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2. Beweisverbote

a) Allgemein

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Im Insolvenzstrafrecht gelten dieselben Beweisverbote wie im allgemeinen Strafrecht. Unter Beweisverboten sind Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbote zu verstehen. Zu den Beweiserhebungsverboten gehören die Beweisthemaverbote (z. B. die Aufklärung bereits getilgter Vorstrafen gem. § 51 Abs. 1 BZRG), die Beweismittelverbote (z. B. ein Zeuge, der von seinem Zeugnisverweigerungsrecht nach den §§ 52 ff. StPO Gebrauch macht) und die Beweismethodenverbote (z. B. der Einsatz verbotener Vernehmungsmethoden nach § 136a StPO).[27]

b) Besonderheiten im Insolvenzstrafrecht

aa) Der Gemeinschuldnerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts

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Eine zentrale Entscheidung zur Selbstbelastungsfreiheit und den daraus resultierenden Beweisverboten ist der so genannte Gemeinschuldnerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 13.1.1981.[28] In diesem Beschluss stellt das Bundesverfassungsgericht klar, dass den Gemeinschuldner auch dann die Pflicht zur Aussage gegenüber dem Konkursverwalter nach der Vorschrift des (damaligen) § 100 KO trifft, wenn er damit strafbewehrte Handlungen offenbaren muss. Diese Pflicht verletze auch nicht das Selbstbezichtigungsverbot: Im Gegensatz zu Zeugen, Prozessbeteiligten und Beschuldigten, denen stets ein Schweigerecht für den Fall einer Selbstbezichtigung zugebilligt werde, gehöre der Gemeinschuldner zu den Personen, die aufgrund eines besonderen Rechtsverhältnisses verpflichtet sind, anderen diese notwendige Informationen zu erteilen.[29] Der entscheidende Unterschied zu den Personengruppen mit einem umfassenden Schweigerecht bestehe darin, dass sich hier nicht Selbstbelastungsfreiheit und staatliche Strafverfolgungsinteressen gegenüberstehen, sondern ein Schweigerecht des Auskunftspflichtigen in dieser Konstellation mit dem berechtigten Informationsbedürfnis anderer kollidiere, welches nur durch den Auskunftspflichtigen bedient werden könne.[30]

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Der Gemeinschuldner ist daher aufgrund seiner umfassenden Pflichten gegenüber den Gläubigern in der Konkurs- bzw. Insolvenzsituation zunächst uneingeschränkt auskunftspflichtig. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht daneben die Ergänzung der Auskunftspflicht durch ein strafrechtliches Verwertungsverbot betont, da dem Gemeinschuldner im Strafverfahren die Selbstbelastungsfreiheit zur Seite stehe und seine selbstbelastende Aussage daher nicht „gegen seinen Willen zweckentfremdet und (außerhalb des Insolvenzverfahrens) der Verwertung für eine Strafverfolgung zugeführt“ werden dürfe.[31] Die Verwertung einer derartigen erzwungenen Aussage sei unzulässig.

bb) Beweisverwendungsverbot des § 97 Abs. 1 S. 3 InsO

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Diesen Anforderungen hat der Gesetzgeber nunmehr in § 97 Abs. 1 S. 3 InsO explizit Rechnung getragen. Gemäß § 97 Abs. 1 S. 1 InsO hat der Schuldner dem Insolvenzverwalter, dem Insolvenzgericht und dem Gläubigerausschuss selbständig[32] Auskunft über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse zu erteilen.[33] Umfasst sind gem. § 97 Abs. 1 S. 2 InsO auch die Tatsachen, die geeignet erscheinen, eine Verfolgung wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit herbeizuführen. Kommt der Schuldner seinen Auskunftspflichten nicht nach, so ist die Anordnung von Beugehaft nach § 98 Abs. 2 Nr. 1 InsO möglich.[34]

Durch § 97 Abs. 1 S. 3 InsO wird dem nemo-tenetur-Grundsatz Rechnung getragen, indem dort bestimmt wird, dass die im Rahmen der Auskunftspflicht gemachten Angaben nicht im Strafverfahren verwendet werden dürfen – es sei denn, der Schuldner stimmt der Verwendung zu. Die Möglichkeit der Zustimmung des Schuldners zur Verwendung seiner Auskünfte zu eigenem strafrechtlich relevantem Verhalten erscheint allerdings bei lebensnaher Betrachtung eher unwahrscheinlich.

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Während aus dem Gemeinschuldnerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts nach allgemeiner Meinung lediglich ein Verwertungsverbot resultierte,[35] dieses Verbot aber nicht Beweismittel umfasste, die erst mittelbar, aufgrund der Angaben des Schuldners, erhoben werden konnten,[36] erscheint die Reichweite des § 97 Abs. 1 S. 3 InsO zumindest unklar.[37] Die wohl überwiegende Meinung im Schrifttum erblickt in dem Wort „verwenden“ ein Indiz für ein umfassendes Verwendungsverbot des Inhalts, dass „auch solche Tatsachen, zu denen die Auskunft des Schuldners nur den Weg gewiesen hat, nicht verwertet werden dürfen“.[38] Die Vertreter dieser Ansicht haben den Wortlaut der Begründung zu § 109 Abs. 1 des Entwurfs der Bundesregierung zur InsO, der wortgleich mit § 97 Abs. 1 InsO ist, auf ihrer Seite.[39] Auch das LG Stuttgart nimmt in einer Entscheidung vom 21.7.2000,[40] die sich, soweit ersichtlich, erstmalig zur Reichweite des § 97 Abs. 1 S. 3 InsO verhält, Bezug auf den Wortlaut: Aus der Tatsache, dass in § 97 Abs. 1 S. 3 InsO von „verwenden“ und nicht wie in § 100 KO von „verwerten“ die Rede sei, ergebe sich eindeutig eine gesetzgeberisch intendierte Fernwirkung.[41]

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Streitig ist in diesem Kontext, ob § 97 Abs. 1 S. 3 InsO die Begründung des Anfangsverdachts verbietet und ob er des Weiteren Grundlage für ein weitreichendes Beweiserhebungsverbot sein kann.[42] Diese Frage wird virulent in der Konstellation der Durchsuchung und Beschlagnahme von Unterlagen beim Insolvenzverwalter. Das LG Potsdam hat in seinem Urteil vom 8.1.2007[43] zunächst klargestellt, dass ein Beschlagnahmeverbot nach § 97 StPO hinsichtlich der beim Insolvenzverwalter befindlichen Unterlagen mangels Verschwiegenheitspflicht des Insolvenzverwalters[44] nicht bestehe und eine Durchsuchung – unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme – nach §§ 103, 105 StPO möglich ist.[45] Das LG Ulm hat in seinem Beschluss vom 15.1.2007[46] darüber hinaus entschieden, dass § 97 Abs. 1 S. 3 InsO jedenfalls kein allgemeines Beschlagnahme- oder Durchsuchungsverbot konstituiert.[47] Im Zusammenhang mit dem oben erwähnten Gemeinschuldnerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts ist außerdem umstritten, ob ein strafprozessuales Verwertungsverbot für Aufzeichnungen besteht, die vom Beschuldigten oder in seinem Unternehmen über prozessrelevante Daten angefertigt wurden. Wohl unstreitig ist der Fall, in dem diese Aufzeichnungen freiwillig, das heißt ohne entsprechende gesetzliche Verpflichtung, gemacht wurden; in dieser Konstellation besteht kein Selbstbezichtigungszwang, folglich bleiben die Aufzeichnungen für den Prozess verwertbar.[48] Dies ist auch dann der Fall, wenn der Schuldner eine inhaltsgleiche Auskunft erteilt.[49] Schwieriger gestaltet sich der Fall, in dem die zu verwertenden Unterlagen aufgrund gesetzlicher Verpflichtung erstellt worden sind.[50] Diese Unterlagen enthalten Erkenntnisse, die der Schuldner dem Berechtigten auch im Wege einer Auskunft mitteilen könnte, und grds. dürfen solche Erkenntnisse, die auf einer Auskunft des Schuldners beruhen, nicht verwendet werden. Allerdings soll eine Verwendung dann möglich sein, wenn die entsprechenden Informationen durch die Sichtung der Aufzeichnungen gewonnen wurden;[51] die Vorlage von Geschäftsunterlagen sei kein Teil der Erfüllung der Auskunftspflicht des Schuldners nach § 97 Abs. 1 InsO, sondern stelle vielmehr eine Mitwirkungspflicht im Rahmen des Insolvenzverfahrens dar.[52] Auch gehe aus der Entstehungsgeschichte des § 97 Abs. 1 S. 3 InsO hervor, dass vom Verwertungsverbot lediglich die nach § 97 Abs. 1 S. 1 InsO im Rahmen des Insolvenzverfahrens erzwingbaren Auskünfte erfasst werden, nicht aber bereits existierende Unterlagen oder Aufzeichnungen.[53] Die Plausibilität der Unterscheidung danach, ob die interessierenden Unterlagen bereits vorhanden waren oder erst auf Verlangen des Insolvenzverwalters erstellt wurden, erscheint allerdings eher zweifelhaft.[54]

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Die Einführung von aus Angaben des Schuldners gem. § 97 Abs. 1 InsO gewonnenen Erkenntnissen in die Hauptverhandlung soll nach wohl überwiegender Ansicht[55] jedenfalls dann kein Verwertungsverbot auslösen, wenn dieselben Erkenntnisse in rechtlich zulässiger Weise hätten gewonnen werden können (so genannter hypothetischer Ersatzeingriff).[56] Dem Gesetz selbst kann diese Einschränkung jedoch nicht entnommen werden.

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Die in der Praxis vorkommende Konstellation, dass der Insolvenzverwalter zunächst eine Auskunft durch den Schuldner erlangt und sich dann durch die Lektüre der Unterlagen vergewissert, soll dahingehend gelöst werden, dass zwar die Auskunft des Schuldners nicht verwendbar sein soll, wohl aber die sich aus den Unterlagen ergebenden Erkenntnisse.[57] Begründet wird dies zum einen damit, dass die Vorlage von Geschäftsunterlagen kein Teil der Erfüllung der Auskunftspflichten, die in aller Regel mündlich erfolge, sei[58] und zum anderen dem Schuldner nicht die Möglichkeit eröffnet werden solle, durch eine besonders umfangreiche Auskunftserteilung auch die Verwendung inhaltsgleicher Unterlagen zu verhindern.[59] Ein weiteres Problem wird darin gesehen, dass die Staatsanwaltschaft in ihren Ermittlungen auf die Insolvenzakte zugreifen kann; vereinzelt wird gefordert, dass nach § 97 Abs. 1 InsO „erzwungene“ Auskünfte des Schuldners aus der Insolvenzakte zu entfernen seien, um dem nemo-tenetur-Grundsatz Rechnung zu tragen.[60] Dies wird jedoch mangels Vorliegens einer entsprechenden strafprozessualen Regelung abgelehnt.[61]

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Ebenfalls unter das Verwendungsverbot des § 97 Abs. 1 S. 3 InsO fallen Erkenntnisse, die dem Insolvenzverwalter aus der Kontrolle der Post nach § 99 InsO (so genannte Postsperre),[62] die sich auch auf die Verteidigerpost eines in U-Haft befindlichen Schuldners erstrecken kann, bekannt werden.[63]

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Umstritten ist die Frage, inwiefern Aussagen, die der Schuldner gegenüber einem vom Gericht im Eröffnungsverfahren bestellten Gutachter getätigt hat, einem Beweisverwendungsverbot unterfallen. Bei rein formaler Betrachtung handelt es sich bei einem Gutachter nicht um eine der in § 97 Abs. 1 S. 1 InsO genannten Personen.[64] In teleologischer Hinsicht wird der Schuldner aber zumeist einem mittelbaren Zwang unterliegen, da der Gutachter bei verweigerter Auskunft alsbald durch einen Insolvenzverwalter ersetzt werden würde, demgegenüber der Schuldner dann auskunftspflichtig ist. Daher liegt eine Erstreckung des Verwerndungsverbotes nahe.[65]

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Das Schweigen des Schuldners im Insolvenzverfahren fällt nicht unter das Verwertungsverbot des § 97 Abs. 1 S. 3 InsO, es kann daher unproblematisch zu dessen Lasten verwendet werden.[66]

Ob Auskünfte des Schuldners zu dessen Gunsten verwertet werden können, ist umstritten. Weder aus dem Wortlaut des § 97 Abs. 1 S. 3 InsO noch aus der Gesetzesbegründung ergeben sich Anhaltspunkte für eine mögliche Verwertung der Auskünfte zugunsten des Schuldners. Bei teleologischer Auslegung, die sich am Zweck des § 97 Abs. 1 S. 3 InsO als Ausprägung des nemo-tenetur-Grundsatzes orientiert, müssen allerdings für den Schuldner günstige Auskünfte im Strafverfahren verwendet werden können.[67]

c) Beweisverwertungsverbote bei Urteilsabsprachen

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Auch in Konstellationen von Urteilsabsprachen (den so genannten Deals) ergeben sich vielfältige Probleme. Vor der gesetzlichen Normierung der Urteilsabsprachen[68] in § 257c StPO durch das Gesetz zur Regelung der Verständigung in Strafsachen vom 29.7.2009[69] herrschte Uneinigkeit in Rechtsprechung und Literatur über die Möglichkeit einer Geständnisverwertung bei missglückten Absprachen.[70] Zwar ist das Gericht grds. an die Absprache gebunden, allerdings entfällt gem. § 257c Abs. 4 S. 1 StPO die Bindung an eine Verständigung dann, „wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist“. Dies ist bspw. in Konstellationen denkbar, in denen das Gericht wegen schwerwiegender neuer Erkenntnisse von seiner Zusage abweichen möchte. Auch ein Verhalten des Angeklagten im Prozess, das mit dem der Verständigung zugrunde gelegten nicht übereinstimmt, kann gem. § 257c Abs. 4 S. 2 StPO die Bindung an die Absprache entfallen lassen.

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Während der Gesetzesentwurf des Bundesrates zur Regelung von Absprachen im Strafverfahren[71] für diese Fälle in § 243a Abs. 6 S. 3 StPO die Verwertbarkeit eines einmal gemachten Geständnisses vorsah, hat in § 257c Abs. 4 S. 3 StPO ein Verwertungsverbot für das im Rahmen der Absprache getätigte Geständnis Eingang gefunden,[72] so dass sich zumindest die Frage der unmittelbaren Verwertung des Geständnisses nicht mehr stellt. Das Verwertungsverbot soll laut OLG Düsseldorf auch für die nächste Instanz gelten.[73]

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Ungeklärt bleibt allerdings die Frage der Verwertbarkeit von Ergebnissen aus Folgeermittlungen, ob dem Beweisverwertungsverbot also darüber hinaus eine Fernwirkung zukommt und damit etwaige aufgrund des Geständnisses ermittelte weitere Beweise ebenfalls unverwertbar sind. Da nach wohl überwiegender Meinung ein derartiges Fernwirkungsverbot dem deutschen Strafverfahrensrecht grds. fremd ist,[74] wird ein solches auch nicht für ein nach § 257c Abs. 4 S. 3 StPO unverwertbares Geständnis zu begründen sein.[75]

Teil 1 Grundfragen des Insolvenz- und Insolvenzstrafrechts › F. Verzahnung von Insolvenzrecht und Insolvenzstrafrecht › III. Sicherung der Masse durch Außenstehende, Eingriffe in die Unternehmensorganisation

III. Sicherung der Masse durch Außenstehende, Eingriffe in die Unternehmensorganisation

1. Sicherung der Masse durch Außenstehende

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In der Praxis sehen in Schieflage geratene Unternehmen häufig den vermeintlich einzigen Ausweg in der Bestellung von (teilweise dubiosen) Unternehmensberatern, Steuerberatern oder Rechtsanwälten. Diese werden als externe „Sanierer“ mit der Sicherung der Masse beauftragt. Ihnen stehen dazu verschiedene Instrumentarien zur Verfügung. Sie können bspw. auf vorhandene Gläubiger einwirken und sie zur Bildung einer irgendwie gearteten Gläubigervereinigung bewegen. Oftmals schließen sich einzelne Gläubiger zur Verbesserung der eigenen Position aber auch selbstständig zusammen. Es entstehen Gläubigerpools, Gläubigerfonds, Auffang-, Sanierungs- oder Betriebsübernahmegesellschaften. Auf diese Konstrukte gilt es aus strafrechtlicher wie aus insolvenzrechtlicher Sicht ein besonderes Augenmerk zu legen.[76]

a) Bildung eines Gläubigerpools[77]

aa) Vom Poolvertrag im Allgemeinen und dem Sicherungspool im Besonderen

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Im Wirtschaftsleben wird man häufig mit dem Begriff des „Pools“ konfrontiert (s. auch Rn. 1252 ff.). In der angloamerikanischen Rechtssprache bezeichnet dies eine vorübergehende vertragliche Personen- oder Unternehmensvereinigung, deren Vertragsbeteiligte die gemeinschaftlich koordinierte Wahrnehmung und Durchsetzung ihrer gleichartigen Rechtspositionen verfolgen. Von einem solchen Vorgehen versprechen sich die Poolmitglieder Vorteile gegenüber einer isoliert und individuell operierenden Rechtswahrnehmung und -durchsetzung. Ein „Pool“ charakterisiert und motiviert sich demzufolge gleichermaßen durch die Gleichgerichtetheit der Interessen unterschiedlicher Mitglieder.[78] Je nach Zielsetzung treten Poolverträge im Rechtsverkehr in unterschiedlichen Erscheinungsformen auf.

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In „Sicherheitenpools“ (Rn. 1252) können sich etwa mehrere Gläubiger eines Schuldners vertraglich über eine gemeinsame Besicherung einigen und zusammenschließen.[79] Insbesondere nach ihrer Zielrichtung[80] lassen sich solche Sicherheitenpools in Finanzierungs- und Sicherungspools unterscheiden. Bei außergewöhnlich hohem Kreditbedarf eines Unternehmens schließen sich Banken nicht selten zur gemeinschaftlichen Kreditvergabe krisenunabhängig zu einem Finanzierungspool zusammen.[81] Dagegen sind aus einer Krise geborene Sicherungspools von der Bereitstellung individueller Kreditlinien unabhängig und können als Sanierungs- und/oder als Verwertungspool auftreten. Während Letzterer die Interessen von Geld- und Warenkreditgebern bündelt, schließen sich in Sanierungs- oder Finanzierungspools ausschließlich Banken zusammen.[82]

bb) Der Bankenpool

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Bei Schuldnern in wirtschaftlicher Schieflage kommt dem krisengeborenen Sicherheitenpool in der Form des Bankenpools erhebliche praktische Bedeutung zu.

(1) Grundlagen

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Möchten mehrere Banken in einem festgelegten Umfang an denselben Sicherheiten partizipieren, so können sie formfrei[83] einen (zusammengesetzten) Bankenpoolvertrag abschließen.[84] Da sich sein Anwendungsbereich auf risikobehaftete Kreditengagements mit Großkunden beschränkt, gehört ein Bankenpool nicht zum Massengeschäft eines Kreditinstituts.[85]

Die in einem Sicherheitenpool zusammengeschlossenen Banken bilden eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) nach § 705 BGB.[86] Abweichend von der bei Einzelsicherheiten divergierenden Gestaltung besteht das wesentliche Merkmal solcher Sicherheiten-Poolverträge darin, dass die in den jeweiligen Sicherungsverträgen vereinbarte Zweckbindung der Sicherheiten dahingehend erweitert wird, dass sie nun die Sicherung der Rechte sämtlicher am Pool beteiligter Kreditinstitute umfasst. Der gemeinsam verfolgte Zweck muss innerhalb eines Pools allerdings nicht identisch sein.

Mit Abschluss des Bankenpoolvertrages stehen bei wirtschaftlicher Betrachtung die gepoolten Sicherheiten somit einer Gruppe von Gläubigern zur anteiligen Befriedigung zur Verfügung. Befindet sich der Kreditnehmer in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation (Krise), so liegt der Zweck der Poolbildung für die Gläubiger in der gemeinschaftlichen Sanierung (Sanierungspool) oder Verwertung (Verwertungspool) des in wirtschaftliche Schieflage geratenen Unternehmens.

(2) Der krisengeborene Sanierungspool

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Das Ziel eines solchen Poolvertrages kann zunächst einmal auf die Sanierung des Schuldnerunternehmens gerichtet sein, wenn ein solcher Versuch nicht von vornherein aussichtslos erscheint und sich die wesentlichen Kreditgeber in ihrem Sanierungswillen einig sind. Schätzen Banken eine Lage in der Praxis als riskant ein, sind sie nur dann zu einem einvernehmlichen Vorgehen bereit, wenn keines der Gläubigerinstitute eigenständig die Verwertung überlassener Gegenstände vorantreibt, um sich damit einen Vorteil zu verschaffen.[87] Wäre die Ablösung einzelner Kreditgeber durch Übernahme von deren Kreditengagements erforderlich, so stieße die Kompromiss- und Sanierungsbereitschaft der Banken ebenfalls schnell an Grenzen. Reduzieren sich die Erfolg versprechenden Möglichkeiten somit auf ein gemeinschaftliches Vorgehen sämtlicher wesentlichen Gläubigerbanken, so besteht eine vordergründige Aufgabe des Sanierungspools in der Koordination des Verhaltens sämtlicher Beteiligter, um die Fortführung und den Bestand des angeschlagenen Schuldners gemeinschaftlich zu sichern. Mit dem Bankenzusammenschluss soll der Alleingang eines einzelnen Gläubigers gezielt verhindert werden.

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Der Bankenpool stellt dabei ein Instrument zur freien Sanierung dar. Die Vorteile eines solchen Bankenpoolsanierungsverfahrens ergeben sich kontradiktorisch aus den Nachteilen des Insolvenzverfahrens bzw. der unkontrollierten Individualdurchsetzung eigener Sicherheiten einzelner Gläubiger. So ist die Insolvenzquote nicht bevorrechtigter Gläubiger seit Jahren gering. Mit Liquidation des Schuldnervermögens verfällt der Wert der geleisteten Sicherheiten. Sie sind nicht mehr mit dem Fortführungswert, sondern mit dem niedrigeren Zerschlagungswert anzusetzen. Ist ein Insolvenzverfahren abgeschlossen, so haben die Banken nicht selten Forderungsausfälle über einzelwertberechtigte oder abgeschriebene Forderungen zu bilanzieren. Einen ertragreichen Kunden verliert die Bank in jedem Fall. Für die Volkswirtschaft bedeutet die Insolvenz die Zerschlagung meist „überlebensfähiger“ Unternehmen, den Verlust von Arbeitsplätzen und die Verringerung von Steuereinnahmen. Bei einer Durchsetzung der oft vielfältigen Individualsicherheiten wären diese Konsequenzen kaum zu verhindern. Durch die gemeinsame Initiative der Gläubiger noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens können regelmäßig sowohl die Zerschlagung als auch die damit einhergehende Entwertung des Schuldnerunternehmens verhindert werden.

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Oftmals kann durch einen Pool die Produktion zumindest in Teilbereichen aufrechterhalten werden. Dies wertet nicht nur das Umlaufvermögen auf, sondern sichert auch Arbeitsplätze[88] und schont damit zugleich den Fiskus wie auch den Sozialstaat. Durch eine frühe Poolbildung erwachsen dem Unternehmen zusätzliche wirtschaftliche Möglichkeiten. So kann seine Bonität durch das vorübergehende Einräumen einer weiteren Kreditlinie[89] oder durch die Stellung einer Garantie erhöht werden. Aus dem diskreten Vorgehen einer freien Sanierung durch die Gläubigerbanken ergeben sich weitere Vorteile für das schuldnerische Unternehmen, die sich auch positiv auf den Sanierungserfolg auswirken können. Zu denken ist trotz seiner Einbußen an das durch das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Kunde und Bank manifestierte Bankgeheimnis, das die Offenlegung der Bildung eines Bankenpools in der Praxis oftmals verhindert. In der Regel verfügen ohnehin nur Banken über die erforderlichen finanziellen Mittel, um eine Sanierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens durchzuführen. Schließlich lässt sich unter einer ausgewählten Gruppe von Gläubigerbanken[90] leichter eine Einigung erzielen, als wenn eine solche unter allen berechtigten Klein- wie Großgläubigern erzielt werden müsste.

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Die freie Sanierung durch einen Bankenpool bietet jedoch auch Risiken und Nachteile. So kann sich die Schuldenlast des Unternehmens durch die erneute Kreditvergabe weiter erhöhen, wenn letztere nicht zum merklichen Abbau bereits vorhandener Verbindlichkeiten – etwa im Rahmen einer finanziell sinnvollen Umschuldung – genutzt werden kann. Zum Schutz alter wie neuer Gläubiger ist festzuhalten, dass durch die Poolbildung eine Insolvenz nicht künstlich aufgeschoben werden darf.[91] Ansonsten droht den beteiligten Verantwortlichen eine Strafverfolgung wegen Insolvenzverschleppung bzw. wegen einer diesbezüglichen Beihilfe. Abgrenzungsschwierigkeiten und Graubereiche sowohl für die Strafverfolgungsorgane als auch für die Strafverteidigung sind hierbei durch die Vielzahl von erst durch Auslegung ermittelbaren Merkmalen und Erfordernissen zur Feststellung der Insolvenzreife eines Unternehmens jedoch vorprogrammiert. Die Liquidation eines insolventen Unternehmens bringt gesamtwirtschaftlich den Vorteil mit sich, dass Produktionsfaktoren wie Arbeit und Kapital in gesunden Betrieben besser und produktiver verwendet werden können als in erfolglosen Unternehmen.[92] Dieser Erkenntnis kann und darf sich auch ein Gläubiger-/Bankenpool nicht entziehen.

Als Resümee kann festgehalten werden, dass auf Grund der geschilderten Vorteile nichts Generelles gegen eine freie Sanierung spricht, im Einzelfall jedoch eine missbräuchliche Verwendung dieses Instrumentariums droht.[93]

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