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2. Sozialamt und Sozialversicherungsträger als Gläubiger eines Schuldners

a) Sozialamt und Sozialversicherungsträger als Gläubiger eines Schuldners in der Insolvenz

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Als Gläubiger eines insolventen Schuldners teilen das Sozialamt bzw. der Sozialversicherungsträger das gleiche Schicksal wie das Finanzamt. Die Möglichkeit der vorrangigen Geltendmachung von Forderungen im Insolvenzverfahren hat der Gesetzgeber abgeschafft. Diesbezüglich kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.[76] Besonderheiten ergeben sich jedoch im Vorfeld des Insolvenzverfahrens.

b) Das Sozialamt als Gläubiger eines Schuldners vor der Insolvenz

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Hat ein Schuldner auch beim Sozialamt Rückstände, scheitert die Durchführung eines Insolvenzverfahrens regelmäßig an der fehlenden Masse. Unter Berücksichtigung der Pfändungsfreigrenzen der §§ 811 ff., 850 ff. ZPO kommt oftmals nur eine Aussetzung des Verfahrens in Betracht, wenn nicht ausnahmsweise aufgrund einer freiwilligen Vereinbarung geringe Beträge geleistet werden können.

c) Der Sozialversicherungsträger als Gläubiger eines Schuldners vor der Insolvenz

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Gerät ein Unternehmen in wirtschaftliche Schieflage, so sinkt seine Bonität und seine finanzielle Flexibilität nimmt ab. Bestehenden Zahlungspflichten kann der Schuldner nicht mehr in ausreichendem Maße nachkommen. Eine solche Entwicklung tangiert auch den Sozialversicherungsträger des Schuldners. Regelmäßig werden in diesem Stadium der Krise die Beiträge der Arbeitnehmer zur Sozialversicherung trotz ihrer Fälligkeit[77] nicht mehr ordnungsgemäß abgeführt. Dem Schuldner droht eine Strafbarkeit nach § 266a StGB.[78] Die Pflicht zum Abführen von Sozialversicherungsbeiträgen wird durch ein Insolvenzverfahren nicht suspendiert.[79] Bei Taten nach § 266a StGB handelt es sich um Insolvenzdelikte im weiteren Sinne,[80] die in der Praxis eine große Rolle spielen.

Teil 1 Grundfragen des Insolvenz- und Insolvenzstrafrechts › E. Das Insolvenzverfahren › V. Stellung des Schuldners im Insolvenzverfahren

V. Stellung des Schuldners im Insolvenzverfahren

1. Verlust von Rechten

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Mit der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters kann dem bisherigen Schuldner gem. § 22 Abs. 1 S. 1 InsO ein Verfügungsverbot auferlegt werden. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen, gem. § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter über. Dem Schuldner werden bezüglich des insolventen Unternehmens die Zügel aus der Hand genommen. Ab diesem Zeitpunkt leitet der Insolvenzverwalter sämtliche Geschicke des in Schieflage geratenen Unternehmens. Bereits mit dem Eröffnungsbeschluss werden die Drittschuldner des insolventen Schuldners gem. § 28 Abs. 3 InsO aufgefordert, in Zukunft nicht mehr an den Schuldner, sondern nur noch an den Insolvenzverwalter zu leisten. Dies trifft den insolventen Schuldner mit Blick auf seine Bonität und finanzielle Flexibilität erheblich, insbesondere wenn das Unternehmen über hohe Außenstände verfügt, die er nicht mehr beitreiben kann.

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Darüber hinaus trifft den insolventen Schuldner die Postsperre des § 99 InsO. Je nach Beschluss des Insolvenzgerichts sind bestimmte oder alle Postsendungen des Schuldners an den Insolvenzverwalter umzuleiten, soweit dies erforderlich erscheint, um für den Gläubiger nachteiligen Rechtshandlungen von Seiten des Schuldners vorzubeugen oder nachteilige Rechtshandlungen aufzuklären.[81] Der Schuldner ist vor einer solchen Anordnung anzuhören, wenn dies den Grund der Anordnung nicht gefährdet. Im Beschluss ist darauf entsprechend hinzuweisen. Gemäß § 99 Abs. 2 S. 1 InsO ist der Insolvenzverwalter zum Öffnen der Post berechtigt. Insolvenzfremde Sendungen hat er an den Schuldner weiterzuleiten, die übrigen Sendungen kann der Schuldner einsehen. Gegen die Anordnung der Postsperre steht dem Schuldner gem. § 99 Abs. 3 InsO die sofortige Beschwerde zur Verfügung. Eine Verfassungsbeschwerde mit der Begründung, § 99 InsO verstoße gegen das Post- und Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 GG, erscheint wenig erfolgversprechend.[82] Der Gesetzgeber hat die Problematik erkannt und ist in § 102 InsO darauf eingegangen. Damit ist zugleich dem Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG Genüge getan.

2. Auferlegung von Pflichten

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Ein eingeleitetes Insolvenzverfahren verringert nicht nur den Rechtskreis des Schuldners, sondern erweitert auch seinen Pflichtenkreis. Fortan trifft den Schuldner eine Reihe von Verpflichtungen, deren Einhaltung eine geordnete Abwicklung der Insolvenz zum Schutz der Gläubiger ermöglichen soll. Sie dienen primär der Haftungsverwirklichung und ersetzen diejenigen Pflichten, die außerhalb des Insolvenzverfahrens gegenüber einzelnen Gläubigern bestehen.[83]

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Besonders hervorzuheben sind die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten im Sinne des § 97 InsO.[84] Zu ihrer Erfüllung hat sich der Schuldner gem. § 97 Abs. 3 InsO auf gerichtliche Anordnung aktiv jederzeit zur Verfügung zu stellen (Satz 1) und passiv sämtliche Handlungen zu unterlassen, die ihrer Einhaltung zuwiderlaufen (Satz 2). Da § 97 InsO keine zeitlichen Grenzen vorsieht, bestehen diese Verpflichtungen für die gesamte Dauer des Verfahrens,[85] von der Zulassung des Insolvenzantrags im Eröffnungsverfahren[86] bis zur Aufhebung des Verfahrens[87] bzw. bis zur Einstellung desselbigen[88]. Dies gilt nicht für das Restschuldbefreiungsverfahren, dessen sechsjährige Wohlverhaltensfrist bereits mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu laufen beginnt.[89]

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Zur Durchsetzung der genannten Pflichten stehen dem Insolvenzgericht gem. § 98 InsO verschiedene Instrumentarien zur Verfügung. So kann das Gericht gem. § 98 Abs. 1 S. 1 InsO eine Versicherung des Schuldners an Eides statt zu Protokoll anordnen, wenn dies zur Herbeiführung einer wahrheitsgemäßen Aussage erforderlich erscheint[90], oder den Schuldner unter den in Absatz 2 genannten Voraussetzungen zwangsweise vorführen und nach Anhörung in Haft nehmen lassen.[91] Letzteres ermöglicht der Gesetzgeber der Justiz, wenn der Schuldner eine Auskunft, die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung oder generell die Mitwirkung bei der Erfüllung der Aufgaben des Insolvenzverwalters verweigert (§ 98 Abs. 2 Nr. 1 InsO) bzw. sich der Erfüllung seiner Auskunfts- und Mitwirkungspflichten insbesondere durch Flucht zu entziehen versucht (§ 98 Abs. 2 Nr. 2 InsO). Schließlich besteht auch die Möglichkeit der präventiven Vorführung und Inhaftierung, wenn dies zur Sicherung der Insolvenzmasse erforderlich ist, weil der Schuldner dadurch von Handlungen abgehalten wird, die der Einhaltung der genannten Pflichten zuwiderlaufen (§ 98 Abs. 2 Nr. 3 InsO).[92] Gegen die Inhaftierung ist gem. § 98 Abs. 3 S. 3 InsO die sofortige Beschwerde statthaft.

a) Auskunftspflichten des Schuldners

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Die Insolvenzordnung sieht in verschiedenen Verfahrensabschnitten Auskunftspflichten des Schuldners vor, die gegenüber unterschiedlichen Auskunftsberechtigten bestehen. Im Eröffnungsverfahren besteht die Auskunftspflicht gem. § 20 Abs. 1 S. 1 InsO gegenüber dem Insolvenzgericht und gem. § 22 Abs. 3 S. 3 InsO gegenüber dem vorläufigen Insolvenzverwalter. In beiden Fällen gilt § 97 InsO entsprechend. Im eröffneten Verfahren ist der Schuldner gem. § 97 InsO verpflichtet, dem Insolvenzgericht, dem Insolvenzverwalter, dem Gläubigerausschuss[93] und auf Anordnung des Gerichts auch der Gläubigerversammlung[94] über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft zu geben (§ 97 Abs. 1 S. 1 AO).[95] Dabei hat der Schuldner auch Tatsachen zu offenbaren, die dazu geeignet sind, eine Verfolgung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit herbeizuführen (§ 97 Abs. 1 S. 2 AO).[96] Diese Verpflichtung trifft den Schuldner direkt und unmittelbar, wobei nicht nur der Schuldner persönlich verpflichtet wird, sondern über § 101 Abs. 1 S. 1 InsO auch vorhandene Mitglieder eines Vertretungs- oder Aufsichtsorgans und vertretungsberechtigte persönlich haftende Gesellschafter. Dass auch bis zu zwei Jahre vor Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus einer der vorgenannten Positionen ausgeschiedene Personen erfasst werden (§ 101 Abs. 1 S. 2 InsO), dient der Verhinderung eines ansonsten durch Amtsniederlegung möglichen Missbrauchs. Eine überflüssige Belastung ehemaliger organschaftlicher Mitglieder soll jedoch verhindert werden.[97] Zu beachten ist außerdem, dass nach der wohl herrschenden Meinung auch einen faktischen Geschäftsführer die Pflichten nach § 97 InsO treffen können.[98]

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Der Schuldner hat die Auskunft persönlich und mündlich zu erteilen, wenn ihm nicht im Einzelfall eine schriftliche Erstattung genehmigt wurde.[99] Ein Recht auf schriftliche Auskunftserteilung oder Erteilung über einen Rechtsanwalt besteht nicht. Zumutbarkeitserwägungen bleiben grds. unberücksichtigt. Gemäß § 97 Abs. 1 S. 1 InsO sind Gegenstand der Auskunft alle das Insolvenzverfahren betreffenden Verhältnisse, wobei dieser Begriff weit auszulegen ist und sämtliche Vorgänge erfasst, die in irgendeinem Bezug zum Insolvenzverfahren stehen.[100] Dies können auch vorbereitende Arbeiten sein, soweit sie für eine sachdienliche Information des Verwalters notwendig sind. Hingegen fallen persönliche Tatsachen, die weder in einem Bezug zum Insolvenzverfahren noch zur sonstigen vermögensrechtlichen Situation des Schuldners stehen, nicht unter die Auskunftspflicht.[101] Erfasst werden vielmehr das primär in die Insolvenzmasse fallende Vermögen des Schuldners i. S. v. § 35 InsO, Forderungen gegenüber Dritten, Aus- und Absonderungsrechte sowie solche Umstände, die eine Insolvenzanfechtung gem. der §§ 129 ff. InsO begründen können.[102]

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Die Auskunftspflicht erschöpft sich nicht in Sachverhalten vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sondern erstreckt sich auch auf Umstände, die erst nach Verfahrenseröffnung eingetreten sind. Selbst im Falle der Beschlagnahme von Geschäftsunterlagen durch die Staatsanwaltschaft ist der Schuldner weiterhin verpflichtet, im Rahmen seiner präsenten Kenntnisse Auskunft zu erteilen, und kann sich nicht mittels eines Verweises an die Staatsanwaltschaft seiner insolvenzrechtlichen Pflichten entziehen.[103]

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Eine Konkretisierung des verfassungsrechtlich garantierten Grundsatzes der Selbstbezichtigungsfreiheit[104] und des strafprozessualen Auskunftsverweigerungsrechts bezüglich naher Angehöriger findet sich in § 97 Abs. 1 S. 3 InsO.[105] Danach darf eine in Erfüllung der Pflicht aus § 97 Abs. 1 S. 1 InsO getroffene Auskunft in einem Straf- oder Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen den Schuldner selbst oder eine im Sinne von § 52 StPO schutzwürdige Person nur mit Zustimmung des Schuldners verwendet werden.[106] Darunter fallen aus Sicht des Schuldners seine Verlobte oder eine Person, der die Eingehung einer Lebenspartnerschaft versprochen hat, sein (geschiedener) Ehegatte, sein Lebenspartner (auch nach Auflösung der Partnerschaft) sowie schließlich eine (zumindest früher einmal) in gerader Linie mit ihm verwandte[107] oder verschwägerte[108], in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandte oder bis zum zweiten Grad verschwägerte Person. Teleologisch betrachtet dürfen auch solche Tatsachen nicht verwertet werden, zu denen die Auskunft den Weg gewiesen hat, es sei denn, die Tatsachen waren der Strafverfolgungsbehörde bereits bekannt.[109] Eine Auskunft des Schuldners darf ohne dessen Zustimmung auch nicht als Ermittlungsansatz dienen.

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Angesichts der nunmehr normierten Fernwirkung des Insolvenzgeheimnisses bekommt die Frage nach dessen inhaltlicher Reichweite im Einzelnen erhebliche Bedeutung. Insbesondere stellt sich die Frage, in welchen Fällen eine „Auskunft des Schuldners“ vorliegt. Dieser Begriff bezieht sich sowohl auf Angaben des Schuldners im Insolvenzverfahren als auch auf Angaben im Insolvenzeröffnungsverfahren nach §§ 20, 22 Abs. 3 InsO, da letztere Vorschriften auf §§ 97, 98 InsO Bezug nehmen. Nicht geschützt sind allerdings Angaben des Insolvenzverwalters, der Gläubiger, der Sachverständigen und sonstiger Dritter im Insolvenzverfahren oder auch außerhalb dieses Verfahrens, soweit sie nicht auf Auskünften des Schuldners beruhen. Tatsachen, die der Insolvenzverwalter selbst festgestellt hat, unterliegen deshalb nicht § 97 InsO. Bei Berichten des Insolvenzverwalters im Insolvenzverfahren oder gegenüber den Strafverfolgungsbehörden ist danach zu differenzieren, ob darin geschützte Angaben des Schuldners, die dieser im Insolvenzverfahren gemacht hat, mitgeteilt werden. Angaben des Schuldners außerhalb des Insolvenz- bzw. Insolvenzeröffnungsverfahrens, insbesondere solche gegenüber Gläubigern direkt, sowie Wiedergaben des Insolvenzverwalters über Schuldnerangaben vom Hörensagen sind nicht geschützt.[110]

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Besonderheiten ergeben sich, wenn ein Rechtsanwalt vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Mandat des späteren Insolvenzschuldners übernommen hat. Zunächst besteht kein Anspruch auf Auskunft gegenüber einem mit der Vertretung des Schuldners oder seiner organschaftlichen Vertretung betrauten Rechtsbeistand.[111] Zwar kann der Rechtsanwalt im Innenverhältnis zur Auskunft über den Schuldner verpflichtet sein, im Außenverhältnis zu den Auskunftsberechtigten ist jedoch stets der Schuldner persönlich verpflichtet. Davon sind im Einzelfall die insolvenzrechtliche Auskunftspflicht des Rechtsanwalts sowie seine Verpflichtung auf Grund des Anwaltsvertrags zu unterscheiden. Auch wenn das Mandatsverhältnis gem. den §§ 116 S. 1, 115 InsO durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beendet wird, fallen die daraus entstandenen Ansprüche des Schuldners künftig in die Insolvenzmasse und damit in die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters. Gemäß § 675 BGB finden die §§ 666, 667 BGB auf den Anwaltsdienstvertrag Anwendung, so dass der Rechtsanwalt die Handakten, den Schriftverkehr sowie sonstige Unterlagen aus dem Mandat des Schuldners an den Insolvenzverwalter herausgeben muss. Die Auskunfts- und Rechenschaftspflicht des Rechtsanwalts besteht selbst dann, wenn der eigentliche Herausgabeanspruch des Mandanten gem. § 667 BGB i. V. m. § 50 Abs. 3 S. 2 BRAO durch Erfüllung bereits erloschen ist. Eine Möglichkeit des Rechtsanwalts, sich auf seine Schweigepflicht zu berufen, kann nicht bejaht werden, da das Interesse des Insolvenzverwalters an einer optimalen Verwertung der Masse gem. § 97 Abs. 1 InsO das Geheimhaltungsinteresse des Schuldners überwiegt. Etwas anderes gilt für die Schweigepflicht des Notars, welche gem. § 18 Abs. 1 S. 2 1. Hs. BNotO erst entfällt, wenn alle Beteiligten den Notar seiner Schweigepflicht entheben.[112] Der Liquidator einer in der Abwicklung befindlichen Gesellschaft ist dagegen vollumfänglich auskunftspflichtig.

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Die Erteilung einer falschen Auskunft kann eine Strafbarkeit nach § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB mit sich bringen. Danach wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer bei Überschuldung oder bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit[113] Bestandteile seines Vermögens, die im Insolvenzfall mit Eröffnung des Verfahrens zur Insolvenzmasse im Sinne von § 35 InsO gehören würden, verheimlicht.[114] Erfasst wird jedes Verhalten, das einen Bestandteil der Insolvenzmasse der Kenntnis des Insolvenzverwalters oder der Gläubiger entzieht.[115] Dies kann unabhängig von etwaigen (erfolgreichen) Nachforschungen durch den Insolvenzverwalter sowohl durch positive Erteilung falscher Auskünfte als auch durch pflichtwidriges Unterlassen verwirklicht werden.[116] Ein Verheimlichen kann etwa in unrichtigen Angaben liegen, die einen geringeren Vermögensbestand als den tatsächlichen vortäuschen sollen. Bloßes Verschweigen reicht bereits dann aus, wenn eine entsprechende Aufklärungspflicht[117] besteht.[118] Die Schutzwirkung des § 97 Abs. 1 S. 3 InsO bezieht sich jedoch nicht auf die dem Schuldner gem. § 97 Abs. 2 InsO auferlegten aktiven Mitwirkungspflichten.

b) Mitwirkungspflichten des Schuldners

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Gemäß § 97 Abs. 2 InsO trifft den Schuldner sowohl im Eröffnungsverfahren[119] als auch im eröffneten Verfahren die generelle und vom Gesetzgeber bewusst weit formulierte Pflicht[120], den Insolvenzverwalter bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen. Diese Pflicht kann über § 98 InsO erzwungen werden. Der Schuldner ist dabei allerdings nicht zur ständigen Mitarbeit verpflichtet. Ihn trifft lediglich eine Pflicht zur punktuellen Mitwirkung bei einzelnen Abwicklungsmaßnahmen. Nur diese ist ihm als Nachwirkung zur früheren geschäftlichen Tätigkeit ohne Vergütung zuzumuten.[121] Von § 97 Abs. 2 InsO wird nur die allgemeine Mitwirkungspflicht[122] des Schuldners erfasst. Diese trifft auch sämtliche organschaftlichen Vertreter einer Insolvenzgesellschaft sowie alle vertretungsberechtigten persönlich haftenden Gesellschafter. Darauf, ob es sich lediglich um einen technischen Geschäftsführer oder um einen kaufmännischen Vorstand einer Gesellschaft handelt, kommt es nicht an.[123] Im Einzelfall können die Mitwirkungspflichten sehr weit gehen und auch die Erteilung einer Vollmacht für die Verwertung von im Ausland gelegenem Vermögen des Schuldnerunternehmens zum Gegenstand haben.[124]

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Problematisch ist die Honorierung der Mitwirkungspflicht[125], da der Schuldner wie sein Vertreter grds. dazu verpflichtet ist, dieser Verpflichtung auch ohne besondere Vergütung oder Ersatzansprüche hinsichtlich ihrer Auslagen nachzukommen.[126] Bei der Eigenverwaltung wird diese Mitwirkungspflicht jedoch zu einer echten Mitarbeitspflicht. Dort übernimmt der Insolvenzschuldner Aufgaben aus dem Kreis des Insolvenzverwalters und erhält nach § 278 Abs. 1 InsO das Recht, zur Lebensführung erforderliche Mittel aus der Insolvenzmasse zu entnehmen. In diesen Fällen ist mit dem Schuldner ein entsprechender Dienstvertrag abzuschließen und ihm eine angemessene Vergütung aus der Insolvenzmasse zu bezahlen. Schließlich hat seine Mitwirkungspflicht in einem solchen Regelinsolvenzverfahren bei der Verfahrensabwicklung das Ausmaß einer ständigen Mitarbeit erreicht, wodurch ihm eine anderweitige berufliche Vollzeittätigkeit nicht mehr möglich ist.

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Von der verfahrensrechtlichen Mitwirkungspflicht unterscheiden sich die Fälle, in denen der Schuldner als freiberuflich Tätiger[127] ein Interesse daran hat, seine Schulden im eröffneten Insolvenzverfahren abzuarbeiten und die Restschuldbefreiung zu erlangen. Der Insolvenzverwalter kann von sich aus eine freiberufliche Praxis des Schuldners meist nicht weiterführen. Im Einzelfall kann dem Schuldner allerdings die Möglichkeit eröffnet werden, seine Praxis trotz eröffneten Insolvenzverfahrens fortzuführen und an den Treuhänder Zahlungen zu leisten.[128] In diesen Fällen obliegt es gem. § 295 Abs. 2 InsO dem eine selbstständige Tätigkeit ausübenden Schuldner, durch Zahlungen an den Treuhänder den Insolvenzgläubiger so zu stellen, wie er stünde, wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre.

c) Sonstige Pflichten des Schuldners

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Im Einzelfall muss zwischen erzwingbaren verfahrensrechtlichen Mitwirkungspflichten und solchen Verpflichtungen unterschieden werden, die nur verfahrensrechtliche Sanktionen zur Folge haben.[129] Dabei ergeben sich aus der Pflichtenstellung des Schuldners weitere insolvenzspezifische Pflichten, etwa zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nach § 153 Abs. 2 InsO über die Richtigkeit der vom Insolvenzverwalter aufgestellten Vermögensübersicht.[130] Gemäß § 153 Abs. 2 S. 2 InsO sind die §§ 98, 101 Abs. 1 S. 1, 2 InsO entsprechend anwendbar. Hingegen existiert bezüglich der Erklärungspflicht nach den §§ 176, 177 InsO keine vergleichbare Regelung. Jedoch können über die §§ 97, 98 InsO die Pflichten des Schuldners, im Prüfungstermin anwesend zu sein und sich zu den streitigen Forderungen zu erklären, erzwungen werden.[131] Darüber hinaus können das persönliche Erscheinen und die Mitwirkung des Schuldners bzw. eines Vertreters in der Gläubigerversammlung gem. § 97 Abs. 3 S. 1 InsO angeordnet und über § 98 InsO durch den Einsatz von Zwangsmitteln erzwungen werden.[132]

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Im Gegensatz zur früheren Regelung des § 101 Abs. 1 KO handelt es sich bei der Anwesenheits- und Bereitschaftspflicht, jederzeit zur Verfügung zu stehen, nicht mehr um eine Residenzpflicht. Durch eine flexiblere und differenziertere Regelung in der Insolvenzordnung sollen unnötige Aufenthaltsbeschränkungen für den Schuldner vermieden werden. Dies gilt allerdings nicht uneingeschränkt. So sollen im Bedarfsfall der Schuldner wie seine Vertreter für die Erfüllung ihrer Auskunfts- und Mitwirkungspflichten auch dann zur Verfügung stehen, wenn sie sich außerhalb ihres Wohnsitzes oder ihres Gesellschaftssitzes aufhalten.[133] Dies hindert den Schuldner zwar nicht daran, anderenorts eine neue Anstellung (auch im Ausland) anzunehmen, jedoch muss er bei Bedarf auf eigene Kosten anreisen. Durch § 97 Abs. 3 S. 1 InsO hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass private Termine des Schuldners bzw. seiner Vertreter sowie anderweitige persönliche Verpflichtungen gegenüber den verfahrensrechtlichen Pflichten ausnahmslos zurückstehen müssen. Dies sollte der Schuldner stets bedenken.

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Gemäß § 97 Abs. 3 S. 2 InsO trifft den Schuldner(vertreter) zusätzlich die regelmäßig mit den aktiven Mitwirkungspflichten korrelierende Pflicht, alles zu unterlassen, was der Erfüllung der sich aus § 97 InsO ergebenden Pflichten zuwiderläuft. Es ist dem Schuldner weder die Vernichtung von Geschäftsunterlagen noch das Beiseiteschaffen von Vermögensgegenständen der Insolvenzmasse gestattet. Zudem hat der Schuldner alles zu unterlassen, was die Verwertung der Insolvenzmasse im Ausland erschwert.[134] Bei einer entsprechenden Zuwiderhandlung ist der Insolvenzverwalter berechtigt, von dem Schuldner bzw. von seinem Vertreter wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gem. § 826 BGB Schadenersatz zu verlangen.[135]

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Besonders gestaltet sich die Rechtslage auch bei nicht-erzwingbaren verfahrensrechtlichen Mitwirkungspflichten.[136] Hierbei handelt es sich um Obliegenheiten, an deren Nichterfüllung Sanktionen geknüpft sind. So haben bestimmte Beifügungsversäumnisse bei einem Antrag auf Restschuldbefreiung lediglich dessen Zurückweisung zur Folge. Das Gleiche gilt für die Vorlage eines nicht ordnungsgemäßen Insolvenzplanes; die Folge ist ebenfalls eine Zurückweisung durch das Gericht. Eine Stellungnahme zu einem vonseiten des Insolvenzverwalters vorgelegten Insolvenzplan im Sinne von § 232 InsO kann das Gericht vom Schuldner ebenso wenig erzwingen wie eine ordnungsgemäße Verfahrensabwicklung im Rahmen der Eigenverwaltung. Im letzteren Fall droht allenfalls die Aufhebung der Anordnung der Eigenverwaltung. Das Verbraucherinsolvenzverfahren gem. der §§ 304 ff. InsO zeichnet sich auch dadurch aus, dass bestimmte Mitwirkungspflichten mit Sanktionen oder mit einer Fiktion (vgl. § 305 Abs. 3 S. 1 InsO: der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gilt als zurückgenommen) ausgestattet sind.

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