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4. Drohende Zahlungsunfähigkeit

a) Der insolvenzrechtliche Begriff der drohenden Zahlungsunfähigkeit

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Bei dem Merkmal der drohenden Zahlungsunfähigkeit gem. § 18 Abs. 2 InsO handelt es sich um einen im Jahre 1999 neu geschaffenen insolvenzrechtlichen Eröffnungsgrund. Nach dem Wortlaut der Vorschrift droht der Schuldner zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen.

Antragsberechtigt ist nur der Schuldner selber; eine Antragspflicht besteht hingegen nicht.[126] Die hinter der neuen Regelung stehende Intention des Gesetzgebers war es, dem Schuldner bei einer sich abzeichnenden Insolvenz eine rechtzeitige Antragstellung zu ermöglichen,[127] um so ggf. das Unternehmen erhalten zu können.[128] Der Begriff der Zahlungsunfähigkeit ist identisch mit dem des § 17 Abs. 2 InsO. Entsprechend sind auch im Rahmen des § 18 Abs. 2 InsO vorübergehende Zahlungsstockungen und geringfügige Liquiditätslücken ohne Relevanz.[129] Das Merkmal des Drohens bedeutet in diesem Kontext nach h.M. die nahe liegende Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit.[130] Dies bedingt wiederum die Notwendigkeit einer Prognose hinsichtlich der zukünftigen Liquidität.

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Schwierigkeiten ergeben sich sowohl hinsichtlich des Prognosezeitraums als auch hinsichtlich der in die Prognose einzustellenden Zahlungsverpflichtungen.[131] Wohl allein unstreitig ist, dass es, genau wie bei § 17 Abs. 2 InsO, um eine Zeitraumilliquidität geht.[132] Nach § 18 Abs. 2 InsO sind die bereits bestehenden Zahlungspflichten des Schuldners zu berücksichtigen, und zwar im Gegensatz zur eingetretenen Überschuldung nach § 17 Abs. 2 InsO auch dann, wenn sie noch nicht fällig sind.

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Der Prognosezeitraum bestimmt sich nach h.M. grds. durch den spätesten Fälligkeitszeitpunkt der zum Feststellungszeitpunkt bestehenden Zahlungspflichten.[133] Allerdings herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass – angesichts der Tatsache, dass Prognosezeiträume von 10 und mehr Jahren wenig sinnvoll erscheinen – in den Fällen, in denen aufgrund langjähriger Zahlungsverpflichtungen, z. B. bei einem Kredit, der Prognosezeitraum auf ein für die Praxis handhabbares Maß reduziert werden muss.[134] Über die genaue Länge des unter diesem Aspekt zu bestimmenden Prognosezeitraums herrscht Uneinigkeit; es werden Zeiträume von wenigen Monaten bis zu drei Jahren für vertretbar gehalten.[135] Andere Autoren möchten die Länge des Prognosezeitraums davon abhängig machen, ob es sich bei dem Unternehmen um eines mit kurz- oder langfristiger Produktion oder auch um ein sog. Saisonunternehmen handelt.[136]

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In diesem Zeitraum voraussichtlich entstehende und fällig werdende Verbindlichkeiten sowie zu erwartende Einnahmen sind im Rahmen der Prognose zu berücksichtigen.[137] Maßgeblich sind also diejenigen Verbindlichkeiten, die bereits beim Merkmal der Zahlungsunfähigkeit zu beachten waren. Zusätzlich müssen infolge der Zeitraumprognose die bereits begründeten, aber noch nicht fälligen Verbindlichkeiten mit einbezogen werden, soweit sie innerhalb des relevanten Bewertungszeitraumes fällig werden.[138] Nach der Gesetzesbegründung zu § 18 InsO muss die gesamte Finanzlage des Schuldners in die Prognose einbezogen werden; neben den zu erwartenden Einnahmen sind auch die zukünftigen, noch nicht begründeten Zahlungspflichten zu berücksichtigen.[139]

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Nach § 18 Abs. 2 InsO geht es um die voraussichtliche Unfähigkeit des Schuldners, seine Verbindlichkeiten zu erfüllen. Ausweislich der Gesetzesbegründung muss also der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit wahrscheinlicher sein als deren Ausbleiben;[140] erforderlich ist eine Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit von über 50 %.[141] Je länger der Prognosezeitraum ist, desto höher muss der Grad der Wahrscheinlichkeit der Zahlungsunfähigkeit sein.[142] Dabei ist die gesamte finanzielle Entwicklung im Unternehmen zu berücksichtigen. Dies kann im Rahmen eines Finanz- oder Liquiditätsplans geschehen.[143] Auch hier spielen für die praktische Feststellung die kriminalistischen Beweisanzeichen eine nicht zu vernachlässigende Rolle.[144]

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Für die Bestimmung des Beginns der drohenden Zahlungsunfähigkeit können außer den betriebswirtschaftlichen Kriterien der Finanzplanung auch Insolvenzindikatoren herangezogen werden.[145] Diese Indikatoren sind infolge ihrer Unsicherheiten strafrechtlich jedoch nur dann von Bedeutung, wenn sie zu einem eindeutigen Ergebnis führen.[146] In Relation zur konkreten Liquiditätslage können mehr oder weniger sichere Indikatoren sein:


der rapide Verfall der Ertragslage bei fehlenden Reserven,
Wechselproteste und Nichteinlösung von Schecks durch die Hausbank,
die Zunahme von Mahnbescheiden und erfolglosen Vollstreckungsmaßnahmen,
Fehlschläge bei Kreditverhandlungen,
(drohende) Kündigung von Bankkrediten,
schleppende Begleichung laufender Verbindlichkeiten zur Aufrechterhaltung des Betriebes (Löhne, Unterhaltungskosten, Zinsen),
Rückstände bei Sozialversicherungsbeiträgen,
zu erwartende hohe Schadensersatzforderungen oder Steuernachforderungen,

b) Das strafrechtliche Krisenmerkmal der drohenden Zahlungsunfähigkeit

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Bei der drohenden Zahlungsunfähigkeit handelt es sich um ein besonderes strafrechtliches Krisenmerkmal, da der insolvenzrechtliche Begriff eine erkennbar andere Funktion als das gleichlautende strafrechtliche Krisenmerkmal besitzt.[148] So eröffnet § 18 InsO dem Schuldner die Möglichkeit, Maßnahmen unabhängig von Dritten noch im Vorfeld einer sich entwickelnden Krise zu ergreifen.[149] Das strafrechtliche Krisenmerkmal setzt dem Schuldner dagegen insofern Grenzen, als es den zeitlichen Anwendungsbereich der §§ 283 ff. StGB deutlich vorverlagert; eine Korrektur erfährt die Strafbarkeit wegen eines Bankrottdeliktes bei drohender Zahlungsunfähigkeit aber über die objektive Strafbarkeitsbedingung des § 283 Abs. 6 StGB.[150]

Bei der Prognoseerstellung ist, wie bei der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit auch, der Grundsatz „in dubio pro reo“ zu berücksichtigen. Zur Sicherstellung eines handhabbaren Prognosezeitraumes, der außerdem den Anforderungen einer hinreichenden Bestimmtheit Rechnung zu tragen in der Lage ist, ist strafrechtlich auf einen Prognosezeitraum von einem Jahr abzustellen.[151]

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Die drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit ist in sehr viel stärkerem Maße als die Überschuldung für die Betrugsstrafbarkeit von Bedeutung. Bereits bei Zahlungsstockung kann ein Betrug vorliegen, wenn die Bestellungen mit kürzeren Zahlungszielen verbunden sind. Wenn die Liquidität nach Kaufpreisfälligkeit wiederhergestellt werden kann, beseitigt dies zwar die Tatbestandselemente der drohenden oder eingetretenen Zahlungsunfähigkeit im Insolvenzstrafrecht, nicht aber den durch den Betrug bereits erlittenen Schaden des Verkäufers, dessen Anspruch auf Bezahlung in der vereinbarten Frist nicht erfüllt werden konnte.

Nicht übersehen werden sollte auch, dass die drohende Zahlungsunfähigkeit keine Bedeutung für den Straftatbestand der Insolvenzverschleppung nach § 15a InsO hat, auch wenn die drohende Zahlungsunfähigkeit nach der InsO einen Eröffnungsgrund darstellt. So besteht in diesen Fällen gem. § 18 InsO zwar ein Insolvenzantragsrecht für den Schuldner, jedoch keine entsprechende Antragspflicht.[152]

5. Keine strikte Insolvenzrechtsakzessorietät der Krisenbegriffe des § 283 StGB

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Im Ergebnis wird klar, dass eine einheitliche straf- und insolvenzrechtliche Interpretation der Krisenmerkmale, zumindest im Sinne einer strikten Insolvenzrechtsakzessorietät,[153] zu verneinen ist.[154] Hierfür sprechen Erwägungen, die sich aus der Struktur sowie aus den Zielen des Insolvenzverfahrens im Vergleich mit dem Strafrecht ergeben.[155] So schützt das Strafrecht weder das gesamte Insolvenzverfahren mit allen Regelungseffekten, noch sind die jeweiligen Funktionen der Rechtsbegriffe identisch.[156] Schließlich darf nach § 16 InsO nur in den Fällen ein Insolvenzverfahren eröffnet werden, in denen einer der in den §§ 17–19 InsO beschriebenen Eröffnungsgründe gegeben ist. Zwar knüpfen abgestuft auch die §§ 283 ff. StGB an diese Begriffe an, jedoch offenbaren sich bei genauerer Betrachtung Unterschiede: Während die §§ 283, 283c StGB bezüglich des Schuldners nicht differenzieren, unterscheiden die §§ 17–19 InsO sowohl bezüglich des persönlichen Anwendungsbereichs als auch hinsichtlich der Antragsbefugnis. Zudem soll die zivilrechtliche Eröffnung des Insolvenzverfahrens – anders als die Bewertung im Strafrecht – nicht als Makel, sondern als Chance für das Unternehmen verstanden werden. Eine strikt zivilrechtsakzessorische Interpretation der strafrechtlichen Krisenmerkmale liefe Gefahr, die aufgezeigten strukturellen und zielgebundenen Unterschiede zu vernachlässigen. Deshalb haben die §§ 17–19 InsO nur eine indizielle und keine bindende Wirkung für die strafrechtliche Auslegung und das Verständnis der §§ 283 ff. StGB.[157] Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber trotz oder gerade wegen der unterschiedlichen Ziele der Insolvenzreform eine Anschlusserneuerung der §§ 283 ff. StGB nicht für erforderlich gehalten hat.[158] Schließlich ist den spezifisch strafrechtlichen Anforderungen Rechnung zu tragen, so dass von einer funktionalen Akzessorietät gesprochen werden kann.[159] Dies hat den Vorteil, dass differenzierende, strafrechtsbezogene Lösungen gefunden werden können.[160]

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Das ermittelte Ergebnis lässt sich am Beispiel der Überschuldung verdeutlichen. Trotz der in § 19 Abs. 2 InsO ausdrücklich normierten insolvenzrechtlichen Definition des Begriffs war mit Einführung der InsO für die strafrechtliche Anwendung ungeklärt, ob die Bewertung der Vermögenspositionen anhand einer Fortführungs- oder einer Zerschlagungshypothese zu erfolgen hatte.[161] Vor dem Inkrafttreten der Insolvenzordnung am 1.1.1999 wurden teilweise die Fortführungswerte berücksichtigt. Argumentiert wurde, das reine „Going-concern-Prinzip“ ergebe sich zwingend aus dem In-dubio-Grundsatz. Von den Vertretern der gegenläufigen Ansicht wurde Realitätsferne moniert. So entspreche es in der Praxis eher der Ausnahme, dass ein insolvenzreifes Unternehmen weitergeführt werden könne. Daher schlug die Gegenansicht ein dynamisch-zweistufiges Modell, bei dem die vermögensrechtliche Bewertung entweder auf der Basis von Fortführungs- oder von Liquidationswerten vorgenommen werden sollte,[162] alternativ ein modifiziertes zweistufiges Prüfungsmodell vor.[163] Die bis zum 17.10.2008 geltende Fassung des § 19 InsO zielte auf eine frühzeitige Eröffnung des Insolvenzverfahrens ab, wohingegen § 283 StGB eine Situation beschreibt, in der sich ein Schuldner durch bestimmte Handlungen strafbar macht, die entweder wirtschaftlich sinnlos oder zumindest gefährlich sind. Dieser Unterschied ist durch heute geltende Fassung des § 19 Abs. 2 InsO nivelliert, da durch den möglichen Ausschluss einer Überschuldung allein durch die positive Fortführungsprognose der Antragsgrund der Überschuldung durch das FMStG in seinem Anwendungsbereich sehr eingeschränkt wurde.[164] Letztlich geht es um die Abgrenzung von strafwürdigem zu solchem Verhalten, das gar kein strafwürdiges Unrecht darstellt.[165] Da es methodologisch um einen Fall der Relativität der Rechtsbegriffe geht[166], steht diesem Ansatz auch das Postulat der Einheit der Rechtsordnung nicht entgegen.[167]

Teil 1 Grundfragen des Insolvenz- und Insolvenzstrafrechts › D. Grundbegriffe der Insolvenz › II. Umfeldbedingungen

II. Umfeldbedingungen

1. Markteinflüsse, Unternehmensfinanzierung, Sozialstruktur

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Nicht nur die abstrakten Insolvenzgründe der InsO gilt es bei der Ursachenfindung für Insolvenzanmeldungen zu bedenken. Weit über bilanzielle Fragen hinaus haben für die Unternehmensfortführung, für eine Sanierung oder eine Abwicklung Kriterien eine Bedeutung, die sich nur mittel- oder langfristig, durch politische und gesellschaftliche Maßnahmen, aber selten durch Strafrecht beeinflussen lassen:


die Art und Weise der Finanzierung des Unternehmens durch Eigen- oder Fremdkapital,
die Besteuerung der Grundflächen und des betrieblichen Ertrags,
der betriebliche Standort und die dort vorhandene sächliche und personelle Infrastruktur (das sind u. a. Wege- und Kommunikationsnetze, Ausbildung von Fachkräften, Lohnkosten und gewerkschaftliche Kooperation),
das zu finanzierende soziale Netz,
das regulatorische Umfeld für die Betriebsfortführung (branchenabhängige Regeln, besonders umfangreiche staatliche Eingriffsmöglichkeiten) und
die Wettbewerbssituation (vom Monopol bis hin zur Konkurrenz an jeder Ecke, die Einbindung in ein Vertriebsnetz oder die Abhängigkeit von einem fairen allseitigen Wettbewerb).

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Immer wieder werden in der Unternehmensberatung diese Kriterien auch herangezogen, um eine erkannte Krisensituation abzuwenden oder Auswege zu suchen, die eine Fortführung unter veränderten Bedingungen ermöglicht. Staatliche Beihilfen stehen dabei regelmäßig unter einem Genehmigungsvorbehalt der Europäischen Union, und zwar selbst dann, wenn der Staat sich nur privatwirtschaftlich an einem Unternehmen beteiligt und diesem Kapital zuführt.

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Auch Umfeldbedingungen individuelle und persönliche Umstände, der Weggang oder die Abwerbung wichtiger Mitarbeiter, eine feindliche Wettbewerbssituation, faktische Lieferschwierigkeiten, ein Berufs- oder Tätigkeitsverbot oder auch die Änderung des legislatorischen Umfeldes können Gründe für den Eintritt einer Unternehmenskrise sein. Bei weitem nicht jedem der genannten Gründe ist ein Managementfehler vorausgegangen; es gibt sogar eine Vielzahl von Unternehmern, die eine Insolvenz einer Sanierung im Ausland vorziehen. Daher sollte man sich auch in der Strafverfolgung bewusst machen, dass Strafrecht nur dort angewandt werden sollte, wo ein Strafbedürfnis tatsächlich entstanden ist.

2. Gesellschafter und Gläubiger

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Mit einem weit gefächerten Dienstleistungs- und Finanzierungsangebot bieten Banken und Finanzdienstleister Kredite, Forderungskauf, Leasing, Unternehmensbeteiligungen, partiarische Darlehen, Bond-Finanzierungen, Mezzanine-Kapital oder die kapitalmarktrelevanten Formen der Schaffung von Eigenkapital (Aktien, Wandelschuldverschreibungen) bzw. Fremdkapital mit Rangrücktritt (Schuldverschreibungen, Genussscheine etc.) an. Unternehmen, die sich über den Kapitalmarkt finanzieren, haben es zunehmend mit Gesellschaftern und Beteiligten zu tun, denen die eigentlichen unternehmerischen Ziele gleichgültig sind. Ziel der Banken und Finanzdienstleister ist es, Erträge, Zinsen und sonstige zähl- und messbare Vorteile (bspw. auch Kurssteigerungen) zu erzielen. Experten warnen davor, dass ein solches Umfeld zu für das soziale Netz unverträglichen Entscheidungen, zu erzwungener Liquidierung oder Überschuldung des Unternehmens oder einzelner Betriebsteile führen kann. Durch das WpÜG und die Angabepflichten der § 20 AktG, §§ 21, 22 WpHG hat der Gesetzgeber nach der Mannesmann/Vodafone-Übernahme nur für einen Teil der Unternehmen Rechtsschutz vor feindlichen Übernahmen geschaffen. Ein Unternehmenszusammenbruch kann daher auch „ferngesteuert“ sein, ohne dass damit unmittelbar strafrechtliche Folgen verbunden sind. Die legalen Ausschüttungen durch von der Hauptversammlung beschlossene Dividendenzahlungen sind meist wesentlich schwerer für die Liquidität eines Unternehmens zu verkraften als die von Ermittlungsbehörden später verfolgten kleinkriminellen Phänomene geringfügiger Vermögensverschiebungen. Dass hier in einem Maße ganz legal auf die unternehmerischen Spielräume bis zur Grenze der Kapitalerhaltung eingewirkt werden kann, ist ein durch das Strafrecht nicht zu erfassendes Phänomen.

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Auch der Schutz vor „feindlichen“ Gläubigern lässt sich keineswegs durch einen Rückzug auf nationales Prozessrecht bewerkstelligen. Wenn bereits die Nichterfüllung einer titulierten Forderung bzw. ein vergeblicher Vollstreckungsversuch den Gläubiger dazu veranlasst, das Schuldnerunternehmen zu „sabotieren“, bietet zuweilen nur die Insolvenzanmeldung einen vernünftigen Ausweg, um sich aus einer „Nötigungssituation“ zu befreien. Auch versuchen zuweilen enttäuschte Geschäftspartner durch Beeinflussung von Meinungsmachern in Medien oder im Marktumfeld durch kritische Betrachtung, nachstellende Mängelbeanstandungen oder andere Formen des „Mobbing“, das Unternehmen in eine Krise zu bringen.

3. Auslandsinsolvenz

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Das deutsche Insolvenzrecht hat die Idee des US-amerikanischen Bankruptcy-Code Chapter 11 aufgegriffen, das eine „Flucht“ in die Insolvenz vor aggressiven Gläubigern ermöglicht. Der Insolvenzgrund der „drohenden Zahlungsunfähigkeit“ kann aber – jedenfalls bei grenzüberschreitenden Sachverhalten – durch eine von einem Gläubiger im Ausland angemeldete Insolvenz ohne Einfluss des Schuldners vorverlagert werden. Schon diese Handlung kann das Schuldnerunternehmen empfindlich treffen, selbst wenn die Entscheidung in Deutschland nicht vollstreckbar sein sollte (§§ 335 ff. InsO i. V. m. der EuInsVO).[168]

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Eine Abwehr solcher Anträge ist schwer, wenn nicht eindeutig gegen den ordre public verstoßen wird (vgl. aber § 353 InsO i.V.m. Art. 25 EuInsVO, §§ 31 ff. EuGVÜ). Die Flucht des Schuldners stellt in vielen Ländern (etwa Italien, der Schweiz oder der Türkei) einen Insolvenzgrund dar.[169] Wer sich seinen Gläubigern heimlich entzieht, kann diese offenbar nicht befriedigen. In England war der Flucht gleich gestellt, wenn der Schuldner sein Haus nicht mehr verließ. In der Schweiz und in Finnland ist bereits die Nichterfüllung einer titulierten Forderung nach dem ersten Vollstreckungsversuch ein Insolvenzgrund.[170]

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Faktisch ergibt sich ein Problem dann, wenn der ausländische Insolvenzantrag nach internationalem Kollisionsrecht in Deutschland nicht durchgesetzt wird, sowie dann, wenn eine Forderung, die nach ausländischem Recht tituliert ist, in Deutschland weder zur Vollstreckung angenommen noch bei den Berechnungen im Überschuldungsstatus berücksichtigt wird.

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Wenn eine Unternehmensgruppe vorliegt und deshalb eine Konzerninsolvenz in Frage steht, kommt ein Verfahren nach Art. 56 ff. EuInsVO (Rn. 31 ff.) oder, wenn es sich um den rein inländischen Fall einer Unternehmensgruppe handelt, weil alle gruppenangehörigen Schuldner ihren Sitz in Deutschland haben, das Konzerninsolvenzverfahren nach §§ 3 ff. InsO in Betracht (Rn. 34).

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