, die im Zuge der Entkolonialisierung die Macht an sich gerissen hatte. Ihre bekanntesten Führer (etwa Nasser und Bourguiba) und ihre symbolträchtigsten Parteien (die Baath-Partei in Syrien und im Irak sowie die PLO in Palästina) hatten sich bei der Machtübernahme über die traditionelle islamische Legitimation, mit der muslimische Dynastien seit der Verkündigung des Propheten ihre Autorität begründeten, sowie über die soziale Ordnung hinweggesetzt, die sich in Medina und Mekka seit Beginn der islamischen Zeitrechnung (622 n. Chr.) herausgebildet hatte.

Noch bis in die 1960er-Jahre hinein trugen sowohl die Baath-Partei als auch die tunesische Neo-Destur-Partei einen Laizismus zur Schau, der dem Atatürks bei der Gründung der türkischen Republik nach dem Untergang des Osmanischen Reichs in nichts nachstand oder auch vergleichbar war mit dem Laizismus am Hof des iranischen Schahs Reza Pahlavi. Nasser besuchte zwar freitags regelmäßig die Moschee, um seine Nähe zur Volksfrömmigkeit der Ägypter zu demonstrieren, instrumentalisierte aber die traditionsreiche islamische al-Azhar-Universität als Propagandainstrument für seine auf die Dritte Welt bezogene Politik und äußerte sich immer wieder abfällig über die Geistlichkeit. Zudem war er gnadenlos gegen die Muslimbruderschaft vorgegangen, die Mutter des politischen Islam im Ägypten des 20. Jahrhunderts. Der Lehrer Hasan al-Banna hatte die Bruderschaft 1928 in Ismailia gegründet. Diese ägyptische Stadt war für al-Banna zum Symbol für die Fremdherrschaft der europäischen Kolonialmächte geworden, da hier das Verwaltungszentrum der internationalen Sues-Gesellschaft lag. Die Muslimbruderschaft wollte die Fackel des von Atatürk 1924 abgeschafften osmanischen Kalifats weitertragen und hatte die Machtergreifung Nassers und seiner »freien Offiziere« 1952 zunächst begrüßt: Sie sah in ihnen ihren weltlichen Arm, mit dem sie einen auf der Scharia basierenden Staat gründen könne – mit einem Rechtssystem also, das von den heiligen Schriften inspiriert war. Nachdem aus den einstigen Partnern Feinde geworden waren, wurde die Organisation 1954 zerschlagen. Mehrere führende Mitglieder der Muslimbruderschaft wurden gehängt, anderen gelang die Flucht auf die arabische Halbinsel, wo sie ihren Bekehrungseifer entfalteten, und noch andere wurden in straff geführten Internierungslagern gefangen gehalten, in denen Folter zum Alltag gehörte. Zu den Verhafteten zählte auch der spätere Chefideologe des modernen Dschihadismus, der Aktivist und Literat Sayyid Qutb.

Die orientalische Säkularisation täuschte einen demokratischen Laizismus wie in Europa jedoch nur vor. Zunächst deshalb, da es keine echte Trennung zwischen der politischen und religiösen Sphäre gab, sondern der politische Machtapparat sich die geschwächten islamischen Institutionen unterwarf, um damit soziale Kontrolle auszuüben oder um zu beweisen, dass der Islam und die nationalistische, ja sogar offiziell sozialistische Doktrin durchaus miteinander vereinbar waren. Und schließlich und vor allem deshalb, da die Eliten den Unabhängigkeitsprozess – auf welchem Wege auch immer – für sich vereinnahmt und sich gewaltsam an die Staatsspitze gesetzt hatten. Entgegen des demokratischen Versprechens, das als Antwort auf das Freiheitsverlangen der ehemaligen Kolonien gegeben wurde, hatte man doch nur die Köpfe ausgetauscht, und die Menschen gerieten unter die Knute von militärischen oder dynastischen Seilschaften und deren Anhängern. Nur dadurch, dass die Unterdrückung nun nicht mehr von europäischen, sondern von inländischen Herrschern ausging, wurde sie nicht erträglicher. Im Gegenteil.

Die außerordentlich schlechten wirtschaftlichen Leistungen und sozialen Maßnahmen der neuen Eliten taten ihr Übriges, auch die Rechtsstaatlichkeit des neuen Justizwesens existierte nur im verlogenen Diskurs der Despoten. In den arabischen Staaten des Nahen und Mittleren Ostens, und hier vor allem in den »Frontstaaten« in Israels Nachbarschaft, wurde diese Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit mit Erfordernissen im notwendigen Kampf mit dem zionistischen Feind begründet. Der Antizionismus etablierte sich damit als dritte Stufe eines Nationalismus, der sich zunächst im 19. Jahrhundert gegen die osmanische Vorherrschaft und im 20. Jahrhundert gegen die europäische Bevormundung gerichtet hatte. Dieser Nationalismus stilisierte die jüdische Gemeinschaft im Zentrum der Levante und auf palästinensischem Boden zur letzten Bastion des verabscheuten Kolonialismus. Die arabische politische Rhetorik drehte sich unablässig um die Vertreibung der Juden.

Nach der demütigenden nakba (»Katastrophe«), dem Sieg über die arabischen Armeen 1948 und der anschließenden Staatsgründung Israels durch Ben Gurion am 15. Mai, verstärkte 1956 die Sueskrise diesen Nationalismus erneut: Die vereinten englischen, französischen und israelischen Streitkräfte wurden durch amerikanischen und sowjetischen Druck gezwungen, sich vom Kanal zurückzuziehen, den Gamal Abdel Nasser verstaatlicht hatte. Kairo band sich anschließend enger an die UdSSR und begann mit der Umsetzung eines Sozialismus nach sowjetischem Vorbild. Der Sechs-Tage-Krieg im Juni 1967 bildete hingegen die »Niederlage« (naksa) des arabischen Nationalismus schlechthin. Zu dieser trug insbesondere die erfolgreiche Luftoffensive Israels bei: Der ägyptische Rais hatte zwar die Sperrung der Wasserstraße von Tiran am Golf von Akaba angeordnet, mit der die Belieferung des Hafens von Eilat unterbunden werden sollte. Doch die Armee des jüdischen Staates reagierte sehr schnell und konnte schließlich die Sinaihalbinsel, den Gazastreifen, das Westjordanland inklusive Ost-Jerusalem sowie die Golanhöhen erobern. Neben Gebietsverlusten hatte dieser Blitzkrieg vor allem das endgültige moralische Scheitern der arabischen Führer zur Folge, die aus den Unabhängigkeitsbewegungen hervorgegangen waren. Ihre Rhetorik sackte mit einem Mal in sich zusammen wie ein Luftballon, der angesichts der militärischen Realitäten die Luft verlor.

Für Ägypten bedeutete die naksa den finalen Todesstoß in einer ganzen Reihe innerer und äußerer Rückschläge. Schon seit 1962 kämpfte die ägyptische Armee im Jemen an der Seite der republikanischen Kräfte gegen die von Saudi-Arabien unterstützten Royalisten, was sich zu einem teuren Einsatz mit sehr hohem Blutzoll auswuchs. Um aufkommenden Unmut im Keim zu ersticken, ließ Nasser 1966 Sayyid Qutb hinrichten, den Chefideologen der Muslimbruderschaft. Dieser hatte soeben Zeichen auf dem Weg veröffentlicht, ein Was tun? der radikal islamischen Bewegung. In dem Werk, das für nachfolgende Generationen von Dschihadisten zum Gründungstext werden sollte, erhob der Autor das Gefängnis, in dem die Kämpfer der Bewegung gefoltert wurden, zum Symbol des verabscheuten arabischen Nationalismus. Ihn beschreibt er als Dschahiliya – als Ära des »Unwissens« oder der Barbarei, wie die Schrift die Zeit vor der Offenbarung des Koran durch den Propheten bezeichnet. Mohammed hatte diese mit der Durchsetzung des Islam beendet. Qutb rief in seinem Buch entsprechend dazu auf, die »Dschahiliya des 20. Jahrhunderts« gewaltsam zu beenden, für die der Nasserismus das Paradebeispiel sei, indem man alle Möglichkeiten dazu ausschöpfe, unter anderem die »Bewegung« (haraka), also den bewaffneten Dschihad. Indem er die Machthaber exkommunizierte und »zu Ungläubigen erklärte« (takfir), beruft sich Qutb in Zeichen auf dem Weg auf die religiöse Legitimierung, um Gewalt gegen den Staat zu rechtfertigen. Aus dieser Kampfansage – die nicht bei allen Muslimbrüdern auf Zustimmung stieß – sollte die »radikale« Strömung innerhalb der Muslimbruderschaft hervorgehen, die in der Folge eine gewaltige Entwicklung durchlief, von den Gotteskriegern Afghanistans bis zu al-Qaida. Diesen Wechsel der Stoßrichtung bezahlte Qutb 1966 mit seinem Leben – ein Jahr vor der militärischen Niederlage von 1967. Viele von Qutbs Anhängern zeigten sich überzeugt, dass die Niederlage Allahs Strafe für Nasser war, da er den Märtyrer hatte foltern lassen.

Der Rais gab nach diesem Misserfolg 1967 sein Amt auf, kehrte aber nur kurz darauf an die Macht zurück, nachdem in ganz Ägypten Menschen unter dem Ruf »Nasser, komm zurück!« auf die Straße gegangen waren. Er starb drei Jahre später und mit ihm das panarabistische Ideal, das er verkörpert hatte. In dieses Vakuum drängte nun der politische Islamismus: Im Oktober 1973 fand er einen gewaltigen Hebel, um es auszufüllen.

Ägypten war der größte Verlierer des Sechs-Tage-Kriegs. Mit dieser Niederlage ging auch der Nasserismus unter, an dessen Stelle für einige Zeit die Bemühungen um die Sache der Palästinenser traten, die sich von den arabischen Staaten emanzipieren wollten. 1969 löste sich der neue Führer der Palästinensischen Befreiungsorganisation, Jassir Arafat, aus der Bevormundung durch Kairo und wählte Jordanien, wo zahlreiche palästinensische Flüchtlinge lebten, zu seiner Basis, um von dort aus seinen Kampf gegen Israel zu führen. Indem die palästinensischen Organisationen mit ihrer Präsenz die Autorität von König Hussein infrage stellten, heizten sie die bestehenden Spannungen zwischen Palästinensern und Jordaniern noch weiter an. Diese erreichten einen Höhepunkt, als am 6. September 1970 drei Linienflugzeuge entführt und zur Landung auf dem jordanischen Flughafen Zarqa gezwungen wurden. Hinter der Tat steckte die marxistische Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) unter Führung von George Habasch. Bei der Niederschlagung der daraus resultierenden Unruhen in Jordanien kamen Tausende Palästinenser ums Leben. Die Vereinbarung von Kairo, die drei Wochen später zwischen Arafat, König Hussein und Nasser getroffen wurde – kurz bevor Nasser verstarb –, sorgte dafür, dass die bewaffneten palästinensischen Gruppen Jordanien verließen. Sie siedelten sich nun in den Flüchtlingslagern im Libanon an, dem fragilsten Staat der Region. An dessen fünf Jahre später beginnenden Auflösung sollten sie maßgeblich beteiligt sein, wie auch an der nachfolgenden fortschreitenden Zerstörung der Levante insgesamt. Und zwar in einem Kontext, der sich durch die Islamisierung der Politik gänzlich geändert hatte und der die neue saudische Hegemonie ankurbelte, die sich aus dem Konflikt im Oktober 1973 ergab.

Der Ramadan-Krieg im Oktober 1973: Das Öl als Waffe und der Protodschihad

Anwar as-Sadat, der Nasser noch im September 1970 nachfolgte, war der Kompromisskandidat, auf den sich der zerstrittene ägyptische Generalstab einigen konnte. Er begann sein Amt als Staatspräsident unter schwierigen Bedingungen: Das Volk stellte ihn mit nukat (Witzen) als dumm dar. Der auf Sadat lastende Druck war umso größer, als er kaum die Mittel hatte, die Schmach der Niederlage vom Juni 1967 durch eine Offensive wettzumachen. Aus einem Dorf im Nildelta stammend, war Sadat jedoch schlau genug zu wissen, wie er über all jene zu regieren hatte, die ihn unterschätzten – nur die Dschihadisten zu beherrschen gelang ihm nicht, und sie waren es dann auch, die ihn schließlich ermorden sollten. Da Sadat in seiner Jugend den Muslimbrüdern nahegestanden hatte, entließ er ihre Anhänger nun aus den Gefängnissen und unterstützte heimlich ihren Bekehrungseifer an den Universitäten, wo Marxisten und linke Nasser-Anhänger zu seinen gefährlichsten Gegnern gehörten. In wenigen Jahren gelang es ihm, diese aus dem Weg zu räumen, woraufhin die al-Dschamaa al-islamiyya (Islamische Vereinigung) in der Nachfolge von Qutb die Kontrolle über die studentische Bewegung gewann.

Sadats sowjetische Militärberater, seine Verbindungsleute zum syrischen Präsidenten Hafiz al-Assad, der wie er nach der Niederlage von 1967 an die Macht gekommen war, halfen ihm bei der Vorbereitung des Angriffs auf israelische Stellungen. Er erfolgte am 6. Oktober 1973, da das jüdische Jom-Kippur-Fest an diesem Fasten- und Ruhetag den Staat Israel verwundbarer machte. Ägyptische Soldaten durchbrachen die befestigte Bar-Lev-Linie am Sueskanal, während Syrien auf die seit 1967 von Israel besetzten Golanhöhen vorrückte. Dieser Anfangserfolg brachte den beiden Staatslenkern Ehrennamen ein, »Held der Überquerung« (batal al ubur) für Sadat und »Oktoberlöwe« (assad tichrine) für Assad, dessen Familienname auf Arabisch »Löwe« bedeutet. Allerdings hätte der Krieg, der die Ehre der arabischen Führer rettete, ohne die entscheidende Intervention Saudi-Arabiens und der Ölmonarchien der arabischen Halbinsel ein anderes Ende gefunden. Denn sie trugen dazu bei, die Situation nach der erfolgreichen Gegenoffensive der israelischen Verteidigungsstreitkräfte (Zahal) zu stabilisieren: Die israelische Armee hatte den Sueskanal wieder überschritten, die dritte ägyptische Armee eingekesselt und war bis zum Kilometer 101 auf der Straße zwischen Sues und Kairo vorgerückt. In Syrien stand sie derweil schon 40 Kilometer vor Damaskus. Ermöglicht worden war dieser Vormarsch durch eine Luftbrücke der US-Amerikaner, die den jüdischen Staat täglich mit Versorgungsgütern belieferten. Am 16. und 17. Oktober 1973 beschlossen die in Kuwait versammelten arabischen Erdölförderländer eine unilaterale Erhöhung der Rohölpreise um 70 Prozent und eine monatliche Senkung der Ausfuhren um fünf Prozent, die so lange gelten sollten, bis die besetzten Gebiete wieder geräumt und die Rechte der Palästinenser anerkannt würden. Am 20. Oktober verkündete der saudische König Faisal ein Lieferembargo für die Vereinigten Staaten und die Niederlande, die »Israel unterstützen«.

Damit war die entscheidende Waffe gefunden – sie wahrte den arabischen Kriegsführern auf dem Schlachtfeld das Gesicht und sorgte über diese politisch-militärische Episode hinaus für eine Erschütterung der Weltordnung. Die Ölrente bestimmte fortan maßgeblich die Kräfteverhältnisse auf dem Globus und verlieh jenen, die über Erdöl verfügten, eine exorbitante Macht. Der Ölpreis kletterte binnen weniger Tage um das Vierfache. Der ökonomische Druck, der aus dem israelisch-arabischen Konflikt für alle Erdöl importierenden Länder eine innenpolitische Angelegenheit machte, hatte unmittelbar zur Folge, dass die erfolgreiche Gegenoffensive für Israel enttäuschend endete: Sadat und Assad waren von Faisal und dem Erdöl-Emiren gerettet worden, und Tel Aviv musste unter dem Druck der Vereinigten Staaten und des Westens dem Waffenstillstand zustimmen, denn deren Wirtschaftsbilanzen waren wegen des Ölpreisanstiegs durcheinandergebracht worden. Von nun an würden die Ölmonarchien ihre Dominanz durch den Einsatz ihres märchenhaften Reichtums festigen und konnten dank der hohen Ölpreise überall in der sunnitischen Welt ihre strenge und konservative Ideologie verbreiten. Sie sollten sich allerdings schwer damit tun, den Geist des Dschihad zurück in die Flasche zu bekommen, nachdem er einmal freigelassen worden war – und eines Tages fielen sie ihm schließlich selbst zum Opfer.

Ein Großteil der populären arabischen Literatur vergleicht die Niederlage von 1967 mit dem »Sieg« von 1973, indem sie die Niederlage auf die Gottlosigkeit des Nasser-Regimes und den Sieg auf die klar bekundete Frömmigkeit der arabischen Kriegsparteien zurückführt, schließlich wurde der Krieg im Ramadan und mit der rechtmäßigen Dimension eines Dschihad geführt. Tatsächlich muss während des heiligen Monats Ramadan von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang gefastet werden – ein Umstand, der sich nur schlecht mit militärischen Operationen verträgt. Dieses Fastengebot darf jedoch im Falle eines Dschihad aufgehoben werden, denn sollte die Gemeinschaft der Gläubigen zu schwach sein für den Kampf, droht sie im Angesicht des Feindes unterzugehen, was den Fortbestand des Islam insgesamt infrage stellen würde. Auf Druck der Machthaber hin hatten folglich die ägyptischen und syrischen Ulemas, islamische Rechtsgelehrte, den Ramadan-Krieg zum Dschihad erklärt, sodass die Soldaten ihre Rationen zu sich nehmen konnten. Jenseits der Instrumentalisierung dieser Fatwa wurde diese Konfrontation im Zuge der weltweiten Bewegung ipso facto wirksam, da schlussendlich die Ölmonarchien siegten, die für ihre religiöse Strenge bekannt waren. Weitere, aufschlussreiche Kommentare mit ähnlicher Stoßrichtung vergleichen den Schlachtruf Allahu akbar, der die siegreichen Truppen 1973 zum Sieg führte, mit dem »Zu Land! In der Luft! Zu Wasser!«, den die »gottlose« Regierung 1967 ausgegeben und der sie in die unvermeidliche Niederlage geführt hatte.

Der Einsatz der Waffe Öl im Oktober 1973 erfolgte zudem vor dem Hintergrund einer sich verschlechternden Beziehung zwischen Saudi-Arabien und den Vereinigten Staaten. Formell hatten die Beziehungen beider Staaten durch die Einigung zwischen Franklin D. Roosevelt und König ibn Saud am 14. Februar 1945 an Bord des Kreuzers USS Quincy begonnen, der in den Bitterseen des Sueskanals vor Anker gegangen war. Direkt aus Jalta angereist, wollte Roosevelt angesichts einer konfliktreichen »Aufteilung der Welt« mit der feindlichen Sowjetunion, die mit reichen Erdölvorkommen in Aserbaidschan und Sibirien gesegnet war, die Versorgung des Westens mit Erdöl sichern und trat damit die Nachfolge des im Zweiten Weltkrieg ausgebluteten Großbritannien an. Im Gegenzug für die Nutzung der Ölfelder durch die amerikanische ARAMCO (Arabian American Oil Company) sicherte Roosevelt der saudischen Monarchie den Schutz der Vereinigten Staaten zu. Diese Verabredung wurde am Valentinstag geschlossen – ein für ewige Versprechen sehr günstiges Datum – und bildete den wichtigsten Grund für die amerikanische Präsenz im Nahen Osten. Der Bund mit Saudi-Arabien hatte damit auch Vorrang vor den Beziehungen zu Israel, das bis zum Krieg 1967 vor allem von Frankreich ausgerüstet wurde (die Mirage-Flieger der Firma Dassault galten als entscheidend für den damaligen israelischen Sieg). Während der Sueskrise 1956 hatten die Vereinigten Staaten den Abzug der israelischen Truppen aus dem Sinai wie auch den Rückzug der anglo-französischen Fallschirmjäger verlangt und damit deutlich gemacht, dass in ihren Augen die israelischen Interessen keine Priorität besaßen. Dies änderte sich erst nach der berühmt gewordenen Pressekonferenz vom 27. November 1967, bei der de Gaulle die Besetzung der im Sechs-Tage-Krieg eroberten Gebiete kritisiert und die Belieferung Tel Avivs mit Waffen eingestellt hatte. Daraufhin sprang Washington ein: Erst jetzt setzten sich die Vereinigten Staaten über die Quincy-Vereinbarung hinweg, übernahmen die militärische Unterstützung Israels und räumten dem Schutz Israels Vorrang vor dem Öl-Deal ein. Die saudische Seite fühlte sich auch deshalb frei genug, im Gegenzug im Oktober 1973 der Quincy-Vereinbarung einen Schlag versetzen zu können, da die Preiserhöhung beim Rohöl auf mittlere Sicht den texanischen Ölförderfirmen in die Hände spielte, darunter auch der Zapata Petroleum Company, die 1953 vom späteren US-Präsidenten George H. W. Bush gegründet worden war. So hoffte sie, weiterhin fruchtbare Beziehungen zu den Vereinigten Staaten pflegen zu können. In jedem Fall gaben die veränderten Kräfteverhältnisse den Erdöl produzierenden Ländern die Gelegenheit, die ausländischen Ölfirmen im eigenen Land zu verstaatlichen. Damit sicherten sie sich deren Einkünfte, anstatt sich mit den Förderabgaben begnügen zu müssen, die sie bis dahin von den sieben »Majors« (auch Seven Sisters genannt) erhalten hatten. Die Ölmonarchien mehrten ihren Reichtum zusätzlich und vergrößerten ihre Einflussmöglichkeiten, den Nahen und Mittleren Osten umzugestalten und die Reislamisierung der regionalen politischen Ordnung voranzutreiben.

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9783956143427
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